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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1988
- Erscheinungsdatum
- 1988
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-198800001
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19880000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19880000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 1988
-
- Ausgabe Nr. 1, 08.01.1988 1
- Ausgabe Nr. 2, 15.01.1988 1
- Ausgabe Nr. 3, 22.01.1988 1
- Ausgabe Nr. 4, 29.01.1988 1
- Ausgabe Nr. 5, 05.02.1988 1
- Ausgabe Nr. [6], 12.02.1988 1
- Ausgabe Nr. 7, 19.02.1988 1
- Ausgabe Nr. 8, 26.02.1988 1
- Ausgabe Nr. 9, 04.03.1988 1
- Ausgabe Nr. 10, 11.03.1988 1
- Ausgabe Nr. 11, 18.03.1988 1
- Ausgabe Nr. 12, 25.03.1988 1
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- Ausgabe Nr. 15, 15.04.1988 1
- Ausgabe Nr. 16, 22.04.1988 1
- Ausgabe Nr. 17, 29.04.1988 1
- Ausgabe Nr. 18, 06.05.1988 1
- Ausgabe Nr. 19, 13.05.1988 1
- Ausgabe Nr. 20, 20.05.1988 1
- Ausgabe Nr. 21, 27.05.1988 1
- Ausgabe Nr. 22, 03.06.1988 1
- Ausgabe Nr. 23, 10.06.1988 1
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- Ausgabe Nr. 26, 01.07.1988 1
- Ausgabe Nr. 27, 08.07.1988 1
- Ausgabe Nr. 28, 15.07.1988 1
- Ausgabe Nr. 29, 22.07.1988 1
- Ausgabe Nr. 30, 29.07.1988 1
- Ausgabe Nr. 31, 02.09.1988 1
- Ausgabe Nr. 32, 09.09.1988 1
- Ausgabe Nr. 33, 16.09.1988 1
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- Ausgabe Nr. 40, 04.11.1988 1
- Ausgabe Nr. 41, 11.11.1988 1
- Ausgabe Nr. 42, 18.11.1988 1
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- Ausgabe Nr. 44, 02.12.1988 1
- Ausgabe Nr. 45, 09.12.1988 1
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Band 1988
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40JAHREFRANZ-MEHRING-INSTITUT.40JAHREFRANZ-MEHRING E igentlich wollte ich nur fünf Jahre in Leipzig bleiben. Ich hatte in Rostock studiert, in Greifswald mit der wissenschaft- ichen Arbeit begonnen und sein Interesse, den Norden der Republik zu verlassen. Doch mit des Geschickes Mächten ... Der dama- ige Staatssekretär für das Hoch- ichulwesen wollte es anders und be- tief mich im September 1954 an das Eranz-Mehring-Institut. „Nur für fünf Jahre“, wie es damals hieß, um Mir den Abschied von der vertrau- en Umgebung zu erleichtern. Doch dieses Versprechen konnte nicht ein- Möst werden. So habe ich von den iO Jahren, auf die das FMI in diesen Tagen zurückblickt, 34 Jahre miter- ebt und mitgestaltet. Eine bewegte Zeit... Es war eine bewegte Zeit. Als ich Ans Institut berufen wurde, stand Oie Ausbildung von Studenten noch m Mittelpunkt der wissenschaftli- chen Arbeit. Das FMI half mit, den Stoßen Bedarf an Lehrkräften für das „ Gesellschaftswissenschaftliche Grundstudium“ zu befriedigen. Ich kam aus diesem Bereich und brachte einige Erfahrungen mit. Dennoch war die Umstellung auf Oie anders gearteten Aufgaben am Franz-Mehring-Institut nicht leicht.' Richer wäre ich nur schwer zurecht- Sekommen, wenn ich nicht solche Kollegen und Freunde gefunden hätte wie Jupp Schleifstein, Lothar Mosler, Günter Großer und Helmut Arndt. Sie kannten die Atmosphäre Om Institut besser als ich und gaben mir manchen Rat. Auch die Studenten Waren gute Partner Aber auch die Studenten des Franz-Mehring-Instituts waren in der Regel gute Partner. Sie ak- Zeptierten, daß ihre Lehrer in man- cher Hinsicht selbst noch Lernende Waren; in der Gestaltung des Un- terrichts wenig erfahren, aber „im- mer strebend bemüht“. Sektiereri- Sche Haltungen, die immer mal wie- Oer auftauchten — wer kennt unsere »Kinderkrankheiten“ nicht? — wur- den gemeinsam überwunden. So be- währten sich Lehrer und Studenten. Heute — mit einem Abstand von 30 Jahren und mehr — weiß ich, daß Unsere damalige Arbeit Früchte ge tragen hat. Die übergroße Mehrheit unserer Absolventen hat sich in der Wissenschaft bzw. in der Praxis gut bewährt und macht ihrer alten Aus bildungsstätte Ehre. Nicht wenige von ihnen sind heute selbst als Hochschullehrer tätig. Duncker, Engelberg - hervorragende Lehrer Wenn ich mir überlege, wie es möglich war, daß wir damals — bei allen Schwächen und Unzulänglich keiten — eine im Ganzen erfolgrei che Arbeit leisten konnten, muß ich an unsere Lehrer denken. Wir hat ten in den vierziger und fünfziger Jahren das Glück, bei hochgeschätz darum, diesen — durch wissenschaft liche und gesellschaftliche Arbeit meist stark belasteten — Mitarbei tern neue Möglichkeiten der eige nen Qualifizierung zu geben. So er folgte vor 27 Jahren die Umstellung des Instituts von einem Ausbil- dungs- zu einem Weiterbildungsin stitut. Aber auch hier war aller An fang schwer. Es gab kaum etwas Vergleichbares in unserer Republik, und so fuhren einige von uns in die Sowjetunion. Dort — das wußten wir — gab es schon lange Institute zur Weiterbildung von Lehrkräften auf den Gebieten der Philosophie, der Politischen Ökonomie, des wis ten Professoren zu studieren, denen wir nachzueifern suchten. Für mich waren das Hermann Duncker in Ro stock und Ernst Engelberg in Leip zig. Hatte ich bei Hermann Duncker gelernt, wie man die Lehrtätigkeit problemorientiert, interessant und einprägsam gestalten kann, so half mir Ernst Engelberg auf dem Weg in die Forschung. Als mein „Dok torvater“ hatte er erheblichen Anteil an meiner wissenschaftlichen Profilierung und persönlichen Hal tung. Da nicht nur Ernst Engelberg, son dern auch andere Hochschullehrer der Karl-Marx-Universität den Wis senschaftlern des Franz-Mehring- Instituts bei ihrer Qualifizierung zur Seite standen, war das Institut nicht unvorbereitet, als im Jahre 1961 eine ganz neue Aufgabe an das Kollektiv herantrat. FMI wurde Weiter bildungsinstitut Der spürbare Mangel an Lehrkräf ten im Grundlagenstudium war in zwischen überwunden. Jetzt ging es senschaftlichen Sozialismus und der Geschichte der Arbeiterbewegung. Wir studierten die sowjetischen Er fahrungen und überlegten, welche Methoden der Qualifizierung wir übernehmen konnten und welche nicht. In Auswertung dieser Studien reisen erarbeiteten wir uns eine ei gene Konzeption für die Weiterbil dung am FMI. Sie entsprach den Be dingungen unseres Landes und gilt in den Grundzügen noch heute. Inzwischen haben wir nicht nur Dutzende von Lehrgängen zur Qua lifizierung der Mitarbeiter des Grundlagenstudiums und ausländi scher Hörer durchgeführt, sondern auch andere Möglichkeiten zur Wei terbildung geschaffen. So gibt das Institut seit mehr als 25 Jahren eine eigene wissenschaftliche Zeitschrift heraus, die auf vielfältige Weise mit- geholfen hat, die Qualität der Ar beit im Grundlagenstudium zu ver bessern. Vor allem aber müssen die Lehrbücher für die Fächer Politi sche Ökonomie und wissenschaft licher Sozialismus genannt werden, die nun schon in vielen Auflagen er schienen und aus der Arbeit des Grundlagenstudiums nicht mehr wegzudenken sind. Als Historiker freue ich mich na türlich besonders über die Leistun gen dieses Wissenschaftsbereiches, an dessen Spitze ich immerhin 30 Jahre lang gestanden habe. Was ich bei Duncker, Engelberg und ande ren lernte, habe ich Jüngeren wei terzugeben