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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1990
- Erscheinungsdatum
- 1990
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-199000007
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19900000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19900000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
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- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 1990
-
- Ausgabe Nr. 1, 12.01.1990 1
- Ausgabe Nr. 2, 19.01.1999 1
- Ausgabe Nr. 3, 26.01.1990 1
- Ausgabe Nr. 4, 05.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 5, 12.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 6, 19.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 7, 26.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 8, 05.03.1990 1
- Ausgabe Nr. 9, 12.03.1990 1
- Ausgabe Nr. 10, 19.03.1990 1
- Ausgabe Nr. 11, 26.03.1990 1
- Ausgabe Nr. 12, 02.04.1990 1
- Ausgabe Nr. 13, 09.04.1990 1
- Ausgabe Nr. 14, 23.04.1990 1
- Ausgabe Nr. 15, 30.04.1990 1
- Ausgabe Nr. 16, 07.05.1990 1
- Ausgabe Nr. 17, 14.05.1990 1
- Ausgabe Nr. 18, 21.05.1990 1
- Ausgabe Nr. 19, 28.05.1990 1
- Ausgabe Nr. 20, 05.06.1990 1
- Ausgabe Nr. 21, 11.06.1990 1
- Ausgabe Nr. 22, 18.06.1990 1
- Ausgabe Nr. 23, 25.06.1990 1
- Ausgabe Nr. 24, 02.07.1990 1
- Ausgabe Nr. 25, 09.07.1990 1
- Ausgabe Nr. 26, 16.07.1990 1
- Ausgabe Nr. 27, 23.07.1990 1
- Ausgabe Nr. 28, 17.09.1990 1
- Ausgabe Nr. 29, 25.09.1990 1
- Ausgabe Nr. 30, 01.10.1990 1
- Ausgabe Nr. 31, 08.10.1990 1
- Ausgabe Nr. 32, 15.10.1990 1
- Ausgabe Nr. 33, 22.10.1990 1
- Ausgabe Nr. 34, 29.10.1990 1
- Ausgabe Nr. 35, 05.11.1990 1
- Ausgabe Nr. 36, 12.11.1990 1
- Ausgabe Nr. 37, 19.11.1990 1
- Ausgabe Nr. 38, 26.11.1990 1
- Ausgabe Nr. 39, 03.12.1990 1
- Ausgabe Nr. 40, 10.12.1990 1
- Ausgabe Nr. 41, 17.12.1990 1
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Notwendige Worte zum Konzil vom 30. November D ie letzte Beratung des Konzils wurde kurzfristig durch das Rektoratskollegium und ohne Konsultation mit seinen Sprechern ein berufen; für die Benachrichtigung in den Fakultäten und Fachbereichen blieben effektiv höchstens vier Tage. Ich verste he die von verschiedenen Seiten an mir geübte Kritik, ich hätte unter diesen Um ständen die Moderation ablehnen oder doch wenigstens einen schärferen Tadel wegen der Verfahrensweise aussprechen sollen. Trotz eigener erheblicher Bedenken übernahm ich nach kurzer Absprache mit Specktabilis Wartenberg und Absprache mit Frau Thomas die Leitung, weil ich: das prinzipielle Bestreben des Rekto ratskollegiums anerkannte, nicht allein, sondern mit dem Konzil entstandene Ir ritationen wegen der Wahlordnung aus zuräumen und keine Unterbrechungen auf , dem eingeschlagenen Weg der De mokratisierung, die beträchtliche Folgen haben würden, zuzulassen; die Einberufung des Konzils lediglich durch den Rektor nach der Geschäfts ordnung zumindest nicht für ausge schlossen, allerdings für mindestens un zweckmäßig hielt; schließlich und vor allem bei meiner Verweigerung der Mo deration nach der Erfahrung der bisheri gen Konzilberatungen eine stundenlan ge Debatte, die zur Sprengung des Kon zils hätte führen können, wenn nicht müssen, befürchtete. Unter Umständen kann die Provozie rung eines solchen Eklats heilsam, ja un umgänglich sein. Aber wäre das in die sem Fall, wo es um die Klärung von Wi ¬ dersprüchen ging, und zwar im Interes se der großen Mehrheit der Universität, angemessen gewesen? Gerade als Histo riker, der Beispiele der großen politi schen Bühne mit schweren Folgen vor Augen hat, bin ich