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Raman von Hans Mitteweider Nachdruck v«»ot«n. R.Fmeftchnn«. :t. in den rechten Zeigesinger. „Das kann ich nicht sagen, aber man munkelte, sie Wäre London gewesen", berichtete der Bootssührer. „Um sich eine Stellung zu suchen?" Hinrichs zuckte die Achseln. „Da müssen Sie schon einmal den Förster fragen, bei erstaunt. „Wie kam Ye denn dazu?" Die Frau errötete. Sie sie hatte aber doch Gerüchte und treue Freundin lobte. „Ja, so war siel- sagte Frau Edelmann. „Wir beide, mein Mann und ich, haben sie von Herzen liebgewonnen. Sie war so bescheiden, so aufrichtig und freundlich, datz man ihr gut sein mußte, und so schwer sie es bei ihrer Tante auch hatte, nie hat sie eine Klage laut werden lassen, nie hat sie der alten verbitterten Frau wider sprochen, wenn diese keifte und schalt. Sie hat verdient, daß es ihr recht gut geht, und wie Sie sagen, ist das ja der Fall." „Ja, es geht ihr gut*, bestätigte Isolde, aber sie sagte das in so besonderem Ton, daß die Förstersfrau auf horchte, und fragte: „Aber es fehlt ihr doch etwas? Ich höre das aus Ihren Worten, Fräulein Kletten- — Isolde hatte ihren Namen beibehalten und nur das Von weggelaffen —, „sie hat vielleicht Heimweh?" „Auch das, Frau Edelmann", gab Isolde zu. „Sie hätte meine Freundin es Ihnen angetan!" Da wurde der junge Mann glühendrot, aber ssine^ blauen Augen leuchteten. „Die?" rief er. „Ja, gern haben mußte sie ein jeder, und ich hätte ihr wohl gut sein können, aber sie war doch nichts für unsereinen. Die Käthe Fernau war eine Feine, wenn sie man auch bloß nähen ging! Was macht sie denn aber jetzt? Sie haben es mir noch gar nicht gesagt." „Ach, es geht ihr ganz gut", erklärte Isolde. „Sie hat eine Stelle als Direktrice in einer Mäntelfabrik.. „Die arme Deern!" stieß Hinrichs bedauernd hervor. „Da wird sie den ganzen Tag in der Stube oder gar in der Fabrik hocken müssen! Die herrliche frische Luft hier wird ihr sehr fehlen. Sie ist wohl recht blaß geworden?" „Wenn Sie das wissen wollen, müssen Sie mich an- sehen', erwiderte Isolde. „Ich bin doch die Kollegin von der Käthe..." dem sie damals gewohnt hat-, sagte er. „Der wird's wissen. Ich war damals kaum erst heimgekommen. Der alte Jansen hatte die Barkasse, und ich habe sie von ihm gekauft, als er nach Bornholm zog." „Dann hat er wahrscheinlich auch die Käthe gefahren, als sie nach London ging?- fragte Isolde lauernd. Hinrichs nickte nur. Da er nichts Wetter wußte, beschloß Isolde, die Be kanntschaft des Försters zu machen, und das war sehr leicht. Sie brauchte wieder nur zu erzählen, daß sie die Hreundtn Käthes sei, da wurde sie herzlich willkommen ^Dort'VMben hat^Nae Kreundin mit ihrer alten Tante gewohnt." „Und jetzt»?" „Das Häuschen tst verkauft, aber es ist noch niemand wieder etngezogen. Vielleicht soll es im Sommer vermietet werden." Dann buckelte er de« Koffer aus, und fragte, ob das Fräulein im Wirtshaufe oder bei dem Förster bleiben wollte, und Isolde entschied sich für das erstere, denn sie hoffte, dort noch allerlei über Käthe erfahren zu können. Sie wurde von der rundlichen Wirtin freundlich aus genommen, erhielt auch ein wunderhübsches Zimmerchen und war mit dem geforderten Preise durchaus einver standen. Selbstverständlich war sie viel zu klug, um offen ihre Nachforschungen zu betreiben; aber als sie der Frau Möller ebenfalls erzählte, daß Käthe Fernau sie nach Herzogen heide geschickt habe, da mußte sie zu ihrem Aerger sest- stellen, daß man diese auch hier in bestem Andenken hielt. Frau Möller begann sogleich ein Loblied auf Käthe zu singen, und sah nicht, wie kleinlaut die Fremde dabei wurde. In der Tat merkte Isolde, datz Käthe sich hier schwer lich etwas hatte zuschulden kommen lassen, datz sie keine Feinde besaß; aber deswegen ließ sie sich noch lange nicht abschrecken, und erfuhr durch