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>/«7»»- 1OO -is^nsri. Da? lied- und singfrohe Hemür des Deutschen fand von jeher reiche Nahrung an den sagenumwobenen ge schichtlichen Stätten seines Vaterlandes und den mit be sonderer Naturschönheit geschmückten Gegenden. Viel fach treffen beide Anlässe zusammen. An vielen solcher »Stellen von besonderem Reiz sind aus altem Stoff neue wieder entstanden und so ist die deutsche Landschaft überaus reich an besungenen Stätten. , In den Waldgebieten in Nordthüringen liegt neben anderen Ruinen, der Kyffhäuser, im 11. Iahrhun- -dert erbaut, 1118 zerstört, 1162 wieder aufgebaut und nach 1500 verfallen. Unter den vielen an den Kyffhäuser anknüpfenden Sagen ist die vom „Kaiser Barbarossa" die bekannteste, die von Friedrich Rückert zu der schönen Ballade geformt wurde und nach einer Melodie von Josef Gersbach gesungen wird. Die deutschen Volkssagen, die auf den Kaiser Bezug nehmen und in der Sehnsucht nach ewigeni Frieden durch einen mächtigen Herrscher wurzeln, knüpfen an den im Jahre 1237 Deutschland verlassenden Kaiser Friedrich ll. au. der vom Volke wie dererwartet wurde, das deshalb falschen Friedrichen Glau Wartburg fand in neuerer Zeit eine dichterische Behand lung durch Richard Wagners Oper „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg". Diese ist ein herrliches Denkmal deutscher Geschichte und Kunst. Die Liedpoesie hat sich naturgegeben dem Laufe der Ströme und Flüsse entlang entwickelt, und sich die köst lichsten Stellen zum Vorwurf genommen. Die Main gegend zelgt den im herrlichen Frankenland gelegenen „Staffelstein", berühmt durch die schöne Aussicht über fruchtbare Aecker, saftgrüne Wälder und bestes Gut zeugen des Rebgelände, an der Saale ist es die „Rudelsburg", die Hermann Allmers in seinem beliebten Lied über die idyllischen Zauber des Saaletales preist: „Die Rudelsburg, das ist ein Ort zum Schwärmen und zum Trinken", und am Neckar blüht die Poesie in den unvergänglichen Werken Josef Viktor von Scheffels über die Krone des Neckartales, „Heidelberg". Hier beginnt sein immer noch ben schenkte. Auf ihn übertrug man die bretonische Sage von der Entrückung des Königs Artus in einen Berg und dachte sich jenen im Ilntersberg bei Salzburg oder im Kyffhäuser schlafend. Erst im 15. Jahrhundert trat an die Stelle von Friedrich ll. der Kaiser Friedrich I., der Rotbart. — Auf dem Kyffhäuser erhebt sich jetzt das nach den Plänen von Bruno Schmitz von den deutschen Kriegerverbänden 1890 bis 1896 errichtete, 69 Meter hohe Kaiser Wilhelm Denkmal, umgeben von zwei Ring- terassen; die mächtige Gestalt des erwachenden Barba rossa in der Mitte. An der Südseite des Kyffhäusers liegt die 1300 Meter lange Barbarossa- oder Falken burg-Höhle. Eine reichhaltige deutsche Geschichte spielt sich auf der Wartburg ab, dem 174 Meter über der Stadt Eisenach am nordwestlichen Ende des Thüringer Waldes gelege nen Bergschloß. 1067 von Ludwig dem Springer er baut, war sie seitdem bis zum Aussterbeu der alten thüringischen Landgrafen aus dessen Haus die Residenz der Burggrafen. Unter Hermann l. (1190 -1216) war die Wartburg eine Heimstätte der deutschen Dichtung und der Schauplatz des sagenhaften Sängerkrieges. Die seit 1847 vom Großherzog Karl Alexander von Weimar-Eise nach wiederhergestellte Burg enthält das „Nitterhaus" aus dem 14. bis 15. Jahrhundert mit dem Lntherstübchen, zum Andenken au Luthers Zuflucht auf der Wartburg im Sahre 1521—22. Das große romanische Landgrafenhaus, nach 1067 erbaut, enthält im Hauptstockwerk das Land- -rafenzimmer, den Sängersaal, die Elisabethgalerie mit Fresken von M. v. Schwind, Darstellungen aus dem Leben der heiligen Elisabeth, und die Kapelle. Darüber den erst 1130 aufgesetzten 40 Meter langen Festsaal. Die viel gelesenes Epos „Der Trompeter von Säkkingen", hier entstanden die nie versiegenden, aus der akademischen Luft geborenen unzähligen, weinseligen Studentenlieder, hier spielt das ewig junge Studeutenstück von Wilhelm Meyer-Förster, hier finden — in den Umwallungen, die französische Zerstörungswut, — ein sprechendes Mene tekel — belassen, künstlerische Festspiele statt, hier haben noch mehr ihr Herz verloren, als es schon gesungen wird, hier ist eben — Heidelberg. Den ganzen deutschen Schicksalsstrom hinunter, Ort an Ort, eine unübersehbare Fülle von besungenen Stätten, vom Rhein, vom deutschen Rhein, Lieder über Lieder, echt vaterländischen Einschlags und von echtester deutscher Romantik, die weiterbesteht, obwohl gerade der Rhein und seine Ufer in jeder Minute Zeugnis ablegen von schwer ster deutscher Arbeit in der auf seinen Fluten in keuchen den Dampfern und in endlos rollenden Güterzügen be förderten Ruhrkohle. In Bacharach, in Aßmannshauser», in Caub, in Rüdesheim, in Stolzenfels, in Rolandseck, in Königswinter haben die besten deutschen Poeten das Lob des Rheins, seiner Bevölkerung und seines Reben ¬ gutes gesungen, die Lieder singen und klingen heute wie je, rheinauf- und -abwärts, gekrönt von dem zum Typus deutscher Schwärmerei gewordenen Lied von der „Loreley". Aber etwas zeichnet den Rhein noch be sonders aus, er hat nicht nur viele besungene Stätten, er hat auch eine direkt ersungene Stätte, das ist das Haus der „Lindenwirtin" in Godesberg. Hier waltete von Kind auf das „Aennchen von Godesberg", eine an mutige Erscheinung bis^in ihr jetzt hohes Alter hinein, verehrt von Generationen liedfroher Studenten. Als Ende der 80er Jahre das frisch-frohe Lied von Rudolf Baum bach „Keinen Tropfen im Becher mehr", in der schwung vollen Melodie von Franz Abt seinen Siegeslauf ange treten, da waren es von rheinischer Luft begeisterte Stu denten, die Fräulein Aennchen Schumacher in einer in spontaner Eingebung entstandenen Zusatzstrophe zu dem SPLstiLP L»L. " Baumbachschen Liede einfach zur „Lindenwirtin" machten, obwohl sic mit der Entstehung des Liedes nicht im geringsten in Verbindung steht und nun heißt es — un widerleglich — schon über 40 Jahre: Wißt Ihr, wo die Linde stand, Jedem Burschen ist's bekannt, In Godesberg am Rheine. Wißt Ihr, wer Frau Wirtin war, Schwarz das Auge, schwarz das Haar. Aennchen ist's, die feine. Ob die Mühle im Tale, dle Kapelle auf dem Betges an deutschen Stätten werden weiter sich stets alte und neue volkstümliche Lieder anknüpfen, zur Freude dev Singenden und zum Ruhme der deutschen Heimat,