Volltext Seite (XML)
Beilage zur Weitzeritz-Zeilung Nr. 298 ------ Dienstag, am 24. Dezember 1929 95. Jahrgang Deutsche Weihnachtstteder. Von Mathilde von Leinburg. Es liegt im Wesen der Musik, daß gerade aus „.rem Gebiet insofern nicht selten gesündigt wird, als besonders ansprechende Melodien skrupellos ganz anderen Texten, als denen, für die sie ursprünglich ge dient hatten, verwendet werden. So ist es bekannt, daß die frühere russische Nationalhymne, um deren feierlich getragener Weise willen der russische Komponist Lwow seinerzeit vergöttert worden war, ein noch heute zu Ostern in holländischen Kirchen gesungener niederländi scher Choral ist. Der Freiheitssang, mit dem 1830 die französische Julirevolution verherrlicht wurde, war eigentlich unser altes deutsches Soldatenliedchen: „Ein Schtssletn seh' ich fahren", und selbst die Marseillaise mußte sich nach sagen lassen, sie entstamme der Messe eines vergessenen deutschen Dorf-Organisten des 18. Jahrhunderts. Ohne fälschende Absicht — denn man wollte sich keineswegs mit fremden Federn schmücken — haben auch wir Deutschen manche landfremde Melodie in unseren Liederschatz ausgenommen. Selbst unsere Weihnachts lieder sind nicht alle deutschen Ursprungs. Das feierliche „Herbei, o ihr Gläubigen", kam aus England, ,Lammet, ihr Hirten!" aus Böhmen, und das uns so heimatlich berührende du fröhliche, o du selige" ist gar ein sizilianisches Schifferlied. Urdeutsch aber sind doch unsere schönsten Weih- nachtslieder, wie „Vom Himmel hoch, da komm' ich her" (Martin Luther 1538), „Es ist ein Ros' entsprun gen" (Von Michael Praetorius 1609 nach einer Me lodie aus dem 16. Jahrhundert gesetzt), ,Zhr Kinder lein kommet, o kommet doch all" (I. A. P. Schulz 1747 bis 1800), das populäre Kinderlieb „O Tannenbaum, o Tannenbaum", das biedermeierfche „Morgen, Kinder, wird's was geben", und das ganz alte, von einem Salzburger Mönch gedichtete ,Hesus, lieber Jesus mein", das Brahms in der Begleitung zu seinem „Geistlichen Wiegenlied" verwendet hat. Daß das lustige Studentenlied „In dulci jubilo" aus ein altes Weihnachtslied zurückzuführen ist, dessen Text nach dem Geschmack seiner Zeit halb lateinisch, halb deutsch lau tete: „In dulci jubilo (in süßem Jubel) Nun singet und seid froh! Unser aller Wonne Leit (liegt) in praesepio (Krippe) Und leuchtet wie die Sonne Matris in gremio (in der Mutter Schoß) Qui es A et O, Qui es A et O (der du bist A und O) dürfte manches übermütige Studentlein überraschen. Und nun zu dem- so weit die deutsche Zunge klingt, am meisten gesungenen deutschen Weihnachtslied, zu dem auch in fast sämtlichen Sprachen der Welt Über setzten „Stille Nacht, heilige Nacht!" Weil uns gerade dieses Lied so besonders ans Herz gewachsen ist, haben sich Stimmen gefunden, die uns sogar dieses Kleinod unseres Bolksliederschatzes streitig machen wollen. Da mit aber jeder gute Deutsche diese Behauptung sofort widerlegen kann, sei hier in Kürze der wahre Sach verhalt dargelegt: Wohl als bekannt, schon deshalb, weil erst vor wenigen Jahren die Jahrhundertfeier der Entstehung dieses deutschen Weihnachtsliedes begangen worden ist, kann es gelten, daß es ein Hilfsgeistlicher namens Josef Mohr aus dem einstmals bayerischen, heute ober- österreichischen Innviertel gewesen ist, der die volks tümlichen Verse gedichtet hat. Sein Kollege an der Dorfschule, der Schulmeister und Organist Franz Gru- Mohr die Verse brachte, hatte sogleich diese tn Musik gesetzt und noch am selben Tage, bei der Christmettc des Jahres 1818, in der St. Nikolauskirche zu Oberndorf an der Salzach mit Guitarrebeglettung zum ersten Male gesungen. Viele Jahre lang diente das schöne Lied nur den nächstliegenden Dorfkirchen zur weihnachtlichen Er hebung, bis es durch Zillerthaler Sänger auch in Deutschland