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d ein rau ! N 10- oird rar- tch, Beilage zur Wettzeritz-Zettmig Sonnabend, am 23. Fedmar 192S Nr. 46 »5. Jahrgang Vo« Woche z« Woche. Randbemerkungen zur Zeitgeschichte. 4t Briand hat einmal gesagt, wenn die inter nationale Lage es erfordere, dürfe eine Regierung nicht davor zurückschrecken, sich ,^rn die Macht zu klam mern" und solange zu regieren, wie sie eine Mehr heit, und sei es auch nur eine solche von einer Stimme, habe. Wahrscheinlich schwebte ihm dabei das Beispiel de» Ministerpräsidenten Combes vor Augen — des Vater» der Laiengesetze — der es vor dem Kriege tat sächlich fertiggebracht hatte, zweieinhalb Jahre hindurch mit einer Mehrheit von vier Stimmen sich im Amte zu halten. Jetzt folgt Poincarö seinem Beispiel! Die Parlamentsmehrheit der neuen Regierung PoincarS ist von 70 auf 6 Stimmen zusammenge schmolzen. Es ging darum, ob Trou-Sur-Mer — das französische Posemuckel — sein Gericht erster Instanz wieder erhalten sollte. Also sicher keine welterschüt ternde Angelegenheit. Bedeutung gewinnt diese Ab stimmung aber dadurch, daß PoincarS nur irtüm- licher Weise eine Mehrheit erhalten hat! Die El sässer Stürmel, Hautz und Walter weilten während der Abstimmung nicht in der Kammer, worauf man ihre Stimmen einfach denen der Regierungsparteien zuzählte, während die Abgeordneten, nach ihren eige nen Bekundungen selbstverständlich gegen das Kabi nett stimmen wollten. Zwei weitere Stimmen hatte Poincarö dadurch erlangt, daß die früheren Minister Herriot und Queuille sich der Stimme enthielten, weil sie sich für das umkämpfte Gesetz mitverantwortlich glaubten. Und die letzte Stimme? Die stammt von den zwölf Kabinettsmitgliedern, die sich in ihrer Eigen schaft als Abgeordnete selbst das Vertrauen bescheinigt haben! Wann Poincar«! stürzen wird? Nicht vor der Beendigung der Reparationskonserenz, die gegenwärtig erstmals in ein entscheidendes Stadium getreten ist. Der Freitag scheint in Paris ein „großer Tag" gewesen zu sein. Die Verschwiegenheit war noch größer, und die Türen waren noch fester verriegelt, al» e» bisher schon der Fall war. Wirtschaftsführer lieben es nicht, bei offenen Fenstern zu diskutieren oder sich in entscheidenden Stunden in die Karten blicken zu lassen. Aber, wo nichts zu erfahren ist, wird etwas vermutet, und so schießen denn auch in Paris die Gerüchte üppig ins Kraut. Auf die Wiedergabe dieser Mutmaßungen kann man in Deutschland verzichten. Wahrscheinlichkeit kommt nur der Darstellung zu, nach der es der deut schen Delegation gelungen ist, zwei Erfolge zu er zielen: einmal den, daß die Reparationsfrage nur al» Ausschnitt aus dem viel größeren internationalen Wirtschaftsproblem behandelt werden kann, zum an dern den, daß eine Einigung über die Endsumme nicht auf dem Wege des Kuhhandels zu erzielen ist. D. h., die deutsche Delegation verspricht sich keinen Erfolg davon, Zahlen zu nennen, um Wechsel in Höhe de» doppelten Betrags entgegenzunehmen und dann um einige Milliarden mehr oder weniger zu feilschen, sondern sie. ist der Meinung, der Zahlenofferte müsse eine Untersuchung der deutschen Leistungsfähig keit und der Transfermöglichkeit vorauf gehen. Das hält einige Leute in Paris, die das Gras wachsen hören, aber nicht ab, zu versichern, die Ame rikaner seien gleichfalls der Ansicht, daß