zu gründlicher Prü fung angehalten. Die geringe Teilnahme von Studenten am Konzil (15 Minuten nach Beginn waren 21 Studenten, 56 Ar beiter und Angestellte, 59 Hochschul lehrer und 61 wissenschaftliche Mitar beiter und Ärzte anwesend) hat wie be reits auf der vorletzten Beratung unmit telbar nach der Sommerpause nicht nur vereinzelte Unmutsäußerungen aus gelöst. Zu berücksichtigen ist aber, daß für beide Konzilstagungen die Benach richtigungsmöglichkeiten für Studenten ungleich ungünstiger als für die anderen Gruppen waren. Ist außerdem grundsätz lich studentische Enttäuschung wegen zu geringer Mitsprache in zu vielen sie betreffenden Bereichen nicht zu verste hen? Auch deshalb hätte eine leicht her beizuführende Verständigung des Rek torats mit den Sprechern vorteilhaft ge wirkt. Ich halte eine sich offenkundig verbreitende Animosität gegenüber Stu denten, ausgelöst durch kritische, sicher auch manchmal sehrforsch vorgetragene Meinungsäußerungen, für nachgerade verheerend! An einer Universität gibt es schließlich nichts Wichtigeres als Stu denten. In gewisser Hinsicht ist die jetzt teil weise anzutreffende Resignation unter Studenten vergleichbar mit der nach dem ■„Sputnik“-Verbot folgenden Diszipli nierungen durch die SED-Führung und deren Funktionalorgane. Ich habe da mals an unserer Sektion dazu aufgeru fen, Unverständnis und Zorn, die ich wie viele Wissenschaftler mit den Studenten teilte, auch öffentlich, nicht in einen Rückzug münden zu lassen, sondern als Ansporn zu nutzen, sich nun erst recht in die Verantwortung zu drängen. Ich ap pelliere an die Studenten von hier aus, da es ungleich bessere Möglichkeiten gibt, sich demokratisch zu betätigen, keine Chance dafür auszulassen. Prof. Dr. sc. WERNER BRAMKE Die Rache ist mein, spricht Hör UEDD «A6E Afumm Vor einigen Wochen schrieb ich in dieser Zeitung über eine Zusammen kunft des Konzils, die mir damals die letzte vor der Wahl zum neuen Konzil zu sein schien. Ich schloß damals mit der Bemerkung, daß die teilweise scharfe Diskussion nicht unbedingt als bedenklich zu bewerten sei, sondern vielleicht besser als engagiertes Vertre ten verschiedener Positionen mit allen Mitteln der rhetorischen Kunst. Die er ste Annahme war ein Irrtum. Am 30. 11. wurde das Konzil erneut zusam mengerufen. Der zweite Punkt, die Ein schätzung der Diskussion, war viel leicht auch ein Irrtum. Worum ging es? Zwei Fragen stan den auf der Tagesordnung. Einmal ging es um die auf der letzten Tagung be schlossene Wahlordnung für das neue Konzil. In dieser Wahlordnung ist un ter § 2 (2) festgehalten, daß die Grup pen der Hochschullehrer und der wis senschaftlichen Mitarbeiter die auf je de Gruppe fallenden Delegierten ge meinsam wählen. Im Kem bedeutet dies, daß die wissenschaftlichen Mitar beiter mitbestimmen können, welche Hochschullehrer zum Konzil delegiert werden. Dies ist eine demokratischere Regelung als die, welche die Autono mie der einzelnen Gruppen - und da mit die Macht der Hochschullehrer - stärker betont. Außerdem kann diese Regelung ein Mittel sein, den Umge staltungsprozeß an der Universität vor anzutreiben (siehe die Vertrauensab stimmung). Das Problem ist nun, daß dieser Passus nicht mit den entspre chenden Ausführungen in der vorläufi gen Hochschulordnung (VHO), die derzeit an die Stelle der entsprechenden Bundes- und Landesgesetze tritt, in Übereinstimmung zu bringen ist. Spectabilis Wartenberg berichtete über diesbezügliche Gespräche mit dem sächsischen Hochschulministcri- um, in deren Resultat jetzt feststeht, daß seitens des Ministeriums keine Vorbe halte gegenüber dem einmaligen Ver fahren nach § 2(2) geltend