bekannt wurde und so großen Anklang fand, daß man von Berlin aus diesem vermeintlich von Michael Haydn herrührendem Lied nachforschte. All- mayncy trat es dann, sozusagen von selbst seinen Sie- geSzug durch die ganze Welt an. Nun hat sich ein lateinisches Kirchenlied gefunden, das, mit den Worten „Alma nox, tacita nox" begin nend, im Text und in der Strophenzahl genau mit Josef Mohrs Dichtung übereinstimmt. Folglich schien das Plagiat erwiesen! Die Sache hat sich jedoch bald aufgeklärt. Ein Unbekannter, vermutlich ein Priester, hatte unter dem Eindruck des christlich-frommen Ge dichts, das kein einzelnes Wörtchen enthalt, das nicht im Weihnachts-Offizium oder in der Weihnachtsliturgie steht, diese Paraphrase der liturgischen Weihnachts gedanken ins Lateinische übersetzt, um sie so für den katholischen Gottesdienst verwerten zu können. Auch die gelegentlich aufgetauchte, von vornherein wenig glaub hafte Vermutung, Franz Gruber habe diese populärste aller Weihnachtsmelodien dem für ein italienisches Krippenspiel komponierten „Pastorale" von Domenico Cimarosa (1749—1801) entnommen, hat keine Be stätigung gefunden. Das Ansangsmotiv Grubers zeigt allerdings eine kleine Aehnlichkeit mit dem Motiv in jenem italienischen „Schäferlied", aber nur so, wie in Tausenden von Liedern immer wieder einige ähnliche Tonfolgen ausgespürt werden können. Wir können also überzeugt sein, daß unser schönes Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht" von einem deutschen Mann in deutschen Landen er funden worden ist. Kinderweihnacht. Weihnacht ein Kinderfest! Die Kinder stehen im Mittelpunkt aller Freude. Wenn sie an diesem Tage glücklich sind, dann leuchtet auch der Eltern Auge, und das sorgende Herz der Alten wird, wenn auch nur für kurz« Zeit, in dieser Kinderfreude wieder froh, die Heller strahlt als aller Chrtstbaumglanz. Wie arm ein Weihnachtssest ohne Kinder! — Weihnacht — ein Kinderfest! Die Erinnerungen an die Kindheit steigen auf: O wie liegt so fern, o wie liegt so weit, was mein einst war! Wer in diesen Tagen nicht wieder wird wie ein Kind, kindlich gläu big, kindlich hoffend, wie will der Weihnachtsfreude haben? Weihnacht ein Kinderfest! Die Hauptsache ist die Krippe mit dem himmlischen Kinde! Wo es nicht ist, mögen da die Lichter noch so hell und der Gaben noch so viele sein, es ist doch ein armes Fest, das Herz ist ihm herausgebrochen, ihm fehlt die Seele. Laßt uns an der Krippe doch wieder werden wie unsere Kinder, wie Kinder fromm und fröhlich sein! Weihnacht — ein Kinderfest! Nehmt euch der armen und verlassenen Kinder an! Kein Mensch, am allerwenigsten ein Kind, sollte in den Tagen der se ligen, fröhlichen Festzeit ohne Liebe bleiben! Die große Weihnachtsgabe ist für alle da. Macht hoch die Tür, die Tore macht weit, daß die Liebe Einzug halten kann in euren Herzen! Jeder kam: und soll mtteinstimmen in den Wethnachtsiubel: „Se het, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder heißen sollen!" Sie SelttagsechWna -er ArtemlosenveMemng Immer mehr scheint sich in diesen Tagen politischer Hochspannung gerade die Beitragserhöhung bei der Ar beitslosenversicherung zum Hauptstreitpunkt der gesam ten Finanzreform auszuwachsen. Nicht ohne Grund, denn es handelt sich hier um eine Frage von grund sätzlicher Bedeutung. Soll es wirklich so fortgehen wie bisher, sollen wir auch diesmal, da die katastrophal« Wirtschaft«- und Finanzlage Deutschlands nicht mehr bestritten werden kann, mit einer Steuerverschiebung statt der unbedingt erforderlichen Ausgabensenkung ab< i gespeist werden? Das Sofort-Progrämm der Regie rung umfaßt lediglich die Beitragserhöhung bei bei Arbeitslosenversicherung, sowie Erhöhung verschiedener Steuern: später einmal sollen dann auch Steuersenkun- aen vorgenommen werden, d. h. zu