versucht/ Bücher über die marxistische deutsche Ge schichtswissenschaft, über Franz Mehring und Ferdinand Lassalle, über die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und die Ge schichte der örtlichen Arbeiterbe wegung bestimmen das Niveau in unserer Republik und sind auch in ternational anerkannt worden. Sta bile Forschungsgruppen lassen auch für die Zukunft gute Ergebnisse er warten. Bei allen Erfolgen gab es auch Mängel Natürlich gab es in der vierzig jährigen Geschichte des Franz- Mehring-Instituts nicht nur Erfolge, sondern auch Rückschläge; nicht nur gute Ergebnisse in Lehre, Wei terbildung und Forschung, sondern auch Mängel und Schwächen. Wir würden unglaubwürdig und täten uns keinen Gefallen, wollten wir das anläßlich des Jubiläums ver schweigen. Ich selbst habe manche schwierige Situation miterlebt. Aber alles in allem hat sich das Institut einen guten Namen erworben: in un- serer Republik und — durch die Hunderte von ausländischen Hörern — weit über ihre Grenzen hinaus. So denke ich heute an die 34 Jahre am FMI gern zurück, obwohl es eigent lich nur fünf Jahre werden sollten. Sehr zu empfehlen: „Geschichte des FMI“ In der eben erschienenen „Ge schichte des Franz-Mehring-Insti tuts 1948/86“, verfaßt von Uwe Feige und Dietmar Pellmann, ist der Versuch unternommen worden, die Entwicklung des Instituts über fast vier Jahrzehnte nachzuzeich nen. Der interessierte Leser kann dort über das FMI natürlich un gleich mehr erfahren als aus diesen wenigen Zeilen. Mag er manches an ders beurteilen, manches vermissen: Es gibt noch nicht viele Institutsge schichten dieser Art. Und eine überarbeitete (und er weiterte) Auflage zum 50. Geburts- tag liegt ja nicht aus der Welt. Deutschunterricht am FMI (Alltags- Der Autor unseres Beitrages: Prof. Dr. Hans-Jürgen Friederici, der seit 34 Jahren ’Prache). Fotos: UZ-Archiv (HFBS) am Institut forscht und lehrt. Titelblatt der gerade erschienenen In stitutsgeschichte. Schwelle neuer Naturwissenschaft? Ein Projekt interdisziplinärer Gemeinschaftsarbeit zwischen KMU und TH Leipzig Im Rahmen einer Abendveranstal- lung an der Marxistisch-leninisti- schen Abendschule zum Thema Stoft-Energie-Informatlon — ste- Ren wir an der Schwelle einer heuen Naturwissenschaft?" (Prof. Gr. W. Kriesel, TH Leipzig) entwik- kelte sich eine äußerst interessante Diskussion zwischen Vertretern un- lerschiedlichster Disziplinen, die die Zeit vergessen ließ. Sie endete näm- *kh um Mitternacht. Angeregt durch diese Diskussion wurde ein Arbeitskreis „information Science“ ns Leben gerufen (April 1987). dem Wissenschaftler verschiedener Fach- Richtungen der KMU und der TH Leipzig angehören. In einer Reihe Von Diskussionen zu Beiträgen von Prof. Kriesel, Prof. Dr. Reiprich und ^rof. Dr. Rochhausen (Philosophie), Prof. Dr. Gottwald (Logik). Prof. Pr. G. Laßner (Mathematik), Prof Gr. Vojta (Physik), Prof. Dr. Koe- Ditz (TAS) und Prof Dr. Balzer ITH) kristallisierte sich allmählich Sjne Meinung heraus, die in einer Vorlage für den Rektor der KMU ih- Fen Niederschlag fand. Bekanntlich spielt das „Tem- Poprinzip" (maximum speed prin- Tiple) in der Wissenschaftsentwick- Ung eine entscheidende Rolle. Die Prozesse der Informationswandlung in Natur und Gesellschaft gehören m internationalen Rahmen gerade in der Gegenwart sowie in den näch sten Jahrzehnten zu den wichtig sten qualitativen Wachstumsfakto ren, die das hohe Tempo der Wis- senschaftentwicklung mit zukunfts- orientiertem Leistungswachstum er möglichen. Sie reichen von den -theoretischen Grundlagen