Deutschland jährlich zwei Milliarden — gegenwärtig zahlen wir 2,5 Milliarden — aufbringen könne. In der neuen Woche wird auch die „Große Po litik" wieder aus dem Winterschlaf erwachen; in der Innenpolitik ist es längst zu lebendig. Die erste März woche bringt die neue Tagung des Vülkerbundsrates, in der vielleicht auch die Frage der Rheinlandräumuna. auf alle Fälle aber die Frage der nationalen Min derheiten behandelt werden wird. Der polnische Außenminister Zaleski scheint seine Absicht, die Aus dehnung der Mmderheitenbestimmungen auf alle Staa ten z» fordern, wieder fallen gelassen zu haben. Eine günstigere Position hätte sich Polen auch bei dem Be harren aus seinen angekündigten Antrag nicht ver schaffen können: In Polen, das den Minderheiten bestimmungen unterworfen ist, sitzt der Führer des Deutschen Volksbundes Mitz auf Grund offensichtlich gefälschter Urkunden in der Untersuchungshaft, und in Deutschland, für das die Minderheitenbestimmunacn nicht gelten, muß der Geschäftsführer der polnischen Minderheit, Herr Kaczmarek, die neue preußisch« Schul verordnung als einen bedeutsamen Fortschritt aner kennen. ist also töricht, dem Reiche das Recht zur t Chronik des Tages. — Reichsernährungsminister Dietrich wird in den näch sten Tagen dem Kabinett eine Denkschrift über Hilfsmaß nahmen für die Landwirtschaft vorlegen. — Die ZentrumSfraktion des Preußischen Landtags hat sich gegen die Ernennung eines Zentrumsministers zum Staatsminister ohne Portefeuille ausgesprochen. — Der Berliner Bildrundfunk ist mit dem heutigen Lage für die Oeffentlichkeit.freigegeben. — Im JngenieurhauS in Berlin wurde eine von der Tochter des großen Physikers Hertz hergestellte Büste feierlich aufgestellt. - Das Luftschiff „Graf Zeppelin" ist am Freitag unter Führung des Kapitäns Lehmann noch einmal zu einer kurzen Werkstättenfahrt aufgestiegen. der erste Prozeß gegen den „Schrecken Ostpreußens", den Schwerverbrecher Otto Kayser. — In Gladbeck wurden auf der Zeche Matthias Stin- nes, Schacht 3-4, 118 000 Mark Lohngelder geraubt. „ —Zn Kirchberg a. d. Jagst (Württemberg) ist die evangelische Kirche, ein Kleinod aus alter Zeit, bis auk die Umfassungsmauern niedergebrannt. Ausrollung der Minderheitenfrage absprechen zu > wollen. - England hat in den letzten Tagen erneut den Beweis erbracht, daß sein Außenminister Chamberlain seine „Volkstümlichkeit" den Dementis verdankt: Der britische Botschafter in Washington kündigte englische Schritte zur Einberufung einer neuen Seeabrüstungs konferenz an, worauf Chamberlain im Unterhaus prompt feststellte, der Botschafter habe nur als „Pri vatmann" gesprochen. Damit hatte Chamberlain der englischen Außenpolitik wieder einmal wertvolles Por zellan zertrümmert. Man versteht es daher, wenn angesichts dieser Lage dem Chamberlains eigener Par tei zuzurechnenden „Evening Standard" die Erkennt nis aufdämmert, daß Chamberlain vielleicht doch als der ,^rm meisten vom Unglückversolgte eng lische Außenminister" in die Geschichte eingehen werde. Schade nur, daß das Unglück der englischen Außenpolitik auch für die Welt kein Glück ist. Einschränkung der Eidesleistung. ' Reichsminister Koch-Weser gibt Erläuterungen. — Teil- j weise Ersetzung der Eide durch „Bekräftigungen". - Reichsjustizminister Koch-Weser gab im Strafrechts- ' auSschutz des Reichstages Erläuterungen zu der ge