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Ae«r Stum i« Landtag. Wieder Met Sitzlagen aufgefloge«. — Dresden, den 6. November 1VSS. Di« beuttge erste Sitzung des Sächsischen Land, rage» ist Hirz nach der Eröffnung wiederum aufaeflogen. »au» und Tribünen waren voll besetzt. Einzelne Komm«. Asten probierten bereits beim Einnehmer! ihrer Plätze die Pulwecker auf ihre Brauchbarkeit. „ Zur Geschäftsordnung erhielt zunächst Abg. Dr. Btiibei (D. Vp) das Wort. Ex protestierte gegen di« «tgenmSchnge Festsetzung der Sitzung und der Tagesordnung durch den sozialdemokratischen Präsidenten Wecke». Er beantragt«, di« heutige Sitzung zu schließen und die nächste Sitzung am Donnerstag 11 Uhr abzuhalten mit der Tagesordnung: Be ratung der Borlage über die Aufhebung der sozialdemokra tischen Feiertage. Ein sozialdemokratischer Abgeordneter legt« gegen diesen Antrag Protest ein. Der nächste Redner, Abg. kpitz (Komm.), bezeich nt« das Verhalten der Regierungsparteien ak» eine poli tische Gauneret und Schurkerei und wurde dafür zur Ordnung gerufen. Die» wiederholt« sich noch ein zweites Mal, worauf der Präsident den Redner aus di« Folgen eines dritten Ordnungsrufes aufmerksam machte. Sofort Wiederholt« der kommunistische Abg. Opitz seine beleidi genden Ausdrücke und wurde alsbald vom Präsidenten aus dem Hause verwiesen. Der Waeordnete sprach jedoch unter großem Lärm und Händeklatschen der Kommunisten und der kommunistischen Tribünenbesucher weiter, bis der Präsi dent schließlich den Saal verließ. Die Sitzung war damit unterbrochen. Nach einiger Zeit verkündeten die Sirenen den Wieder beginn der Sitzung. Der Abg. Opitz setzte sich wieder auf semen Platz. Präsident Weckel trat sofort aus ihn zu und svnwete ihn nochmals auf, den Goal zu verlassen. Der AL» «ordnete erwidert«, er denke nicht daran. Darauf erklärt« der Präsident, mn«r diese« Umständen bleibe ihm nicht» andres übrig aÄ di« Sitzung zu schließe». Unter großer Unruhe leert« sich das Hau». Vor dem Urte« » LeWg. Sster Strafantrag des Staatsanwalts im Morbprozctz Werner-Paschold. Im «or-prozeß Werner-Pascholb beantragte Staatsanwalt Loren-, das Schwurgericht möge die Angeklagten wegen Unterschlagung, Diebstahls und Hehlerei zu je zwei Jahren Gefängnis verurteilen und wegen gemeinschaftlichen Mordes jedes zum Lode und -»« Berluß -er bürgerlichen Ehrenrechte «f Lebenszeit. Bei -er Zeugenvernehmung sagte »och ein früherer Arbeitskollege -eS Werner aus, daß Werner di» 1028 «in .seelensguter Mensch" gewesen sei, dann aber habe sich das Blatt gewendet. Er sei roh und brutal geworden, nachdem die Paschold Einfluß auf ihn gewonnen hab«. Auch die Paschold selbst sei über aus frech und anmaßend aufgetreten. Die Krau des Angeklagten Werner ist eben- falls als Zeugin erschienen. Sie sagte, ihre Ehe sei glücklich gewesen, bis die Pascholb dazwischengctreten fei. Die Pascholb sei von Anfang an gemein gewesen. Kran Werner sei wiederholt von der Paschold beleidigt und auch bedroht worden. In dieser Zeit sei dann auch ihr Man» anders geworden. Er habe früher nicht einmal ein Huhn oder ein Kaninchen schlachten können. Werners Bater fei Trinker gewesen und sei an Gehirnerweichung gestorben. Ver Arbettsmarlt la Sachse». Die Arbeitslosen-isser geht ständig in die HLHe. Bei den männlichen Hauptunterstützungs empfänger« -er Arbeitslosenversicherung erfolgte eine Annahme von 79 410 auf 88 438. Während der männ- Uche Arbettsmarkt durch Entlastungen aus dem Bau- «weiche, a«S der Landwirtschaft und der Industrie der Stet»« »nd Erden einen verstärkten Zustrom erfahren htü, hat die Zahl der unterstützten Frauen in wesen t- Sch geringerem Maße -«genommen