gemacht werden sollen. Das Rektoratskollegium konnte also gegenüber dem Ministeri um die Beschlüsse des Konzils zunächst erfolgreich vertreten. Der zweite Tagesordnungspunkt war ein Bericht zum Stand der Arbeit der Vetrauenskommission, die v. a. mit der Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit beschäftigt ist. Dr. Beyer informierte darüber, daß derzeit die Überprüfung an der Uni vornehmlich nach dem Prinzip „von Oben nach unten“ durchgeführt wird, daß demnächst „flächendecken de“ Überprüfungen beginnen werden und wie der Stand hinsichtlich der Er klärungen über Nichtmitarbeit bei der Stasi ist. Dr. Beyer brachte zum Aus druck, daß die Kommission streng nach den rechtlichen Grundlagen vorgehen wird, anonymen Anzeigen keine Be achtung schenkt und im Falle der Ver weigerung einer entsprechenden Er klärung nach den gleichen Prinzipien verfahren wird, wie in anderen Fällen. Auf den Hinweis meinerseits, daß es bezüglich der Wahlordnung nicht hin reicht, mit dem Ministerium eine „Kei- nen-Einspruch-Vereinbarung“ getrof fen zu haben, wenn quasi jedermann die Wahl mit großer Aussicht auf Erfolg an- fechten kann, gab Spectabilis Warten berg eine Antwort, die im Prinzip zu vor Ausgeführtes noch einmal bekräf tigte. Prof. Bramke als Tagungsleiter meinte, daß in der gegenwärtigen Si tuation fast alles irgendwie anfechtbar sei. Das ist zwar korrekt, hilft aber nicht viel. Denn erstens ist sicher nicht alles mit der gleichen Aussicht auf Erfolg an fechtbar und zweitens ist nicht alles An fechtbare von der Bedeutung der Wahl des neuen Konzils. Beide Antworten sind deshalb wohl mehr Ausdruck der Unsicherheit darüber, wie man denn un seren § 2 (2) beibehalten kann, ohne mit sein, an unserer Regelung soweit als möglich festzuhalten. Deshalb sind sie m. E. verständlich und wohl auch zu un terstützen. Bedenklich dagegen finde ich die der VHO in Konflikt zu geraten. Das Naheliegendste wäre natürlich, dem sächsischen Parlament eine entspre chende Regelung an's Herz zu legen. Auf jeden Fall aber scheinen mir beide Äußerungen Ausdruck des Willens zu Bemerkung eines Delegierten, wonach es doch interessant wäre, zu erfahren, wer es denn wage, die nächste Wahl nach § 2 (2) anzufechten. Sicher, dies mag irgendwie interessant sein. Aber eine solche Feststellung macht auf ei ner solchen Veranstaltung nur Sinn, wenn sie mehr'sagen soll, als sie aus spricht. Eine solche Feststellung unter stellt, daß z. B. jeder, der der Ansicht ist, bestehende Gesetze sind auch an zuwenden, ein Gegner der Umgestal tung an der Uni ist. Natürlich werden viele die Wahl nicht anfechten, auch im Bewußtsein der ziemlich sicheren Un vereinbarkeit mit höherem Recht. Und evtl, werden Gegner der Umgestaltung den rechtlichen Tatbestand auszunut zen versuchen. Aber dies heißt nicht, daß jeder, der es versucht, ein Gegner der mgestaltungist. Es muß nach mei ner Ansicht Ziel sein, demokratischen Bestrebungen auch den entsprechenden rechtlichen Rahmen zu geben. Einen Zustand, in dem ein Minister die von ihm selbst erlassenen rechtlichen Grundsätze aussetzt, halte ich - auch wenn das Aussetzen meinen sonstigen Wünschen entgegenkommt und ich deshalb nichts dagegen unternehmen werde - für nicht besonders wün schenswert. Wer auf eine solche Pro blematik nur sagen kann, es sei interes sant., zeigt m. E., daß ihm die rechtli che Absicherung seiner Ziele und Mit tel nicht so sehr am Herzen liegt, wie die Realisierung seiner Ziele mit ir gendwelchen Mitteln. Zu dem zweiten Punkt bemerkte der gleiche Delegierte, daß derjenige, der die Unterschrift unter die besagte Er klärung verweigert, gerade und zuerst überprüft