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Beilage zur Weitzeriy-Zeitung 85 ' Montag, am 11. Februar >829 95. Jahrgang Chronik des Tages. — Reichspräsident v. Hindenburg hat zum Bau van Jugendherbergen eine großer« Summe zur Verfügung ge- — Der verstorbene Ozeanflieger v. Hünefeld wurde in Berlin unter großen Feierlichkeiten beigesetzt. — Am Montag wurde in Paris die große Reparations- !onferenz eröffnet; die Zahl der Hauptdelegterten beträgt 14. - — Der Preußische Landtag vertagte sich am Sonnabend iis zum 19. Januar. — Die Hauptangcklagtcn im „Jmmertreu"-Prozcß wur- »en zu 1V bezw. 5 Monaten Gefängnis verurteilt. — In Insterburg wurde der Mörder Lack, in ArnS. ,crg der Raubmörder Hufner zum Tode verurteilt. - In Larvik in Norwegen ist der „Schmugglerlöuig" vrcmer verhaftet worden. Die Sachverständige«, klufmarsch ««» Programm »er ReparationS-Partei««. Am heutigen Montag hat die Sachverständigen- Konferenz in Pari» ihren Anfang genommen. Als Aläubigermächte sind Frankreich, England, Ita lien, Belgien, Japan und Amerika aufmarschiert; Ichuldnerstaat ist Deutschland. Vierzehn Sach verständige sind bemüht, die Frage zu klären, welche Endsumme Deutschland al» Reparationen aufbringen und an da» Ausland abführen kann. Zu den vier zehn Delegierten kommen vierzehn Stellvertreter, fer ner eine Anzahl Berater und Sekretäre, so dah alles in allem etwa 100 Persönlichkeiten auf der Repara- tionSkonserenz anwesend sein werden. Die Sachverständigen sind unabhängig! Es wäre töricht, zu glauben, die größten Finanzleutc der Welt würden sich von Potncarä am Gängelband füh ren lassen. Uebrigen» ist der amerikanische Finanz gewaltige Morgan schon einmal, 1931, al» Sachver ständiger nach Pari» berufen worden. Morgan hat samalS auch einen Vorschlag ausgearbeitet, ist dann über, al» sein Entwurf verworfen wurde, wieder ab- zereist, ohne von Poincars zur Verabschiedung empfan gen zu werden. An der Unabhängigkeit der Sach verständigen ist nicht zu zweifeln, nur darf man sich dadurch nicht zu unbegründeten Hoffnungen verführen lassen und in den Sachverständigen Weltbürger sehen, die — soweit sie die Gläubigermächte vertreten — Deutschland etwas schenken werden. Wa» verlangt man von uns? Die Engländer berufen sich auf die Erklärung Balfour» im August 1932, nach der England soviel Reparationen von Deutschland verlangt, wie e» selbst KriegSschuldenzah- lunge« an Amerika leistet. England verlangt also den vollen Ersatz seiner Kriegsschulden; da» gleiche Alt von Italien. Und da ergibt sich die erste Schwierigkeit. Die Italiener sind zwar bei der Re gelung ihrer Kriegsschulden an England und Amerika itberau» gnädig weggekommen — Amerika hat durch Zinsvergünstigungen die Hälfte der ursprünglichen Schuldsumme erlassen — trotzdem kann Italien seine sährlichen Schuldenzahlungen nicht voll mit Reparatio nen decken. Die Italiener scheinen deshalb eine Ver doppelung ihre» Reparationsanteil» auf 20 v. H. herausschinden zu wollen. Da die übrigen Gläubiger- Mächte von diesen Plänen nicht erbaut sind, besteht sie Gefahr, daß die italienischen Wünsche aus unsere Kosten befriedigt werden. Am wichtigsten ist natürlich die Haltung Frank reichs. Di^ Franzosen, die 53 v. H- aller Repara tionen erhalten, fordern die Wiedererstattung ihrer Kriegsschuldenzahlungen und darüber hinaus einen .,angemessenen^ Beitrag zu den Wiederaufbaukosten für »ie zerstörten Gebiete. Um die Höh« dieses „Beitrags" vird e» lange Auseinandersetzungen geben, deren Aus- »ang für da« Ergebnis der gesamten Konferenz von entscheidender Bedeutung sein wird. Uebermäßige For- »erungen der Franzosen können auch damit zurück- zewiesen werden, daß die tatsächlichen Wiederaufbau- psten um volle zwei Drittel hinter den amtlichen Schätzungen von 1918 zurückgeblieben sind! Belgien wird sehr wahrscheinlich die französi- chen Forderungen unterstützen; Japan nimmt an den