Volltext Seite (XML)
6 KULTOUR 6. Mai 1991 UZ/18 Wolfgang Wagner (li.), Direktor der Moritzbastei, und Frankfurts Stadtbaudezer nent Herr Protzmann während des Empfangs am 11. April In seiner Heimatstadt sicher ein Original - Cornelius „Conny“ Scheffler am Pia no in der Barbakane Kate Westbrook und Chris Biscoe vor einem interessierten Jazzpublikum Erntete die meisten Lacher: Erzkomödiantin Cornelia Niemann füllte die Bühne (mit Kabarett); „Weltmusik“alische Stimmung (Foto unten) Frankfurt KulTOUR Retro ILIc"- $8 38 i 383 ggga g , : 1.800850180828683 n- Mit einem beachtlichen Aufgebot und Aufwand, aber ohne das bis zum Überdruß strapazierte „missionarische Sendungs bewußtsein“ anderer Wessis kamen die Frankfurter Künstler nach Leipzig und boten durchweg Erst-(Welt)klassiges. Brotfabrik und Mousonturm stellten ein vielseitiges Programm zusammen, das - so man wollte - jeden Geschmack bediente. Alles in allem waren die Tonnen und Nischen der mb gut gefüllt, mb-typischer Massenandrang allerdings herrschte nicht. Waren die Gäste aus der großen Messestadt für die Gäste in der kleinen Messestadt eine Nummer zu groß? Die geistigen Väter der Tour waren angetreten, Gräben zuzuschütten, Vor urteile beiderseits abzubauen, über KulTOUR zuein ander zu finden. Ein hehrer An spruch, doch bes ser konnte die derzeitige Situa tion in Leip- zig/unter Studen ten während der Gastspieltage wohl nicht wider spiegelt werden: Die Theken waren frequentiert, das Thema Prosti tution zog mehr als die hohe heitere Kunst eines Jos Rinck, dem ob sei ner Klasse wirk lich ein voller Saal zu wünschen gewesen wäre. Doch wenn das Volk die Wahl hat... Madame?“ - Frauenkabarett für Frauen und Männer, seien diese alt oder jung, Single, Double oder im Trouble, streßgeschädigt oder schon Patient. Und trotz allem, was da so im Schieber ist, man konnte lachen, nicht bloß lächeln. Zum einen, da die Texte von Hilde Wackernhagen und Birgit Schubert (diese Namen müssen genannt werden) sprachlich brillant brisante Themen benennen, zum anderen, da die agierenden Damen Kabarettistinnen sind und sich, auch wenn’s schwerfällt, selber auf die Schippe nehmen können. Die Pointen sitzen megatief, reizen zum Überdenken, kaum zum Überschlafen, und so mann- ches, was zur Lehre gereicht. Gentle- womenlike, sehr angenehm. Tags drauf diskutierte man frei in kleiner Runde über die nicht freiwillig so freie Lage der Freien Theater. Frau Klara Kletzka vom Mousonturm gab sachkundig Auskunft, viele Hinweise und Ideen und disku tierten das, was machbar sein muß. In unserer Messestadt baut man in dieser Hinsicht fast auf freiem Grund, Boden den man nutzen sollte. e=-= =bastei REPORT JZ Möglicherweise war es zu früh für ein derartiges Unternehmen. Möglicherweise war die Ballung eine Überforderung des Publikums. Möglicherweise sieht es jenes aber auch ganz anders. Ganz sicher jedoch war es für die Anwesenden ein Gewinn, die Bekanntschaft mit den Frankfurtern geschlossen zu haben. Wie auch immer, ob nun das Wasser zu tief war oder nicht, die Künstler haben sich in jedem Fall unsere Aufmerksamkeit verdient. Dr. ELKE LEINHOSS Drei Damen vom Kabarett schlugen am Abend des 15.4. vor: „Macht die Welt zum Krankenhaus!“ Soweit sie es nicht schon ist, wäre solch ein Vorschlag zu überdenken, von wegen sozialer Gleich stellung, christlicher Nächstenliebe und sowas. Ja, diesen Vorschlag konnte man ernst nehmen. Und vielleicht meinen es die Damen auch so. Doch es war Kabarett und „das ist Leben, das ist Theater, und das ist Farce“. Und all zu ernst. Die drei Damen heißen Cornelia Niemann, Elisabeth Süßer und Annemarie Roelofs - ein Bühnensolistenensemble. Professionell hantierten sie mit Flügel, Posaune, Schieber und Worten. Sie zeigten Ausschnitte aus den Programmen „Aspirin-Feminin“ und „So allein. Ernste Kunst ist schwer zu persiflieren — Beethovens 9. Sinfonie auf dem Luftballon macht schaudern - oder aber man kann es. Jos Rinck kann, auf dem Klavier, auf der Flöte, und auf den Mund gefallen ist er ebenfalls nicht. Ob Konstantin Wecker, Richard Wagner, Claude Debussy, Hermann van Veen - ihnen bringt er die Flötentöne bei. Man staunt, man lacht, und man macht mit. Da ist Rhythmus im Blut, im ganzen Raume; da ist Spaß bei allem Ernst. Da waren dreißig Interessierte besser als dreihundert Ölgötzen. Aber wie das Leben eben so spielt, spült es oft viel an der Bühne vorbei. Schade, denn heitere Kunst ist selten, und wird sie geboten, sollte man dabei sein. Literaturgeschichten und -lexika verzeichnen den Namen Gertrude Stein allenfalls nebenbei als Bekannte Hemingways in seiner Pariser Zeit. Immerhin prägte diese Dame den Namen der „lost generation“. Daß ihr Werk nicht verloren gehe, fanden sich Künstler im Mousonturm und inszenierten „Mexiko. Ein Stück“. Ein Edel-Stein, der erstmals im Osten glänzte, als Abschluß einer interessanten und bedenkenswerten Kultour. All das gestaltet sich hoffentlich zu einem gewinnbringenden Wechselspiel für beide Seiten. HENNER KOTTE „Echte“ Brasilianer auf der Bühne: Mato Grosso Klara Kletzka diskutierte mit einigen Unermüdlichen das Thema „Freies Theater in Deutschland“ Virtuos Pan Jos Rinck - Wozu eine Flöte so alles dienen kann... Schalks im Frack: Das Frankfurter Kurorchester mit Beatles, Blues und Beetho- Fotos: GEHRMANN