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Beilage zur Weiheriy-Zettung 95. Jahrgang Donnerstag, am 3. Oktober 1929 - Nr. 231 Chronik des Tagest ' — Reichskanzler Müller hatte mit dem Reichsautzen- Minister Dr. Stresemann ein« Besprechung über di« inner- politische Laa«. — In der Reichskanzlei traten die Ministerpräsidenten der deutschen Länder zu einer Sitzung zusammen. — Das Luftschiff „Graf Zeppelin" tritt am Sonnabend seine große Ostdeutschlandfahrt an. — Bei einem Wohnungsbrand in Berlin fand der 69 Jahre alte frühere Gastwirt August Unrein, der beider- seitig gelähmt ist, den Tod. — Von der Berufungsinstanz in Hamburg wurde der 62 jährige Architekt und Millionär Vicenz wegen fortge setzten Sittlichkeitsverbrechens an seiner Tochter zu vier, seine Frau wegen Beihilfe zu drei Jahren Zuchthaus oev- urteilt - Das letzte Düsseldorfer Mordopfer ist als die 31 Jahre alte Hausangestellte Ida Reuter aus Gelsenkirchen festgestellt worden, die in Barmen beschäftigt gewesen war. — In Kowno begann der Prozeß gegen den Prälaten Olschewski, der in Verdacht steht, seine frühere Geliebte uno seinen Sohn ermordet zu haben. — Auf dem Flugplatz von Cardington in England wurde die Taufe -es englischen Staatsluftschiffes „R. 101" vollzogen. ! E - , Turnertag im Reichstag. Wer wird Nachfolger Dr. Bergers? j ! — Berlin, 3. Oktober. Am Freitag wird im Plenarsitzungssaal des Reichs tags der 2 0. Deutsche Turntag eröffnet. 400 Abgeordnete werden die 1,6 Millionen Mitglieder der Deutschen Turnerschaft vertreten, und alle wollen mit raten und Mitwirken, um diesen größten deutschen Verband für Leibesübungen zu fördern und weiter zu entwickeln. Zum vierten Male hält die Deutsche Turnerschaft damit ihre Verbandstagung in den Mauern Berlins ab und „wie früher", so heißt es in der Begrüßung des Turnverbandsvorsitzenden Berger, „grüßt Berlin, die Wiege des deutschen Turnens", die Ab geordneten herzlich. Noch immer haben die Turn tage in Berlin Beschlüsse von weittragender Bedeutung gefaßt und entscheidend auf die Gestaltung der Deut schen Turnerschaft eingewirkt. Möge der Deutsche Turn tag auch diesmal der Turnerschast Heil und Segen bringen und dazu beitragen, daß das deutsche Turnen, das einst als zartes Reislein dem märkischen Sand der Hasenheide entsproß und heut« als gewaltiger Eichbaum seine Zweige gen Himmel reckt, weiter er starkt und an Kraft gewinnt zur Erfüllung seiner hohen Aufgaben an Volk und Vaterland, an Volks tum und deutschem Gemeinschaftsgeist! Tie Eröffnung des Deutschen Turntages erfolgt durch ein« Begrüßung der Gäste und turnerischen Kör perschaften durch den 1. Vorsitzenden Prof. Tr. Ber ger, sowie durch einen Vortrag Dr. Luthers, Reichs kanzler a. D. und Ehrenmitglied der Deutschen Tur nerschaft, über „Deutschtum und Deutsche Turner schaft". Die Eröffnung wird durch die Funk stunde Ber lin übertragen. Mit der Berichterstattung des 1. Vor sitzenden, des Geschäftsführers, des Oberturnwartes und des Kassenwartes über die Verwaltungsjahre 1928 und 1929 wird dann in die Tagesordnung eingetreten, die ferner die Punkte „Anträge", „Haushaltsplan und Fest setzung der Jahresbeiträge", „Deutsche Turnerschaft und andere Verbände", „Wahlen" und „Verschiedenes" ent hält. Wie der erste Tag so wird auch der zweite durch einen Vortrag eingeleitet, und zwar wird am Sonn abend der 2. Vorsitzende, Dr. Edm. Neuendorff, über „Die Frau und die Leibesübungen" sprechen. Besondere Bedeutung kommt dem 20. Deutschen Turntag schon deswegen zu, weil ein Führungswechsel bevorsteht, d. h., weil der derzeitige 1. Vorsitzende, Prof. Dr. Berger, amtsmüde geworden ist und eine Wiederwahl daher ablehnen dürfte, so daß Neuwahl erforderlich wird, die deswegen «in Ereignis bedeutet, weil die Turner bisher erst viermal seit Grün dung der Deutschen Turnerschaft im