und ist in einigen Bezirken sogar noch zurückgegangen. Die Ausgleichs- Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, welche die Saisonbelebung der Textilindustrie bietet, können fevoch nicht überall in dem erwünschten Umfange aus- SMcht werden. Ob vas Belastungsmaterial die Aufrechterhaltung deS Haftbefehls rechtfertigt, muß die noch immer schwe bende Prüfung der Sache durch die Staatsanwaltschaft ergeben. Sine unsinnige Wette. In Linz a. d. Donau ging ein junger Arbeiter während eines Zechgelages eine Wette um einen Liter Bier darum ein, daß er jeden beliebigen Gegenstand vertilgen könne. Er ver schluckte dann nacheinander drei Zinnlöffel, rostige Nä gel, Geldmünzen, Glasscherben, ein Taschenmesser, Zi garettenstummel usw. Bald darauf bekam er furcht bare Krämpfe. Man brachte ihn ins Krankenhaus, wo er sofort operiert werden mußte. Sein Zustand ist hoffnungslos. Graf Christian Majorat-Herr auf Januowitz. Das Majorat in Ianno Witz ist, wie nunmehr entschie den wurde, dem Grasen Christian zugesallen. Gegen den Grafen Christian zu Stollberg ist bekanntlich An klage wegen fahrlässiger Tötung feines Vaters er hoben worden. Die Hauptverhandlung wird erst im Dezember stattfinden. Sich folbst auf de« Scheiterhaufen verbraunt. Auf dem Friedhof in Budapest errichtete sich «ine alte Frau in der Nähe des Grabes ihres kürzlich verstorbe nen Mannes einen Scheiterhaufen, steckt« ihn in Brand und stürzte sich in die Flammen. Die Unglückliche wurde spater tot aufgefunden. Erst wenige Tage vor her hatte schon einmal eine Frau auf diese Art Selbst mord verübt. Sin Deutscher an »er südslawisch-bulgarische« Grenze erschossen. Bei Kalotina aus südslawischem Gebiet wurde unweit der Bahnlinie ein deutscher Tou rist von südslawischen Poste» erschossen. Seine Leiche wurde dann weiter hinter die Grenze getragen und begraben. Er wollte offenbar die Grenz« nach Bul garien überschreiten. D«r Name des Erschossenen ist bisher nicht bekannt. Die Maximilian-Siegessäule »er Stadt Venedig übergeben. Die italienische Marine hat der Stadt Benedig die Siegessäule übergeben, di« von öfter- reichischen Offizieren nach dem Sieg« von Lissa im Arsenal von Pola errichtet worden war, um den Erz- Herzog Maximilian als Reformator der österreichische« Seestreitkräste zu ehren und den Sieg von Lissa zu feiern. Nach dem Weltkrieg« wurde die Säule im Arsenal von Venedig aufgehoben und ist jetzt als Denk- mal für die gefallenen Matrosen in den öffentlichen Gartenanlagen von Venedig ausgestellt worden. Haarschars am Tode vorbei. In den Kohlen gruben von Charleroi ereignete sich ein Unglücks« fall, der leicht sehr ernste Folgen haben konnte. Sin Förderkorb mit 28 Arbeitern sauste plötzlich in di« Tiefe, blieb aber glücklicherweise unterwegs hängen. Die Arbeiter wurden von einer unbeschreiblichen Pantk ergriffen, doch konnte man ihnen unverzüglich zu Hilst eilen. Im ganzen wurden drei Arbeiter ziemlich schwer verletzt, während 20 Quetschungen erlitten Mühlberg jElbe)., Ein Unglück, das leicht gefährlich hätte werden können, ereignete stch im benachbarten Köttlitz. Ein Knecht wollte in de» Brunnenschacht steigen, um die Wasterleitung zu untersuchen. Giftige Gase betäubt«« ihn jedoch, so daß er abstürzte. Sofort herbetgerufE Sanitäter aus Mühlberg nahmen öie Rettungsarbeiten auf. Einem angeseilten Sanitäter glückte es, bis zu b«m Bewußtlosen zu gelange« und ihn an-useilen. Dan» wurde auch er betäubt. Unter großer Anstrengung vermochte man schließlich, den Sanitäter und den ver unglückten Knecht zu bergen. Kleine Nachrichten. * Nachdem man bereit» mit dem Aushören der TPPhuS- ssuche im Saargebiet gerechnet