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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1990
- Erscheinungsdatum
- 1990
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-199000007
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19900000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19900000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 1990
-
- Ausgabe Nr. 1, 12.01.1990 1
- Ausgabe Nr. 2, 19.01.1999 1
- Ausgabe Nr. 3, 26.01.1990 1
- Ausgabe Nr. 4, 05.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 5, 12.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 6, 19.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 7, 26.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 8, 05.03.1990 1
- Ausgabe Nr. 9, 12.03.1990 1
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- Ausgabe Nr. 11, 26.03.1990 1
- Ausgabe Nr. 12, 02.04.1990 1
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- Ausgabe Nr. 14, 23.04.1990 1
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- Ausgabe Nr. 16, 07.05.1990 1
- Ausgabe Nr. 17, 14.05.1990 1
- Ausgabe Nr. 18, 21.05.1990 1
- Ausgabe Nr. 19, 28.05.1990 1
- Ausgabe Nr. 20, 05.06.1990 1
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- Ausgabe Nr. 22, 18.06.1990 1
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- Ausgabe Nr. 24, 02.07.1990 1
- Ausgabe Nr. 25, 09.07.1990 1
- Ausgabe Nr. 26, 16.07.1990 1
- Ausgabe Nr. 27, 23.07.1990 1
- Ausgabe Nr. 28, 17.09.1990 1
- Ausgabe Nr. 29, 25.09.1990 1
- Ausgabe Nr. 30, 01.10.1990 1
- Ausgabe Nr. 31, 08.10.1990 1
- Ausgabe Nr. 32, 15.10.1990 1
- Ausgabe Nr. 33, 22.10.1990 1
- Ausgabe Nr. 34, 29.10.1990 1
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- Ausgabe Nr. 37, 19.11.1990 1
- Ausgabe Nr. 38, 26.11.1990 1
- Ausgabe Nr. 39, 03.12.1990 1
- Ausgabe Nr. 40, 10.12.1990 1
- Ausgabe Nr. 41, 17.12.1990 1
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Band 1990
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Unsere im Offenen Brief an den Senat (UZ/29, S. 3) damit dargelegte Ansicht zu Form, In halt, Funktion und Wirkung der Ehrenerklärungen ist seither nur bekräftigt worden, indem wir sahen.und sehen, wer zum Teil mit beeindruckender Lockerheit solch eine Erklärung abgab und -gibt, obwohl er (sie) wohl noch ein bißchen mehr aus seiner (ih rer) Vergangenheit zu erklären hätte. Gleichwohl haben wir zur Kenntnis zu nehmen, daß die Universitätsöffentlichkeit in ih rer Mehrheit Ehrenerklärungen über die Nichtzusammenarbeit mit dem MfS/ANS von gewähl ten und berufenen Leitern sowie Gremienmitgliedern erwartet und in der von uns kritisierten Form auch akzeptiert. Wir beu gen uns - unserem demokrati schen Selbstverständnis fol gend-diesem Mehrheitswillen, möchten aber vorliegende Er klärung bewußt nicht als Be standteil der Ehrenerklärungs kampagne verstanden wissen. Als studentische Vertreter im Akademischen Senat der Karl- Marx-Universität geben wir fol gendes zu Protokoll: I. Wir erklären hiermit, uns niemals schriftlich zur Mitarbeit für das ehemalige MfS/ANS verpflichtet zu haben sowie nie mals wissentlich Informationen über Dritte an Mitarbeiter des ehemaligen MfS/ANS oder an diese Einrichtung als solche ge geben zu haben. Um eine angemessene Quali fizierung dieser Erklärung zu ermöglichen, erklären wir der Ehrlichkeit halber des weiteren, Auf dem Konzil erklärt: Wir entlassen uns nicht aus Mitverantwor tung daß unsere Nichtmitarbeit in si cherheitsdienstlichen Zusam menhängen kein Ergebnis be sonderen Heldenmutes oder überdurchschnittlicher Charak terstärke war. Wir können und wollen nicht ausschließen, daß wir uns unter Bedingungen ver schärfter Druckausübung sei tens des MfS diesem gegenüber kooperativer verhalten hätten. 