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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1990
- Erscheinungsdatum
- 1990
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-199000007
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19900000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19900000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
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Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 1990
-
- Ausgabe Nr. 1, 12.01.1990 1
- Ausgabe Nr. 2, 19.01.1999 1
- Ausgabe Nr. 3, 26.01.1990 1
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- Ausgabe Nr. 6, 19.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 7, 26.02.1990 1
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UZ/16 7. Mai 1990 FILM I LITERATUR 5 Alfred Redl, Kind ärmlicher Ver hältnisse, beweist früh Disziplin Und Strebsamkeit in der Schule. An gesichts einer holprigen, von ihm aber in glühendem Untertanengeist verfaßten Lobeshymne auf den Kai ser erkennt der Lehrer unbedingte Berufung zu Höherem, so daß er seine Aufnahme in die Militär- Realschule der Österreichisch- Ungarischen • Monarchie erwirkt. Dort schließt Alfred Freundschaft mit Baron Christoph de Kubinyi. Dank eiserner Unterordnung erträgt er die menschlicher Würde zuwider laufende militärische Ausbildung. Als er die Ferien bei den Kubinyis Verbringt, gehört seine ganze Zu neigung Christoph und dessen Schwester Katalin. Qualvoll spürt er den Abstand in Bildungs- und Umgangsformen. So begreift er die Offizierslaufbahn als einzige ihm mögliche, trotz seiner Abstammung, die eigentlich anderes für ihn bereit ¬ hält, Macht und Ansehen zu errei chen. Er verzichtet auf Urlaub beim Tod des Vaters zugunsten der Teil nahme an einer Gedenkfeier für den Kaiser. Stets befördert vor der Zeit, besitzt er die Gunst der Vorge setzten und teilt er nicht die aus schweifende Lebensführung seiner Kameraden. Verzweifelt kämpft er an gegen die eigene, von ihm als Ma kel empftndene Homosexualität. Hauptmann in Fiume, Major in einer gallizischen Garnision, gilt sein Kampf der unsoldatischen Diensthandhabung des Offiziers korps, wobei er selbst Christoph ver rät und dessen Strafversetzung her beiführt. Sein Gönner Oberst von Roden läßt ihn nach Wien beordern, wo er die militärische Abwehr or ganisieren, einen Kundschafter dienst aufbauen soll. Die Kaiser stadt war Ziel seiner Bestrebungen. Er bewacht akribisch die Heeres führung und wittert überall Feinde der Monarchie. Einzige Vertraute ist ihm Katalin, eine Frau von rei fer Sinnlichkeit und starkem Cha rakter, die als einzige um die heim liche Liebe zu Christoph weiß. Die permanente Selbstverleugnung geht soweit, daß ör heiratet, nur um die Neider zu verprellen und herrschen den Moralauffassungen zu genügen. In seiner Treue verkennt er reale po litische Konstellationen. Thronfol ger Franz Ferdinand organisiert be reits eine Verschwörung gegen den senilen Despoten. Zu spät erkennt und verdrängt Redl, wie die Monar chie, deren Erhalt er sich zur Le bensaufgabe gemacht hatte, auf DEFA 1989: Abschiedsdisco Der fünfzehnjährige Henning kann den Unfalltod seiner Freundin Silke nicht verwinden. Immer wie- der hört er ihr Lachen, ihren Ge- „ang im Schulchor, erinnert er sich an gemeinsame 'glückliche Stunden draußen am See. Dieser herbe Ein schnitt läßt den Jungen seine Um welt kritischer betrachten. In der Schule, im Deutschunter richt, langweilt Fräulein Brode mit „Prometheus“. Abends dann die Cli que, die im Wohngebiet vor allem durch Lärm auffällt. Mädchen. Mo torräder und Musik sind Gesprächs themen, ebenso bereits das Geld. Leipzig erscheint als ferne, lockende Welt. Henning sucht nun Distanz: »Man muß was Richtiges machen. Was mit Sinn!