Jahre 1860 zur Wahl ihres ersten Führers schreiten brauchten. Als Nachfolger werden Staatsminister a. D. Domini cus, bisher 3. Vorsitzender, und der Vertreter des größten Turnkrcises, Freistaat Sachsen, Studienrat Tr. Thiem er-Dresden, genannt. Es sind ferner der 3. Vorsitzende, der Oberturnwart, Kassenwart, Män- nerturnwart, Frauenturnwart, Volksturnwart, Fecht wart und der Schwimmwart zu wählen, für welche Posten die bisherigen Inhaber wieder in Frage kommen. Unter den Anträgen sind diejenigen bemerkens wert, die die Wiedereinführung des Freistückes der Deutschen Turnzeitung (Kreis Brandenburg), den Ver kauf des Deutschen Turnerschafts-Hauses in Neu-West- end (Kreis Brandenburg) und die Erweiterung des Vor standes der Deutschen Turnerschaft von fünf auf sie ben Mitglieder durch Hinzunahme des stellvertretender» Oberturnwartes und des Pressewartes anstreben. Ter Punkt „Deutsche Turnerschaft und andere Verbände" wird kaum etwas Neues zeitigen, zumal ja die Deutschs Turnerschaft immer wieder den Willen zur Ver- iAhnung mit den Sportverbänden betont. Ter Punkt „Verschiedenes" wird sich mit der Bewegung des Spiel manns- und Sängerwesens, mit EhrenbriefbestimmiN- g«l, mit dem Deutschen Turntag 1931 und mit dem 16. Deutschen Turnfest 1933 befassen, um welch letz teres sich Breslau, Dresden und Stuttgart bewerben. Ihren Anfang nahm die Tagungswoche mit Sitzun- aen des Vorstandes und Besprechungen des Hauptaus- schusses, in deren Mittelpunkt die Frage des Verhält- "isses zu anderen Verbanden, Fragen geldwirtschaft licher Natur und de.r Auszeichnung verdienter Turn Tie Abgeordneten der Christlich-nationalen Bauernpartei haben im Reichstag einen Miß trauen San trag gegen den Neichsinnenminister Se vering eingebracht. — Hm Rechtsausschuß kam es zu temperamentvollen Auseinandersetzungen über die Ehe- s ch e c d un g Sr e fo r m. Ein Zentrumsantrag, die Be ratungen um mehrere Wochen zu vertagen, wurde ab gelehnt. * Aufhebung der Hauszinssteuer? Neue Einzelheiten über die geplante Finanz- und Steuerreform. Ueber die geplante Finanz- und Steuerreform wer- Hindenburgs 82. Geburtstag. Glückwünsche der Reichs» nnd Länderregierungen. . Reichsregierung und die Regierungen der deutschen Länder haben dem Reichspräsidenten von Hin denburg, der erst Ende der Woche nach Berlin zurück kehrt, -um vollendeten 82. Lebensjahr Glückwünsche übersandt. Ferner liefen zahlreiche Glückwunscbtelc- Wie jetzt bekannt wird, hat der „Gras Zeppelin" aus der Fahrt vom 25. September auch einen kleinen „Zeppelin" besucht. Der kleine Zeppelin ist ein Schwei zer Erdenbürger, der am 24. Mai gerade in dem Augenblick das Licht der Welt erblickte, als der „Graf Zeppelin" nach der unfreiwilligen Landung in Frank reich über Rothenburg bei Luzern nach Friedrichshafen zurückflog. Tr. Eckener hatte die Patenschaft über nommen; der neue Erdenbürger erhielt den Namen Simon Zeppelin Brunner. Am 25. Septem ber nun überflog „Graf Zeppelin" unter Führung Dr. Eckeners das Wohnhaus der Eltern des kleinen Zep- Penn, vor dem eine große Fahne in den Farben der Schwerz ausaebreitet worden war. Tas Kind lag in Ktssen vor dem Hause, um das große Weltwunder zu betrachten, dessen Namen es trug. Am Sonnabend tritt das Luftschiff „Graf Zep pelin" die Fahrt nach Schlesien, Ostpreußen »nd Berlin an. An Berlin-Staaken ist eine Landung vorgesehen. Besucht werden sollen u. a. folgende Städte: auf der Hinfahrt: Mm, Fürth, Bayreuth, Hof, Plauen, Anna berg, Freiberg, Dresden, Bautzen, Zittau, Gvrltv, Liegmtz, Breslau, Brieg, Kreuzburg, Oppeln, Beuthen, Glerwltz, Ratibor, Leobschütz, Glogau, Neustadt, Net««, Glatz, Hirschberg, Bunzlau, Spremberg, Kottbus, Guben, Frankfurt, Berlin. Auf der Rückfahrt. Kü^ > — - Deutsch-Eylau, Tarrnenoerg, i'öburg, Rastenburg, Lötzen, Tra- Königsberg, Rundschau im Auslände. ; Der