hatte, wurden am Dienstag o«t der Polizeidirektion Saarbrücken drei neu« Fälle ge meldet. * Der früher« Sekretär des belgischen Oberkommissars General Baltia in Eupen-MalmedH wurde von einem Lüt ticher Gerichtshof zu 700 Franken Strafe mit Bewährungs- frist verurteilt, da er während seiner Amtszeit beschlag nahmtes deutsches Eigentum auf ungesetzliche Art und Weise verkauft hatte. * Bei Gent stieß ein Personenzug mit einem Gütcrzug zusammen. Dabei sprangen drei Wagen aus den Schienen. Mehrere Reisende-wurden verletzt. Aus Stadt und Land. Stötzner über seine Forschungsreise. Im Harnack. HauS der Kaiser-Wilhelm-Gestllschaft in Berlin hielt der deutsche Asiensorscher Walter Stötzner einen Vor- trag über seine Reise in die Mandschurei und in die koreanische Inselwelt. Der Vortrag wurde durch inter. essanw Lichtbildaufnahmen begleitet. Aus Einladung des Vereins des Deutschtums im Ausland und de« deutschen Kolonialgesellschaft war ein zahlreiches Pu. blikum erschienen, das Walter Stötzner warm begrüßte. Um »i« Herrenhäuser Gärte« i« Haxnover. Ge legentlich einer Borstandssitzung der Deutschen Gesell schaft für Gartenkunst, die in Hannover stattsand, besichtigten die Teilnehmer di« berühmten Gärten in Herrenhausen. Die Besichtigung fand ihren Nieder, l schlag in einer vom Vorsitzenden der Gesellschaft Rost, i Nu»-Bremen an den Oberpräsidenten und dem Magi. Z strat der Stadt Hannover gerichteten Eingabe. Di« ! Mitglieder de» Vorstande» haben einen stellenweise ! wett vorgeschrittenen Verfall der Gärten festgestellt. Im Interesse der Erhaltung eines unersetzlichen Kultur gutes, wie e» der große Garten in Herrenhausen dar. stellt, fordert der Vorstand der Deutschen Gesellschaft Mr Gartenkunst die Wiederherstellunasarbetten sofort einzustellen und erst wieder aufzunehmen, wenn di« Bedingungen für eine planmäßige Arbeit nnd Leistung Sine Verhaftung In Düsseldorf. Wie erst jetzt WSnmt wird, ist am 28. Oktober in Düsseldorf ein gewisser L. von der Polizei verhaftet worden, der »ei» MordüberfalleS aus die Frau Meurer am 26. Ok« dwer verdächtig ist. Der Festgenommene wurde am November nach eingehenden Vernehmungen dem . MpbMiMMe vorgeführt, der einen Haftbefehl erließ. ! Blinklicht statt Schrank«. Auf der Autostraße Berlin—Scharmützelsee werden neue SicherungSanmgen für Bahnübergänge auSpro- btert, die die zahlreichen Umfälle wesentlich herab- mindern sollen. Es handelt sl-ch hierbei um ein Blinklicht, das, solange der Urbergang frei ist, weiß leuchtet, beim Nähern eines Zuges jedoch rot blinkt. * In d«r Sixtinischen Kapelle in Rom wurde von Kardinal Locatelli «ine feierliche Seelenmess« für die siebe« fett November 1SL8 verstorbenen Kardinale zelebriert. De« Papst wohnte dem Requiem bet. . * Da» britische ArbettSmtnisterium gibt di« Zahl de« Arbeitslosen mit insgesamt 1 234 400 Personen an. rin Denkmal für Co«rad ». Hötzeudorj Auf dem Hietzinger Friedhof in Wien wurde kürz lich das Grabmal für den verstorbenen österreichischen Generalissimus im Weltkrieg, Feldmarschall Conrad von Hützendorf feierlich enthüllt. Der Lübecker Martensmann. Bon Karl Alexander Pr«ß. Der ehrenfeste und hochweise Rat der kaiserlichen, freien Reichsstadt Lübeck war seit undenklichen Zeiten verpflichtet, jedes Jahr am 10. November ein Ohm alten Rheinweinmoste» dem herzoglichen Hofstaat zu Mecklenburg-Schwerin zu schicken und e» bedurfte im Jahre 1817 langer Verhandlungen -wischen Lübeck und Mecklenburg, um jene alte Sitte für immer abzu- schofsen. Jährlich wählte der Magistrat von Lübeck unter seiner: Ratsdtenern «inen tüchtigen Mann aus, dec fortan „Martensmann" hieß. Diesem wurden zwei Zeugen beigegeben, und