2. Wir erklären, niemals in ir gendeiner Weise wissentlich ei nen Vorteil seitens des ehemali gen MfS gewährt bekommen zu haben, seien dies finanzielle oder sachliche Zuwendungen, Behilflichkeit bei der berufli chen Entwicklung oder andere Vorteile. 3. Wir erklären hiermit, nie mals an Denunziationen Dritter bei staatlichen, Partei-, FDJ-, Gewerkschafts- oder sonstigen Leitungen beteiligt gewesen zu sein. 4. Wir erklären hiermit, uns auch künftig-jeglicher politisch denunziatorischer Tätigkeit, z. B. im Rahmen des Verfassungs schutzes oder ähnlicher Dien ste, zu enthalten sowie eventu elle entsprechende Angebote umgehend der Universitätsöf fentlichkeit zur Kenntnis zu ge ben. 5. Wir erklären hiermit, daß wir uns mit dem bisher Erklär ten nicht aus der Mitverantwor tung für die Funktionsfähigkeit des nunmehr zusammengebro chenen DDR-Realsozialismus entlassen sehen. Vielmehr be kennen wir ausdrücklich, um der vermeintlichen Sicherung einer gesellschaftsstrukturellen Ausgangsbasis für eine tatsäch lich emanzipatorische Entwick lung willen viel zu lange das re al-sozialistische System nicht grundsätzlich in Frage gestellt zu haben. Damit haben wir gleichzeitig Mitschuld zu be kennen daran, daß der 89er Auf bruch der DDR-Gesellschaft in die Selbstbestimmung unter denkbar ungünstigsten Bedin gungen begann und somit seine Chancen nur ungenügend reali siert werden konnten. Da Erklärungen über Nichtzu sammenarbeit mit dem MfS/ANS durch einige Politiker der (ehemaligen) DDR bereits massiv entwertet worden sind, indem sie nicht der Wahrheit entsprachen, erwarten wir von der Leitung der Karl-Marx-Uni versität, daß sie sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dafür verwen det, eine Überprüfung der unter l.-3. genannten Tatbestände zu erwirken, sowie bei künftig ggf. vorliegenden Verdachtsmomen ten auch die unter 4. getroffene Aussage überprüfen zu lassen. Leipzig, 2. 10. 1990 Dirk Behr/Peer Pasternack Wie weiter mit Sachsens Hochschulen Die Ängste und Verunsicherun gen sind vielgestaltig. Die Lehr kräfte an den Hochschulen und Universitäten bangen um ihre Ar beitsplätze, die Studenten stellen Fragen nach der inhaltlichen Wer tigkeit ihres Bildungsabschlusses (nachdem die formale Anerken nung im Einigungsvertrag festge schrieben ist), die Eltern fragen danach, ob eine Ausbildung ihrer Kinder an den sächsischen Ein richtungen zukunftssicher ist, die Industrie als wesentlicher Auf traggeber für Forschungsaufträge ist nicht nur selbst in vielfältigen Nöten, sondern weiß zugleich nicht, ob die Qualität der künftig erbrachten Forschungsergebnisse harten internationalen Kriterien standhält. Jeder scheint zudem zu wissen, daß Sachsen viel zuviel univer sitäre Einrichtungen besitzt und Absolventenberge ausbildet, die das Land niemals verkraften kann. Ein wahrlich pessimistisches Bild für Sachsens höchste Bildungsein richtungen. Doch Zweifel seien an diesem Bild gestattet. Sie resultieren aus der Vergangenheit und aus der Sicht auf die Zukunft. Denn Sach sen hat eine historisch gewachse ne Bildungslandschaft und lag in Deutschland seit jeher weit über dem Landesdurchschnitt. Gerade daraus resultierte seine starke öko nomische Position in der Vergan genheit. Sachsen wird sich nur zu einem der künftig leistungsstärk sten Bundesländern entwickeln können, wenn es auch im Bereich der Hochschulbildung einen Spit zenplatz einnimmt. Wie ist nun die