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8 o L .s: Q Per orb«it«ten, ot»«r lag es wirklich daran, daß sie ein- D»ch nicht wollte? Ne wollte ja nicht, daß ihr Schlitten siegte, sie wollte ja gar nicht, daß der Lange Meister würde, sie wollte nur das eine, daß der Kleine, ihr Kleiner, wie sie ihn jetzt bei sich nannte, den Sieg errang, den sie nur ihm allein von allen anderen gönnte. . Wo er jetzt nur stecken mochte; sicher noch auf der Bahn, der pflichttreue, gute Kerl! Doch da trat der Lange heran und prüfte „ihre" Kufe auf Sauberkeit und Glanz. „Du scheinst diesmal keine rechte Lust zu haben. Mal los ein bißchen! Entweder du machst mit, dann arbeite auch. Oder du bist zum Vergnügen hier, dann hättest du besser zu Hause bleiben sollen!" Die Schwester fühlte sich ertappt und wurde rot. Schnell beugte sie sich tief über die Kufe und bearbeitete den blan ken Stahl so heftig, daß ihr die Finger heiß wurden, und der Schmirgel in Fetzen herunterfiel. Gottlob, der Lange hatte nichts gemerkt. Der stand schon wieder vorn an der Steuerung und prüfte die Seile. Er war noch von der alten Schule und konnte sich an das moderne Radsteuer nicht gewöhnen. Die mächtigen Handgriffe am vielfach geflochteten Seil lagen ihm besser, als der Holzkranz des automobil-ähnlichen Steuerrades. Doch nun war auch der Lange fertig; und die Besatzung war froh, auch ihrerseits aushören zu können. Müde gingen sie zum Hotel zurück, hungrig und lahm vom lan gen Stehen in der gegen Abend immer kälter werdenden eisigen Winterluft. Vor dem Klubhotel trafen sie den Kleinen. Er hatte die Sorge für seinen Schlitten dem Bremser überlasten. r» Wie ein williges, treues Wesen erschien ihm der Dod, den er doch erst so kurze Zeit hatte, und den er schon liebte, weil er Gutes leistete. Auch im Training hatte er sich wieder bewährt; tadel los reagierte er auf jeden, auch den kleinsten AuSschlag der Steuers, wundervoll „spurten" die Kufen, fest lag der Schlitten auf der vereisten Bahn. „Bobstne" hatte er ihn genannt. Das schien ihm der richtige Name für seinen Bob. Und jetzt kam es dem Klei nen erst so recht zmn Bewußtsein, was dieser Name für ihn bedeutete. Mit „Bobstne" wollte er die Meisterschaft gewinnen, „Bobstne" sollte ihm den Sieg erzwingen hel fen, damit er den schönsten Preis errang, der ihm als Sieger winkte: Die „Bobstne".- Wie streichelnd fuhr der Kleine über das Steuer, wie liebkosend strich er das Kisten glatt, und abschiednehmend blickte er noch einmal auf den Namen, der in großen Lettern über das Steuergehäuse lief: „Bobstne." Dann wandte er sich, im Vertrauen auf die zuverlässige Arbeit seiner Mannschaft, im Vertrauen aber auch auf den Namen seines Bobs, der ihm für morgen eine gute Vorbedeutung sein sollte. Als er, den derben Stock unter dem Arm, mit nagel beschlagenen Schuhen die Hoteltreppe hinaustappte, kam ihm der junge Führer entgegen. In der weißen Hemd brust leuchteten matt ein paar wundervolle Perlen, ein Dust von Lavendel umfloß die tadellos gekleidete Gestalt dieses „Auch-Führers". Neben ihm schritt in einem hauch zarten Gedicht aus Spitzen und Seide die Baronin, deS jungen Führers „Bobsine". Der Kleine verneigte sich leicht im Vorbeigehen. „So spät?" - L «K L ZSSLIZZ ZHZHZ Z'ßZT KAZI Als Sportwart hatte er keine Zeit für seinen Bob, denn die Fertigstellung der Bahn, die Ausbesserung der Risse und Löcher, die durch das zweitägige Trainieren entstan den waren, gehörte zu seinem Pflichtenkreis. Und pflicht treu, wie er war, ließ er den eigenen Erfolg lieber fahren, als daß er sein Amt und besten Funktionen vernachlässigt hätte. In anderen Jahren war thm das niemals