infor- mationeller Prozesse (theoretische Kybernetik, theoretische Informa- 'tik, Informationstheorie ...) über die verschiedensten Technologien zur Informationswandlung (Auto matisierung, Computer, Kommuni kation, wissenschaftliche Geräte, Mikroelektronik) bis hin zu An wendungen in allen Hochtechnolo gien (Kernenergetik, Kosmosnut zung, Biotechnologie, Gentechnolo gie) sowie in Verhaltensforschung, Medizin. Veterinärmedizin und Landwirtschaft, Sprachwissenschaf ten,. Geschichtswissenschaften .und Philosophie. Die theoretische Durch dringung der Informationsprozeise in allen Wissenschaftsbereichen spielt deshalb für Gegenwart und Zukunft eine Schlüsselrolle, der sich die Universitäten und Hochschulen unserer Republik mit aller Konse quenz annehmen müssen. Es ist mit höchster Wahrschein lichkeit zu erwarten daß sich die In formationsprozesse im weitesten Sinne (also nicht beschränkt auf die Informatik!) in den nächsten Jahr zehnten zu einer gleichrangigen Säule neben den Prozessen der Stoff- und Energiewandlung (Che- mie/Physik) entwickeln und diese zu einer „organischen Ganzheit“ führen. Gegenstand einer Disziplin „In formationswissenschaft“ müßten folglich allgemeine Eigenschaften al ler Informationsprozesse sein, wie sie in Natur, Technik und Gesell schaft auftreten (spezielle Gesetz mäßigkeiten, diverse Informations arten mit zugehörigen unterschied lichen Informationsmaßen usw.). Anwendungsbereiche liegen poten tiell in allen Gebieten Von Natur, Technik und Gesellschaft, aller dings in unterschiedlichem Grade, vor. Der Schlüsselbegriff ist der Be griff der Information, mit dem die Begriffe Informationsverdichtung, Informationsspeicherung, Informa tionsverwertung. Wert der Informa tion, Bewertung der Information, In formationsgehalt, Muster, Organi sationsgrad, Organisationsstruktur, I eistungsfähigkeit, Selbstorgani sation usw. im Zusammenhang ste hen. Dieses System von Begriffen und Gesetzen ermöglicht es, mit Na tur-, Struktur-, Human-, Gesell- schanis- und Ingenieurwissenschaf ten ir fruchtbare Wechselwirkung zu treten bzw. eine ..Problemspra che“ zu entwickeln, die heuristisch Problemlösungen in allen Wissen schaften modellieren kann. Es gibt allerdings noch keine einheitliche Auffassung über den Status dieser Disziplin. Der Arbeitskreis gibt der Leitung der KMU die Empfehlung zur Grün dung einer „Sektion für Informa tionswissenschaften“, die folgende Hauptgebiete umfassen sollte: — Informatik (einschließlich Re chenzentrum), — theoretische Informatiofiswissen- schaft (als selbständiger Grundla genforschungsbereich). Im Heft 4 der „Rohrbacher Ma nuskripte“ wird von den Wissen schaftlern des Arbeitskreises „infor mation Science“ aus unterschiedli cher Sicht ein vorläufiges Ergebnis der bisherigen Arbeit vorgelegt wer den. In einem Gespräch zwischen dem Rektor der KMU, Prof. Dr. Hennig, dem Rektor der TH Leipzig, Prof. Dr. Balzer, Prof. Dr. Kriesel und Prof. Dr. Rochhausen wurde vereinbart, ein Projekt „Informa tionswissenschaft“ in Angriff zu nehmen, das in etwa dreijähriger in terdisziplinärer Arbeit in einem Buch seinen Niederschlag finden soll. Es wird vor allem auch an talen tierte Nachwuchswissenschaftler appelliert, deren Promotion A öder B sich mit ähnlichen Problemen be faßt. Für junge Natur- und Hu manwissenschaftler (Medizin, Psy chologie) kann die Mitarbeit als ML-Qualifikation (Promotion A) an erkannt werden. Prof. W KRIESEL. Prof. R. ROCHHAUSEN Am 13. August 1913 vollendete sich In Passugg In der Schweiz der Lebens- und Kampfweg August Bebels. Nach der