Chefredakteur des „Revaler Boten", Axel de Vries, mußte wegen eines Artikels, mit dem er die Weg nahme der Domkirche bekämpfte, eine einmonatige Ge fängnisstrafe antreten. » Die Sowjetpolizei will in Astrachan einer gegen revolutionären Organisation aus die Spur gekommen sein. Unter den Verhafteten sollen sich hohe geistliche Würden träger befinden. * Annäherung Litauens a« Polen? ; Der frühere litauische Ministerpräsident Woldema- raS äußerte sich einem deutschen Journalisten gegenüber über die neue Lage in Litauen. Das Amt des Außenmini sters in dem neuen Kabinett habe er nicht übernehmen können, so führte er aus, weil in einem so kleinen Staate wie Litauen die Außenpolitik, die wichtigste Angelegenheit, nicht vom Amte des Ministerpräsidenten getrennt werden könne. Er erwarte Aenderungen der litauischen Politik. Die Politik hänge nicht allein von dem ab, was man wolle, sondern davon, was man könne. Die Möglichkeit der Aus nahme der Beziehungen zwischen Litauen und Polen sek nicht ausgeschlossen. "E. Zeppelin besucht die Ostmarken. Am Sonnabend Start znr Schlesien- und Ostpreußen- fahrt. — Wie „Graf Zeppelin" den kleinen Zeppelin besuchte. Tas Luftschiff „Graf Zeppelin" führte am Mitt woch eine neue Schweiz-Fahrt aus. Bon Friedrichs hafen aus nahm das Luftschiff zunächst Kurs auf Frauenfeld, Zürich und Luzern. Das Wetter war un günstig; vielfach herrschte starker Nebel. Knut Eckener nach Amerika unterwegs. — Friedrichshafen, 3. Oktober. Knut Eckener, der Sokm Dr. Eckeners, hat sich von der Besatzung deS Luftschiffes „Graf Zcppelm" verabschiedet und trat danach die Reise nach Amerika an. Knut Eckener wird in die Dienste der amerikanischen Zeppelingesellschaft Politische Rundschau. - Berlin, den 3. Oktober 192S. — Die Staatsanwaltschaft in Neumünster hat wegen der Zwischenfälle bei der LandvoMnndgebung im August gegen sechs Landvolkleute Anklage erhoben. * :: Wesidcutschlandfahrt des WohnungsauSschnsseS. Ter Wohnungsausschuß des Reichstages beschloß, in der Zeit vom 10. bis 17. Oktober eine BestchtigungS» reise durch West- und Süddeutschland zu unternehmen. Es sollen alle Arten von Neubauwohnungen besichtigt werden. :: Di« Bolksrechtspartei lehnte aus ihrer Reichs tagung in Berlin den Youngplan als endgültige Lö sung der Reparationsfrage mit aller Entschiedenheit ab, betonte jedoch gleichzeitig, trotz ihres grundsätz lichen Kampfes gegen den Youngplan nicht für das Volksbegehren stimmen zu können. Hochspannung im Reichstag. Heute Abstimmung über die Berficherungsreform. — . Länderkouferenz in der Reichskanzlei. — Berlin, 3. Oktober. ! Am heutigen Donnerstag traten in der Reichs kanzlei die Ministerpräsidenten der deutschen Länder zu einer Sitzung zusammen, um einen Bericht über di« Haager Konferenz entgegenzunehmen. Die Retchs- vegierung legt Wert darauf, die Ministerpräsidenten der Länder über die Ergebnisse der Konferenz und über die Arbeiten der verschiedenen von der Haager Kon ferenz eingesetzten Komitees zu informieren. Gleichzeitig wird sich auch das Plenum deS Reichs- tages wieder versammeln. Auf der Tagesordnung steht die dritte Lesung der Borlagen znr Reform der Arbeits losenversicherung. Ter heutigen Reichstagssitzung sind gestern aus gedehnte Fraknonsberatungen und Sonderverhandlun gen zur Vermeidung einer Regierungskrise vorauf gegangen. Am Vortage waren die Vorlagen in zweiten Lesung verabschiedet worden, vielfach gegen die Stim men der Deutschen Volkspartei. Es war dabei zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen den Zentrums abgeordneten Brauns und Esser und dem Volkspar» teuer Hueck gekommen. Die Fraktion der Deutschen Volkspartet verhandelte darauf am Mittwoch viele Stun den darüber, welche Haltung die Fraktion nunmehr bei den Schlußabstimmungen einnehmen sollte. Die Fraktionsfitzung der Deutschen