schwer ge fallen. Was galt es ihm, ob er die anderen schlug oder von ihnen geschlagen wurde. Nur klappen mußte alles auf die Minute, und tadellos mußte die Bahn von dem Augen blick an sein, wo er sie als Sportwart des Verbandes unter seine Obhut nahm. Aber diesmal empfand er die Last des übernommenen Ehrenamtes doch drückender. Immer wieder hatte er an seinen Schlitten denken müssen; gewiß, der Bremser war ein zuverlässiger Mann und kannte des Kleinen Wünsche ganz genau. Aber ob er auch alles bedenken, ob er alle Fehler entdecken würde, die dem geübten Auge des Klei nen nicht entgangen wären, wer wußte das! Und er nahm sich vor, selbst noch einmal nachzusehen, ehe er den Bob zum Aufzug schickte. Denn er mußte und wollte diesmal die Meisterschaft gewinnen, koste es, was es wolle. Am Sanatorium vorbei führte ihn der Weg. Hinter matterleuchteten Scheiben lagen die Kranken, unter ihnen die brave Besatzung des gestürzten Bobs, Männer, die ihren Sportenthusiasmus mit ihrer Gesundheit bezahlt hatten. Beim Pförtner fragte der Kleine nach dem Chefarzt, und als dessen Assistent erschien, diesen nach dem Befinden der Verletzten. Die Auskunft war günstiger, als er er wartet hatte. Zwar lag der Bremser noch immer ohne Besinnung, aber man hoffte, ihn am Leben zu erhalten. Die Brüche der anderen waren weniger besorgnis- t erregend. ! So nahm der Kleine die Beruhigung mit nach Hause, daß wenigstens das Schlimmste überstanden zu sein schien. . Im Bobschuppen sah er noch einmal nach seinem Schlit- » ten. Sauber, auf Holzklötze gebracht, stand die „Bobsine". Der junge Führer wollte ein Gespräch mit ihm an fangen, doch der Kleine war weitergegangen. In seinem Zimmer stand er ausruhend still, dann begann er sich um zuziehen; und während er die "sportgerechte Bobfahrer uniform gegen das vornehme Schwarz des AbendanzugeS vertauschte, zog noch einmal dieser letzte Tag vor der Deutschen Meisterschaft an ihm vorbei. Im Mittelpunkt seiner Gedanken stand immer wieder das Wort „Bobstne". Dreifach stand es in seinem Gedächtnis. „Bobsine" — die kapriziöse, leichtsinnig flirtende Begleiterin des jungen Führers. „Bobsine" — der Schlitten, das Werkzeug zum Sieg, der treue Helfer auf dem Wege zur Meisterehre. Und „Bobsine" — sie, die einzige, der seine Sehnsucht, fein Herz, sein alles entgegenschlug. Neunzehntes Kapitel. Nach dem Abendessen versammelten sich die Führer noch einmal im Sekretariat zur Auslosung der Startfolge und zur letzten Besprechung vor der großen Meisterschaft. In einer Urne lagen zusammengefaltet die Zettel mit den Nummern der startenden Schlitten. Es waren ja nur noch dreißig, die nach dem Ausscheiden der Sonnenberger übrigblieben, und trotzdem eine stattliche Zahl, wenn man bedenkt, daß jeder der Bobs zweimal zu fahren hatte, um aus der Gesamtheit der beiden Läufe placiert zu werden. Die Auslosung war nicht der unwichtigste Faktor für den Sieg. Nr. 1 war ebensowenig beliebt wie die letzten Nummern der Startliste, denn der erste Schlitten hatte keine Möglichkeit, sich nach den Vordermännern zu richten und deren Zeit zu unterbieten; die letzten Bobs aber liefen Gefahr, durch Löcher und Spuren, die die Kufen der Vordermänner gerissen, aufgehalten und ausgeschaltet zu werden. Ein Ausgleich der Chancen konnte daher nur erzielt werden, wenn der zweite Laus in umgekehrter Reihenfolge gestartet wurde. Der Kleine wollte eine noch günstigere Wertung her beiführen. Keiner sollte gehandikapt sein, jeder die gleichen Aussichten haben, Deutscher Meister zu werden. So entsprach es seinem sportlichen Empfinden, es ent- sprang aber auch dem Wunsche, selbst so wenig wie mög-