vorsichtiges Fragen in den nächsten Tagen noch allerlei, was nun doch von Wert für sie war. Hinnerk Hinrichs erzählte ihr, während er sie in der Barkasse fuhr, daß Käthe Fernau schon einmal fort gewesen sei. „Sie kam erst wieder, als ihre Tante im Sterben lag-, erklärte er, „und dann blieb sie nur so lange hier, bis das Häuschen verkauft war." „Wo war sie denn da gewesen?" forschte Isolde, wäh rend ihre Augen verstohlen aufleuchteten. spricht wenigstens ost von hier und den Leuten, die auch sie liebgewonnen hat. Daher kannte ich Sie ja. Es scheint mir aber, als laste noch ein anderer Kummer auf ihr, und ich habe sie manchmal schon gefragt, warum sie so betrübt aussähe, aber dann hat sie nur den Kopf geschüttelt. Eine Antwort hat sie mir nicht gegeben und sich mir nicht an vertraut." „Ich kann mir nicht denken, was das sein könnte", meinte die Frau nachdenklich. Da schlug Isolde wieder auf den Busch. „Vielleicht hängt es mit der Reise zusammen, die Käthe kurz vor dem Tode ihrer Tante gemacht hat?" sagte sie. „Es könnte sein, aber ich glaube es nicht, denn sie hat doch nachher bei uns gewohnt, bis Frau Wohllebe be graben wurde. Ich hätte was merken müssen — sreilich, traurig war sie damals. Doch das war ja wohl natürlich; denn nachdem die alte Frau gestorben war, hatte sie nie mand mehr aus der Welt, ja, sie war noch einsamer ge worden als vorher, denn diese Frau Wohllebe hat ihr doch noch in der Todesstunde etngestanden, daß sie nicht ihre Tante war. Mein Mann hat sich damals viele Mühe gegeben, herauszubekommen, wer Käthe eigentlich war, ob sie nicht doch vielleicht noch irgendwo Verwandte hatte; aber es war alles vergebens, und deshalb haben wir ihr auch nicht verdacht, datz sie fort wollte, datz sie in der Fremde zu vergessen suchte, was sie hier hatte erleben und erdulden müssen." „Und Sie ahnen nicht, was Käthe in England gemacht hat? Ich srage doch nicht aus Neugier, sondern als Freun- din. Wenn ich ihr helfen könnte, datz sie wieder ganz froh würde, ich gäbe sonst etwas darum." „Nein, das weiß ich nicht, Fräulein Kletten", erwiderte Frau Edelmann. „Sie hat es uns nicht gesagt, und wir haben sie nicht gefragt. Sicher Hai sie sich schon damals eine Stelle suchen wollen, denn die Frau Wohllebe hatte ihr doch Vie Tür. gewiesen —" sich: „Das tst mal etn süßes Mädel!" Sie fragte den jungen Mann errötend: „Wissen Sie, wie ich nach Herzogenheide kommen kann! Man sagte mir, es wäre dort noch recht billig. Und ich soll «»ich etwas erholen, habe aber nicht viel Geld..." „Dann steigen Sie man getrost ein, Fräulein", er widerte der wackere Hinrichs. „Ich bringe Sie für fünf- undzwauzig Pfennige hin. Dort können Sie im Gasthaufe wohnen oder sich auch eine Privatwohnung suchen. Jetzt ist alles noch billig bei uns, bis wir endlich eine rl^tige Dampferverbindung kriegen." „So? Sie stammen wohl von dort, Herr?" „Jawohl, Fräulein Und wenn es Ihnen si, gut in Herzogenheide gefällt wie mir, dann soll es mir nur lieb sein. Jedem gefällt doch der Ort, wo er geboren wurde, am besten auf der Welt." „Wundern Sie sich nicht, daß ich gerade auf Herzogen- heide verfallen bin?" „Es wird jemand Sie hingeschickt haben", sprach der Barkaffenführer, der inzwischen den Koffer in das Boot geschafft hatte und nun das Tau loswarf, den Motor an stellte und in die schmale Fahrstraße steuerte. „So ist es", gab Isolde von Kletten zu. „Sie müssen wissen, daß ich in Berlin wohne. Dort lernte ich ein junges Mädchen kennen, das aus Herzogenheide stammt." „Dann kann es nur die Käthe Fernau gewesen sein!" rief Hinrichs sofort, und sein ehrliches Gesicht rötete sich vor Freude. „Sie haben es erraten, Herr..." „Nennen Sie mich nicht Herr!" bat jedoch Hinrichs, und nannte seinen Namen. „Ein Herr wird einer erst, wenn er nicht mehr arbeiten' muß. Weil das bei mir wohl noch ein hübsches paar Jährchen