“. Entgegen den Absichten seiner Altvorderen unternimmt er am Wo chenende allein einen Ausflug ins ländliche Wussina, ein Dorf im Ab rißgebiet. Dort lebt im ehemaligen Schulgebäude der Urgroßvater. Das Verhältnis zu dem ist merkwürdig gespannt. Aufgewachsen in einer At mosphäre aus „Stockschlägen, Angst und Unterdrückung“, meidet er die scheinbaren Vorzüge heutiger Zivilisation, bringt er wenig Ver ständnis auf für die Taten seiner En kel und Urenkel. Das Zentrum des Films bilden die Erlebnisse Hennings in schier ge spenstischer Landschaft, welche der Kohle weichen soll, beherrscht von gefällten Bäumen, Großgeräten und Bahngleisen. Da ist der alte Hund, der ein unbewohntes Gehöft vertei digt, die Glocke, die zu Füßen des Kirchturms liegt, ein vorbereiteter Strick am Haken in der alten Wasch tönernen Füßen steht. Er soll hel fen, einen Hochverratsprozeß zu or ganisieren, um abschreckend die Auflösungserscheinungen innerhalb der Armee zu stoppen. Hier nun stel len ihm seine zahlreichen Gegner eine Falle, die nicht wegen ihrer zweifelhaften Verdienste, sondern der adligen Herkunft wegen Immu- Oberst Redl nität vor dem Thronfolger besitzen und die geschickt seine Homosexua lität für ihre Ziele nutzen. Redl muß sich als Angeklagten in jenem Prozeß erkennen und wird in den Selbstmord getrieben. Mit seiner „Trilogie mitteleuropäi scher Filme, Werke eines Jahr zehnts“ lieferte Istvan Szabo einen neuerlichen Beweis für den außer gewöhnlichen Rang der ungarischen Kinomatographie. In großer, der Li- teratur der Gebrüder Mann ver gleichbaren Dimension leistet er im Gestalten von Jahrhundertproble matik gerade auch einen Beitrag zu Bewahrung nationaler kultureller Identität, da es ihm vergönnt war, die Grenzen seines ursprünglichen Erfahrungsraumes zu übersteigen. „Oberst Redl“ ist dabei das am ge radlinigsten erzählte, in seltener Harmonie von Bild und Ton präsen tierte Werk. Wir begegnen diesmal keinem Komödianten, sondern einem Offizier, der freilich nicht minder eine Rolle spielt. Höfgen, Redl und Hanussen bleiben einsame Helden, die nur ihrer mutmaßlichen Berufung leben, unfähig sind, Bin dung, Nähe aufzubauen, die frühe Warnungen nicht verarbeiten und erlebte Erniedrigung an andere wei terleiten. Nimmt in „Mephisto“ noch die Gestalt des Hans Miklas den Tod des Helden vorweg, so en den der Soldat und der Seher selbst tragisch. Ernster -Hintergrund je weils sind die beiden Weltkriege. Wiederum ist Klaus Maria Bran dauer überzeugender Akteur, diesmal noch umgeben von einem ebenbür tigen und gleichberechtigten En semble. In Erinnerung bleiben vor allem Gudrun Landgrebe und Jan Niklas als Katalin und Christoph de Kubinyi sowie Armin Müller-Stahl in der Rolle des Erzherzogs Franz Ferdinand. Kameramann Lajos Kol- tai, Garant für hohe Bildkultur, ge lingen unter Einbeziehung der Jah reszeiten einprägsame und stilechte Lichtstimmungen, wobei vor allem sensibel abgestufte Blautöne in Er innerung bleiben, die Kälte und Un nahbarkeit assoziieren. Anzutreffen ist wiederum eine glänzende Dra maturgie, die sorgfältige Zeitsprünge einarbeitet, ohne Brüche zuzulassen, die eine Fülle virtuos arrangierter Szenen mit spezifischer Bedeutung vorsieht, Dynamik und Ruhe einan der abwechseln läßt. Szabo wird sich hohen Erwartun gen an sein weiteres Werk stellen müssen. HANS-PETER LAUSCHKE, Sekt. Germanistik/Literaturwiss. küche .. Henning begegnet einem skurrilen Alten, der angesichts der Präsenz schwerer Technik ein „Ven- tilcnen" für sein Rad sucht, der der Jugend vorwirft, Probleme zu ver kennen, und der Tiere, gleichsam letzte ihrer Art, schützend um sich versammelt. Der Held trifft auf ein Räubergespann, bestehend aus Va ter und kulturlosem Sohn, die das Ödland nach verwertbaren Gütern durchstreifen. Verschwörerischem Abbruch eines schmiedeeisernen Zaunes („Sowas läßt man nicht ver kommen!