bekannten Einschätzung Lenins wurde August Bebel am Ende des vergangenen Jahrhunderts „zum fähigsten Parlamentarier Europas". Aus Anlaß seines 75. Todestages würdigen wir den Redner August Bebel. Durch Tatsachen führte Bebel die Argumente des Gegners ad absurdum Ohne Zweifel war Bebel über Jahrzehnte der fähigste Redner des Deutschen Reichstags. Doch so meisterhaft er es verstand, die Parlamentstribüne zur Propagie rung der marxistischen Grund sätze und Ziele, zur Anklage ge gen die Ausbeutungs- und Un terdrückungsmethoden des Klas senfeindes zu nutzen, so war für ihn die parlamentarische Tätig keit niemals Selbstzweck. Be stand doch das Ziel der von Be bel entwickelten proletarisch revolutionären Parlamentstaktik darin, die Kampfkraft der Partei zu stärken und den Boden für den revolutionären Kampf um die politische Macht zu verbes sern. „Wir reden nicht Ihretwe gen hier“, rief er Junkern und Bourgeois im Reichstag zu, „denn an Ihnen ist Hopfen und Malz verloren, sondern wir re den wegen der Massen draußen, wegen der Millionen, die uns ... hierher geschickt haben.“ Von einer solchen revolutionä ren Grundhaltung aus konnte sich der ehemalige Drechsler durch die Kraft seiner Aussagen, die Klarheit seiner Worte und durch seine ganze Leidenschaft lichkeit zu vollkommener Re deleistung steigern. Dabei war Bebel in seiner äu ßeren Erscheinung alles andere als ein imposanter Redner. Bei dem Versuch, auf der Grundlage entsprechender Quellen ein ge naueres Bild des Redners August Bebel zu gewinnen, ergeht es uns zunächst wie Johann Hdrdekopf, dem Helden aus Willi Bredels Ro man „Die Väter“, als dieser das erste Mal Bebel erlebte: „August Bebel hatte sich der junge Har-^ dekopf ganz anders vorgestellt: statt eines großen, imposant aus sehenden Menschen stand ein blasser, kränklich aussehender Mann mit langem, dunklem Kopfhaar und Spitzbart auf dem Podium. Er schimpfte nicht, schrie nicht, drohte nicht, wie Hardekopf erwartet hatte, son dern sprach ruhig, fest und be stimmt.“ Diese literarische Dar stellung deckt sich absolut mit den Berichten der Zeitgenossen Bebels. Scharfe, offensive Kampfsprache Doch statt der nüchternen, sachlich gefühlsarmen Sprache konnte sich Bebel jedoch auch, vor allem in der Auseinanderset zung mit dem Klassengegner, einer scharfen, leidenschaftli chen, offensiven Kampfsprache bedienen und eine wirkungsvolle Polemik führen. Geradezu kenn zeichnend für Bebels Argumenta tionsmethode, die durch Wider legung bzw. Entlarvung die Argu mente des Gegners ad absurdum führt und dadurch die eigene Auffassung durchsetzt, ist der Tatsachenbeweis. Seine Reichs tagsreden sind ein Musterbei spiel dafür, daß dem Tatsachen beweis eine große Überzeugungs kraft innewohnt. Gleichzeitig wird damit auch die Bedeutung des Wortes „Wissen ist Macht“ für den Redner erhärtet. Bebel nutzte bei der von ihm bevorzugten Beweisführung durch Tatsachen sein glänzendes historisches, politisches und ökonomisches Wissen wie auch sein ausgezeichnetes Gedächtnis. Vor allem aber bereitete er sich, gründlich auf jede große Reichs tagsrede vor. So verschickte er 1889 mehr als 5000 Fragebogen an Bäckergesellen und bat um die Beantwortung von 22 genau aufeinander abgestimmten Fra gen. Auf der Grundlage dieses Befragungsergebnisses konnte er dann überzeugend über die so ziale Lage des Bäckereigewerbes sprechen. Im Ergebnis dieser Rede, die in ganz Deutschland ein gewaltiges Aufsehen erregte, wurde vom Reichstag die Ge werbeordnung verändert. Im Jahre 1892 konnte Bebel nach intensiver Sammlung