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S- DZ. v 3 2 KZ ^Roman-Beilage-» Lop^rixkt Martin ^euc^tvanger. N^Ne lLaale). „Aber keine Dummheiten machen, Kleiner? Wieder beschwichtigend und doch zugleich stolz auf den Sieges willen seines kleinen Freundes. Verstohlen sah er ihn von der Seite an. Zwar drückten des Kleinen Züge immer eine gewisse Energie aus, dafür war der Kleine ja auch Sports mann. Aber so verbissen, so zäh, so unirdisch willensver körpert, sah er den Kleinen heute zum ersten Male. Doch schon nahm ihn wieder sein Starteramt gefangen. Es war die höchste Zeit, mit dem zweiten Lauf zu be ginnen, denn die Tage waren kurz, und bei einbrechender Dunkelheit mußte das Rennen zu Ende sein. Allmählich sammelten sich auch die Fahrer wieder auf dem Platz vor der Starthütte, suchten nach ihren Bobs, stellten sie hoch und überzeugten sich, ob Kufen und Steue rung beim ersten Lauf und beim Aufziehen nicht gelitten hatten. Hier und da vernahm man noch einmal das Rascheln des Schmirgelpapiers, ging die Polierkette, vom Bremser vorsorglich mitgebracht, noch einmal glättend über den Kufenstahl. Und als brächte die Beschäftigung mit den Schlitten den Sinn des ganzen Rennens erst wieder so recht zum Bewußtsein, stellten sich auch die Nerven ein, wuchs die Spannung erneut zu fiebernder Erregung und wich erst langsam, als des Langen Schlitten, diesmal bei umgekehr ter Reihenfolge zuerst gestartet, schon längst im hohen Walde verschwunden war. Wieder stand der Kleine neben dem Schatzmeister freund. Wieder folgten seine Augen gespannt dem Vor wärtseilen des schlanken Stoppuhrzeigers, und wieder mußte er konstatieren, daß der Lange ein Höllentempo vorlegte. „Neunundfünfzig... Eine Minute? Und im selben Augenblick die Meldung: „Waldkurve gut durch? „Irrsinnige Zeit? Mehr zu sich selbst sagte es der breite Schatzmeister, und vergaß dabei zu wiederholen: „Eisenbahnkurve passiert!" Fünfundzwanzig... dreißig... fünsunddreihig... „8-Kurve schnell durch!" Vierzig... „Achtung!" Zweiundvierzig... dreiundvterzig... 1... 2... s... „Durch!" . Auf 1,43«/» stand die Uhr. '/° Sekunden schneller als im ersten Laus. Durch das Telephon vernahm der Schatzmeister einen Augenblick das Hallo am Ziel. Dann drehte er sich nach dem Kleinen um. Der stand wie versteinert. Sekunden besser als seine Zeit im ersten Lauf.«/, Se kunden mußte er gewinnen, wenn er die Gesamtzeit des Langen erreichen, eine volle Sekunde, wenn er ihn schlagen wollte. Und immer von vorn anfangend, überrechnete er di« Chancen, suchte er nach Möglichkeiten, Zeit zu sparen, die Strecke so kurz wie möglich zu halten. Jede Kurve fuhr er im Geiste nach, jedem Schlenker ging er aus dem Wege und war schließlich seiner Sache so sicher, daß er an seinen Sieg glaubte, schon, well er daran glauben wollte! Die Umwelt hatte er vollständig vergessen. Er lebte nur noch in dem einen, einzigen Gedanken an den Stea,, und erstaunt sah er den Bremser an, als der ihn an den Start erinnerte. „Sind denn schon alle dreißig durch?" Fragend sah er sich um. Tatsächlich, er mußte geschla fen haben! „Bobsine" stand allein auf dem von viäen hundert Füßen festgetretenen Schneefeld. Der Kleine riß sich mit Gewalt aus seinen Träume reien. „Wie sind denn die Zeiten der anderen?" „Schlechter als unsere im ersten Lauf, also alle schlech ter als die des Langen." „Bremser und Mittelmann, Sie schieben beide bis kurz vor das Startband. Dann beide zugleich mit Schwung aufspringen, damit wir schon Tempo haben, wenn wk durch den Start gehen." Dann^setzte sich der Kleine zum entscheidend«» Kampf. Prüfend, als wollte er noch einmal auf die Steuerung sehen, beugte er sich nach vorn. „Bobsine!" Klar leuchtete der Name in der naH- mittagsmatten Wintersonne. Dann hob der Kleine die Hand. „Fertig!" Freundschaftlich nickte ihm der Schatzmeister zu. Tiefe Stille umfing einen Augenblick den letzten Kämp fer um die Deutsche Meisterschaft. Und nun gab der Starter das Zeichen. Mit gewaltigem Schwung stieß der Bremser den Bob von der Bremse, keuchend rannten Bremser und Mittel mann neben den immer mehr in Fahrt kommenden Schlit ten. Wenige Meter noch trennten den Bob vom Startband. Nun sprangen auch die beiden auf. Wieder sauste das Starthäuschen vorbei, wieder Tempo. Kurve, diesmal genau angefahren, wieder Zufchau«k, wieder glatte, spiegelblank vereiste Bahnsohle, die dÄ Schlitten in wahnsinnigem Laus in sich hineinfraß. Wieder die Waldkurve, und dann in starkem Gefälle der etwas tiefer liegenden Eisenbahnkurve entgegen. Hier hatte er vorhin bremsen lassen, aus Angst, mit zu hohem Tempo in die Kurve zu gehen. Diesmal war er schneller, viel schneller sogar — er merkte es am schneidenden Luftzug, am Vorbeireißen der Bäume. An Bremsen dachte er nicht. Vorwärts hieß die Parole. Ein wilder Geschwindigkeitsrausch hatte ihn erfaßt. Immer näher kam die Kurve, immer höher wuchs ihre mächtige Wand aus dem Schnee, immer deutlicher hob sich das gewaltige Rund gegen das Dunkel des dahinlerliegen den Waldes ab. Nun hatte der Bob den Ansatz zur Kurve erreicht. Langsam drückte der Kleine das Steuer herüber. Pfeilschnell sauste der Bob an der Kurve entlang. Doch was war das...?! Wollte das Steuer nicht gehorchen...?