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Beilage zur Wettzeritz -Zeitung Nr. 291 Montag, am 16. Dezember 1929 95. Jahrgang Chronik des Tages. LWEMF Äi krauen aus. — Ms Nachfolger Stresemanns währte des ZentraL Vorstand der Deutschen Voltspartet den RetchSmmistK L. Atz Scholz zum Parteiführer. » — Die Deutschnationals Arbeitsgemeinschaft und iK Christlich-Nationale Bauernpartei haben sich unter Wm» rung ihrer Selbständigkeit zu einer Chrtstlich-NaiioMliM Reichstagsfraktton vereinigt. — Auf dem Vierwaldstätter See ist ein Motovlastz schiff, das von Brunnen nach Beckettrisd fuhr, attsche inend infolge des starken Sturmes untergegangen. Vier Are beiter sind ertrunken. und Abaemtznett hätten in den letzten^ zwei Jahren zu einem Kassendefizit von 1700 Millionen Mark arMÄ. Der et«nlltch Devantwortliche fei Staatssekretär der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht. Abg. Dr. Best (DolkSrechtv.l lehnte das ReaierungS- Programm ab; Ebenso der Kommunist Torgler. Nach längeren persönlichen Auseinandersetzungen d« Abgeordneten Ouaatz (Dntl.) und Gevlach (Soz.) GurdÄ di« Beratungen ausgesetzt, um den Parteien GeleAtnhen zu neuen Besprechungen zu geben. Nach der Abstimmung über den BertrauenSantrag überwies der Reichstag «och das Kredttermächtit aungsgesetz an den Rechtsausschuh und vertagte sich dann auf Montag. Zur Beratung steht am Mom tag die Zollvorlage. - Vom Flugplatz Sevilla ist der französische Meg« Cealle in Begleitung des uruguayischen Fliegers LalW Borges zur Ueberquerung des Atlantischen, Ozeans gS startet. Die Flieger haben eine drahtlose Station ml Bord. — Die Wolga ist über ihre Ufer getreten und ha- weite Strecken überschwemmt. Mehrheit für die Regierung. BertrauenSantrag mit 222 gegen 1S8 Stimmen ange nommen. — Bei Stimmenthaltung der Bayrischen Volkspartei. — Ein Teil der BolkSpartei gegen das Kabinett. — Berlin, den 14. Dezember 1920. Der Reichstag führte heute die Aussprache über das Ftnanzprogramm der ReichSregterung zu Ende, nachdem es in der nächtlichen Konferenz der Fraktionsführer mit dem Reichskanzler gelungen tvar, eine Annäherung der Parteien herbeizuführen. Neue Schwierigkeiten entwickelten sich dann jedoch daraus, daß die Fraktion der Deutschen BolkSpartei sich nur mit der knappen Mehrheit von 22 gegen 17 Stirn- men für die Zustimmung zu dem Vertrauensantrag entschieden hatte. Im Zusammenhang damit wurde nach Abschluß der Diskussion die Abstimmung ausgesetzt, um den Parteien Gelegenheit zu neuen Verhandlungen zu geben. Bet Wiedereröffnung der Sitzung legten die Regie rungsparteien, mit Ausnahme der Bayrischen Volks- Partei, folgenden Vertrauensanttag vor: Ter Reichstag biMgt Vie »r«Sr««g der «eich», regicruug und vertraut darauf, daß das Finanzreform. Programm vorbehaltlich der endgültige« Gestaltnng der »«fetz« im einzelne« in Wahrung der von de« NeichSregiornng beAanntgegebenen »rundzüge diese» Simmzoefomn darchgesShrt mir». Ter Reichstag sprich« de» Regierung Pir ihre «iesamipokit« da» «er. «ran« an». Für diesen Anttag stimmten die Sozialdemo kraten, da» Zentrum, die Demokraten und die Mehrheit der Deutschen BolkSpartei; Stimm enthaltung übte di« Bayrische Volkspartei; gegen den BertrauenSantrag stimmten alle übrigen Parteien und ebn Teil der Deutschen Volkspartei. Die Auszählung ergab 222 Ja-Stimmen und 1Ü6 Nein-Stimmen; 22 Abgeordnete hatten sich der Stimme enthalten. Die MißtrauenSanttäge waren damit erledigt. M Di« Debatte eröffnete Aba. Dr. vöerkobren lDntti. Ver in den gestrigen Erklärungen der Regierungspartei«« eine glatte Ablehnung des Ftnanzprogramm« sah. Damit