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Roman von Elisabeth N-vy , Carlotta DuMer .... I OozWtgcht dv kwetla llvuckttvauW^ SMg WWW ^Fortsetzung. Nachdruck verboten. Sie weinte leise vor sich hin; und diese Tränen brachten .ihr endlich aus dieser furchtbaren Spannung, in der sie sich Mit der Begegnung mit Hannes Fürst befunden hatte, ^Erlösung. So schlief sie endlich zum zweiten Male ein. Diesmal erwachte sie erst am Morgen durch den Ein ritt des Hausmädchens, das ihr mit dem gewohnten Früh- Wck auch gleich die Post ans Bett brachte. „Ein Eilbrief, gnädige Frau", erklärte das Mädchen höflich. Carlotta Dunker warf nur einen kurzen Blick auf die etwas weiche, mädchenhafte, wenngleich schöne Aufschrift 4wS großen Brieskuverts; dann erblaßte sie jäh. Das Schreiben kam von Hannes Fürst. Matt winkte sie der etwas erstaunt dreinblickenden Be diensteten zu, zu gehen und erfaßte mit bebenden Fingern Brief, der, wie sie nnr zu genau wußte, für sie eine traurige, ungewisse Zukunft, ihr Schicksal barg. Erik Ravenow hatte eine schlaflose Nacht verbracht. Selbstvorwürfe und Zweifel quälten ihn auch noch am Morgen. Selbst das kühle, länger als sonst ausgedehnte Bad vermochte das hämmernde, schmerzhafte Gefühl in seinem Kopf nicht zu verscheuchen. Beim Frühstück nahm er sich kurz entschlossen vor, hinaus nach der Villa des Geheimrats zu fahren und mit Earlotta zu sprechen. Leider hielt ihn der unverhofste Besuch eines Vetters, der ihn schon frühzeitig abholte und den ganzen Tag lastigerweisc mit Beschlag belegte, von seinem Vorhaben ab. Erik Navenow konnte alles, nur nicht unhöflich sein; und so verschob er, innerlich grollend, seinen Besuch bei Carlotta auf den kommenden Tag. Es regnete leise, als Ravenow am nächsten Mittag die Seehöhe erklomm, um zu Carlotta Dunkers Haus zu ge langen. Aergerlich blieb er ab und zu stehen und betrachtete feine Schuhe, die sich bei jedem Schritt tiefer in den aus- geweichtcn Boden bohrten und mit den ganz mit Schlamm beschmutzten Spitzen sich wenig besuchsmäßig anlieben. Sollte er umkehren? Weshalb hatte er aber auch schon das Auto unten am See zurückgeschickt? Ganz recht, er wollte noch einmal von hier oben die Steve des Gartens übersehen, an der er Carlotta am Pfingsttag zum ersten Male wiedergesehen hatte. Jetzt fand er die bekannte Wegbiegung. Tief unter ihm lag das Haus. Regen troff in Strömen vom Dach und die Lweige her hohen Bäume und Mische des umfriedeten Gartens hingen unendlich müde, von Regen beschwert, herab. Alles wirkte dadurch düster und bedrückend zugleich. Sollte dies ein schlechtes Omen für ihn bedeuten? Navenow beeilte sich, vorwärtszukommen und lies zu letzt fast den kleinen Weg zur Hinteren Gartenpforte im Trab hinab. Erst auf mehrmaliges Anläuten öffnete ihm dann ein Hausmädchen. Als Erik Naumow nach Carlotta fragte, wurde ihm der Bescheid, daß Carlotta am Morgen ab- gereist sei. „Abgereift?' Erik Navenow stieß dieses Wort in tödlichem Schreck hervor, bas ihm einen mehr als erstaunten Blick des Mädchens eintrug und ihn zur Sammlung mahnte. „Melden Sie mich dem Herrn Geheimrat", sagte er daher schnell mit vor Erregung heiserer Stimme, und über gab ihr seine Karte., Das Mädchen verschwand, kehrte jedoch eiligst zurück und führte ihn in den kleinen, geschmackvoll eingerichteten Empfangssalon. Erik Ravenow glaubte hier den feinen Duft von Ambra, Carlottas Lieblingsparfüm, deutlich zu spüren, und sein Herz krampfte sich zusammen. Sie war nicht im Hause, Carlotta war abgercist. Weshalb gerade heute, und wohin? Seine Gedanken sprangen wirr durcheinander. Die Nachricht, daß die angebetete Frau abwesend sei, hatte ihn gänzlich außer sich gebracht und wilde Vermutungen in thm laut werden lassen. Obwohl er sich selbst einen Toren schalt, fürchtete er doch, daß Carlottas Reise irgendwie mit dem Schriftsteller Hannes Fürst in Zusammenhang stehen könnte. Sein