Situation in der bisherigen DDR und speziell in Sachsen im Ver gleich zum Bundesgebiet und wel che Konsequenzen ergeben sich daraus? Im Bundesgebiet studieren etwa 1,5 Millionen Studenten, in dem der DDR 133 000. Das bedeutet, daß ab 3. Oktober auf das bisheri ge Gebiet der fünf neuen Bundes länder (und Berlin-Ost) zwar etwa 2 1 Prozent der künftigen Einwoh ner Deutschlands entfallen, aber nur etwa 8 Prozent der Studenten. Im Bundesgebiet studiert zum gleichen Zeitpunkt einer von 40 Einwohnern (vom Baby bis Greis), in den neuen Bundesländern einer von 120. Da etwa 40 Prozent aller Studenten der bisherigen DDR an einer Einrichtung in Sachsen stu dieren, findet sich hier ein Student unter etwa 90 Einwohnern, deut lich weniger also als in der bishe rigen gesamten DDR, aber noch mehr als das Doppelte gegenüber dem Bundesgebiet. Anders ist das Bild unter den Hochschulen. Im Bundesgebiet bestehen (Stand 1986) 242 Hochschulen (darunter 122 Fachhochschulen), auf dem Gebiet der DDR 53, damit 18 Pro zent aller Hochschulen Gesamt deutschlands, was fast der Ein wohnerzahl entspräche. Bezogen auf das Bundesgebiet besitzt allein das sich in der Vergangenheit wirt schaftlich am schnellsten ent wickelnde Baden-Württemberg (1986) 61 Hochschulen (darunter neun Universitäten), Nordrhein- Westfalen 46 und Bayern 32. Zum gleichen Zeitpunkt (1986, seither erhöht) studierten in Ba den-Württemberg 182 000 Stu denten, in Nordrhein-Westfalen 398 000 und in Bayern 207 000. Bei etwa vergleichbarer Einwoh nerzahl mit der bisherigen DDR besitzt Nordrhein-Westfalen also das Dreifache an Studenten wie das gesamte Gebiet der neuen Bundesländer. In dem mit Sachsen hinsichtlich der Einwohnerzahl am ehesten vergleichbaren Hessen studieren 112 000 Studenten und damit wiederum deutlich das Dop pelte der Studenten, die an sächsi schen Hochschulen sind. Fazit: Gemessen am Bundesge biet hat Sachsen deutlich zuwenig Studenten, auch wenn im restli chen Gebiet der DDR die Situation noch wesentlich ungünstiger ist (mit Ausnahme von Berlin, wo aber auch Westberlin mehr als die Hälfte seiner Studenten aus den bisherigen Bundesländern „im portiert“). In Sachsen und auch aus Sachsen studieren gegenwärtig zu wenige Absolventen der Bil dungseinrichtungen der bisheri gen DDR, um künftig Sachsen ei nen wirtschaftlichen und kulturel len Spitzenplatz wieder zu erar beiten. Das Heranführen der neu en Bundesländer an das Niveau der bisherigen erfordert auch in Sachsen weitere Anstrengungen zur Entwicklung der Hochschul bildung. Die Situation ist nicht dadurch ad hoc zu verändern, daß die Uni versitäten und Hochschulen mehr Studenten aufnehmen (was auch erst entscheidend mehr Abiturien ten und damit die vollendete Um gestaltung und Erweiterung der Abiturausbildung voraussetzt) oder gar nur mithelfen, den „Stu dentenberg“ der Bundesrepublik abzubauen. Der Zustand vieler un serer Hochschulen zeigt, daß es gar nicht so einfach ist, die Kapa zität zu erhöhen, weil die Räum lichkeiten, die Laborplätze, die Seminarräume, die Vorlesungs plätze, die Praktikumsplätze eben so zu gering kalkuliert sind wie die Wohnheimplätze oder die Mög lichkeit, sich als Student andere Wohnmöglichkeiten zu suchen. Dazu kommen gravierende Lücken und Disproportionen im Fächerangebot. Was ist also drin gend erforderlich? 