Bottspartei hatte mittags 11 Nhr begonnen, war gegen drei Uhr unterbrochen Word«» und wurde dauu am Spätnach mittag wieder ausgenommen. Reichsautzenminister Dr. Stresemann hielt sich in ständiger telephonischer Ver bindung mit seiner Fraktion, später nahm Minister Stresemann daun auch persönlich au der Fraktions- sitzung teil. In ihrer gegenwärtigen Form enthalten die Re formvorlagen u. a. die Bestimmungen, daß der Reichs arbeitsminister den Meldezwang für freiwerdende Stel len anordnen kann. Ter Kompromißantrag Lemmer über die Anwartschaftszeit ist der Hauptvorlage ein gefügt worden. Sozial- und Zusatzrenten sind auf die Arbeitslosenunterstützung anzurechnen, soweit sie 30 Mark im Monat übersteigen. Tie Verlängerung der Wartezeit wurde auf solche Arbeitslose beschränkt, die das 21. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Ans den Kreise» der ReichSregicrung konnte man immer wieder die Meinung höre», eine Regelung der Arbeitsloscnfrage müßte unter allen Umständen ge troffen werden; eine Zurückziehung der Vorlage könne niemals in Krage kommen. Biel beachtet wurde auch eine Unterredung des Reichskanzlers Müller mit dem Führer der Deutschen Bolkspartei ReichSaußcnminister Dr. Stresemann. förderer stand. Donnerstag tagten die Abgeordneten der 18 Turnkreise unter sich. Am Nachmittag des gleichen Tages fand die Begrüßung der Abgeordneten und ihre Einführung in die Deutsche Turnschule statt. Am Abend waren sie Gäste des in diesen Tagen erst aus der Taufe gehobenen neuen Turnverbandes Groß- Berlin im Lehrervereinshaus. Zwischen Freitag und Sonnabend werden die Turntagsabgeordn'eten Gäste der Stadt Berlin sein. Tie Begrüßung durch den Ma gistrat findet im Bürgersaal des Rathauses statt. Für di« Tamen und sonstigen Angehörigen der Lurntags» abgeordneten finden während der Tagungen Rund fahrten durch Berlin statt. Mit einer Sitzung des Hauptausschusses und einer Dampferfahrt nach Pots dam findet die große Tagungswoche der Deutschen Turnerschaft ihren Ausklang. den neue Einzelheiten bekannt. Danach soll die Haus zins steuer für die am 1. Juli 1914 unbe lasteten Grundstücke aufgehoben, für die übrigen bis 1940 befristet werden. Im Reichsfinanzausgleich will man die Quote der Länder von 75 auf 60 Prozent ermäßigen. Als Ausgleich soll den Ländern eine Be teiligung an den erhöhten Verbrauchssteuern gegeben werden unter Berücksichtigung des örtlichen Auflom- mens. Tie kommunale Kopfsteuer soll von drei bis zwanzig Mark gestaffelt und in Relation zu den Realsteuerzuschlägen gesetzt werden. Ferner ist von einer Herabsetzung der Zuckersteuer um die Hälfte " V'"""P - die Rede berg, Marienwerder, Natürlich handelt es sich auch hierbei um Pläne, ' L-n^G^bl»^ ^onrgs über die — vorausgesetzt, daß sie überhaupt zur Te- sNA' Marienburg, Stolp, Köslin, Str al batte stehen — das letzte Wort noch nicht gebrochen ist. Rostock,' Rathenow, Brandenburg, Bitterfeld, - — zig, Apolda und Gotha. , gramme von Behörden, Ausländsdeutschen und vou privater Seite ein. Für die Teutschnational« Volks- Partei sandten Graf Westarp und Hugenberg Tele gramme. Der Reichsausschuß für das Volksbegehren! sandte ein Telegramm, in dem es heißt, er stehe treu zu dem Hindenburgwort von Tannenberg. In dem Glückwunschschreiben der Reichsregierung heißt es u. a.: Das deutsche Bott gedenkt a» diese« Tage JAer A Verehrung «nd wünscht, daß Sie ihm «och lauge FaWteaA ein Vorbild treuer PfWÄMKng gesund erhaltenbttibe» mögen. Rach schwere« politische» Berha«dt«»ge» stett di« endgültige Befreiung de» besetzten Gebiete» bevor. «Es jetzt nach «nd «ach die Vesetzten StÄ»te ««d Kau« frei werden, dann wird Pa» deutsche Batt vor allem anch daran denke», daß Ihr Strebe« vo« erster Stnnde ghre« Amtsantritt» an ans die Wiedererlangung der deutsche« Staatshoheit gerichtet gewesen ist. — , «