einer Zeit, da es der angenommene Aoung-Plan nicht mehr zuläht. Dir Steuer- und Beitragserhöhungen find also, wie es scheint, die einzige Realität, der ruhende Pol in der Er scheinungen Flucht. Der Plan, die Beiträge zur Arbeitslosenversiche rung zu erhöhen, ist bekanntlich nicht neu: immer wie der aber ist er in den vergangenen Monaten zurück- gestellt worden, nachdem nicht nur von den Führern der Industrie, sondern sogar von den amtlichen Stellen — man denke an die Reden Severings, Hvpker-AschoffS, Schreibers usw. — die Notwendigkeit einer steuerlichen Entlastung der Wirtschaft gepredigt war. Daß er jetzt von der Regierung nicht nur wieder ausgenommen, son dern sogar an die Spitze des sogenannten Reformpro gramms gestellt wird, ist eine Tatsache von hoher psy chologischer Bedeutung. Sie besagt, daß die Regierung im Ernst gar nicht mehr an ÄuSgabensenkung, Spar- samkeit unv ähnliche schöne Dinge denkt, sondern nach dem altbewährten Rezept der Pump- und Schulden- jvirtschaft weiter fortzuwursteln beabsichtigt. Die Bei tragserhöhung ist im übrigen ja nicht einmal geeignet, um das Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben tn der Reichsanstalt selbst herzustellen. Sie ist eine Wpische halbe Maßnahme, wie wir sie von feiten der Regierung im allgemeinen und in der Geschichte der ReichSanstalt im besonderen zur Genüge kennen. > Schon die am 3. 10. 29 vom Reichstag beschlossene Novelle war nicht annähernd ausrächend, um das lausende Defizit der ReiAanstalt und darüber hinau- den Mehrbedarf für die Wintermonate 1930 zu decken. Die ReichSanstalt ist genötigt, bereits jetzt tn erheb lichem Umfange Mittel des Reiches in Anspruch zu nahmen. Der gesamte Zuschutzbedarf der Reichsanstalt ist bis einschließlich März 1930 Mr die laufenden Aus gaben aus etwa 300 Millionen Mark zu beziffern, wo für Mittel des Reiches weder etatsmätzig noch tatsäch lich in einem auch nur annähernd ausreichenden Maß verfügbar sind. In den kritischen Monaten Januar bis März würde die vom Reichsarbeitsminister offenbar vorgeschlagene Beitragserhöhung der Reichsanstalt eine Mehreinnahme von etwa 30 Millionen Mark brinaen. Damir ouev ein ungedeckter Mehrbedarf von etwa 260 Millionen Mark weiterbestehen. Außerdem -liegt noch aus früherer Zeit ein« Schuldenlast der ReichS anstalt von 350 Millionen Mark dem Reich gegen über vor. Bei dieser Lage stellt der Vorschlag des Reichs- arbeitsministertumS einen Lösungsversuch dar, der nicht geeignet ist, die der Reichsanstalt drohenden ernsten Gefahren abzuwehren. In voNem Umfang bewahrheiten sich die Warnungen, die die Arbeitgeberseite seit mehr als einem Jahr den zuständigen Instanzen und der Oeffentlichkeit gegenüber unablässig zum Ausdruck ge bracht hat und die diese Kreise immer wieder zu dem Versuch veranlaßt haben, rechtzeitig, d. h. vor Jahres frist eine Sanierung der Reichsanstalt im Interesse der Erhaltung ihrer notwendigen Leistungen für die er werbslose Bevölkerung durchzuführen. Bet der heutigen Lage der Dinge würde das Ergebnis der Beitrags erhöhung lediglich darin bestehen, daß der Wirtschaft, statt daß die ihr in Aussicht gestellten Steuersenkungen durKgeführt würden, erneute Lasten von jährlich mehr als 200 Millionen aufgebürdet werden, ohne daß da mit die Reichsanstalt endgültig saniert wird. Ein Re- , sultat, das man in jedem Lande der Welt außer in ! Deutschland als paradox empfinden würde. Falsch gedacht. Mieter: „Wissen Sie, Fräulein Brigitte, daß Sie mir meine Nachtruhe rauben? Um Ihretwillen kann ich nicht mehr schlafen." „Das kommt mir so plötzlich, Herr Müller. Sprechen Sie bitte mit Mama," erwiderte die jung« Dame errötend. „Mit Mama sprechen! Und ich glaubte, daß Sie es wären, mein Fräulein, die jeden Abend bis zwölf Uhr nachts das Klavier bearbeitet!"