werden müsse, denn sicher habe er Gründe dafür... (Der Name des Kollegen ist mir übrigens nicht be kannt. Er ist aber auch nicht so wichtig. Wichtig ist, daß seine beiden Bemer kungen ziemlich viel Beifall bei den übrigen Delegierten fanden.) Dr. Beyer hat dieses Ansinnen seitens der Kommission zurückgewiesen und sich auf die einschlägigen Bestimmun gen berufen. Dies ist völlig korrekt, reicht aber m. E. nicht hin. Es gibt hier noch eine moralische und eine politi sche Seite. Wer so argumentiert, wie der besagte Kollege, unterstellt, daß jeder Unterschriftsverweigerer etwas Schlimmes zu verbergen hat. Für mich ist eine solche Haltung Ausdruck seeli scher Armut und politischer Intoleranz. Ich kann mir viele Gründe vorstellen, die jemanden dazu bringen können, seine Unterschrift zu verweigern, auch wenn diese für meine Entscheidung nicht hinreichend wären. So könnte je mand die Position vertreten, generell derartige politische Dinge nicht zu un terschreiben. Jemand, der unter der Sta si gelitten hat, könnte es als eine große Zumutung betrachten, wenn von ihm eine solche Erklärung verlangt würde. Schließlich könnte jemand seine Un terschrift verweigern, weil er unsicher ist, ob nicht ohne sein Wissen be stimmte Dinge (Reiseberichte, Kader unterlagen, Forschungsberichte etc.) in die falschen Hände gerieten. Natürlich kann es auch solche geben, die etwas zu verbergen haben und so naiv sind, es auch durch die Unterschriftsverweige rung verbergen zu wollen. Aber es gilt eben nicht die Umkehrung. Stellen wir uns vor, damit die Sache etwas trans parenter wird, von jedem Uni-An gehörigen würde eine Erklärung gefor dert, in der steht, daß er weder seine Kinder quält noch seine Nachbam be stiehlt. Die einzig Vernünftige Reakti on auf eine solche Forderung wäre ihre entschiedene Zurückweisung. Eine sol che Reaktion ist deshalb vernünftig, weil es heutzutage und hierzulande nicht zu den üblichen Verhaltensweisen gehört, seine Kinder zu quälen und sei ne Nachbarn zu bestehlen. Und nur weil es eben nicht genauso selbstverständ lich war (und evtl, ist), seine Kollegen nicht zu denunzieren (und es geht hier nur um politische Denunziation, nicht um die weitverbreitete „Hast-Du- schon-gehört"- Denunziation), ist eine Erklärung resp. die Forderung nach ei ner solchen akzeptabel. An sich ist eine solche Forderung ei ne Zumutung; unter unseren konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen ist sie vertretbar. Nur, das muß natürlich nicht jeder so sehen. Auch hier zur Verdeut lichung: Stellen wir uns vor, wie wir reagieren würden, wenn ein Journalist in einem Interview von Walter Janka oder Wolf Biermann oder Erich Loest eine Erklärung über Nichtmitarbeit bei der Stasi verlangen würde. Oder die Akademie der Künste würde dies tun, oder sonstwer. Und dabei müßten ge nau diese Leute, wenn sie eine solche Erklärung verweigerten, nach den An sichten des genannten Kollegen, gera de und zuerst untersucht werden. Natür lich laufen an der Uni nicht nur Jankas und Biermänner rum, aber es sind eben auch nicht alles Mielkes. Ich befürchte, daß solche Ansichten, wie die des ge nannten Kollegen, mit der entspre chenden seelischen Armut und politi schen Intoleranz an dieser Uni herr schend werden könnten. Ich hoffe auf einen breiten Konsens darüber, solche Haltungen und Ansichten nicht herr schend werden zu lassen. Die Rache ist mein, spricht DER HERR. Lassen wir sie IHM. Dr, RICHARD RAATZSCH E ndlich wieder eine Möglich keit zu erklären, wie ich über meine Vergangenheit und über die Vergangenheit des deutschen Ostens denke - und zum Glück auch die Frage nach der gesamtdeutschen