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unterbricht ein unheimliches Beben der Violinen und Violen und ein pathetisches Rezitativ des Klaviers den Frieden. Im Allegretto vivace (sehr lebhaft) herrscht graziöse Heiterkeit, ein Scherzo, für dessen klangliche Färbung das sonst noch niemals im gleichen Maße benützte Triangel Bedeutung hat. Ein in kleinen Terzen chromatisch absteigender Gang am Ende verdunkelt die Stimmung und das Allegro animato (erregt, beseelt) setzt zunächst unheimlich spannungsvoll ein. Ein mäch tiger Posauneneinsatz des ersten Hauptthemas löst endlich das Geheimnis, und das Soloinstrument donnert wieder in seinen schon früher gehörten Oktavenpassagen einher. Im Allegro marziale animato (marschartig, lebendig) treten frühere Themen in pikanter Rhythmisierung auf. In wachsender Beschleunigung und all mählicher Zunahme der Stärke wird die glanzvolle Gipfelung, die das Werk am Ende durch das pompös aufklingende Hauptthema erfährt, wirksam vorbereitet. Die Totentanz-Melodie von Tiessen. ...... In Carl Hauptmanns Märchendrama ,/Die. armseligen Besenbinder“ heißt es an einer Stelle: „Wenn der Vorhang aufgeht,, sieht man in Tiefdunkel. .Man hört^fe draußen die Elemente brausen und heulen und orgeln. Und als wenn der Wind^^ dazwischen noch extra auf einem Fensterloehe pfiffe, mischt sich darein eine, feine, S.Chneid.ende, verlockend süße Oeigenmeiqdie? Zu dieser Stelle hat der Berliner Heinz Tiessen (geb. 1887 in Königsberg) das Violinsolo mit kleinem Orchester komponiert. Der Hörer mag selbst entscheiden, ob die Weise s iner Vorstellung von einer „feinen, schneidenden, verlockend süßen Geigenmelodie“ entspricht. i Die Mozart-Variationen von Reger. Max Reger (1873—1916) steht mit seinem umfangreichen Schaffen, welches mit Ausnahme der Oper jede musikalische Gattung bedachte, noch immer im Kampf der Meinungen. Die einen sehen in seiner komplizierten, schwerblütigen Schreibart den unserer Zeit einzig entsprechenden musikalischen Ausdruck; die anderen meinen, seine Zeit wäre vorbei oder käme nie. Einig sind sich alle in der Bewunderung von Regers, die landläufigen Begriffe überschreitendem technischen Können, ins besondere seiner Kontrapunktik, d. h. der Kunst, jeder der zahlreichen, zugleich erklingenden Stimmen selbständigen Charakter, Persönlichkeit, Individualität zu ver leihen. Das Allerbedeutendste in seinem Gesamtschaffen hat Reger in der kunst vollen Veränderung von Themen fremder Komponisten geleistet. Also nicht im Erfinden, im Neuschaffen, vielmehr im Umschaffen, im kunstvollen Verkleiden be währte er seine besten Kräfte. Die heute gespielten acht Variationen mit Fuge über ein Thema von Mozart sind 1914 entstanden. Das Thema steht in Mozarts Klavier sonate B-Dur (mit dem türkischen Marsch) und ist auch einst von Mozart selbst zu Variationen verwendet worden. Bei Mozart allerdings hört man aus jeder der Variationen das schlichte, liebenswürdige Thema wieder heraus. Bei Reger gehl es stellenweise soweit mit der Veränderung, daß man das Thema nicht wiederer kennen kann. Es ist immerhin reizvoll, zu beobachten, wie durch veränderten Rhythmus, durch andere Harmonik, andere Farbe der Charakterwechsel herbeige führt wird. In der am Schluß stehenden, zuletzt glanzvoll ausgehenden Fuge setzen die einzelnen Stimmen nach bestimmten Gesetzen nacheinander ein. Dr. Kreiser.