kevaration»verhandlungen nur au» Prestigegründen :eil. Die 1,7 d. H., die Japan von den Reparationen krhE, machen e» den javanischen Delegierten leicht, neutral zu sein. Nicht viel größer ist oer ameri kanische Anteil an dem Reparationsaufkommen, trotzdem werden gerade die Amerikaner größten Ein- luß auSüben. Eine ReParattonSendsumme kann man notfalls ohne Amerika sestsetzep, ohne Amerika kann nan aber für die Reparationsschuldverschreibungen kein tzeld bekommen, und deshalb mutz man auch darauf Rücksicht nehmen, welchen Betrag die Amerikaner für ragbar halten. Für die Amerikaner Owen Noung md Morgan handelt eS sich in Pari» um ein Fmanz- lesck-äst — nebenbei, um das größte, das bisher ge tätigt worden ist — dessen Abschluß den Banken rieftge Provisionen und den Anleihekäufern gute Zins- und Kapitalgewinne verschaffen soll. Die deutschen Delegierten, ReichSbankpräsident Schacht, Generaldirektor Vogler, Bankier Melchior und Dr. Kastl vom Reichsverband der Industrie, kennen sich im Reparationsproblem gut au» und werden sicher aufs deutlichste di« Gefahren aufzeigen können, die die Festsetzung zu hoher oder auch nur die Beibehaltung der jetzigen Reparation»raten im Gefolge haben mutz. Die Au^abe der Sachverständigen ist schwer, ihre Ver antwortung ist grotz. Von der Höhe der Reparationen hängt nicht zum wenigsten auch di« Höhe der deutschen Zinssätze und Steuerlasten ab. Welche schlimmen Fol gen die jetzigen Jahresraten für un» gehabt haben, dafür braucht zur Erläuterung nur aus die Not der Landwirtschaft und da» Anschwellen de» Arbeitslosen heeres binaewiesen werden. Konferenzbeginn in Paris. DaS Frühstück i» der Bank von Frankreich. — Di« erste Sitznng der Delegierten. — Paris, 11. Februar. Im Hotel Astor ia nahm heute die große Kon ferenz der Reparations-Sachverständigen ihren Anfang. Der Konferenzsaal liegt im Erdgeschoß! Das ist zwar nicht ideal, wird die Sachverständigen jedoch nicht be hindern, weil alles aufs beste und bequemste einge richtet ist. Bei dem Bau des Hotel«, der übrigens kurz vor dem Kriege von einer deutschen Gesellschaft ausgeführt wurde, ist nicht gespart worden. Das Hotel ist reich an Pracht und Prunk, bräunlicher Marmor bekleidet die Wände, und Räume sind genug vorhanden, haben doch die 14 Sachverständigen mit ihren Stell vertretern nicht weniger als 36 Arbeitsräume zur Verfügung! Der Eröffnung »er Konferenz ging am Sonnaben» eine erste Fühlungnahme »er Delegierten vorauf. Der Gouverneur »er vauk von Frankreich, Moreau, empfing die Sachverständigen in seine« Amtszimmer und gab im Anschluß daran in dem Goldenen Saale der Bank ein Frühstück. Bei dieser Gelegenheit «ahme« die Sach» verstSndigen bereit» über die Frage »es Vorsitzes ««» der Arbeitsweise der Konferenz Fühlung. lieber die Daütt der Verhandlungen läßt sich auch heute noch nichts sagen. Die erste Dawe»konfer«nz benötigte drei Monate zur Aufstellung de» Dawe«- planes, die zweite DaweSkonferenz, die endgültige Vor schläge ausarbeiten soll, wird kaum mit weniger Zeit auSkommen. 1924 handelte e» sich um «in Experiment, diesmal geht e» darum, eine Lösung zu finden, die den Schlußstrich unter das traurige Kapitel der Re parationen zieht und unabänderliche Bestimmungen schafft. Der Arbeitsplan der Konferenz. In gut unterrichteten Kreisen rechnet man damit, daß sich die Sachverständigen-Konferenz in den nächsten Tagen lediglich mit der Ausstellung eines Arbeits planes beschäftigen wird. Die offizielle Wahl de» Prä sidiums dürste im Laufe der heutigen Sitzung er folgen. Die Bestellung eine» Deutschen und eines Fran zosen al» Vizepräsidenten — man nennt ReichSbank- präsidenten Schacht und Gouverneur Moreau gilt als beschlossene Sache. Obwohl das Interesse der Presse autzerordentlich grotz ist, haben die Delegierten bisher Erklärungen strickte abgelehnt. Mit einer Ausnahme: der Mitarbeiter Owen YoungS, Crocker, gewährte