Gedankengang wurde in diesem Moment durch das harte Aufschlagen eines Krückstocks unterbrochen. Wenige Minuten später stand Geheimrat Dunker vor ihm und streckte ihm in aufrichtiger Freude die Rechte zum. Willkommen entgegen. „Grüß Gott, lieber Navenow. Das ist eine wahre Herzensfreude, Sie endlich einmal in meinem Hause be grüßen zu können!" rief er sichtlich bewegt aus. „Nur sthade, daß Sie «ns nicht schon gestern die Ehre Ihres Besuchs verschafften, denn dann hätten Sie meine Tochter Earlotta wenigstens auch noch angetroffen." „Ich vernahm zu meinem großen Bedauern bereits von dem Mädchen, daß das gnädige Fräulein abgereist ist", beeilte sich Ravenow, der sich einigermaßen gefaßt hatte, zu antworten. „Carlotta ist ein schwer begreiflicher Mensch, lieber Navenow", erwiderte Dunker aufseufzend. „Ihr Entschluß zur Reise kam sozusagen binnen einer Stunde. Sie be- Giuptete, längere Leit in den Bergen leben zu müssen, hat wir meine alte Schwester Klothilde herbeitelegraphiert und D heute morgen mutterseelenallein, sozusagen Hals über ÄgsH, abgedampft." wohin, wenn ich fragen darf, Herr Geheimrat?" „Wohin? Ja, lieber junger Freund, das kann ich Ihn« DMbst noch nicht sagen. Sie gab als Postadresse Salzburg an und erklärte, sich erst in Ruhe einen recht ein samen, idyllischen Ort suchen zu wollen, wo sie längere Zeit ungestört leben könnte, da sie Sammlung brauche. Nun, ich durfte sie nicht zurückhalten, obwohl sie mir bereits jetzt schon fehlt. Ich bin auch eigentlich wiederum zufrieden, daß sie jetzt abwesend ist, denn Fürst, der Ihnen ja auch bekannt sein dürfte, hatte die Kühnheit, ihr gestern im Garten aufzulauern. Nun, so sehr ich glaube, daß Carlotta diese Enttäuschung überwunden hat, fürchtete ich doch, daß die faszinierende Art Fürsts — weiß der Teufel, was die Frauen an diesem Menschen für einen Narren ge fressen haben — Carlotta abermals betören könnte. Die sehen, ich bin offen, lieber Ravenow; im Grunde genom men glaube ich nämlich, daß Carlotta eine solche Schwäche fürchtete und deshalb floh." Erik Ravenow hörte sich das alles mit zusammen gekniffenen Lippen an. Sollte in Carlotta Dunker wirklich die Liebe zu Hannes Fürst trotz allem aufs neue erwacht sein? Weshalb floh sie, wenn es nicht so war? Ravenow wußte nun, daß er zu spät gekommen war, aber zugleich gesellte sich zu dem Gefühl das der Angst, der Sorge um die geliebte Frau, als ginge diese einer unheil vollen, ungewissen Gefahr entgegen. Aber sagte der alte Herr nicht soeben, daß seine Tochter geflohen sei? Was also hielt ihn davon ab, Carlotta nach- zufahrcn und sie zu bitten, sein Weib zu werden. Konnte es nicht möglich sein, daß sie in seinen schützen den Arm, der sie vor der unseligen Leidenschaft bewahren half, flüchtete. Geheimrat Dunkers kluge Greisenaugen hatten lange nachdenklich auf den Gesichtszügen seines jungen Besuchers geruht. „Heute vor einem Jahr waren Sie wohl das letzt« Mal bei uns?" fragte er daun ernst. „Es kann ungefähr stimmen, Herr Geheimrat", bejahte Ravenow etwas verlegen. „Ich fuhr dann in die Welt. Carlotta hatte mir an diesem letzten Tag sehr wehe getan." „Ich weiß es, lieber junger Freund, denn sie offenbarte mir ihren großen Kummer. Aber konnten Sie nicht ver stehen, daß Carlotta Ihrer Werbung verneinend gegenüber stehen mußte, nachdem sie erst in der Liebe so großes Leid erfahren hatte? Wenn Carlotta etwas gibt, so gibt sie es ganz; eS muß auch ihr Herz dabei sein, und darum schickte sie Sie fort. Wohl aber nicht für immer?" „Nicht für immer, Herr Geheimrat, ich glaubte Carlotta heute die Frage noch einmal vorlegen zu können." „Heute? Armer lieber Freund, dann haben Sie es schlecht getroffen. Aber haben Sie Geduld. Wenn ich die Adresse meiner Tochter weiß, soll sie Ihnen sofort über mittelt werden." „Ich danke Ihnen." Die Worte kamen etwas g^reßt von Ravenows Lippen, und er machte Anstalten, sich