hätten dies« Parteien ihrer Regierung das Mißtrauen aus» «sprachen. Die Ultimoschwierigkeiten hätten sich zu «ine» Krisenmoment der deutschen Politik überhaupt entwickelt. Von einer umfassenden Finanz- und Steuerreform könne man nicht mehr sprechen. Zum Schluß verwarf Redne» jede Neubelastung der Wirtschaft. Reichsftna«-Minister Dr. Hilferding gab seinem Erstaunen Ausdruck, weil manch« Redner die Darlegungen über den Fehlbetrag als ein« überraschend« Offenbarung bezeichnet hätten. Als die jetzig« Regierung ihr Amt antrat, mußte sie einen Kassenfehwetraa von mehr als eine Milliarde übernehmen. In den Jahre« 1836 und 1927 wurden alle früheren Reserven aufaezebrt, Wenn die Kreuger-Anleih« eingegangen sei, werd« d« Sassenfehlbettag am 1. April noch 900 Millionen betragens denen 400 Millionen an DeckungSmitteln gegenüberständen. Um den Fehlbettag zu beseitigen, brauchen wir die schleunig« Durchführung der Betttagserhöhung zur Arbeitslosen»)«» "H?Herding fuhr fort: Bon einer katastrophalen Finanz« lag« Deutschlands kann man nicht sprechen. Wer da» tuL erschüttert den deutschen Kredit in der Welt. Wir arbeite« daran, für die Zukunft das Finanzwesen dadurch zur Gm lundung zu bringen, datz keln« ««»»»« »chr ohne Deck«»« beschlossen werden kann. Ich hab« für den letzten Hau» halt Snuererböhungen vorgeschlagen. Der Reichstag wa» dagegen. Er hat dr« Einnahmen zu hoch, di« AuSgabest zu niedrig angesttzt. Wa» d«r Reichstag damals von meinA Forderungen abgestrichen hat, das ist ver Betrag de« F«-» betrage», vor dem »vir jetzt stehen. . Sch bätte damal» »le «onsequeuz,»»» Mcktrttt»^eh« -irr««- zu mchaRem Di« Deutschnattonalen haben durch ihr« Forderungen die Ausgaben wesentlich erhöht. Bei der Ausstellung d^ neuen Haushalt» mutz mit aller Sparsamkeit, aber «ich mit aller Sorgfalt Vorgeoangen werden. Wir erwarten von der Steuersenkung einen Austrieb der Wirtschaft» eine Verminderung der Arbeitslosigkeit und dadurch weitere Ersparnisse. Die Finanzen d«r Länder und de« Reich«» Werden von unabhängigen Instanz«« geprüft. Das muh sich auch für di« Städte erreichen lassen. Da» Finans- vrogramm ist wirtschaftlich und sozial tragbar. Es wirb sein Ziel erreichen, «venu der Reichstag die Regierung unterstützt. Mg. Drewitz (Wirtschp^ führte au», di« Vorau», setzung für Steuersenkungen fei di« Herabsetzung der Au* gaben. Allein di« ungedeckten Mebrau»aab«i für Beamt» Scholz zum Parteiführer gewählt Tagung des Zentralvorstandes der Deutschen Volks» Partei. — Kein Wechsel in der Fraktionsführung. — Berlin, 16. Dezember. Der Zentralvorstand der Deutschen BolkSpartei versammelte sich im Plenarsaal des Preußischen Land tags, um di« durch den Tod Dr. Stresemanns notwen, dig gewordene Wahl eines neuen Parteivorsitzenden vorzunehmen. Der Letter der Borstandssitzung, Ge heimrat Prof. Dr. Kahl, widmete zunächst dem ver« storbenen Parteiführer einen Nachruf und gedachte sodann der übrigen feit der letzten Zusammenkunft verstorbenen Parteifreunde. , Kür die Neuwahl des Parteiführer« hatte der Vorstand dem Zentralausschuß einstimmig Dr. Scholz vorgeschlagen, mit der Maßgabe, daß Dr. Scholz zu gleich auch Vorsitzender der volksparteilichen Reichl»- tagSsraktto« dieiben solle. Rach kurzer Debatte stimmte der Zentralvorstand dem Vorschläge mit ISS von 181 Stimmen z«; drei Stimmen waren zersplittert, LS De legierte hatten sich der Stimme enthalten. Im Anschluß daran bestätigte der Zentralvorstand die Wahl der Abgeordneten Frau Kulesza -um Mit glied des Parteivorstandes und des Reichskanzlers a. D. Dr. Luther in den Zentralvorstand. Nach der Bor standssitzung begaben