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Eine Sinfonie für Streicher Mit der „Sinfonie für Streicher" lernen wir eines der neueren Werke des fran zösischen Komponisten Jean Fr an ca ix (geboren 1912) kennen, eines liebens würdigen Meisters, dem eine ungewöhnliche Leichtigkeit seines Schaffens, eine gerade heute so seltene Grazie und Schwerelosigkeit nachgerühmt wird. In ihm kommt der französische Exprit auf eine so heitere und ungezwungene Art zum Ausdruck, daß man ihn oft mit Mozart vergleicht. Die „Sinfonie für Streicher" vom Jahre 1948 enthält alle jene lobenswerten Eigenschaften, die die Werke von Jean Francaix so liebenswert machen. Nach einer gedämpften, verschleierten langsamen Einleitung beginnt der graziöse, leb hafte und unbekümmerte erste Satz, in welchem — eine einmalige Ausnahme für Francaix tatsächlich einmal eine Fortissimo-Stelle vorkommt. Sonst ist das ganze Werk lang piano (also leise) und mehrfaches pianissimo (ein fast nur ge hauchtes Tonerzeugen) vorgeschrieben, was ihm seine gestrichelte und zarte Eigenart verleiht. Ein sehr sensitives zweites Thema erfüllt den Aufbau des So natenschemas, dem dieser erste Satz unterworfen ist. Auch das Andante zeigt den schwebenden Klang, der so bezeichnend für Francaix ist, verbunden mit einer süßen Tönung. Das Scherzo beschwört die Walzerwelt, das Trio huscht im Fünf- Achtel-Takt vorüber gleich einem lustigen Kobold. Der Schlußsatz hat ein wahr haft volkstümliches Thema, das in Rondoform vormusiziert wird und nach geist vollen Zwischenspielen immer wieder erklingt. Man sage nicht, daß eine leichte Musik keine schwerwiegende Bedeutung haben könne. Gerade die Meisterschaft von Francaix beweist, wie schwer es ist, leicht und trotzdem schön und gewichtig zu sein. Das Oboenkonzert von Strauß Als Richard Strauß 1949 sarb, hatte die musikalische Welt die Gewißheit, daß mit ihm einer der größten zeitgenössischen Komponisten dahingegangen sei. Man verehrte in ihm einen „großen alten Mann", der die Musik des 20. Jahr hunderts entscheidend beeinflußt hatte. Man. wußte, daß er sich seit Jahrzehnten in seiner Tonsprache nicht gewandelt hatte, man erkannte seine Werke an der eigentümlichen straußischen Färbung, man hatte sich an sie gewöhnt und schätzte und liebte sie. Die große Überraschung aber war, daß Strauß im hohen Alter von über 80 Jahren! in seiner schöpferischen Kraft einen neuen Aufschwung erlebt halte, wovon einige Werke Zeugnis ablcgten. Das Konzert für Oboe und kleines Or chester ist eins von jenen Werken, in denen Richard Strauß nicht nur sein großes Können, sondern einen fast jugendlichen Schwung und einen verblüffenden Ein fallsreichtum beweist. Man spricht sonst immer von Abgeklärtheit bei solch hoch betagten Meistern — aber wie Strauß die Welt oft überrascht hat, so lut er dies auch mit dem Oboenkonzert. Es hat die Anlage eines viersätzigen Werkes; aber die Sätze gehen pausenlos ineinander über, so daß der Eindruck eines Ganzen entsteht. Ein „erster" Satz im Viervierteltakt ist da, ein Andante schließt sich organisch an, einen langsamen