alle dr«i mußten durchaus tüchtig« Trinker sein, denn es galt in diesem Punkt die freie Reichsstadt würdig im Nachbarland« zu ver tret«». Am 8. November fuhr der „Martensmann" mit den beiden Zeugen in einer offenen Kalesche — davor; vier mutige Ross« — aus den Lübecker Toren nach Schwert«, woselbst er dann am 9. anlangte und heim lich in einem Gasthof der Vorstadt wohnte. Hier wurde« Wagen und Pferde genau besichtigt und alle« irgend wie Schadhafte peinlichst ausgebessert. Mit dem Schlag 12 Uhr mittags des 10. Novemb«r hielt dann di« Gesandtschaft ihren feierlichen Einzug in die Stadl Schwerin. In schlankem Trabe fuhr der Wagen durch das Tor. Die Wach« trat heraus und präsentiert», Der „Martensmann^ zog seinen Hut und verehrte jedem Soldaten ein«« Gulden. Nun fuhr di« Ge sandtschaft vor ihr Quartier und rüstete zum feierlichen Einzug in daS herzoglich« Schloß, welcher um 3 Uhr nachmittags stattfand. Seit Stunden harrten aus allen Straßen, die der Wagen passieren mußte, große Menschenmassen. End lich erschien das Gefährt, auf dessen mittelster Bank der berühmte Martensmann mit offizieller Amtsmien« und prunkvollem Amtsornat thront«. Hinter ihm lag das Fatz und hinter diesem satzen die Zeugen. Sobald der Wagen in den Schlotzhof etnfuhr, zog der Gesandte seinen Hut, die Schlotzwache trat ins Ge- wehr und salutierte, und in Gegenwart des Herzogs mußte dann der Wagen mit seiner vollen Ladung zweimal — was die Pferde laufen konnten — in wil dem Galopp um den Schloßhof herumsahren. Dann hielt der Wagen vor der Haupttreppe des Schlosses, und der Haushofmeister ließ von der herzoglichen Diener, schäft Wagen und Pferde untersuchen, ob etwa am Eisenbeschlag, Riemenwerk, Geschirr, Hufeisen ode, sonstwo der geringste Fehler zu finden wäre. In die sem Falle nämlich gehörten nach altem Brauch und Herkommen Pferde und Wagen dem Herzog und wur den dann sofort in den Marstall gebracht. Das Her umjagen des Wagens auf dem Schloßhof hatte wahr scheinlich nur den Zweck, irgendwelche Beschädigungen zu veranlassen. Nach der Untersuchung des Fuhrwerkes, bei der die Straßenjugend emsig half, fand die allgemeine Begrüßung statt. Sodann bestieg der Hofkellermeister ernst und würdig den Wagen, öffnete das Spundloch des Fasses, zog mit einem Heber ein Glas voll zur Probe heraus,'besah sich die Farbe des Weines, roch a« seiner Blume, setzt« das Glas an und kostete. Dann reicht« er dem Hausvogt den Trunk und so der Reihe nach allen Hofbeamten, die von dem Wein kosten mußten. Hierauf wurde das Faß wieder zuge schlagen, vom Wagen abgeladen und in den Hofwein keller gewälzt. Die Gesandtschaft verabschiedete sich unter vielen Verbeugungen von dem Herzog, verließ den Schlotzhof und fuhr nach ihrem Quartier zurück. Jetzt begann di« Hauptaufgabe des Martens- manneS und feiner Zeugen, die lediglich im Essen und Trinken bestand und die bis zum nächsten Mittag dauert«. An d«m »rotzen Essen, das stattsand, »ahn» di« ganze Hofbeamtenschaft und das ganz« herzogliche Per. sonal teil, außerdem viele Bürger d«r Residenz. Nach alter Sitte, stand in dem Speisesaal ein großes, unge machtes Bett. Eine Nachtmütze lag auf dem Kopf, kissen, Waschivasser und Handtücher standen daneben» auch sonst fehlte nichts. Dieses Bett durfte jedoch nicht benutzt werden, selbst nicht einmal vom Martens mann, der höchsten Persönlichkeit des Abends, sonder» diente nach damaliger Ansicht dazu, „den Lockungen des Teufels zu widerstreben". Nicht weniger als sechsunddreißig Gänge wurden zu dieser Mahlzeit gerichtet, die endlich um Mitternacht ihr Ende fand. Doch niemand begab stch nach Hause» sondern alles begleitete den Martensmann t» rein