Zukunft. Wieder fühlt sich ein großer Teil ehemaliger DDR-Bürger, wenn sie solche - schon obligatorischen - Fragen beantworten, immer in eine Art Rechtfertigungszwang versetzt. Und sie wissen nicht einmal, wofür sie sich rechtfertigen sollen, sind sich eigent lich keiner Schuld bewußt. Fast ge setzmäßig folgt die Frage nach einer DDR-Identität, eine Zeit lang viel dis kutiert, aber leider nur oberflächlich diskutiert. Vielleicht lag es daran, daß keiner eine wirkliche Vorstellung von diesem Begriff hat. Oder die Fragen nicht beantworten konnte, ob er mehr DDR-Bürger oder Deutscher oder al les beides ist. Mir fällt es auch schwer. Durch die Teilung bildeten sich zwei verschiedene deutsche Lebensarten heraus. Die meisten hatten sich damit abgefunden, und schon gar nicht mehr über Veränderungen nachgedacht, aber immer gab es Kontakte. Dort leb ten Menschen, die sich auch Deutsche nannten, die gleiche Sprache benutz ten, aber weit weg schienen - ein an deres Land. In der DDR hatten die Menschen diese Trennung akzeptiert, wollten sich aber nicht damit abfinden, schlechter zu leben als die anderen Deutschen. Trotzdem wäre es falsch, all denen, die im Oktober/November 1989 die „Revolution“ bewirkt haben, solche „niedrigen“ Beweggründe zu schieben. Es gab viele, die die DDR zu einer Einmaligkeit in Europa machen wollten: Eine Gesellschaft, die Vorzü ge beider Systeme vereint. Und das wa ren für mich Menschen, die um eine DDR-Identität gerungen haben. Die Mehrheit der ehemaligen DDR-Bürger hat nur Verhaltensweisen, die zwar DDR-typisch sind, aber sich jetzt in Hilflosigkeit äußern und nach Mei nung vieler schnell abgelegt werden müssen. Für die DDR-Identität fehlte ein Konzept und mit Vorstellungen al lein kann man keinen gesellschaftli chen Wandel herbeiführen. Man war sich nicht einmal einig, was die Vor züge des jeweiligen Systems seien. Oft fühlten sich verraten. Verraten von de nen, die eigentlich auf dieses Kind auf passen mußten, und die das Vertrauen von vielen besaßen: die Regierung, d. h. letztendlich die SED. Die Frage, warum das System des Sozialismus hier scheiterte, und ob es ein Experiment mit Menschen in riesi ger Dimension war, kann ich nicht um fassend beantworten. Wesentlich er scheint mir die Überschätzung des Menschen als subjektiver Faktor in ei ner Gesellschaft, dessen Aktivitäten immer eines Anreizes bedürfen. Das ist das ständige Neuentstehen von Be lusion und ein Stehenbleiben zugleich, denn für die nächsten Jahre steht nun fest, daß es keine Alternative zur Marktwirtschaft gibt, wie sie in Deutschland praktiziert wird. Es be steht nur die Möglichkeit, sie von in nen heraus zu reformieren. Aber wir brauchen wieder eine Alternative. Denn nur im Nachdenken über diese Alternative ist es möglich, dieses Sy stem weiterzuentwickeln. Ich glaube, daß die Entwicklung an dererseits auch ein gesellschaftlicher Rückschritt ist. Die Dominanz des Gel des, alles in Geld ausdrücken zu wol len, Geld als Maßstab für fast alles an Die soziale Marktwirtschaft ist für mich auf keinen Fall Endpunkt der Ent wicklung. Nun wurde in der ehemaligen Bun desrepublik ein soziales Netz geschaf fen, um den Gescheiterten eine Über lebenschance zu geben. Aber mir scheint, daß derjenige, der es in An spruch nehmen muß, eher als Ausge stoßener angesehen wird. Ich betrach te es als das größte Problem für ehe malige DDR-Bürger zu lernen, daß man kämpfen muß, um überleben zu können - selbst ständig unter dem Druck der Erfordernisse zu stehen. Und wir müssen auch begreifen, daß Wie geht es uns Ostdeutschen? wurde einfach Freiheit gefordert. Aber gerade Freiheit ist ein