dauern kann, so bin ich eben Hinnerk Hinrichs..." „Hinnerk Hinrichs! Was für ein sonderbarer Name!" rief Isolde, die sich alle Mühe geben wollte, diesen Mann für sich zu gewinnen. „Ich kenne Sie ja schon, denn meine Freundin hat mir von Ihnen erzählt." „Die Käthe? Das tst nett von ihr, daß sie noch an mich gedacht hat! Wie geht es ihr denn? Hofsentlich hat sie es gut getrofsen. Ich wollt' es ihr von Herzen gönnen, denn hier hat sie nicht viel gute Tage gehabt. Ihre alte Tante >var ein richtiger Drachen, so eine, die nach ihrem Tode Schloßen quirlen und Gewitter brauen müssen!" Isolde lauschte aus jedes seiner Worte. Schon jetzt war sie überzeugt, daß sie den richtigen Weg eingeschlagen hatte, um alles über ihre verhaßte Nebenbuhlerin zu er fahren, was überhaupt zu erfahren war. Sie machte ein verschmitztes Gesicht und hob drohend Und als Hinrichs den Kopf zu ihr wandte, um sie nun wirklich noch einmal prüfend zu betrachten, da traf ihn aus den Augen der Fremden ein Blick, daß ihm gleich alles Blut nach dem Herzen strömte und er sich verlegen wieder abwandte. „Ree", sagte er trotzdem ehrlich, „Sie sehen nicht blatz auS. Und wenn die Käthe Ihnen gleicht, dann muß sie auch rote Backen haben." „Sie könnten sie doch einmal besuchen!" schlug Isolde dem Bootsführer vor. .Ich? Nach Berlin? Nee, nee, Fräulein, das gibt's nicht! Ich bin heilfroh, daß ich wieder hier leben kann. Ich habe als Soldat genüa in großen Städten sein müssen. Ich Haffe sie..." Isolde lächelte. „Sie werden schon wissen, warum Sie hierbleiben", ,agte sie, „sicher haben Sie einen Schatz in Herzogenheide." „Möchte wissen, wen!" „Ra, es wird doch manches hübsche Mädchen geben, das gern nach einem schmucken Burschen schaut!" „Bet uns? Nee, Fräulein, da sind die hübschen Mädels man sehr dünne gesät. Ich könnte sie Ihnen an den Fingern einer Hand auszählen, und die haben schon alle ihren Verehrer. Da käme ich zu spät." „Dann müssen Sie sich eben nach einer Fremden um- sehest!" schlug Isolde vor, und legte dem jungen Manne ihre rechte Hand auf den Arm. Hinrichs fuhr zusammen. Er wurde wieder rot und wagte nicht, sich umzusehen. Aber Isolde lächelte steges- gewtß. „Ich HWe, ich w«ve Sie noch »ster sehe«, Hinrichs", sagte sie. „Wellettht fahren Sie «ich einmql spazieren?" „Natürlich, gerne!" versicherte Dann schwiegen beide, bis das «aot an dem Landung«- siege änlegte, wo Hinrichs es vertäute. Nachdem er den Koffer der Fremden hetauSgehoben hatte, deutete er auf das Hübschen unter den Kastanien, wo Käthe Fernau so- lanU« gelebt hatte und iaaie: Na, na, Hinrichs!" sagte sie. „Mir scheint fast, als- geheißen, und sie gewann sich das Herz der beiden ehr- liehen Leute vollends, als sie Käthe als braves Mädchen t Jedenfalls suchte sie daS Gespräch von dich« abzulenken, und sagte: „Sie hatte sich etwa« verspätet und fand Vie verschlossen. Als sie klopfte, verweigerte F«m ihr den Einlaß, und da ist sie denn am «tv«M «age a-gereist." „Hatte sie denn Geld?" „Das kann ich nicht sagen." Isolde schüttelte den Koss. Hier war ein dmtMr Punkt vorhanden. Weshalb konnte Käthe sich verspätet haben? Hatte sie sich mit einem Liebhaber getroffen? Und war dieser Lieb haber Berndt Klausen gewesen? Noch hatte Isolde bisher vermieden, nach diesem M sragen. Jetzt aber schien ihr die Gelegenheit dazu ge kommen. Indem sie ihre Erregung meisterhaft verdang, HWe sie wie nebenbei: „Ich werde sie nochmals fragen. Vielleicht erzähft ste mir noch alles. Uebrigens fällt mir da ein, datz auch einer meiner Bekannten zu jener Zeit hier gewesen sein muH. Vielleicht haben Sie ihn ebensalls kennengelernt..." „Wie heitzt er denn?" „Berndt Klausen. Er war Techniker. - „Ja, den habe ich gekannt", bestätigte die Försterssrau, und beschrieb sogleich den jungen Mann. Isolde fühlte, wie ihr das Herz in raschen Schlägen klopfte. Berndt Klausen war