zu erhebe». Gerade da trat vas Mädchen ins Zimmer und meldete den Besuch Professor Thurms an. „Thurm!" rief der Geheimrat erfreut aus. „Lassen Sie den Herrn hier sofort eintreton. Sie bleiben doch un bedingt noch?" wandte er sich dabei an Ravenow, ihn in den Sessel zurückdrückend. Erik Navenow wäre am liebsten davongestürmt. Es drängte ihn förmlich, mit seinen Gedanken jetzt allein zu sein; aber der Eintritt des Professors verhinderte jede Entgegnung und nötigte ihn schon aus Höflichkeit zum Bleiben. Thurm war ihm nicht unbekannt. Er schätzte den Maler nicht nur um seiner Kunst willen, sondern auch als Mensch Der Professor begrüßte Ravenow mit sichtlicher Freude über das unerwartete Zusammentreffen. Man saß dann bald zwanglos plaudernd bei einem guten Tropfen, den Tante Klothilde, wie sie allgemein von allen Hausbewohnern und Freunden genannt wurde, fürsorglich ins Zimmer geschickt hatte, beisammen. Thurm wußte angenehm zu plaudern. Trotzdem konnte einem guten Beobachter die sichtliche Nervosität des alten Herrn nicht entgehen, als er ab und zu lauschend aus horchte, wenn draußen vor der Tür Schritte laut wurden „Carlotta ist heute abgereist', sagte Geheimrat Dunker, dem das Wesen Thurms nicht entging und der es sofort richtig deutete, wie beiläufig. In Reinhold Thurms Gesicht ging bei dem soeben Ge- hörten eine seltsame Veränderung vor, und es schien fast, als ob sich sein Gesicht für einen Moment dunkler gefärbt hätte. Dann griff er schnell nach einer neuen Zigarre und setzte sie ohne ein Wort der Entgegnung höchst umständlich in Brand. „Schade", sagte er dann plötzlich, der Zigarre noch immer seine ganz besondere Aufmerksamkeit schenkend „Hm, schade, ich hätte Fräulein Carlotta nämlich gern noch um eine Sitzung gebeten. Kommt Sie bald zurück, lieber Geheimrat?" „Bald? Wie man es nimmt. Sie ist etwas kompliziert, lieber Thurm. Zu Ihnen kann ich ja offen sprechen: ich glaube, sie flüchtete vor einem gewissen Jemand." „Vor Johannes Fürst?" sagte der Professor seltsam betont. „Allerdings. Der Ehrlose erdreistete sich, am Pfingst sonntag in aller Herrgottsfrühe Carlotta im Park ab zupaffen. Aber woher wissen Sie, daß Fürst hier war, bester Professor?" „Bis vier Uhr war er im Grünen Pinsel", entgegnete Thurm nachdenklich. „Wir trennten uns aus der Straße. Wahrscheinlich ging er dann zu Fuß hier hinaus. Ich glaube, daß thm endlich eine furchtbare, reuige Erkenntnis gekommen ist, was er sich in Carlotta verscherzte. Er äußerte sich wenigstens gegen mich in ähnlicher Weise." „Er soll fernbleiben, mein Haus ist ihm für immer der- schlossen", polterte der alle Herr und fließ wie zur Be- kräfttgmvg mehemalS erregt mit ssinem MMWWk Mltzkw, Fußboden. Thurm lenkte nun geschickt auf ein ärgeres ShM« über, und die Unterhaltung wurde bakd stHr au«wL Ueber Carlottas Reise fiel kein Wort mehr. Es war spät, als sich die zwei Herren orEH von Ge heimrat Dunker verabschiedeten. „Geduld, ich schreibe Ihnen", sagte der alte Munn, a« er Erik Navenow zum Abschied die Hand drÄkte. Schweigend gingen dann Professor Thurm und sein junger Begleiter den Berg zum See hinab. Es goß jetzt in Strömen, und der Wind drohte ihnen die Schstnne um zustülpen. „Geheimrat Dunker ist sehr alt geworden", »nterbvach Thurm die Stille. „Alt? Gewiß, sehr alt", antwortete Rav-now wie geistesabwesend. „Fräulein Carlotta hätte beMr getan, ihren alten Vater nicht mehr allein zu lassen." „Hm", brummte Reinhold Thurm, „sie wird doch nicht... Bei ihrem Charakter könnte ich es mir Vorsteven, daß sie sich opfert, nur um einen anderen wieder zu alter Höhe emporzuhelfen." In Erik Ravenows Gesicht brannte jetzt eine erregte Röte, als er fast unwirsch hervorftieß: „Sie meinen den Schriftsteller Fürst?" Etwas erstaunt blickte Thurm auf; dann Hustle ein plötzliches Verstehen über sein Gesicht, und er antwortete: „Sie wissen doch, daß Fürst einmal mit Fräulein