Begriff, den zu definieren schon eine Unmenge von Philosophen und Politikern mehr oder weniger verständlich versucht haben. Für mich war die Zeit des Umbru ches (Ende 1989) eine Zeit, in der ich mich frei fühlte und das verwirklicht sah, was ich unter Freiheit verstand: Je der schien einbezogen in die Diskussi on über die Zukunft unseres Landes DDR. Und gerade die Älteren, denen dieses Land wie ein Kind war, das sie liebten und nicht loslassen wollten, dürfnissen und deren Befriedigung. Aber in der DDR hat man dem mensch lichen Bewußtsein eine zu große Be deutung beigemessen und versucht, die Beeinflussung darauf als Steue rungsfaktor für die menschliche Tätig keit zu nutzen. Wobei die Bedürfnis befriedigung als Ziel der menschlichen Arbeit nicht im Mittelpunkt stand, son dern „größere Ziele“ - für die man die Menschen gewinnen wollte. Es erfolg te eine Politisierung zu vieler ökono mischer Prozesse, und es wurden öko nomische Gesetze, die objektiv wir ken, ignoriert. Für mich ist das Schei tern des Sozialismus eine zerstörte II- zusehen, machen mir Angst. Men schen werden danach klassifiziert, wie sie in der Lage sind, Geld zu verdienen - wie oberflächlich. In der DDR hatten sich andere Maß stäbe entwickelt, und ich habe mich ei gentlich freier gefühlt gegenüber dem Zwang, dem ich jetzt unterliege, mich diesem Gelddiktat unterordnen zu müssen. Sollte man Fortschritt nicht daran messen, wie es eine Gesellschaft versteht, sich durch ihre ökonomische Stärke selbst nach vom zu entwickeln, alle Mitglieder einzubeziehen in die Aneignung der produzierten Werte? diese „Revolution“ keine „wirkliche“ Freiheit gebracht hat. Die Frage danach, was erhaltenswert ist, halte ich für zwecklos, gemessen an der Praxis, was den gesamtgesell schaftlichen Rahmen betrifft: Das Sy stem in der DDR scheiterte, und des halb gibt es nichts, was übernehmens- wert erscheint. Ich glaube, die Frage kann jeder nur für sich selbst beant worten und entscheiden, was er in die neue Zeit übernehmen möchte an Ver haltensweisen gegenüber anderen und sich selbst. Mir ist wichtig - vor sich selbst geradestehen zu können. Immer das zu tun, was man für richtig hält. Die anderen zu zwingen, das zu akzeptie ren, und selbst die Konsequenzen zu tragen, auch wenn es schwerfällt. Dafür ist Engagement notwendig, das wiederum Kraft und Mut erfordert, für seine Ziele in der Öffentlichkeit ein zutreten. Aber es wird nicht viele Men schen geben, die dazu bereit sind. Der Erfordernisdruck schränkt den Willen zum Nachdenken über die eigene Ver gangenheit und Zukunft ein. Ich habe Angst vor der Zukunft für die Men schen in diesem Teil Deutschlands, die ihre Erwartungen ganz einfach zu hoch gesteckt haben, die zu unrealistisch und oberflächlich waren. Und mir er scheint das Interesse vieler „Altbun desbürger“ nicht ehrlich. Oft zeigen sie zu wenig Offenheit und Mut in Aus einandersetzungen, beharren sehr auf ihrer „Tagesschau-Meinung“, weil sie glauben, es nicht nötig zu haben, als Gewinner über die Gefühle eines Ver lierers nachdenken zu müssen. Sie be fürchten, von ihrem Reichtum etwas abgeben zu sollen. Aber man darf auf keinen Fall ver gessen: Es gibt immer noch zu viele Menschen auf der Welt, denen es viel schlechter geht als den Ärmsten unter uns. Leider sind sie auf Wohltätigkeit angewiesen. Schlimm ist, daß viele Deutsche davon nichts wissen wollen, weil sie selbst gut leben, und sich nicht bewußt sind, am Unglück dieser Men schen eine Mitschuld zu tragen. Auf deren Kosten sie so gut leben können, und immer noch besser leben wollen. ELKE MÄDLER (Studentin)
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