planten Reform des Eideswesens. Der Minister legte dar, ein völliger Verzicht auf den Eid sei nicht am - Platze, wohl aber könne man ohne Gefahr die Zahl der Eidesleistungen einschränken. Zu diesem Zweck wolle der dem Reichstag vorliegende Entwurf eine neue Form der Vernehmung schaffen, „Bekräftigung" genannt, bei der kein Eid abgenommen werde, bei der aber die Unwahrheit als Vergehen bestraft werde. veibehalteu werde der Eid für die Fälle, wo von der Aussage eines Zeugen die entscheidende Beurtei lung eines Falles abhänge, und wo der Eid das äußerste Mittel zur Wahrheitserforschung sei. Notwendig sei das, weil es nicht angebe, Personen zu schwere» Straft» zu verurteilen auf Grund einer Anssage, die ohne jede Gefahr für den Zengen abgegeben werden könne. Der Minister schilderte dann die geplanten ein schränkenden Bestimmungen für die Abnahme des Eides. Für den Meineid sei nach wie vor die härteste Strafe vorgesehen. Die bekräftigte Aussage solle straflos blei- > ben, wenn sie unter Eid widerrufen werde. Der Mi. , »ister erwartet, daß diese neue» Bestimmungen sich in der Hand eines geschickten Richters vorteilhaft vo« der jetzigen Regelung unterscheiden werden. Im wei tere« Verlauf seiner Rede wies Rcichsjustizminister Koch-Weser noch darauf hin, daß der Entwurf ein mal die Einschränkung der Eide bringe, zum ander» aber a«ch eine begrenzte Anwendung selbst der Be kräftigungen. Was die Bestrafung des fahrlässigen Falscheides und der fahrlässigen Falschaussage betreffe, solle eine Bestrafung nach dem Vorliegen einer Prü fung des Falles möglich sein. Alles in allem sei die ge plante Neuordnung von grundlegender Natur, ferner bringe sie eine Erleichterung der österreichisch-deutschen Rechts- annähernng. Zum Schluß bezeichnete der Minister die neuen Bestimmungen als wesentlichen, und einzig möglichen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Zustande. Es werde daraus ankommen, eine richtige Vernehmungs technik zu schaffen und vor allem den Richtern Ge legenheit und Arbeit zu geben, sich mit dem Einzel, fall so sorgfältig wie möglich zu beschäftigen. O Der Kanzler mahnt zur Sparsamkeit. Besprechungen mit de« Führern der Regierungspar, teien. — Sonderbesprechnug mit Stegerwald. Reichskanzler Müller hatte eine Besprechung mit Vertretern der hinter der Regierung stehenden Par teien. In dieser Besprechung wies der Reichskanzler > auf die zahlreichen Anträge hin, die in der letzten Zeit ! im Reichstage eingebracht worden sind, ohne daß die i Partei,: oUhruilg genommen yaoen. irs ! handele sich vor allem um die Anträge auf dem Ge- 1 biete der Sozialpolitik, in denen neue Ausgaben ge- j fordert werden, die anaeiichts der Finanz- und Wirt ¬ schaftslage von der Neichöregierung nicht verantwov- i tet werden könnten. Der Reichskanzler richtete eine ernste Mahnnng zur Sparsamkeit an die Parteien. Die Parteien stimmten diese« Ausführungen z«. ES wurde eine engere Fühlungnahme der Parteien uutereiuaiwey angeregt. > Im Anschluß daran empfing der Reichskanzler» ' auch den Vorsitzenden der ZentrumSfraktion Stegev»- ; Wald und machte ihm von der Unterredung mit denk - Führern der Regierungsparteien Mitteilung. ! Die Zenkrumsfraktion lehnt ab* Keine Bereitwilligkeit zur Stellunx l eines Ministers ohne Portefeuille. Die Koalitionsverhandlungen in Preußen habet» sich weiter