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es ist nicht viel damit loS. Der Torf, der dort gestochen wird, ist so locker, datz er gleich zerfällt. Niemand will ihn laufen. Er bringt den Tagelohn des Stechers nicht ein. So sagt mein alter Thormann, und meine Mutter ist seiner Meinung. Also laste ich das Moor in Ruhe!" „Wie gut, daß Ihre Mutter Ihnen so raten kann!" sagte Helga. „Ja, es ist für mich ein Segen. Gottlob trägt sie mir nicht nach, daß ich sie habe ziehen lasten, als ich mich ver heiratete. Damals war ich in einem Stadium der Ver rücktheit, das ich heute nicht mehr verstehe. Jetzt liege ich Manchmal in der Nacht wach und grüble darüber, wie es kam, daß meine Mutter und ich uns so fremd gegenüber- standen. Ich bin ein söhr ungezogener Junge gewesen, da her zog sich meine Mutter von mir zurück. Ich war eben der dumme Lutz!" „Ihre Mutter liebt Sie sehr!" entgegnete Helga rasch. „Sie ist stolz auf Sie. Man tann es ihren Augen ansehen, wenn sie von Ihnen spricht!" „Stolz aus mich? Liebe Zeit! das kann ich mir kaum denken! Ich bin doch —" Er hielt inne, weil Doktor Glauber um die Kirchenecke bog und ein erstauntes Gesicht machte. „Wo kommst du denn her, Helga, und Sie, Herr von Lörrach?" „Wir kommen beide von unseren respektive» Häusern!" entgegnete Lutz. „Gerade so wie Sie, Doktor Glauber!" Er verabschiedete sich dann eilig, und Glauber brummte hinter ihm her. „So ein Luftikus! Hat ein Mädchen mit sehr zweifel haftem Ruf geheiratet! Feldern sagt, daß er sie etwas kennt!" „Ob Felderns Ruf so ganz fleckenrein ist, erscheint mir auch zweifelhaft!" „Ueber Männer darfst du dir kein Urteil erlauben!" er widerte Glauber, der sich nach verschiedenen Seiten umsah. „Suchst du etwas?" fragte seine Nichte. „Nichts!" lautete die Antwort. „Aber was tust du hier?" „Ich habe ein schönes Motiv gefunden!" Helga wollte ihrem Onkel einiges erklären, aber er war schon wieder verschwunden. Florinde stieg vorsichtig von ihrem Sitz in der Ulme hinunter. „Zum längeren Sitzen ist es doch ein wenig luftig", sagte sie zu der Pastorin, die hinter ihr herkam. „Aber es ist doch einfach herrlich! Sobald die große Wärme kommt, werde ich dort wohnen! Habe gerade zwei Decken in Arbeit, bei denen ich den Mund nicht öffnen darf, weil ich ewig zählen muß. Hoffentlich wird es endlich tüchtig warm!" Die Pastorin versicherte wieder, daß sie den Mund nicht immer halten könnte und daher auf die Deckenstickerei ver zichtete. Die Damen trennten sich, und Florinde sah sich nach einem roten Mohn um, der aus einer der Hecken seinen lustigen Kops streckte. Sollte sie ihn pflücken oder stehen lassen? „Sind Sie eigentlich immer auf der Landstraße zu finden?" klang Glaubers Stimme neben ihr, und Florinde fuhr zusammen. "„Sie dürfen mich nicht so erschrecken, Doktor Glauber, ich habe ein schwaches Herz! Das muß etwas geschont werden!" „Die meisten Menschen bilden sich ein, ein schwaches Herz zu haben!" lautete die mürrische Antwort. „Ehe mals sind Sie doch kerngesund gewesen!" „Ehemals, ja! Ich glaube auch nicht, datz dieser Herz sehler sehr gefährlich ist, ich darf nur nicht erfchrecken." Glauber sah sie böse an. „Mein Garten kommt jetzt in Ordnung und kostet ein Heidengeld. Sie dürfen ihn sich einmal ansehen." „Vielen Dank!" Florinde zögerte etwas. „Ich beitze Sie nicht! Und Leontine dürfen Sie mtt- bringen, Meinetwegen auch Frau von Lörrach. Au- Frauenzimmern mache ich mir im allgemeinen nichts, aber die Frau von Lörrach