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„Es gibt mehr Ding' tm Himmel und auf Erven, als eure Schulweisheit sich träumt, Horatio." So läßt Shakespeare seinen Hamlet sagen und bekennt damit >die Existenz einer Welt, die sich nicht mit unseren fünf , Sinnen wahrnehmen läßt. Auch wir modernen Men schen wissen trotz unserer vielen Errungenschaften, daß wir recht herzlich wenig wissen. Die Natur steckt voller Geheimnisse, die uns verhüllt bleiben. Denn was die Natur verhüllen will, das ringt man ihr nicht ab „mit Hebel und mit Schrauben", wie Goethe sagt. Eines dieser großen Geheimnisse ist das Schicksal des Menschen. Geht das Schicksal willkürliche Wege, oder wird eS von Gott nach bestimmten Gesetzen ge lenkt? Seit jeher ist der Mensch bestrebt, dieses Ge- AimniS zu lüftest. Schon die Griechen und die alten Wermanek hatten unter ihren Priestern sogenannte Deher, bei den Germanen waren es vorwiegend Se herinnen, das waren Menschen, die die Gab« hatten, künftige Geschehnisse vorauszusagen. Niemand solle sein Gemüt mit Wahrsagereien und Weissagungen belasten. Die meisten Voraussagungen i sind überdies doppelzüngig, wie wir aus dem Orakel 'Don Delphi wissen und wie uns das nachfolgende wahre Geschichtchen zeigt: ES war in Frankreich kurz vorder großen Revolution. Eine Frau geht zur Wahrsagerin und befragt sie über das Schicksal ihres einzigen Kna ben. „Er wird auf dem Throne Frankreichs sterben", »sagt die Sylphe. Als die Revolution ausbrach und der Nönig enthauptet wurde, bekamen die prophetischen Worte plötzlich Sinn. Die Mutter sah tm Geiste, wie ihr Sohn, durch die unruhigen Zeiten nach oben ge tragen, den Thron Frankreichs besteigen werde. Sie bewog ihn, sich unter die Jakobiner zu mischen. In den Tuilerien verwundete ihn eine verirrte Kugel, und man bettete den zu Tode getroffenen Knaben aus den Thronsessel. Hier fand ihn die Mutter, nachdem er seinen Geist ausgehaucht hatte. So ging die Prophe zeiung in Erfüllung, allerdings anders, als die Mutter sich geträumt hatte. Doch geht auch aus dieser Begeben heit hervor, daß der Mensch, in diesem Falle die Wahr sagerin, über Kräfte verfügt, die noch wenig bekannt sind. Diese übersinnlichen Fähigkeiten bezeichnen wir mit dem Sammelbegriff „der sechste Sinn". Das ist Hypnose, Telepathie und Hellsehen. Die Hypnose ist ein Traumzustand. Zur Hypnose gehören zwei Menschen, der Hypnotiseur und der Hyp notisierte. Der letztere wird das Medium genannt. Der Hypnotiseur versetzt das Medium durch hierzu geeig ¬ nete Mittel in den Traumzustand, der Trance genannt wird. In diesem Zustand ist der Wille des Mediums vollständig ausgeschaltet und für ihn gilt nur der Wille des Hypnotiseurs. Zwei Körper haben gewissermaßen nur einen Geist. Der Lehrer Drost in Bernburg, einer der genanntesten Hypnotiseure, versetzte sein Medium Fräulein Neumann in der Trance noch in den Zustand des Hellsehens, um mit dieser Hilfe Verbrechen aufzu klären. Er war deshalb vor Gericht gestellt, mußte aber fÄWWKM wexden. Er mußte vor Gericht dse HYP- Den ttslkeksn Ooksnnsen berstet eine Lture. um cisciunck dem Verleid einen Ll-bscksff nscluu- nose vorführen, und wir finden diesen Vorgang bei den Gerichtsakten. Seine Methode ist sehr lehrreich, und wir wollen sie unsern Lesern nicht vorenthalten. Drost ließ Frl. Neumann sich in einen bequemen Lehnstuhl setzen, der ihm die Möglichkeit gab, auch hinter sie zu treten. Der Rücken des Frl. Neumann wird durch ein Polster gestützt. Dann setzt er sich ihr gegenüber und sagt: „Fräulein Neumann, wir wollen mit Gottes Hilfe jetzt einen Aufklärungsversuch machen. Schauen Sie mich an, ich stelle meinen Willen auf Sie ein!" Dann tritt er wieder vor und spricht: „Geben Sie acht! Sie fühlen sich vollkommen wohl und schlafen jetzt in einem bequemen Stuhl unter meiner Beeinflussung ruhig und schön wie zu Hause. Ich mache nun magnetische Striche über Ihr Herz, und es schlägt dadurch nur immer ru higer, ganz normal. Das Blut zirkuliert regelmäßig durch alle Adern