verschlechtert. Die ZentrumSfraktion deSl preußischen Landtags beschloß, ««ter Vorsitz »es «bg, Dr. Heß, den von der Deutschen BolkSpartei gemachte« Bermittlungsvorschlag, wonach das Zentrum sich mit zwei Ressortministern nnd einem Minister ohne Port« feuille in Preußen begnügen solle, abznlehve«. Diese Ablehnung, die einmütig erfolgte, wnrde vo« De. Hetz alsbald dem MinisterprSsidente« Braun mitgeteitt, der ! sie zur Kenntnis nahm «nd sie an die Deutsche Volks- - Partei weiterleitete. - Wie verlautet, betrachtet Ministerpräsident Braun seine Mission damit als erledigt. Da man in Preuße« wiederum aus dem toten Punkt angelangt ist, fehlt! nun auch der Hebel, den man im Reiche anfetzen! könnte. * Zusammentritt des volksparteiliche» Parteivorftandech — Berlin, 22. Februar. Heute nachmittag traß der Parteivorstand der Deutschen BolkSpartei zu einest Sitzung zusammen, um die politische Lage zu besprechen^ Die Landtagsfraktion der Deutschen Volkspartei, di« kurze Zeit vorher Beratungen gepflogen hatte, bor schränkte sich darauf, Berichte ihrer Unterhändler übe« den Verlauf der letzten Verhandlungen entgegen zu nehmen Anschlag ans Marschall Feng. Der Sohn des Marschalls nnd zwei feinest Adjutanten unter den Todesopfern. A«f de« Eisenbahn«- »es chiuesifche« Rarschalls Feug, des sogenannte« christlichen Generals, wnrde ritz Anschlag verübt. Das «leis, auf welche« der Zug die Station Kaifin »«rchfahre« mußte, war «nte« miniert. Eine Bande beschoß den Zug ans Maschinen« gewehren. Aus dem Zuge wnrde das Feuer erwidert« Der Feuerkampf dauerte zweieinhalb Stunden. Dey Zug «nßte infolge der Explosion stehen bleiben. Einig« Wage« w«rde« aus dem Gleis gehoben. Zwei «wju- tauten Fengs und ei« Sohn des «eneralS wnrde« ge tötet. Feng selbst blieb «nverwu«det. ! Schlechte Außenhandelsbilanz. - Erhöhung der Ein- «nd Ausfuhrwerte. — Zollabrech, nungen verdunkeln das Bild. Der Einfuhrüberschuß im deutschen Außenhan del beträgt im Januar 283 Millionen Mark gegenüber 122 Millionen Mark im Dezember 1928. Die Ein» fuhr im reinen Warenverkehr stellt sich auf 1319 Mil lionen Mark, die Ausfuhr — ohne Reparationssach- ! lieserungen — auf 1036 Millionen Mark. Gegenüber ! dem Dezember ist die Einfuhr um 218,2 Millionen, die j Ausfuhr — einschließlich der ReparationSsachlieferun- : gen — um 76,1 Millionen Mark höher. Die Stei gerung der Einsuhrzahl beruht jedoch zu einem erheb lichen Teil auf Zollabrechnungen für Waren, die tat sächlich bereits in den zurückliegenden Monaten in den freien Verkehr getreten sind. Schaltet man die hier» durch bedingte Ueberhöhung a«S, so ergibt sich eine tatsächliche Zunahme der Einfuhr vo» etwa 7« bis 80 Million«» Mark, die auf Rohstoffe uud halbferttge Waren, sowie Fertigwaren entfällt. Die Einfuhr von Lebensmitteln und Getränken hat etwas abgenommen An der Zunahme der Ausfuhr sind Rohstoffe und halb- fertige Waren, sowie Fertigwaren beteiligt. Die Aus- i Bruchsachen aller Art lleftrl die Aachdeuwerel von Lari Schn«. Schlösser Messer Gabeln MM Löffeln Brikettzangen sowie alle Eisen-, Kurz- und Slahl- waren empfiehlt staunend billig Earl Heyner Fernruf 118 Gelegenheitskauf.' Wäschemangel f. Hand- u. elektrischen Be trieb, neu, hochmod. Bauart, preisw. verkäuflich. Off. u. „L.L. 1830" a. d. GeschäftSst. dieser Zeitung erbeten. MrM». MMni aller Art, starke und seine. Ueno, llotd«