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üaS aktuelle interviey „Wunder" dauern etwas länger: Nach 40 Jahren erstmals freie Wahlen Wem die Stunde schlägt... (UZ) FDGB, DSU, Nationale Alternative, PDS, Unabhängige Volkspartei, SPD, Deutsche Biertrin kerunion .. . Die Liste wäre noch lang. Wer aber kennt sich aus in die sem Kuddelmuddel? Wh- fragten im Innenhof der KMU: 1. Gehen Sie bei Ihrer Wahl nach Programmen oder Personen? 2. Wonach unterscheiden Sie die einzelnen Programme? 3. Gehen Sie überhaupt zur Wahl und warum? Holger Stepan, Student Medizin (22): 1) Sicherlich, Sympathien und Antipathien der Leute, die zur Aus wahl stehen, spielen da schon mit rein. Also, wenn ich solche Herren höre und sehe wie Ebeling und Kon sorten, das kannste wohl vergessen. Der eigentliche Grund, warum ich nun wirklich links wähle, ist der, daß man in dieser ganzen Deutsch-, land-einig-Vaterland-Euphorie paar Sachen einfach vergißt. Nämlich: Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Das will keiner wis sen. Ganz nach dem Motto: Der Re gen von gestern macht uns nicht naß, und das ist eine Sache, wo ich nicht so mitkann. Und wenn jetzt so Sprüche geklopft werden wie ,Am deutschen Unternehmergeist wird Europa genesen’, das hatten wir schon mal irgendwann. Das klingt wie ,Am deutschen Wesen wird die Welt genesen.’ Die machen es sich ein bißchen einfach. Deswegen: links! 2) Erstmal ist es so, daß ich die ganzen Programme gär nicht so bis ins Detail kenne, weil ich echt nicht die Zeit habe, jeden Schriebs zu le sen, der irgendwo hängt. Was ich ab lehne, das sind so die ganz Radika len, die sind nicht so richtig gesell schaftsfähig, wie die Nelken oder so- was. Das Hauptkriterium für mich ist, daß eben in solchen Sachen wie der Allianz für Deutschland das Volk zu kurz kommt. 3) ... Beate Paschke, Studentin Sorbi- stik (20): 1) Ich würde sagen: Das ist eine Mischung aus beidem. Ich schau mir die Leute an, höre mir an, was sie sagen, worüber sie reden, wie sie handeln. Und natürlich schaue ich mir auch die Programme an. Ob wohl, da kann viel drinstehen! 2) Das ist schwierig, find ich. Wenn man sich die Programme/ an guckt, das ist doch überall irgend wie Friede, Freude, Eierkuchen. Was Negatives fällt da nicht groß auf; und ich denke, deshalb ist die Wahl besonders schwer. Aber wenn ich sehe, wie verschiedene Parteien bei ihren Demos oder Kund gebungen auftreten, dann sag ich mir: die nicht, z. B. die DSU, die leime ich absolut ab. Die SPD finde ich nicht schlecht, aber die legt sich nicht so richtig fest... Ich bin sor bischer Nationalität, und deshalb gehe ich ganz klar davon aus, wel che Partei meine Interessen als Mit glied einer nationalen Minderheit in der DDR noch vertritt. 3) Ja, denn wir sind ja alle keine Hellseher. Niemand weiß ja ganz genau, wie’s kommt, wie dieses ver einigte Deutschland irgendwann mal aussehen wird, wie die Regie rungen sein sollen. Warum soll eigentlich nur alles' von der BRD ausgehen? Ich meine, wie kommen die Leute drauf ? Okay, viele denken so. Ich nicht! Hans Schickmann, Hausmeister NSG (53): 1) Ich würde sagen, ich lege mich da nicht so auf die Leute fest, son dern auf Programme. 2) Jeder verspricht viel. Was nutzt mir denn, wenn ich eine Par tei wähle, die heute das verspricht und es nach dem 18. nicht halten kann? Wo gibt’s die Garantien? Können Sie mir das sagen?... Ich bin da eher für Bewegungen. Denn Parteien stehen doch fest, aber Bewegungen können sich noch pro filieren. Die haben Zukunft. Ich denk’ da an den Demokratischen Aufbruch. 