1. Entscheidende Grundlage ist die Weiterführung des Demokrati sierungsprozesses an den Einrich tungen und die Umprofilierung mit Schwerpunktsetzung entspre chend den marktwirtschaftlichen wie auch wissenschaftlichen Er fordernissen und den Studienwün schen bei Wahrung jedes Studien platzes und jeder bisher vorhande nen Stelle für eben diese Um strukturierung. Dies ist eng mit ei ner Umstrukturierung des Lei- tungs- und Verwaltungsapparates zu verbinden (vgl. auch 5.), wobei Fach- und Sachkompetenz der dort Tätigen ausschlaggebend sein muß. Zu viele für Lehre und For schung untaugliche „Wissen schaftler“ wurden bisher dort ein gesetzt. 2. Klare Konzeptionen der ein zelnen Einrichtungen zur Stär kung oder erst Herausarbeitung ih rer Spezifik. Dabei ist klar zu be stimmen, welche Voraussetzungen bestehen, damit ein leistungswilli ger Student gerade an dieser Hoch schule studieren will und zu un tersuchen, wie diese verbessert werden können. Das schließt auch die Prüfung und den Ausbau jener Voraussetzungen ein, die erforder lich sind, damit ein Drittmittelge ber der Industrie aus dem gesam ten EG-Gebiet gerade dieser säch sischen Einrichtung einen For schungsauftrag erteilt. Auch sol che Investitionen sind wesentliche Zukunftsinvestitionen. Nur das Ermöglichen von Forschungen an den Grenzen des Fachgebietes bie tet die Gewähr, daß ausreichend Studenten dieses Wissen wieder abfordern wollen und so die wis senschaftliche Attraktivität der Einrichtung steigt. Ein Studium in Hochschulbereichen, die keine ei gene oder nur ungenügende For schung betreiben, ist für einen künftigen Wissenschaftler, Inge nieur oder auch Lehrer eine per sönliche Fehlinvestition. 3. Der gegenwärtige Bestand an Hochschuleinrichtungen ist durch einen Finanzausgleich bis zur vollen Finanzierung aus im Land Sachsen erwirtschafteten Eigen mitteln voll abzusichern. 4. Die Ausbildungskapazitäten sind schrittweise den tatsächli chen Bedürfnissen des Landes an zupassen. Gegenwärtig bildet Sachsen aber z. B. etwa 70 Pro zent aller Ingenieure der DDR aus, ohne daß eine ausreichende Kon zentration auf die künftige sächsi sche Industrie und das dafür erfor derliche Management besteht. 5. Überprüfen aller Möglichkei ten des effektiven Zusammen führens von Hochschulen zur Er höhung der Angebotsmöglichkei ten gegenüber den Studenten, zur starken Konzentration der Hoch schulforschung, einschließlich der dadurch besseren Möglichkeiten für Technologieparks, An-Institu ten, Graduiertenkollegs, effektiv arbeitenden Weiterbildungszen tren und effektiverer Strukturen für Drittmittelforschung im Zu sammengehen mit der Industrie sowie schließlich der (Re-)lnte- gration von Akademieinstituten in die Hochschulen. Zugleich bieten solche Konzentrationen Chancen für eine effektivere Arbeit des Ver waltungsapparats, speziell auch neuer Organisations- und Infor mationssysteme. 6. Gegenwärtig zu viel vorhan dene Stellen sind bis zum mögli chenweiteren Ausbau der Einrich tung zur Erhöhung der Studenten zahlen in eine zumindest zeitwei lige Drittmittelforschung zu über führen, um insbesondere lei stungsfähigen jungen wie auch äl teren Wissenschaftlern die Chan ce zu bieten, sich in der Forschung weiter zu qualifizieren, weil dies die entscheidende Voraussetzung für künftige Berufungen und ein generell hohes inhaltliches Niveau der Lehre darstellt. 