und Aufbereitung von Tatsachenma terial im Reichstag ein erschüt terndes Bild des Drills, der Ent würdigung und der Quälereien deutscher Soldaten malen und damit das ganze menschenver achtende System des Militaris mus entlarven. Zu den Merkmalen der Bebel- schen Reichstagsreden gehört auch das „Prophezeien“. Das heißt, er gab immer wieder sei ner unerschütterlichen Überzeu gung vom Sieg des Sozialismus Ausdruck. So vermochte er, selbst in schwierigen Situatio nen, seinen Kampfgefährten Mut August Bebel (1840-1913) Foto: ADN-ZB und Zuversicht zu vermitteln. Be zeichnend für diese Haltung Be bels ist seine berühmte Rede zur Pariser Kommune vom 25. Mai 1871. Als in Paris die Konterre volution wütete, und Bebel selbst von der Anklage des Hoch verrates bedroht war, rief er den spottenden und hohnlachenden bürgerlichen Abgeordneten seine berühmte „Prophezeiung“ zu: „Meine Herren, und wenn auch im Augenblick Paris unterdrückt ist, dann erinnere ich Sie daran, daß der Kampf in Paris nur ein kleines Vorpostengefecht ist, daß die Hauptsache in Europa uns noch bevorsteht und daß, ehe we nige Jahrzehnte vergehen, der Schlachtruf des Pariser Proleta riats .Krieg den Palästen, Frie de den Hütten, Tod der Not und dem Müßiggang T der Schlachtruf des gesamten euro päischen Proletariats werden wird.“ Marx und Engels verfolgten mit großer Anteilnahme jedes Auftreten August Bebels im Deutschen Reichstag. Im Jahre 1893 schrieb Engels an Bebel, als dieser in der Debatte über den „Zukunftsstaat“ in einer groß angelegten Rede die Grundsätze und Ziele der Partei verkündet hatte: „Vor allem meine Gratu lation zu Deiner prächtigen Rede vom 3. Feburar... Sie ist ein Meisterstück, woran auch ein zelne kleine theoretische Unge nauigkeiten, die im mündlichen Vortrag unvermeidlich sind, nichts ändern.“ Von den Arbeitermassen wur den die Reichstagsreden Bebels begeistert auf genommen, und bald erzählte man sich allerlei Geschichten über die Wirkung dieser Reden. Als einmal der Reichskanzler von Bülow einen Ohnmachtsanfall erlitt, nachdem ihn Bebel in einer äußerst schar fen polemischen Rede angegrif fen ' hatte, war dieser Zwischen fall Anlaß für manche Anekdote über die Schlagkraft Bebelscher Rhetorik. Trotz seiner Erfolge als Debat tenredner war sich Bebel stets der Grenzen der parlamenta rischen Tätigkeit bewußt. Des halb legte er besonderes Gewicht auf die außerparlamentarischen Kampfformen und den ständigen Kontakt zu seinen Wählern. Dabei war er natürlich immer als Redner und Agitator gefor dert. In seinen Lebenserinnerun gen gesteht er freimütig: „Das Agitieren machte mir übrigens trotz aller Erfolge und Beifalls bezeigungen wenig Vergnü gen ... Und wie lange habe ich es nachher noch betrieben. Die Pflicht gebot es. das genügte.“ Erforscht man das Bedingungs gefüge, in dem der Zögling einer Armenschule und spätere Drechs ler zum vollendeten Agitator und Propagandisten der re volutionären Arbeiterbewegung reifen konnte, dann stößt man ne ben der Lernbesessenheit, den heilsamen Erfahrungen als Red ner, der steten Beschäftigung mit der deutschen Sprache, der kritischen Prüfung von Redelei stungen anderer und vieler wei terer Faktoren auch hier auf das Leitmotiv, das sein ganzes vor bildhaftes Leben und Kämpfen bestimmte. Es war die Überzeu gung, die gerechteste Sache der Welt zu vertreten, und der i Glaube, daß die sozialistische Gesellschaft nicht in unendlicher Ferne, sondern in greifbarer Zu kunft liegt. Dr. sc. RUDI MÜLLER, Herder-Institut
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