3) Ja, ich gehe zur Wahl, weil ich möchte, daß die Parteien die Mög lichkeit haben, sich aufzubauen, sich zu reformieren. Peter Geyler, Gärtnergehilfe (34): 1) Also, ich halte das Programm für entscheidender, denn Menschen sind auswechselbar. Eine Partei ist doch nicht an eine Person gebun den! 2) Durchsehen tu’ ich da nicht. Die meisten Parteien versprechen dasselbe: soziale Marktwirtschaft, Ökologie, Währungsunion. Ich möchte die SPD wählen, weil die So zialdemokratie eine große Tradition hat. Und beim. Vereinigungspartei tag damals, da war ja auch die SPD in der Mehrheit. 3) Ich gehe unbedingt deshalb zur Wahl, weil: Wer nicht wählt, der schwächt die Opposition! Herma Dobmaier, Abteilungslei terin Raumplanung (50): 1) Sicherlich, wenn man’s ober flächlich betrachtet, wird’s wohl so sein, daß die Sympathien ’ne Rolle spielen. Aber davor sollte man sich hüten. 2) Eigentlich, find ich, ist die Wahl zu kurzfristig angesetzt. Also, ich fand ja schon Mai sehr kurz. Das geht doch nicht! Die neuen Leute und Parteien... Ich habe noch keine endgültige Meinung. 3) Ja, weil ich der Meinung bin: Wenn ich nicht zur Wahl gehe, dann überlasse ich ja eigentlich al les dem Selbstlauf. Wenn das alle so machen würden!... Das ist ein Un ding. Das halte ich nun für. das Fal scheste, was man machen kann.' Jürgen Petzold, Maler (34): 1) Mehr Programme! 2) Bis jetzt hab ich mich damit noch nicht so befaßt. Zu wenig Ma terial ist da, wonach man sich rich ten kann. 3) Ja, ist mal was anderes. Das ist mall’nes andere -Wahl als sonst. Dr. Manfred Dornig, Hochschul pädagoge (48): 1) Also, entscheidend ist das Pro gramm, aber nicht unwesentlich . auch die Person. ,2).Ich bin. PDS-Wähler. Da ist die programmatische Aussage ent scheidend, weil ich der alten Partei angehörte. Für mich.war also wich tig, ob sich Erneuerung im Pro gramm widerspiegelt. Aber die selbe Geschichte ist auch für die Person entscheidend. Und Men schen wie Modrow und Gysi sind für . mich wichtig im Unterschied zur alten Garde! 3). Ja, um einen ganz bestimmten ■Weg zur Vereinigung zu gehen und mitzubestimmen. Einen, der die Sou-, veränität der DDR nicht sehr stark beeinträchtigt und die sozialen Er rungenschaften bei aller Beseiti gung stalinistischer Strukturen nicht beschädigt. Gedanken zur Manch Historiker mag gequält lächeln, aber wissen Ottilie und Otto Normalverbraucher, was am 6. November 1932 geschah? Damals fanden in den deutschen Landen die letzten freien, de mokratischen Wahlen (jedenfalls was man heutzutage und hier zulande darunter zu verstehen glaubt) statt — zum Reichstag. An jenem Tag sorgten auch nicht wenige der ach so gemütli chen Sachsen dafür, daß es in Deutschland mehr als nur un gemütlich wurde. Unbedachte Stimmabgabe führte zum jahr zehntelangen Verstummen, ja zum Verröcheln der Demokratie. Geschichte wiederholt sich nie mals so primitiv, ich weiß. Ein Polit-Kretin ä la Hitler ist hier nicht auszumachen. Es heißt jetzt allenthalben: Wir wurden über 40 Jahre belogen und be trogen. Sicher, da ist allzu vieles dran. Doch heißt das nicht auch: Wir haben uns belügen und be trügen lassen?! Ist da nicht aller äußerste Vorsicht gegenüber jed weder Demagogie angesagt? Der DDR.