sich die Delegierten an das Grab Dr. Stresemanns auf dem Luisenftüdti- schen Friedhof, das der Zentralvorstand hatte schnrük- ken lassen und an dem ein Kranz mit der Inschrift: ..Seinem unvergeßlichen Führer Der Zentralvorstand »er Deutschen Volkspartei" niedergelegt worden war. Vor der Zolldedatte. Gleichzeitig Besinn per Beratung über di« TmrHDD rung des Ainanzreformprograum»». — Berlin, 16. Dezember. Der Reichstag wird sich am heutigen Montag mit der Zollfrage beschäftigen. Infolge der Abänderung der Regierungsvorlage im ReichSrat hat die Reichsregie» rung dem Reichstag eine Doppelvorlag« unter« breitet, so dah das Parlament darüber zu entschei den haben wird, ob es bet den Beschlüssen des Reichs rats verbleiben, oder ob die ursprüngliche Vorlage wtederhergestellt werden soll. Die Regierung wird die Debatte mit einer Erklärung etnleiten, gleichzeitig will sie den Reichstag ersuchen, einen Teil deS Finanz« reformprogrammS in Angriff zu nehmen und das So fortprogramm zu verwirklichen. Man bezweifelt allervings sehr, ob es ihr mög lich sein wirb, es im Parlament durchzubringen, zumal sich durch die Annahme des BertrauenSantrages keirm Partei ans das Sofortprogramm festgelegt hat! Grohe Befriedigung herrscht zur Zeit bet keiner Partei. Immerhin ist man froh, daß die Weihnacht», Kis« vermieden ist. Auch glaubt man, dah die Re gierung in der Lage ist, den Etat in Ordnung zu brin gen. Nachdem der Reichstag ihr versprochen hat, an der Finanzreform mitzuarbeiten, dürfte das Zustandekom men des Ueberbrückungskredits zur Entlastung der Retchskasfe am Jahresultimo nicht mehr in Frage gestellt sÄn. Wie verlautet, ist auch die 16-Millionen-Dollar- Anleihe der Stadt B e r l t n gesichert. Die Zustim mung zu dieser Anleihe, deren Mittel zum Ausbau deS Untergrundbahnnetzes dienen sollen, ist davon abhän gig gemacht worden, dah die Einnahmen aus der Un tergrundbahn zur Verzinsung und Tilgung dieser An leihe verwendet werden. Bedenken der Landgemeinden. Gegen ve* jetzige« «ntwurf »es Kiruruzprogramm»- *0 v. H. »Ker -lus-abe« »er Landgemeinde« -w-m-it- »«ft- bedingt. — Berlin, 18. Dezember. Der Präsident de» Deutsche» Landgemetndetagst und de» Verband«- der preußischen Landgemeinden, Landrat a. D. Dr. Ger«ke, empfing Vertreter der Presse und behandelte die Stellungnahme der Land gemeinden zu dem yinanzrefvrmproaramm der Reich», regterung. Präsident Dr. Gereke führte auSr Di« Landgemeinden können wohl für sich in Anspruch nehmen, daß st« sich in d«n letzten Jahren der alter- größten Sparsamkeit befleißigt haben. Ihm Aus gaben sind zu etwa SO Prozent zwangsläufiger Ratuv, und an d«m Rest von 10 Prozent können Wohl kaum irgend welch« Einsparungen gemacht werden. Trotzdem o«v- lennen di« Landgemeinden «ineswea» di« Notwendigkeit ttner Neuerlichen Entlastung der Wirtschaft im Gesamt- tnteresse. Da» Finanzprogramm der Rtich-reaiermia ent hält eine Anzahl von Vorschlägen, di« für die Finanz ¬ lage ver Landgemeinden von größter Tragweite stnv; aber die in Aussicht genommenen Steuersenkungen müssen di« Durchführung der zwangsläufigen Ausgaben der Land gemeinden in Frag« pellen, sofern ihnen nicht ein ent sprechender Ersatz gegeben Witt». Zu berücksichtigen Ist ins besondere, datz durch di« BolkSsa-ullasten die kulturellen und durch die jetzige Form der Arbeitslosenver sicherung die sozialen Lasten gerade der leistungsschwa chen Landgemeinden erheblich gestiegen sind. , Zu dieser Erklärung dsS Präsidenten des Land gemeindetags ist zu bemerken, daß die Landgemeinden, ebenso wie der Deutsche Städtetag, die Notwendigkeit der Steuersenkung nicht