Pressevertretern eine Unterredung und erklärte, er sei ermächtigt, alle Mit teilungen über angebliche Aeutzerungen Owen Uoung» al» unrichtig zurückzuweisen, v»«« Wo««« hab« n«r eine Ansicht ausgesprochen, »i« er fcha« wiederholt ««»gedrückt habe, nämlich: »ie Regelung »«» Nepa- rationSproblem» müsse nicht vom politischen, sondern vom geschäftlich«« Standpunkte aus i« Angriff ge nommen werben. Alle» Uebrige sei Erfindung. * Eiusetznng von zwei AuSschüff«»? — Pari», 11. Februar. In einigen Blättern wer den Vermutungen über da» Programm au»g«sproch«n. SS wird gesagt, daß wahrscheinlich zwei Ausschüsse gewählt werden sollen, von denen der «in« über die Zahl und Höhe der deutschen Annuitäten berichten werde, während der zweite eine eventuell« Kommerziali sierung der deutschen Neparation.schuld prüfen soll. Hünefelds letzte Fahrt. Die Trauerseier im Dom. — Der Abschiedsgrutz »er Flieger. — Die Beisetzung i» Steglitz. Unter grotzen Feierlichkeiten wurde am Sonn- > abend der verstorbene Ozeanflieger Freiherr v. Hllne- i feld bcigcsetzt. Nach der Uebcrführung der sterblich-n ! Uebetrestc von dem West-Sanatorium in den Dom zog ' vie Totenwache auf, die von dem Ning der Flieger und vom Stahlhelm gestellt wurde. Lie .Kränze aus dem Sarge an den Stufen de» Altar« häuften sich. U. a. hatten der Reichspräsident, die Regierung, der Ring der Flieger, der Luftfahrtverband und der Nord deutsche Lloyd Kränze ntederlegen lassen; auch der frühere deutsche Kaiser hatte einen Abschiedsgruß g«- sandt. Die Aufbahrung »es Sarge» im Dom bot ein Bild eindrucksvoller Feierlichkeit. Der Sarg war ganz in violette« un» weißen Flieder gehüllt. Reben dem Kruzifix auf dem Altar brannte» zwei große Kerzen; auf den schwarze« Teppichen lagen ungezählte Kränze, und doch bildeten sie nnr einen Bruchteil der Spenden. Der Kranz der Deutschen Luft hansa mit blau-gelber Schleife trug die Inschrift: „Dem kühnen Wegebereiter des Transozean luftverkehrs". Königsberg hatte einen prächtigen Kranz gesandt mit der Inschrift: „Ihrem großen Sohne, die Vaterstadt Königsberg". Daö Glockenspiel »es Dom» läutet« die Traue»- feier ein. Rach einem feierlich«« Orgelspiel sang der Chor den Trancrchoral. Domprediger 0. Doehring hielt die Trauerrede, gedachte ve» Leben» und Sterben» »es jnngen Piloten nnv dankte ihm für sei« «Serk, durch da» er nicht nnr seine» Ramen für alle Zeiten in daö Bnch der Geschichte eingeschrieben, sondern anch dem deutschen Volke eine» große« Dienst erwiesen habe. RA der Sarg an» dem Dom hinanögetragen wurde, erheb sich die Trauergemeinde nu» folgte dem Sarg. Bei der Trauerfeier ließ sich der Reichspräsident v. Hindenburg durch seinen Sohn, Oberstleutnant von Hindenburg vertreten: der frühere Kaiser hatte seinen Flügeladmtanten Freiherrn v. Sell in den Dom ent- , sandt. Hünefelds tapfere Flugkameraden, Haupt- i mann a. D. Köhl und der irische Oberst Fitz maurice wohnten der Trauer feier bei. Biel bemerkt wurde auch, »atz die diplomatischen Ber- tretungen der fremden Mächte fast vollzählig Delega tionen entsandt hatten. Während der Tranerfeier Im Dom kreiste eine JnnkerS.Maschine vom „Bremen"» TYP über dem Dom. Al» der Tranerzug sich in Be wegung setzte, folgte ihm das Flugzeug bi» zum Friedhof. Unter ehrfürchtigem Schweigen der dichtgedrängte« Menschenmenge vor dem Dom bewegte sich der Trauer zug die Linden entlang, durch das Brandenburger Tor, den Tiergarten und das Stahlhelm-Spalier in der Bergstraße zum Steglitzer Frtedhyf. Aus dem Fried hof hielt Pfarrer Rieger eine kurze Trauerrede; Ge heimrat Stimming vom Norddeutschen Lloyd wies in einer Ansprache aus die Verdienste v. Hünefeld» hin, und dann senkte sich der Sarg in die Gruft. Hoch in den Lüften aber erwiesen die Flugzeuggeschwader der Lufthansa und der Berkehrsfliegerschule dem Bezwinger des Ozean» die letzten Ehren. * Dankschreiben der Angehörige». — Berlin, 11. Februar. Die