7. Entscheidende Europäisie rung der gesamten Lehre und For schung unter besonderer Berück sichtigung der Mitte- und Mittler funktion Sachsens in Europa und zur Vermeidung jeglicher einseiti gen europäischen Orientierung. Die künftige Landesregierung — und das sei hier ausdrücklich ge fordert! — hat um den Erhalt der sächsischen Kultur- und Bildungs landschaft in den bestehenden Di mensionen zu kämpfen und für ihren weiteren Ausbau einzutre ten. Gemessen am IST der gegen wärtigen Bundesrepublik würde ein Land mit der Bevölkerungs zahl Sachsens etwa 120 000 Stu denten besitzen müssen, fast so viele wie jetzt die gesamte DDR. Wehren wir uns also gegen alle Anfänge der Zerstörung der vor handenen Struktur, die künftig einmal eine solche Qualität be wältigen muß, wenn Sachsen wie der seinen historisch angestamm ten Platz als deutsches Bildungs kernland einnehmen soll. Achten wir deshalb auf die konsequente Fortführung des Demokratisie rungsprozesses als entscheidender Basis der erforderlichen Verände rungen und zur Herstellung einer hohen Attraktivität sächsischer Hochschulen für Studenten und für eine leistungsfähige For schung. Prof. Dr. sc. HANS-GEORG MEHLHORN Bereits im Sommer hatte der Minister für Bildung und Wissenschaft der ehemaligen DDR. Prof. Meyer, versucht, mit Verord nungsentwürfen die Entwicklung des Hoch schulwesens in bestimmte Bahnen zu len ken. Dazu gab es heftige Diskussionen. Kri tik und Ablehnung überwogen Zustimmung bei weitem. Nun kommt aus dem Ministe rium eine Verordnung als „Vorläufige Hoch schulordnung“, die ab 3. 10. 1990 für die Länder, die aus der ehemaligen DDR her vorgegangen sind, gelten soll. Die Absicht scheint auf den ersten Blick lauter: Verhindert werden sollen rechtsfreie Räume im Übergang von der DDR zur Rechtsgebung der Länder, da die Wirksam keit des Hochschulrahmengesetzes der BRD für die Länderauf dem Gebiet der ehe maligen DDR für drei Jahre ausgesetzt ist. Spätestens bei der „zweiten Lesung“ merkt man aber, daß genau diese Argumentation im vorliegenden Fall nicht greift. Die Ver ordnung, die mit dem Einigungsvertrag in Kraft treten soll, entspricht weder einem ausnahmsweise vielleicht sogar guten Ge danken dieses Vertrages (oder war es ein Versehen, das Prof. Meyer nun noch rasch korrigiert?), noch erfüllt sie ihren erklärten Zweck. Daß die Wirksamkeit des HRG der BRD nicht mit dem 3. 10. 1990 eintritt, berück sichtigt doch, so könnte man gutwillig in terpretieren, daß die sehr verschiedenen Hochschulsysteme der BRD und ehemali gen DDR nicht einfach unter BRD-Recht vereinbar sind. Man schafft also den Spiel raum für die Entwicklung eines neuen ge samtstaatlichen Hochschulrechts: eine der wenigen Chancen, etwas Neues, Drittes ent stehen zu lassen. Was macht aber unser Bil dungsministerium? Es füllt den rechtsfrei en Raum mit einer Abschreibübung, die zu dem noch mangelhaft ist. Abgeschrieben wird das HRG. Mangelhaft ist das Ergebnis deshalb, weil sehr viel weniger Spezifik der Hochschulen der ehemaligen DDR in den Abweichungen fixiert wird, als vielmehr de mokratische Regelungen des HRG zurück genommen werden. Beispiele dafür könnte man viele anführen. Hier eine Auswahl: Z. B. regelt das HRG § 37, Abs. 3: „Die Hoch schulmitglieder dürfen wegen ihrer Tätig keit in der Selbstverwaltung nicht benach teiligt werden.“ Dieser Absatz fehlt in dem ansonsten analogen § 90 der „Vorläufigen Hochschulordnung“. Ist er wirklich so über flüssig? Einseitig gegenüber dem HRG wird die Rektoratsverfassung vorgeschrieben. Das HRG läßt auch die Präsidialverfassung zu. Warum sollen wir sie nicht auch ausprobie ren dürfen? Wirdürfen nach dem Willen von Prof. Meyer auch anderes nicht versuchen. Insgesamt sieht das HRG nämlich wesent lich mehr Möglichkeiten für die Gestaltung leitender Kollegialorgane vor als die vor liegende Verordnung. In den §§ 104 und 105 sind Frauenbeauftragte und Behindertenbe- auftragte/r vorgesehen. Es ist nicht einzuse hen, warum die vom Senat gewählt oder be stellt werden sollten. Sind Frauen nicht „Manns" genug und Behinderte unfähig, ih