-Bürger hat nach dem 89er Herbst erstmals die Gelegenheit (und die Pflicht!), Demokratie zu lernen. Sind wir in dieser kurzen Zeit schon aus dem Abc- Schützendasein heraus? Am 18. März erhalten wir ein erstes Zeugnis. Das „Lehrmaterial“ in Form knallbunter Wahlplakate wirft Woche etliche Fragen auf. (Nebenbei: Was mag das kosten, wer zahlt die Rechnung? Bislang hat wohl nur eine Partei ihre Wahlkampf kosten offenbart — ausgerechnet die „Neue“ mit dem kleinen Mann samt großem Mut an der Spitze und dem schlimmen alten Erbe, das sie nicht leugnen kann und will.) Meine Fragen zielen mehr auf Inhalte. „Umkehr in die Zukunft“. — Was ist gemeint? Da es die verfälschten Ideale des Roten Sterns kaum sein dürften, bleibt da nur die glitzernd ver führerische Konsumwelt unterm gleißenden Mercedes-Stern? „Freiheit statt' Sozialismus“ — tut mir leid, da ich so alt wie die DDR bin, kann mir keiner ver übeln, nicht so recht zu wissen, was Freiheit ist, und auch der So zialismus begegnete mir zu oft nur in entarteter Form. Trotz dem melde ich Zweifel an, daß eine fast total mißglückte Praxis absolut gültige Rückschlüsse auf die Qualität einer Theorie er laubt. Demokratie erlernt sich nicht wie das Einmaleins — da werden wir zeitlebens Schüler bleiben. Das aber fordert ständi ges Fragen, ob denn die oft for melhaften Lehrsätze der Realität entsprechen. Loben wir den Zweifel! Ganz ohne Zweifel ist eines — auch nach dem 18. März wird es in diesem Lernprozeß keine Ferien geben... HELMUT ROSAN KMU-Weiterbildung für Juristen im Bürgerlichen Recht (UZ-Korr.) Einen Grundkurs Bür gerliches Recht bietet die Sektion Rechtswissenschaften praktisch täti gen Juristen zur Weiterbildung an. Das Kursprogramm enthält die The men: Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Allgemeiner • Teil, BGB Schuldrecht Allgemeiner Teil und Besonderer Teil/Kaufrecht I, 11/ Werkvertragsrecht/Unerlaubte Hand lungen, BGB Sachenrecht Teil I und II, BGB Liegenschaftsrecht und BGB Erbrecht I, II. Damit werden Rechtsfragen be handelt, die für die Juristen der DDR zunehmend Bedeutung erhal ten, neue Anforderungen an ihr be rufliches Können stellen. Geplant sind 13 Veranstaltungen, die vom 4. März bis zum 27. Mai wöchentlich, jeweils am Mittwoch, 17.00 bis 18.30 Uhr, im Hörsaal 17 der KMU von namhaften Wissen schaftlern, den Fachleuten auf die sem Gebiet, durchgeführt werden. Interessierte Juristen, die an die sem Kurs teilnehmen möchten, kön nen ihre Bewerbung an Dr. sc. H. Krüger, Stellvertreter des Direktors für Bildung der Sektion Rechtswis senschaften der KMU, Karl-Marx- Platz 9, Leipzig, 7010, richten. Die Teilnehmergebühr beträgt 250 Mark. Der Friedensrat sucht Mitglieder und Freunde (UZ-Korr.) Der seit dem 24. leoruar bestehende ..Deutsche Frie densrat in der DDR“ versteht sich als . eine demokratische, unabhän gige Vereinigung, die sich basis orientiert konsequent der Wahrung des inneren und äußeren Friedens verschrieben hat. Im Mittelpunkt der Tätigkeit ste- hen solche Problemkreise, wie die Schaffung einer europäischen und globalen Friedensordnung, die Ent militarisierung der internationalen Beziehungen, die Förderung der Völ kerverständigung, das Eintreten für soziale Gerechtigkeit, der umfas sende Erfahrungsaustausch mit Frie densbewegungen anderer Staaten, um nur einige zu nennen. Rektorenkonferenz konstituierte sich (UZ) Die Konstituierung der DDR-Rektorenkonferenz erfolgte am 1. März mit der Wahl des Präsi denten, der Vizepräsidenten sowie der Annahme eines Statuts. Als Prä sident wurde der