“) folgt gemeinsame Flucht vor einer Polizeistreife, die die Gegend nach einem Sittlichkeits verbrecher absucht. Nachdem Hen ning die Ordnungshüter persönlich besänftigen konnte, unter Hinweis auf die „Beziehungen“ seines Va ters „zur Kreisleitung“, trifft er einen Bauarbeiter und Motorradfan, der hier endlich seine anspruchs volle Geliebte beglücken zu können erhofft, die nun gleich ..alles“ be gehre, „viel Platz, den Himmel, ein weiches Bett und gute Luft“. Am Orte lebt auch eine einsame Magda, die in einer gut bestückten und erstaunlicherweise noch funk tionierenden Diskothek entgegen all gemeiner Abwanderung auszuhar ren gedenkt, den Mann fürs Leben erwartend, den sie bei der Ab schiedsdisco kennenlernte und der wiederzukehren ihr versprach. Henning vermeidet schließlich di rekte Begegnung mit dem Urgroß vater, da dieser gerade einer alten Frau Trost spendet, die das Grab ih res Mannes und eigenen Lebens raum nicht „den Baggern“ zu op fern gedenkt. Der Junge begreift, daß dies alles ihn zutiefst selbst betrifft; nicht nur, weil sein Vater der Leiter die ser Zwangsräumung und Abbauvor bereitung ist. Gemeinsam mit Klas senkameradin Dixie, die ihm sor genvoll nachgeeilt war, hilft er dem kauzigen Alten, entgegen dem Wil len seines Vaters, im Vorfeld der Abbauzone seßhaft zu werden. Auf der Suche nach glaubwürdig Darstellbarem dringt die nationale Filmproduktion in Randbezirke so zialen Seins vor, stößt sie auf Ver drängungen jenseits offizieller Ver lautbarungen der Wohlstandsgesell schaft. In seinem jüngsten Streifen, entstanden nach der gleichnamigen Erzählung von Joachim Nowotny aus dem Jahre 1981, bedient sich Rolf Losansky wiederum jugendli cher Helden zur längst fälligen um- fassenaen filmischen Auseinan dersetzung mit ökologischer Pro blematik. Mithin wird neue Kon tinuität in den Arbeiten hiesiger Filmemacher deutlich, da bereits an dere Werke diese Thematik zumin dest partiell behandelten (etwa Mi chael Kann „Die Entfernung zwi schen dir und mir und ihr“). Ausgangspunkt der etwas bemüht poetischen Wirkung dieses Films wa ren einige Veränderungen an der Fa bel Nowotnys, deren entscheidende ohne Zweifel das Verhältnis Hen nings zu Silke betrifft. Das Mäd chen, in der Erzählung nur in einer Episode erwähnt, wurde mit dem Helden liiert,' so daß deren tragi scher Tod ihn zentral betrifft, sei nen Blick schärft für das, was sich scheinbar nebenher vollzieht. Die Fi gur des Alten wurde hinzuerdacht, um — wie mir scheint — allgemein Menschliches, von übergreifender Gültigkeit festzumachen; so recht wohl war mir dabei nicht. Rolf Losansky vermochte es wie derum, mit Holger Kubisch einen überzeugenden Hauptdarsteller zu finden. Jacki Schwarz als Vater und Fritz Marquardt als eben jener Kauz seien gesondert erwähnt. Die Aussage kommt über All- gememplätze nicht hinaus; auch scheint mir der Streifen um einiges zu lang, vielleicht, weil er jede Nuance selbst transportieren will, wovon manches einem souveränen Zuschauer zu eigehem Nachdenken hätte überlassen werden können. Hervorzuheben sind freilich der deutliche Versuch, über das Bild zu erzählen (Kamera Helmut Grewald) sowie die einfühlsame Musik Rein hard Lakomys. H. P. LAUSCHKE Nach der Traumrolle bliebe die Leere... Sein markantes Gesicht prägt sich ein: Daniel Olbrychski. Von Anfang an gehört er in die Reihe der Kinostars, deren Porträts sich an den Außenwänden des Leip ziger Filmkunsttheaters „Casino“ befinden. Seit Jahren war sein mar kantes Gesicht mit dem melancho lischen Blick dort