verkennen, jedoch davon aus-, ' gehen, daß ein Abbau der Steuern Hand in Hand > gehen muß mit der Korrektur der Aufgaben und AuS- ' gaben. Endgültig wird der Deutsche Landgemeinde- l tag zu dem Finanzprogramm dann Stellung nehmen, . wenn die einzelnen Gesetze, durch die das Finanzpro gramm zur Ausführung gelangt, vorliegen. Christlich-nationale Neichstagsfraktio«. Zusammenarbeit »er Deutschnattonalen Arbeitsge meinschaft «n» der Christlich-nationalen Bauernpartei» Die Deutschnationale Arbeitsgemeinschaft, der die zwölf aus der deutschnationalen Fraktion auSgetretenst Reichstagsabgeordneten angehüren, und die Christlich^ nationale Bauernpartei haben sich unter voll« Wah rung ihrer Selbständigkeit zu einer YraktionSgemems schäft im Sinne der Geschäftsordnung des ReichstaM zur Ausnutzung der parlamentarischen ArbeitSmogttwt reiten zusammengeschlossen. Die Fraktion führt den Namen „Ehrifvichmattonocke Arbeitsgemeinschaft". Di« Arbeitsgemeinschaft verMt über 21 Sitze, tft also berechtigt, Vertreter in die Ausschüsse zu entfÄS den. Bisher hatten die beiden Gruppen keinen Sitz in den Ausschüssen. Die Ms« für den deutsche» Oste» Erhebliche Soudennahuabm«« werd«» Dr Ostw Preußen vorgsschlaa«. Dies« erstreckt» stch ans bt« Förderung des Schulwesens, der Landeskultur ein» Wtehlich der Aufforstung, der Viehzucht r»S> dte^- rämpfung der Bieyseuchen sowie aaf die weite« För derung für Obst- um> Gartenbau. In den Verhandlungen sind eine Reihe von So«» Vorprojekten aufgetaucht, so MuhregulierrmgArrbeit« ix Niederschlesien. Preuße» soll bis M 8 iMMo«« auDpD-e«. «» uietzertzerche«»« La«P-ilt« -Ut-AMwHWei» ««» MM Stützun-E«fe vorzuuehme«. -üch über bi« S«mm fprnchuahure »er Reübskrevit« bestehe« »erschiepewe «ei» mmge«. Es Wirtz aber herbovgehotze«, »atz »ie Höffe »«r Erhalt««- bSrierlicher »«riebe für Ostpreußen, für »ie Grenzmark m»d vberschleßie» ans jeden KallMittel »ur Verfüg««- steckten «mtz. Ms Haltung der D. V. P. Die Aussprache im ZentralvorskMtz. „ Al der Sitzung des ZentralvorstandeS der Deut schen Volkspartet betonte WirtschafiSminister Dr. Mok- denhauer, daß er sich im Kabinät dafür eingesetzt bewq, die Frage der Finanzreform möglichst umgehend M erledigen. Das Kabinett habe daraufhin beschloss««, tm Zusammenhang mit der Behandlung der Zollnovelle Reichstag über ihr Programm Marheit -uschack- ftn In diese Zett falle die Denkschrift de» ReichSb«» Präsidenten Dr. Schacht, der für sofort nm« Ä-uedl in Höhe von 400 Millionen und water von 500 Mil lionen Mark verlangt habe und ferner dl« Zusage, datz wetteren Zuschüssen zur Arbeitslosenversicherung bov- gebeugt werde. Im nächsten Haushalt müßten Mittel frei werd««, um die Einkommensteuer um 3L d. H., die Grundsteuer um 10 v. H., die Realsteuern foftzrt um 80 v. H. -« ermäßigen, die Vermögenssteuer zu erleichtern «ck> die Rentenbank-tnsen sofort zu beseitigen.. In der sich anschließenden ««Ssproche erbM RetchSaußenmintft« Dr. EurttuS ». hE für da» Soforb-Programm gestimmt, dauckt wir A» Haag ander» dastehen, al» wen« wtr «ms etnfetttg auf Steuersenkungen einstelle«.'' Die »»»sprach« ergabt daß ein Stur- der Regierung im gegenwärtigen Auge»- blick verhängnisvoll gewesen wäre. Von deue», dtp nicht für da» Bertrauenckvotum gestimmt hätte«, GDlr bet»« eine SPavung in der Partei beabGchffgt. Gt«« E«ffch-letz>M-» Zum Schluß wurde «tue Entfchttehims angemm» men, m der e» u. a. heißt: ,F>er Aentralvmftanb stellt ftst, datz da» Berte«»« zur Geschäftsführung da» ReichSsinau-minisieri««» W» Lande auf das schwerste erschüttert ist. Der ZeutvaDop» stand ist zu dar einmütige« ge-emD, datz VA