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ß-Roman-Beilage-z Der »ok^imnss^ ko MSN von Lsri l^ülLS Oopxrixkt dx Martin keucdtvaoser, »slle s. ä. 8. fs Als er in den Zeitungen von dem unverminderten Verdacht las, der auf ihm ruhte, da hielt es ihn nicht mehr in dem kleinen, reizenden Middelburg, und er fuhr hinab nach der nahen großen Hafenstadt Rotterdam, in derem Getriebe er unterzutauchen hoffte. „Nehmen Sie beide, Herr für 40 Gulden das ist billig beide für 40 Gülden oder wenn Sie 50 Gulden anlegen wollen, dann sollen Sie alle drei haben", redete unaufhörlich der Uhrenschwindler aus den Schwimmer ein. Sie hatten die hohe, riesenhafte Maasbrücke über schritten. Fred Bronnen hörte nicht hin, was der Mensch sprach. Doch er empfand es wohltuend, daß jemand neben ihm schritt. Das Gefühl der Sicherheit wuchs damit. Er fühlte sich nach den Tagen der Einsamkeit gehoben, ge stärkt und unendlich zuversichtlicher. Das Gefühl von Schwäche und Haltlosigkeit wich von ihm. Er schämte sich dieser Gefühle, die ihn unwürdig für seine große Aufgabe zu machen drohten. Seine Unschuld mußte sich über kurz oder lang heraus stellen. Er würde dann erneut an den Kanal Herangehen. Nach dem furchtbaren, stundenlangen Kampf vor der Schcldemündung bangte ihm vor dem Ungeheuer Kanal nicht mehr. Er hielt inne und musterte den Uhrenhändler. '„Nehmen Sie alle drei für 30 Gulden ", drängte der Mann. Fred Bronnen wehrte ab. Er zog seine Uhr und hielt sie dem Mann dicht vor die Nase. „Was geben Sie mir sür diese Uhr? — Ich brauche Geld." Der Mann nahm die Uhr, horchte und klopfte an ihr herum. Dann öffnete er das Gehäuse. — Er sah plötzlich prüfend, unter umbuschten Augenbrauen hervor, den Schwimmer an. „Die Uhr ist kaputt durch Seewasser Sie haben geschwommen in der See? — Davongelaufen — wie?" Fred Bronnen verfärbte sich etwas. Doch er blieb ganz ruhig. Er durfte sich nicht verraten. Nirgends war er sicher. — Er lachte und sagte wegwerfend: „Die Uhr ist nicht kaputt Sie geht! Was geben Sie mir dafür?" „Nix." Der Uhrenhändler schnippte mit den Fingern, musterte mißtrauisch den Schwimmer und wich von seiner Seite. Fred Bronnen wurde es unbehaglich. Er sprang auf eine Straßenbahn, an der er das Schild „Hofplein" las und gedachte mit ihr zum Bahnhof zu enteilen. Allein die Straßenbahn kam für seine Ungeduld viel zu langsam vorwärts. Ziehbrücken, die den Straßenverkehr unter banden, um den Verkehr auf Kanälen durchzulassen, hin derten den Wagen, Autos zwängten sich hart vor ihm, Schwärme von Radlern umschwärmten Schienen und Verkehr. Durch den Schaffner erfuhr Fred Bronnen, daß vom Hofplein der elektrische Zug nach dem Haag fuhr. Er sprang entschlossen am Delfter Tor ab, eilte über die Straße und saß bald im surrenden, mit größter Geschwin digkeit durch das flache Weidenland, an Kanälen, Wind mühlen und flachliegenden Dörfern vorübereilenden Schnellzuge. In der eleganten Hauptstadt Hollands, dem Haag, glaubte er sicherer zu sein als in der Hafenstadt Rotter dam. Was er hier beginnen sollte, wußte er freilich nicht. Tas Geld war fast völlig ausgegeben. Und Holland war teuer. Da las er an einer Anschlagsäule eine Ankündigung: „Ein Walzertraum". In der Princesse-Schouburg. Von einer ersten Berliner Operettengesellschaft. Er ging und sprach» um Beschäftigung vor. Aber es war nichts. Man hatte das Personal komplett, und für die untergeordnete Arbeitsleistung auf der Bühne wurde das einheimische Personal des Theaters verwendet. Aus Mitleid schenkte man dem Schwimmer ein Billett für die Abendvorstellung. Fred Bronnen nahm es ver wundert und bedankte sich kaum. Draußen zerriß er es. — Was sollte er im Theater? Was sollte ihm das jetzt, wo er selbst in einer Tragödie mitwirkte, die ganz andere Bedeutung sür ihn besitzen mußte, als ein auf der Bühne dargestelltes kleines Menschengeschick? Als er aus dem Theater trat und mutlos feine Schritte über die schattendunkle Straße lenkte, surrte auffallend langsam ein Auto an ihm vorüber. Er stutzte. Er glaubte ein Gesicht erkannt zu haben. — Ein Blick aus einem Paar Augen hatte ihn getroffen. Da hielt das Auto schleifend an. Es wendete darauf und fuhr zum Straßenbord hinüber, an dem unschlüssig Fred Bronnen verharrte. „Wie nett, daß ich Sie hier treffe", sprach Me melo dische Stimme. Eine schmale, weiße, gepflegte Hand reichte sich dem Schwimmer aus dem Wagen heraus. „Gnädige Frau", stammelte Fred Bronnen sehr er schrocken und machte vor Verwirrung eine linkische Ver beugung. „Ich bin es, ja — —", antwortete die melodische Stimme. Frau von Gagern zahlte das Mietauto und stieg aus. Sie fragte nach dem Wegziel Bronnens. Der Schwimmer wies irgendwohin mit der Hand. So schritten sie mitein ander den gepflegten, um diese Stunde wenig belebten Weg, der nach Scheveningen durch den Wald, längs des Kanals, führte. „Wie kommen Sie nach dem Haag?" fragte Frau von Gagern unter gesenkten Lidern hervor. Fred Bronnen zuckte eigenwillig, in verhaltenem Trotz mit den Schultern. Sein hübsches Gesicht war voll Miß mutsfalten, bleich und stumpf. Er spürte irgendeinen Zwang und suchte sich ihm zu entziehen. Allein die Frau hielt ihn fest mit ihrem Blick und ihrem Wesen. „Ich mußte irgendwohin!" preßte er hervor. „Hat Sie Miß Blank im Stich gelassen?" Diese Frage riß Wunden in Fred Bronnens Brust. Er ballte in ohnmächtigem Zorn die Fäuste. Nie war ihm diese Frau, die ihn verfolgte, seit er ihr Kind gerettet hassenswerter erschienen, als jetzt.