Rektor der Ber liner Humboldt-Universität, Prof. D. Hass, gewählt; die Funktion von Vizepräsidenten haben inne: Prof. H. Hennig (KMU), Prof. F. Erfurt (TU Karl-Marx-Stadt) und Prof. K. Plötner (Wilhelm-Pieck-Universität Rostock). Hauptziele des Gremiums sind neue praxiswirksame Überle gungen zur Wissenschaftsentwick- lung und zur Tempoerhöhung der demokratischen Umgestaltung im Hochschulwesen der DDR. Prominente Im Ost-West-Dialog (UZ) Hochkarätige Prominenz aus Wirtschaft, Wissenschaft und Poli tik versammelte sich am 10. März im Hörsaal 19 zu einem Ost-West- Wirts^haftsdialog (Chancen für Un ternehmenskooperation), der vom Rektor und vom Vorstand der Nord deutschen Landesbank-Girozentrale Hannover-Braunschweig veranstal tet wurde. Angesagt hatten sich u. a. die niedersächsische Finanz ministerin Birgit Breuel, Dr. Bernd Thiemann, Vorstandsvorsitzender der NORD/LB, Hannover, Dr. Sy bille Goepel, stellv. Generaldirekto rin von Polygraph Leipzig, sowie der Präsident der Universität Braun schweig, Prof. Dr. Bernd Rebe. Dialogforen, Friedensfeste und -märsche, eine breit angelegte Infor- mations- und Öffentlichkeitsarbeit, die Mitarbeit in parlamentarischen Kontrollgremien und jedwede Form der gewaltfreien Willensbekundung sollen helfen, eine breite Öffentlich keit zu erreichen und in die aktive Tätigkeit des Friedensrates einzube- ziehen. Mitglied des Friedensrates kann jeder Bürger unseres Landes wer den (auch in der DDR lebende Aus länder), der die Satzung anerkennt. Jeder, der die Arbeit des Friedens rates unterstützen möchte, aber kein nominelles Mitglied des Frie densrates werden will, ’ kann einem zu bildenden Freundes- und För- derkreis beitreten.- Wer sich mit dem Deutschen Frie densrat in der DDR in Verbindung setzen möchte, kann dies über fol gende Adresse: Deutscher Friedens rat in der DDR, Invalidenstraße 120, Berlin, 1040. UZettel e5/ i ■ ' X , 14 Keine der führenden Nationen ist zur kulturellen Autarkie so ungeeignet wie die Deutschen. Aber das deutsche Genie wird unfruchtbar und sogar gefähr lich, sobald es sich isoliert. Das Land der europäischen Mitte muß empfangen, um hervorbrin gen zu können. Anregung und Aufsicht von außen sind diesem hochbegab ten,. aber. unausbalancierten .Volk durchaus unentbehrlich. KLAUS MANN Schließung bringt mehr gls Zahnschmerzen (UZ-Korr.) In einem Schreiben an die BGL des Bereiches Medizin ma chen die Mitarbeiter der Orthopä- disch-pleoptischen Abteilung der Klinik für Augenkrankheiten ihrem berechtigten Ärger Luft: ,, Mit Empörung hörten wir, daß unsere Betriebsambulanz, Abteilung Stomatologie, aufgelöst werden soll. Dagegen verwahren wir uns. Sämt liche Mitglieder unserer Abteilung sind seit 1975 dort in zahnärztlicher Behandlung. Wir waren und sind so wohl mit der Behandlung als auch mit der Freundlichkeit der Ärzte und der Schwestern sehr zufrieden. Durch die günstigen Sprechzeiten der Ambulanz konnten wir Arbeits ausfallzeiten verhindern. Aus die sem Grund ist es schon volkswirt schaftlich nicht vertretbar, diese Ab teilung zu schließen. Unseres Wissens hat die Betriebs- • ambulanz etwa 10 000 Patienten, die dann anderweitig in den 'Stadt bezirken versorgt werden müssen. Uns ist allen bekannt, daß Ärzte — insbesondere Zahnärzte — innerhalb der Stadt Leipzig rar sind. Deshalb bitten wir Sie, dafür Sorge zu tra gen daß die Betriebsambulanz, Ab teilung Stomatologie, allen Angehö rigen der KMU erhalten bleibt.“.