Vor und nach der Romantik Wenn wir heute von romantischer Musik sprechen, denken wir in erster Linie an die in sich abgeschlossene musikgeschichtliche Epoche des 19. Jahrhunderts. In Wirklichkeit ist der Gesamtkomplex der Romantik viel weitgespannter, denn bereits bei Friedemann und Philipp Emanuel Bach erkennen wir romantische Empfindungen, und auch Mozart als ausgeprägter Vertreter der klassischen Musik nimmt in seinen Werken manches vorweg, was erst in den Jahrzehnten nach seinem Tode bestimmend für die musikalische Entwicklung wurde. Vor allem in seinen Klavierkonzerten c-Moll und d-Moll stehen wir mit einzelnen Episoden unmittelbar am Tor der Romantik, und in einigen Variationensätzen der Mozartschen Sonaten und Quartette ergeben sich teilweise verblüffende Parallelen zur romantischen Welt eines Franz Schubert. Wie sehr Schubert und Weber zwei typische Romantiker der Musik sind, brauchen wir nicht besonders betonen. Ihre Werke beweisen es nachdrücklich: Das Auskosten von Vorhaltsspannungen und die Ausweitung der Harmonik bei Schubert oder die Bevorzugung konträrer Klangfarben in der Instrumentierung Webers zur Stimmungsschilderung (um nur zwei bezeichnende Beispiele zu nennen!) sind so ausgeprägt romantisch, daß sie jeder Hörer auch sogleich als Ausdruck des Roman tischen nachfühlt. Fidelio Finkes Musik ist ohne die Anregungen der Romantik nicht denkbar. Man nannte ihn einmal den „Erben Dvorakscher Tradition aus den Händen Noväks“. Das sagt aber bei weitem noch nicht alles. Finke durchlief alle Stationen der modernen Musikentwicklung wach und aufgeschlossen. Arnold Schönbergs Ex pressivstil (Romantik bis an die Grenzen des Möglichen gesteigert!) beeinflußte ihn stärkstens, doch der „Fanatiker der Moderne“, wie man Finke einmal treffend nannte, war im Grunde ein echter Romantiker, der seine großartig-virtuose „Reiter burleske“ dem „Don Quichote in mir und allen“ widmete. Das ist fast ein Selbst bekenntnis: Philosoph und Poet — Don Quichote und Wilhelm Busch! Der 1891 in Josefstal bei Gablonz geborene Fidelio F. Finke gehörte nach dem ersten Weltkrieg zu den großen Umstürzlern der Gegenwartsmusik: Sein Name wurde in Salzburg und London genannt, seine Werke erklangen in Donaueschingen und Wien, zu den internationalen Musikfesten in Baden-Baden und Prag. Das Amar-Quartett mit Paul Hindemith an der Bratsche setzte sich für Finke ein, die Tschechische Philharmonie unter Vaclav Talich, Arthur Schnabel und Georg Szell sowie Erich Kleiber und später Joseph Keilberth. In allen Ländern Europas erklangen Finkes Werke, auch in Amerika und China. Finke studierte in Prag bei Vitezlav Noväk, wurde Lehrer für Komposition, erhielt 1926 den Professorentitel, um ein Jahr danach zum Direktor der Deutschen Hoch schule für Musik in Prag ernannt zu werden. Bis 1945 wirkte er dort überaus erfolgreich. Von 1946 bis 1951 leitete er die Dresdner Hochschule für Musik. Heule arbeitet er in Leipzig als Professor für Tonsatz. Von seinen Schülern seien die Dirigenten Karel Sejna (Prag) und Fritz Rieger (München) erwähnt, die Korn-