hat meine Achtung! Hat ihr Leberz lang gearbeitet und geschuftet, um das Gut wieder aus dr« Beine zu bringen, und kaum ist sie so weit, schmeißt sie der Junge hinaus!" „So schlimm ist es nun Wohl nicht! Frau von Lörrach hatte sich schön dieses nette kleine Haus gebaut und fühlt sich wohl darin. Das Verhältnis zwischen ihr und dem Sohn ist sehr gut. Ich sehe sie manchmal zusammen!" „Sie sind immer noch so rechthaberisch wie früher!" sagte Glauber, indem er sich abwandte. „Wie gesagt, meinetwegen können Sie gern einmal kommen!" „Was mir nicht einfällt!" sagte Florinde nachher zu Leontine, der sie von dieser Unterredung berichtete. „Auf keinen Fall!" Leontine war beinahe aufgeregt. „Dieser Mensch soll uns mit seiner Gegenwart verschonen! Wahrscheinlich langweilt er sich manchmal, und dann sollen wir ihn unterhalten! Wir^ wo er dich so schlecht be handelt und deine schwere Erkrankung veranlaßt hat!" „Die wäre wohl auch so gekommen!" erwiderte Florinde. „Aber ganz gewiß — seinen Garten werde ich nie besehen!" Hilde Lörrach sühlte sich in diesen Wochen schlecht. Sie schlief unruhig, hatte böse Träume, war schreckhaft und gegen jedermann unfreundlich. Lutz, gegen den sie autzer- ordentlich ungezogen war, ließ noch einmal den Arzt kom men, der größte Ruhe verordnete. Die gnädige Frau war eben stark hysterisch, und das zu erwartende freudige Er eignis verursachte Beschwerden, dre allmählich vorüber gehen würden. Hilde verlangte, in ein Bad zu reisen, aber der Arzt riet ab, und Lutz hatte kein Geld zu solcher Kostspieligkeit. Im ganzen wäre er Hilde gern auf einige Wochen los gewesen, aber es war besser, sie blieb hier. Er wußte, wie üppig Hilde auf der Hochzeitsreise gelebt hatte, alle Schul den von damals waren noch nicht abgetragen. Der Besitz erforderte große Mittel; von der Kreisspar kasse hatte er ein Darlehen erhalten, aber er mutzte hohe Zinsen zahlen. Als er Hilde diese Dinge auseinander- setzen wollte, unterbrach sie ihn. Mit solchen Langweilig keiten sollte er sie verschonen. Also schwieg er und verschlotz das Geld, das er ge legentlich einnahm, sehr sorgfältig. Er hatte wohl ge merkt, datz sie versuchte, ihm Geld wegzunehmen. Als er sie zur Rede stellte, leugnete sie. Er wäre wohl verrückt. Aber ein Nadelgeld von zweihundert Mark monatlich könnte sie verlangen. „Zweihundert Mark?" Lutz traute seinen Ohren nicht. Dann lachte er und verließ das Zimmer. Wenn Hilde so etwas sagte, war nicht mit ihr zu sprechen. Datz sie unter Felderns Einfluß stand, ahnte Lutz nicht. Der richtete es ein, unbemerkt zu kommen und zu gehen. In den Vormittagsstunden, wenn alles beschäftigt war, saß Hilde jetzt meistens im Garten. Dort war eine dichte Laube, in die einige bequeme Stühle hingeschafft waren. Hierher kam Feldern oft, der einen Richtweg durchs Feld benutzte und der plötzlich vor Hilde stand und eine Kleinig keit, wie er sagte, von ihr verlangte. Er war unbarmherzig. Hilde zitterte, wenn er vor ihr stand, sie aus seinen spöttischen Augen anblickte und immer wieder versicherte, daß er in der tödlichsten Verlegenheit wäre. Glauber hätte ihm kürzlich sein Monatsgehalt nicht gegeben, weil er selbst kein Bargeld hatte, Feldern aber mußte seinen Schneider bezahlen, der ihm mit einem Zahlungsbefehl drohte. Merkte Glauber, wie verschuldet sein Sekretär war, flöge er ohne weiteres hinaus. Dann lag er auf der Straße. Hilde mußte helfen. Sie war doch keine gute Freundin; wie lustig war man aus der Reise