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licher Mensch? 'Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher als alle anderen stellen, ein Tyrann werden!“ Die Widmung an „Bonaparte'’, die vor dem Werk stand, mußte verschwinden. Beethoven nannte sie die „Eroica". 1805 wurde diese Sinfonie mit dem Hinweis auf die Vorstellung des Heldenhaften, den Empfindungseindruck des Heldi schen, uraufgeführtf Den damaligen Hörern war sie befremdlich wegen ihrer Länge (ein Hörer rief, er gäbe noch einen Kreuzer, wenn es nur bald aufhörte), ungewöhnlich im Klang, unverständlich ,,, im Sinn. Im ersten Satz, der seinen Charakter vom Heldenthema in Es-Dur erhält, das sich als gebrqphener Es-Dur-Akkord ausweist, ist ein Reichtum an Einfällen und Überraschungen, an ungewöhnlichen Wendungen und Neuartigkeiten, ist eine Reihe von Gedanken vor handen, daß der bisher übliche Durchschnitt ai) Länge nicht mehr ausreichte. Der zweite Satz ist berühmt als Träuermarsch geworden, aber er ist mehr als ein Marsch, er ist ein schmerzerfülltes, tränen lösendes Seelengemälde. Mit dem dritten Satz schafft Beethoven sein erstes Scherzo. Das ist etwas ganz Neues für das damalige zeit genössische Schaffen. Er macht diesen Satz den anderen ebenbürtig. Der Inhalt ist phantastisch. Das Trio dagegen verbreitet Wohl behagen und Fröhlichkeit. Der Schlußsatz ist in der Variationsform gehalten. Pathos und Großartigkeit sprechen aus ihm. So rundet sich das Bild eines heroischen Daseins, das wohl im Grunde Beethovens Dasein selbst war. Johannes Paul Thilman TRAGIK DES GENIES l Das furchtbare Schicksal, das dem großen Musiker in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens, mit dem schweren Gehörleiden traf, geht deutlich aus einer Schilderung der großen Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient hervor, die in der Wiederaufführung des „Fidelio" (die Erstaufführung endete mit eirfem Mißerfolg) die „Leonore“ sang: „Die letzten Proben waren angesetzt, als ich vor der General probe erfuhr, Beethoven habe sich für die Feier des Tages die Ehre ausgebeten, sein Werk selbst dirigieren zu dürfen. Mich überfiel bei dieser Nachricht eine unsägliche Angst. Aber Beet hoven saß im Orchester und schwang den Taktstock über aller Häupter, und ich hatte den Mann .nie vorher gesehen! — Damals war das physische Ohr des Meisters bereits für alle Klänge ver schlossen, verwirrten Antlitzes, mit überirdisch begeistertem