den Körper hindurch zum Kops, zu den Armen und Füßen. Sie vergessen jetzt alles um sich her, bleiben aber in Verbindung mit mir, reagieren auf mich und die Ohren vernehmen nur meine Worte. Jetzt aber schläfst Du. Den Schlaf brauchen Blumen, Tiere und Menschen. Du vergißt in ihm alle Sorgen, Beschwerden und Kümmernisse. Während Dein Körper in tiefem Schlafe ruht, beginnt ein geistiges, seelisches Innen leben. Die Mediumschaft Deines zweiten JchS, Deiner durchdringenden Seele, beginnt und steigert sich immer , mehr. Mit Deinem Seelensinn, Deinem Geist, kannst Du Dich gleichsam vom Körper loslösen." Nun führt er sein Medium im Geiste an den Tatort, um dort ein Verbrechen aufzuklären. Die Hellseherin Frau Günther GefforS wurde wegen Betruges vor Gericht gestellt, das Gericht sprach die Angeklagte frei. Frau Günther GefforS, die öfter zur Aufklärung von Verbrechen herangezogen wurde, setzte sich selbst in den Trance-Zustand; sie führt in diesem Zustand die Beteiligten zur Mordstelle und führt die Gesten des Verbrechers vor. Die Wissenschaft vertritt die Meinung, daß das Medium das Bewußt sein irgend eines Anwesenden anzapst, also sich das Be ¬ wußtsein eines anderen zu eigen macht. Sie kann also nur Dinge enträtseln, die einem Anwesenden bekannt sind. Zum Beweis dafür dient das Kästchen-Experi ment. Eine nicht anwesende Person hat einen beschrie benen Zettel in ein verschlossenes Kästchen gelegt. Das Medium soll nun sagen, was auf dem Zettel steht. Ein Journalist einer großen Berliner Zeitung sollte einen in Berlin weilenden Hellseher interwieven. Der Hellseher entschloß sich, ihm das Kästchen-Experi ment vorzuführen. Der Journalist schrieb auf den Zettel: „Werde ich in der Lotterie gewinnen?" und ver schloß den Zettel im Kästchen. Der Hellseher betrat nun das Zimmer, hielt seine Hände auf das Kästchen und sagte: „Sie spielen ja gar nicht in dkr Lotterie, und werden niemals spielen." Auf dem Heimweg kaufte sich der Journalist aus Opposition sofort ein Lotterie los; als er es seiner Frau zu Hause zur Aufbewahrung übergeben wollte, entführte ihm ein Windstoß das Los zum Fenster hinaus und es entschwand über die Dächer. Augenblicklich ist einer der meistgesuchtesten Rat geber der Hellseher Peter Johannsen in Berlin. Für 10 Mark kann man drei Fragen an ihn richten, und Künstler, Kaufleute, Handwerker, Beamte nehmen ihn in Anspruch. Auf seinem Schreibtisch liegt eine Frauen bluse. Die Erben einer Verstorbenen haben sie ihm zu gesandt. Wo sind die unauffindbaren Juwelen der Toten? — so lautet die Anfrage. Er betastet die Bluse, streicht mit den Händen mehrmals über das Kleidungs stück, schließt zeitweilig die Augen, stützt den Kopf in beide Hände und konzentriert sich. Nach kurzer Pause erklärt er, zuerst stockend, dann fließend, der Ehemann der Verstorbenen wäre kurze Zeit vor ihr gestorben. Noch vor seinem Tode hätte er einige Schmucksachen seiner Frau gegen deren Willen seiner Wirtschafterin geschenkt. Daraufhin brachte die Frau ihren übrigen Schmuck vor ihrem Ehemann in Sicherheit, indem sie ihn gut verpackt einer Freundin zur Aufbewahrung gab. Johannsen nannte die Straße und genau das Haus in der ihm fremden Stadt. Auf Grund seiner Angaben konnte der Schmuck wieder herbeigeschafft werden. So geht das bei ihm den ganzen Tag, und man muß stun denlang in seinem überfüllten Wartezimmer sitzen, ehe man an die Reihe kommt. Jüngst hat sich bei der Aufklärung des Mordes an den Gutsbesitzer Deickert, der zehn Jahre zurück- ltegt, ein Fall von Hellsehen zugetragen. Der Stell macher Hellmut träumt, daß die Leiche unter einem be stimmten Steinhaufen läge. Er sieht am andern Tag nach und findet tatsächlich die Leiche des Ermordeten an der erträumten Stelle auf. So häufen sich gerade in un serer Zeit derartige Fälle von Hellsehen in großem Maße, so daß der Gedanke erwogen werden kann, ob der Menschheit zu ihren fünf Sinwen in Zukunft der sechste Sinn beschert sein Wird. Lie üeÜLehefm zsmt bei eiatt He 6eÄen öer lÄers nsck.