Car lotta verlobt war?" „Und daß er sie schamlos verließ", unterbrach ihn Ravenow, kaum seine Erregung meisternd. „Professor, nun glauben Sie doch nicht etwa gar, daß Carlotta Dunker diesem Manne verziehen hat, ja, daß sie ihn noch liebt?" „Ob sie ihn noch liebt, weiß ich sreilich nicht, lieber Ravenow. aber daß sie ihm längst verziehen hat, glaube ich bestimmt. Ich kam heute eigentlich aus einem bestimmten Grunde in das Haus des Geheimrats und habe es sehr besorgt verlassen." „Inwiefern, Herr Professor?" „Ich erfuhr heute früh, daß Hannes Fürst aus lange Zeit abgereist sei, um ganz in der Einsamkeit, irgendwo in den Alpen, ein neues großes Werl zu schreiben." „Professor!" Lau! halte es Navenow anögerusen und war stehengebliebcn. Jein Atem ging schwer, als er jetzt rauh weiterfragte: „Sic wolle« doch uicht etwa sagen, daß er und Carlotta " „Ich fürchte es", unterbrach ihn Thurm ernst „Ich fürchte, daß sich die beiden in aller Stille haben trauen lassen und daß sic später vor den Vater mit der vollendeten Tatsache treten werden." Ein heiseres Stöhnen rang sich aus Ravenows Brust. So waren also seine heimlichen Befürchtungen nicht so unbegründet gewesen. Noch hatte er zwar keine Beweise für des Professors Worte, aber wenn ? „Was ist mit Ihnen, Navenow?" weckte ihn erschrocken die Stimme Reinhold Thurms aus seiner Verzweiflung. „Ich muß gestehen, daß mich die Annahme, daß au. Ihrer Befürchtung etwas Wahres sein könnte, sehr ge troffen hat", stammelte Vieser, noch immer außer sich „Fckr schätze Carlotta Dunker sehr hoch ein, für mich war sie eine Heilige — und nun " „Nun ist sie eine Märtyrerin geworden", warf Thurnr seltsam beton» ein „Eine Märtyrerin! Wieso? Haha, man könnte cs auch anders nennen!" rief Ravenow, den seine Selbstbeherr schung zu verlassen drohte. „Viele Leute werden es anders nennen, lieber Rave now, ja, wohl der meisten Urteil wird so lauten. Die meisten werden behaupten, die Frau besitze keinen Stolz, die sich dem anvermählt, der sie einmal schmählich ver- lassen Hai. Wir aber, die wir Carlotta Dunker bis in ihr tiefstes Seelenwesen kennen, sollten nicht einmal den Ge danken haben, mit ihrer Handlungsweise zu rechten. Sie tut, was ihr das Herz vorschreibt. Wenn Sie wirklich Hannes Fürst geheiratet hat, so »at sie es aus ihrem gütigen, mitleidigen Herzen heraus, ihm damit zu helfen. Und Fürst war gestrauchelt. Wenn ihn jemand retten und zur alten Höhe emporreißen kann, so ist es Carlotta allein. Ich glaube nicht einmal, daß sie dabei neu erwachte Liebe zu diesem Manne fühlt. Für sie steht einfach die Tatsache fest, daß Hannes Fürst sie braucht, und somit gehorcht sie diesem Rufe, ohne nach dem Urteil der Welt zu fragen." Erik Ravenow war während dieser langen Verteidi gungsrede des Professors hastig vorwärtsgeschritten, so daß der ziemlich korpulente Künstler wirklich zu tun hatte, mit ihm Schritt zu halten. Wahrhaftig, Thurm war ein guter Verteidiger »für Carlotta Dunkers Handlungsweise, und er mußte ihm in vielem zustimmen. So, wie er soeben gesprochen hatte, war diese seltsame Frau. Eins aber hatte Thurm nicht berücksichtigt: den herben Stolz, den Carlotta Dunker besaß, und der sie von dieser Handlungsweise sicher zurückgehalten hätte, wenn das Ge fühl, das sie Hannes Fürst entgegenbrachte, wirklich nur Mitleid gewesen wäre. Nein, er wußte es jetzt besser! Carlotta liebte Hannes Fürst, hatte wohl all die Lett nicht aufgehört, ihn zu lieben! Die Erkenntnis war bitter für ihn; denn er hatte somit Carlotta Dunker ein zweites Mal verloren. Sie hatten jetzt zusammen die Chaussee trretchi, die längs der rechten Seesette htnführte. „Nehmen wir ein Auto?" fragte Thurm mit neevhser Gebärde, seinen trotz des Schirms durchnäßten Hut schwenkend. „Das Wetter ist allerdings zu miserabel, um den zwei stündigen Weg zu Fuß zur Stadt zu pilgern", entgegnete Ravenow unschlüssig. Fortsetzung folgt.