re Vertreterinnen selbst zu bestimmen? Frauenfeindliches gibt es noch mehr. Von dem ursprünglich und auch im HRG ver kündeten Rechtsgrundsatz, aktiv auf die Überwindung der Benachteiligung von Frauen in der Wissenschaft hinzu wirken, ist de facto nicht viel übrig geblieben. Ähnlich verhält es sich mit den Forde ¬ rungen nach Demokratisierung der Hoch schulen. Die Hochschullehrerinnen finden sich in dieser Verordnung mächtiger denn je und noch mächtiger als im HRG wieder. Das einzige Gremium, das viertelpa ritätisch besetzt werden soll, ist der soge nannte Ordnungsausschuß, der Ordnungs maßnahmen beschließen soll (§46.4)1 In der Kommission zur Vergabe von Stipendien für Forschungsstudenten und Aspiranten dagegen sollen nur Hochschullehrer vertre ten sein — eine klare Verletzung des Be troffenheitsprinzips, das nach § 91.2 neben Qualifikation, Funktion und Verantwortung für die Zusammensetzung der Gremien der Hochschule maßgebend sein soll. Diese Be schränkung der Vergabekommission allein auf Hochschullehrer ist eine Folge der ab schließenden Regelung von § 91.2, wonach nur Konzil, Senat und Fachbereichsräte al le Gruppen der Universität (Hochschulleh rer, wissenschaftliche Mitarbeiter, sonstige Mitarbeiter, Studenten) mit Stimmberechti gung umfassen sollen. In den Ausschüssen dieser Gremien muß das nicht der Fall sein. Gegen das HRG wird also das Mitsprache- recht der Mehrheit der Universitätsan gehörigen im Prozeß der Entscheidungsfin dung dem guten Willen der Hochschulleh reranheimgestellt. Der zutiefst undemokra tische Charakter aller mit dem Komplex verbundenen Regelungen wird noch deutli cher. wenn man berücksichtigt, daß die Ver ordnung aus dem HRG bereits die absolute Mehrheit der Sitze und Stimmen in allen Entscheidungsgremien, d. h. dem Konzil, Senat sowie den Fachbereichs- und Fakul tätsräten, für die Hochschullehrer abge schrieben und die spezielle DDR-geprägte Vorliebe für (nahezu) allmächtige Einzel leiter in den Paragraphen 97—103 über Recht und Pflichten des Rektors, der Pro rektoren, des Senats und des Konzils fest geschrieben hat. Die Verordnungsentwürfe des Sommers wollten noch eine Bindung wissenschaftli cher Tätigkeit an humanistische Werte. Das ist jetzt aufgegeben. Gerade hier wäre aber das HRG nachbesserungsbedürftig. Freiheit von Wissenschaft und Lehre — ein tatsäch lich sehr hohes Gut — sind nicht einge schränkt, wenn Forschungen, die an der Würde des Menschen Vorbeigehen und die Existenz der Gattung in Frage stellen, ver hindert werden. Es leuchtet alles nicht so recht ein. Wozu das Ganze? Noch dazu nicht selten in schlechtem Deutsch. Es wäre doch viel bes ser, den Freiraum, den der Einigungsvertrag gibt, von unten her, aus den einzelnen aka demischen Einrichtungen heraus zu füllen. In allen Universitäten und Hochschulen der DDR bemüht man sich derzeit um Verfas sungen. Diese berücksichtigen die spezifi sche Situation und nehmen vor allem die de mokratischen Impulse des letztes Herbstes auf. Von hier kommen sehr viel bessere An gebote. Die Länder können sie nutzen. Ein neues HRG kann sie in angemessener Zeit mit westdeutschen Erfahrungen zusam menfassen und wirksam machen.Der vor geblich rechtsfreie Raum wird jetzt gerade vor Ort in erfreulicher Weise gefüllt. Eine zentralistische Vorgabe wird nicht ge braucht. Prof. Dr. sc. PETER PORSCH Abschreibübung... (VWS) Eines der zentralen Pro bleme der Psycholinguistik ist die Frage, wie der Mensch während des Hör- und Leseprozesses von den einzelnen Wörtern eines Sat zes zur Gesamtinterpretation kommt. Wissenschaftler des