hier gewesen in Herzogenheide! Ganz, ganz sicher hatte er Käthe also gekannt. Und doch hatte er das mit keinem Worte verraten, hatte sich viel mehr gestellt, als habe er nie etwas von ihr gehört. Das war sehr, sehr verdächtig! Hätten die beiden zugegeben, datz sie sich hier kennen gelernt hatten, dann wäre nichts dabei gewesen. Aber so! Sie stellte noch einige Fragen an die Förstersfrau, ohne nennenswerte Neuigkeiten zu erfahren. Nur die Adresse des Hotels, in dem sich Käthe in London aufgehaltcn hatte, konnte sie herausbringen. Isolde von Kletten kannte London und wutzte sofort, datz die Stratze, in der das Hotel stand, nicht zu den vor nehmen Vierteln gehörte. Jedenfalls prägte ste die Namen ihrem Gedächtnis ein und beschlotz, selber nach London zu fahren und sich an Ort und Stelle zu erkundigen. Sie suchte die Försterssrau auch späterhin noch aus zuhorchen, aber diese wutzte nichts mehr. Da auch Hinnerk Hinrichs ihr nichts mehr zu sagen wußte, so hatte es keinen Zweck, länger in Herzogenheide zu bleiben. Die Edelmanns und Hinrichs trugen ihr die herzlichsten Grüße an ihre Freundin Käthe aus. Isolde versprach, alles auszurichten, und fuhr mit der ersten Gelegenheit nach London. Da ste schon öfter dort gewesen war, fand ste bald die Straße und das Hotel. So sehr es ihr widerstrebte, in diesem obskuren Hause zu wohnen, entschloß ste sich doch dazu, denn nur so konnte sie zu ihrem Ziele kommen. Gleich am ersten Tage hatte sie mit dem Direktor eine Unterredung. Es war noch derselbe, der Käthe so freund lich geholfen hatte. Als Isolde deren Namen nannte, be sann er sich sogleich auf die schöne blonde Deutsche. Doch dann schüttelte er den Kopf. „Sie irren sich insofern, Miß Kletten, als Sie von der Dame als von einem Fräulein sprechen", sagte er. „Sie war verheiratet, hatte sich mit dem Herrn trauen lassen, mit dem sie hier eintraf. Wie hieß er doch gleich... ?" Isolde von Kletten hätte am liebsten laut autzubeln mögen! Ein wilder Triumph lebte in ihr! Jetzt hielt ste die Waffe in der Hand, um ihre Nebenbuhlerin vernichten zu können! Dabei erschrak sie selber fast vor dem, wa« ste erfahren hatte. Nie, auch in ihren kühnsten Träumen nicht, hatte ste angenommen, daß Käthe sich in London verheiratet haben könnte! Und doch war es sichere Tatsache! Dann aber hatte sie sich der Doppelehe schuldig gemacht! Dann konnte Isolde von Kletten die Gattin Felix Turnaus ins Zuchthaus bringen! Aber ebenso schnell besann sich das haßerfüllte Weib. „Nein, bis zu diesem Aeutzersten darf ich es nicht kommen lassen", sagte ste sich. „Felix würde mir nie ver zeihen, wenn ich Schmach und Schande über ihn brächte, obwohl er schuldlos ist. Aber ich kann diese freche Be trügerin zwingen, ihn freizugeben, spurlos und auf Nimmerwiederkehr zu verschwinden! Ich muß mir etn Duplikat des Trauscheins verschaffen, das lege ich ihr vor. Dann kann sie nicht mehr leugnen! Und dann gehe ich zu Felix und öffne ihm die Augen. Dann wird er mein — doch noch mein!" Alles in Isolde war Jubel, aber sie beherrschte sich. Stt ließ sich nicht das geringste anmerken, sondern sagte ruhig: „Sehen Sie, Mister Barker, das haben wir vermutet, aber nicht beweisen können. Ich muß I-«-» reinen Wet« einschenken, damit Sie alles verstehen." Im Handumdrehen hatte st« ihren PK« -mworft». Da ste wohl gemerkt hatte, daß der Dtrektor ebenfa^ von Käthe eingenommen war, so stellt« ste diese als schuld los hin. Sie sagte: „ES handelt sich darum, daß die <""«« d«V Opfer eines Betrügers geworden ist. Sie ahute damals ui»t dak Ne -in« reiche Erbin war. Er aber wußte DOS un?'hat^st« deshalb überredet, mit ihm hierherzUfdhrM und stch hier mit ihm trauen zu lassen. Er wollte fich Wh i^«r Hand auch ihren Reichtum sichern, und da« ist Wd ia auch geglückt, wie ich eben von Ihnen «rftch^n -M. Gin wackerer Mann, dieser Mister Klausen..."