greise Mutter deK verstorbenen Ozeanflieger» v. Hünefeld und Freiherr Dr. Han» v. Hünefeld übergeben der Presse ein Dank schreiben, in dem es heißt: „Die ehrenden Beileids bezeugungen der führenden Stellen des Iw- und Aus landes, die Aeutzerung aufrichtiger Trauer der Ver bände, denen unser Günther nahestand, die Liebe und herzlichen TrosteSworte seiner und unserer Freunde und der Ausdruck aufrichtiger Teilnahme au» allen Kreisen der Bevölkerung haben uns unendlich wohlgetan. Die Fülle der mitfühlenden Zuschriften macht uns eine unmittelbare Beantwortung zunächst unmöglich; doch ist es un» ein Herzensbedürfnis, unserm innigsten Dank schon hierdurch Ausdruck zu geben." Aus der Fülle der Beileidskundgebungen verdient noch hervorgehoben zu werden, daß auch der amerika nische Botschafter in Berlin, Schurman, der Mutter des Verstorbenen und der Reichsregierung fein herz lichstes Beileid ausgesprochen hat. Unterzeichnung in Rom. Au» Dienstag Bekanntgabe »er Grenzen »es neue» Kirchenstaates. Die in den letzten Tagen sich überstürzenden und widersprechenden Nachrichten über die Lösung der rö- j mischen Frage haben sich nunmehr dahin verdichtet, daß am heutigen Montag die förmliche Unterzeichnung ! des Abkommen» mit der Kirche durch Mussolini und ! den Kardinalstaatssekretär Gasparri stattfinden wird, ! und zwar, wie es heißt, im Lateran-Palast. Dem ' weltlichen Akt soll dann am Dienstag anläßlich der KrönungSfeier de» Papstes eine kirchlich« Zeremonie in Sankt Peter folgen, wo der Papst da» Pontifikal amt zelebrieren wird. Im Anschluß daran soll der neue Statu» verkündet werden. Gleichzeitig mit der > italienischen Presse wird da» amtliche Blatt de» Va tikan» ,F)sservatore-Romano" den Wortlaut de» Ver- ! trage» veröffentlichen. Das Ergebnis der ELsatz-Debatte. Da» Ne»«l rm Elsaß nicht beseitigt. — Die Kammer- kEwissie« für »aS Anöuahmegesetz! Zmn Schluß der sehr ausgedehnten Generalde batte über die Politik der französischen Regierung im Elsaß «ahm die Kammer «inen Antrag an, in Sem sie ihr Vertrauen auf die „treue Anhänglichkeit »er elsässisch«» und lothringischen Bevölkerung zum einigen und unteilbaren Frankreich" zum Ausdruck »ringt. Vor der Abstimmung hatte ein autonomisti- , scher Abgeordneter noch erklärt, die Debatte habe das ! Uebel nicht beseitigt und die Forderungen der Elsässer > nicht erfüllt. Während da» Plenum der Kammer nach freund lichen Worten für da« Elsaß suchte, hat die Berwal- tungSkommissivu der Kammer die ihr übertragene Prü fung des insbesondere gegen die elsässische Selbstverwal- tungSbewegung gerichteten Ausnahmegesetzes gegen den Separatismus beendet und den von der Regierung vorgeschlagenen Text angenommen. Der erste Artikel »e» neuen Gesetzes, »«» »««nächst »er Kammer -«gehen fall, stellt jeve Propagan»«tätigkeit, Vie ven öffent liche« Krie»e« bedroht ««» z«m Ziele hat, einen Teil »es Territorium» »e» Lande» »er französischen Sonverä- nität z« entziehen, unter Strafe. E» kann eine Ge fängnisstraf« von 1 bi» 5 Jahren und eine Geldbuße von 100 bi» 8000 Franken, ferner eventuell die Ent ziehung der bürgerlichen Ehrenrechte verhängt werden. Der Artikel 2 sieht für die Verurteilten den Erlah eine» AusenthaltSverbote« vor. Schreckenstage in Bombay. Aric»en»»e«anstrationen unv neue blutige Kämpfe. — FnSzefamt brreit» 110 Tate zu beklage«. Nach einem Tag verhältnismäßiger Ruhe und nachdem bereit» Gerüchte über eine Einigung der Par teien im Umlauf waren, kam es ganz plötzlich in den Stadtteilen Bombay« erneut zu außerordentlich blutigen Zusammenstößen. Die englischen Truppen mußten wiederholt von deu Feuerwaffen Gebrauch ma chen und Maschinengewehre einsetzen. Banditen plün derten Lüden und Häuser. Agenturberichte« zufolge falle» in eine« einzigen Bezirk über SO Personen getötet «n» mehr al» 100 schwer Perletzt worden sei«. Das bringt »ie ««samtzahl »er Tot«« a«f beinah« 11V