zu sehen, wenn auch nur hinter Glas und kaum auf der Leinwand. Doch das ist nun an ders, denn im April 1990 zur DDR- Kinopremiere des mit einem „Os car“ preisgekrönten Films „Die Blechtrommel“ erschien er im „Ca sino“ als einer der Hauptdarsteller höchstpersönlich — der polnische Schauspieler Daniel Olbrychski. Das Kino war ausverkauft, und bei der anschließenden Gesprächs runde herrschte ein Andrang wie sonst nur während der Dokfilmwo che. Olbrychski erzählte, daß sich vor dem Regisseur Volker Schlön dorff schon Roman Polanski und Ardrzej Wajda an der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Gün ter Grass versucht hatten. Es schei terte aber jedesmal an der passen den Besetzung der Rolle des Oskar Matzerath. Das Oskarchen in Schlöndorffs Film Wurde übrigens von einem da mals zwölfjährigen Jungen gespielt. Olbrychskis Worten zufolge sei der inzwischen zu einem stattlichen jun gen Mann herangewachsen. Trotz des internationalen Erfolgs war der Film „Die Blechtrommel“ für das Spielplanangebot unserer Kinos bis her tabu, für das der polnischen ist er es noch. Er bedauere das sehr, sagte der 45jährige, doch um so grö ßer sei seine Freude, bei der DDR- Premiere in Leipzig dabeizusein. Daniel Olbrychski schaffte den Durchbruch zur internationalen Ki noszene 1968 durch seine schau- spielerische Leistung in dem Film „Die Beteiligten“ (Regie: Andrzej Wajda). Seitdem spielte er unter Re gisseuren wie Margarethe von Trotta oder Claude Lelouch und an der Seite solcher Stars wie Michael York, Mario Adorf oder Barbara Su kowa, der Darstellerin der Rosa Lu xemburg in dem gleichnamigen Film, mit der er auch privat liiert ist. Kritiker sagen über Daniel Ol brychski angesichts seiner Rollen in „Die Hochzeit“, „Das Birkenwäld chen“, „Landschaft nach der Schlacht“ oder „Die einen und die anderen“, er sei der Schauspieler einer ganzen Generation. Über sich selbst macht er nicht so große Worte: „Ich liebe ganz einfach die Kunst. Ich glaube an die Kunst und an die Liebe und — trotz schlechter Erfahrungen — an gute nachbar schaftliche Beziehungen.“ Befragt nach seiner Traumrolle, antwortete Olbrychski: „Ich fürchte mich da vor, von solchen Rollen zu träumen, denn wenn die Traumrolle in Erfül lung ginge, bliebe eine Leere, und die würde mich kaputtmachen.“ Daniel Olbrychski weiß, daß eine solche Rolle wie die des Jan in der „Blechtrommel“ einmalig ist. Und doch hofft er, daß ihm ähnlich reiz volle Arbeiten auch in Zukunft an geboten werden. Wer weiß, viel leicht eines Tages auch von der DEFA?! KONSTANZE ARSAND Am Anfang einer stalinisti schen Neuregelung des litera rischen Lebens (nach den seit 1928 einsetzenden Präliminarien) stand im April 1932 ein ZK- Beschluß,, dessen tieferer Sinn den meisten damals verborgen blieb. Er verfügte die „Liquidie rung-“ der proletarischen Litera- tenorganisationen (also gerade derjenigen, die sich der Partei führung besonders nah gewähnt hatten) und orientierte darauf, alle Schriftsteller, die gewillt seien, am sozialistischen Aufbau teilzunehmen, in einem „einheit lichen“ sowjetischen Schrift stellerverband zu „vereinigen“ (O perestrojke literaturno- chudoshestvennych organizacij. Postanovlenie CK VKP(b) ot 2.3 aprelja 1932g. In: Literaturnoe dvishenie .... S. 152). Die wenigsten ahnten, daß mit diesem Schritt, der wie ein Ab schied von Sektierertum und lä stigen Gruppenkämpfen aussah (und damit echten Interessen li terarischer Kreise Rechnung trug, folglich von vielen mit Freude und Erleichterung aufge nommen wurde), in Wirklichkeit die möglichst totale Vereinnah- Stalinismus und Literatur Von Prof. Dr. sc mung aller literarisch Tätigen für Stalinsche Machtpolitik' ein geleitet wurde. Der Gründungs kongreß