Max- Planck-Instituts für Psycholingui stik, Nijwmegen, wollen diesem Problem jetzt im Rahmen eines Forschungsprojektes „Himrin denpotentiale und Sprachverar beitung“ auf die Spur kommen. Ei ne wichtige Rolle spielt bei dem Projekt die in psycholinguisti schen Untersuchungen erst seit jüngster Zeit und nur vereinzelt an gewandte ERP-Methode (abgelei tet von Event-Related Potentials). Mit der ERP-Methode können mittels am Kopf befestigter Elek troden Potentialveränderungen in der Hirnaktivität gemessen wer den, die als Funktion von sensori scher und kognitiver Informati onsverarbeitung auftreten. Die Untersuchungen werden von der Volkswagen-Stiftung mit fast 900 000 DM gefördert. Die Messung von ereigniskorre lierten, hirnelektrischen Potentia len ist als Methode in der experi mentellen Psychologie und den Neurowissenschaften bereits seit etwa zwanzig Jahren bekannt und wird nicht nur in der Erforschung von neurophysiologischen Aspek ten von Hirnprozessen und der Lo kalisation von kognitiven Funk tionen selber entschlüsseln wol len. Beispiele dafür sind Untersuchun gen der Aufmerksamkeitssteue rung und des Gedächtnisses, der Vorbereitung motorischer Akti vität und der Stadien von Infor mationsverarbeitung. Für die Psy cholinguistik liegt die zukunfts weisende Bedeutung von ERP- Messungen darin, daß man vor wenigen Jahren eine bestimmte Komponente im ERP-Signal ent deckt hat, die ausschließlich auf Bedeutungsaspekte von Sprache reagiert. Pilotstudien in dem vor kurzem in Nijmegen eingerichteten ERP-La- bor haben bestätigt, daß diese Sprachpro zessen auf der Spur sprachspezifische Komponente nicht nur durch visuell dargebote ne Spache, sondern auch durch ge sprochene Sprache ausgelöst wer den kann. Den Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts kommt bei ihren umfangreichen Untersu chungen zugute, daß sie auch über ein hochentwickeltes Sprachlabor verfügen können; in dem Projekt werden nun zum ersten Mal Himrindenpotentiale nicht nur während des Lesens, sondern auch und besonders während des Hörens von natürlich dargebote ner gesprochener Sprache regi striert werden. Hierbei kommt auch dem Sprachvergleich zwi schen dem Niederländischen und dem Deutschen besondere Auf merksamkeit zu. In einer Serie von dreizehn Experimenten soll das zeitlich genau aufeinander abge stimmte Zusammenspiel der syn taktischen und semantischen Pro zesse untersucht werden, die dafür sorgen, daß die einzelnen Wörter in eine globale Struktur mit einer eindeutigen Bedeutungsinterpre tation integriert werden. Gegenü ber den traditionellen Maßen der Sprachpsychologie wie Reak tionszeiten und Fehlerhäufigkeit erhofft man sich von der ERP-Me thode genauere Aussagen über die Informationsverarbeitungspro zesse beim Sprachverstehen. Ein Teil des Forschungsprojektes ist der Aphasie (Verlust des Sprech vermögens oder Sprachverständ nisses infolge einer Erkrankung des Sprachzentrums im Gehirn) gewidmet und soll Aufschluß dar über geben, welche Folgen Ände rungen in den zeitlichen Aspekten syntaktischer und semantischer Prozesse für die Erstellung derGe- samtinterpretation haben können. Die Einbeziehung einer Patienten gruppe dürfte die Validität und Ge- neralisierbarkeit der zu erwarten den Ergebnisse steigern und eröff net möglicherweise auch eine Per spektive für die Anwendung der Forschungsergebnisse im Bereich der neuropsychologischen Dia gnostik. Kontakt: Prof. Dr. Willem J. M. Levelt, Max-Planck-Institut für Psycholinguistik, PB 310, NL- 6500 AH Nijmegen, Tel.: (00 31- 80)51 19 11
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