des Schriftstellerver bandes der UdSSR im August 1934 besiegelte diese Politik. Aber so verhält es sich mit dem Inhalt und der Artikulations weise der meisten kulturpoli tischen Dokumente dieser Zeit. Das Regime, das die Volksmas sen und partiell auch sich selbst über seinen wahren Charakter hinwegtäuschen muß, sich mas kiert, Mythen und Legenden her vorbringt, bedient sich in seiner anfänglichen Phase einer Spra che, die es als Vollstrecker er sehnter großzügiger Neuerungen erscheinen läßt. Die Vorgänge sind objektiv vielschichtig: Die Installierung der stalinistischen Ideologie gibt sich nicht nur'als Erfüllung von Lenins Vermächt nis aus, sondern geht auch mit tatsächlichen Schritten zur An eignung des Leninschen Erbes .Willi Beitz, (Teil 2) einher, und die Dogmatisierung der Literaturpolitik setzt ' zu einem Zeitpunkt ein. wo die Äußerungen von Marx und En gels über Kunst und Literatur publiziert werden. Stalin selbst sorgt rechtzeitig für neue Sprachregelungen — etwa indem er in seinem Brief ah den Dramatiker Bill-Belo- zerkowski vorn 2. Februar 1929 dafür plädiert, statt der bis da hin in den Debatten gebräuchli chen Klassifizierung in „rechte“ und „linke“ Schriftsteller nun mehr die Begriffe „sowjetisch“ — „antisowjetisch“ zu gebrau chen. Und er bringt auch gleich ein Beispiel: Bei Michail Bulga kows Stück „Die Flucht“ handle es sich um eine „antisowjetische Erscheinung". Auch das 1925 so ermutigende Wort vom „freien Wettbewerb“ in der Literatur muß ihm nunmehr lästig gewe sen sein, er gibt ihm eine fatale Und jetzt diktiere ich den Herren Schrift stellern noch die zukünftigen literari schen Ideen l‘ neue Zielrichtung, indem er sei nem Briefpartner bedeutet, daß es darauf ankomme, „auf dem Wege des Wettbewerbs“ Stücke besagter Art „von der Bühne zu verdrängen ..." (Zit. nach: Doku mente ..., S. 379 f.) Wir haben früher als Literatur historiker diese Zeichen der Zeit in ihrer unheildrohenden Am bivalenz (obwohl manchmal, wie hier bei Stalin, die Geste der Macht brutal durchschlug) ver kannt und von den ihnen zugrunde liegenden gesellschaft lichen Vorgängen zu wenig ge wußt. Daher wurde auch 'der in das Statut des Schriftstellerver bandes 1934 aufgenommene Be griff des sozialistischen Realis mus nicht in seinem wahren funktionalen Sinn genommen. Denn was konnte es schon be deuten, wenn dortselbst eine „wahrheitsgetreue “ Darstellung der Wirklichkeit in ihrer „re volutionären Entwicklung“ postu liert wurde, wenn staatspolitisch vorgegeben war, was man dar unter zu verstehen habe (näm lich Sanktionierung der Dinge in ihrem stalinistischen Gang). Und was war schon von der in Aus sicht gestellten Möglichkeit freier Wahl „vielfältiger For men, Stile und Genres“ (Zit. nach: Literaturnoe dvishenie ..., S. 194) zu halten, wenn die Ka nonisierung gewünschter Genres und Darstellungsformen (z. B. eine gänzlich einseitige Favori- sierung des Romans) bald soweit ging, daß, wie M. Tschudakowa unlängst schrieb, dem sich in die ses starre Gebäude nicht einfü genden Autor nur noch „Ni schen“ blieben (etwa die Jagd erzählung)? (M. Cudakova: Bez gneva i pristrastija. In: Novyj mir. 1988/9, S. 260) Im übrigen hatte sich die offi zielle Auffassung von künstleri scher Freiheit bereits 1929 im Falle Bulgakows, 1931 gegenüber Samjatin und im Mai 1934 bei der ersten Verhaftung und Ver bannung des Dichters Man- delstam gezeigt, und diese Auf fassung sollte in den Massen repressalien vor allem des Jah res 1937 und der Zeit danach (ih nen fielen bis zu den 50er Jahren etwa 20,00 Schriftsteller zum Op fer, etwa anderthalbtausend da von büßten ihr Leben ein) „er härtet“ werden. (Wird fortgesetzt.)
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