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Ae«r Tumult im Laadtag. Die Sitzung vorzeitig geschloffen. — Dresden, 1. November 1929. Im sächsischen Landtag kam es am Freitag nach mittag wiederum bei der Behandlung -er Regierungs vorlage über die Aufhebung des Revolu- tionsfeiertages am 9. November zu außer ordentlich wüsten Lärmszenen. Die festgesetzte Tagesordnung konnte in keinem Punkte zur Beratung gelangen. Ueber de« Termin und die Tagesordnung der nächste« La«dtagssitzung entwickelte sich eine lange Geschäftsordnnngsdebatte, in deren Berlanf Schimpf- «wrte schlimmster Art gewechselt wnrden. Der Tumult steigerte sich schließlich derart, daß der Präsident Weckel, nachdem er vergeblich versucht hatte, die Tobende« zu beruhigen, die Sitzung für geschloffen Erklirrte und de« Saal verließ. Die öffentlichen Tribünen wurden geräumt. Einzelne Kommunisten und Sozialdemokraten stürm ten zu den Bänken -er äußersten Rechten und bedrohten die Nationalsozialisten, konnten aber von einigen ihrer Parteifreunde zurückgehalten werden. Wann die nächste Sitzung stattfinden wir-, steht noch nicht fest. SerMetile Sm-ansch«. Die Berufuug der Angeklagten verworfen. Am 28. Februar -. I. verhandelte das Gemeinsame Schöffengericht Dresden wegen umfangreicher und seit Jähre» in Dresden auf der Schloßstrabe bei Alt- Kaßmeyer begangener Bierpanschereien. Die Anklage richtete sich gegen den 28jährigen Bierausgeber, jetzigen kaufmännischen Angestellten Georg Walter Schöne, besten 25 Jahre alte Ehefrau sowie gegen Hm 18V8 geborenen Geschäftsführer Georg Hermann Weiße, -essen Eltern das fragliche Grundstück und Vierlokal besitzen. Den Angeklagten wird zur Last gelegt und in der Gerichtsverhandlung auch festgestellt, daß sie seit Iah- ren sogenanntes lleberlaufbier, das mit Tropf» MM-)Waffer der Gläser vermischt war, aus dem MrtersatzgefäH mittels Schlauches abgesaugt und beim Berkaus angewärmteu dunklen Bieres erneut wieder mit verschnitten hatten. Wegen gemeinschaftlichen Betrugs in Tateinheit mit Hinterziehung der Bier steuer und Vergehens gegen das Nahrungsmittel- tzesetz wurden Schöne und Weiße zu je drei MonatenGefängnis und 978 Reichsmark Geld strafe oder weiteren sechs Wochen Gefängnis und zu 2010 Reichsmark Wertersatzstrafe oder 20 Tagen Ge fängnis Ersatzstrafe, Frau Schöne mit Geldstrafen von 800 und 826 Reichsmark resp. zu 30 Tagen bzw. zwei Wochen Gefängnis Ersatzstrafen und zu 670 Reichsmark Wertersatzstrafe verurteilt. Dem Ehemann Schöne und Weitze wurde auf Grund der Bestimmun gen -es LebensurittelgesetzeS wegen festgestettter Un zuverlässigkeit auch die Führung eines Bierhandels betriebes untersagt. Am Tage nach der Verhandlung vergiftete sich Frau Schöne in ihrer Wohnung mit Leuchtgas. Die beiden anderen Verurteilten, Schöne und Weiße, hatten vom Rechtsmittel -er Berufung Gebrauch gemacht, mit der sich jetzt die 6. Große Strafkammer des Landgerichts befassen mußte. Die Berufung wurde kostenpflichtig mit der Maßgabe verworfen, daß nur auf eine Wertersatzstrafe von 2010 Reichsmark erkannt wird, für die Schöne und Weitze untereinander haften. Ans Stadt «nd Land. Tödlicher Reitunfall eines Polizeimajors. Dei 43jährige Polizeimajor Fritz von Brochem, der Füh rer der berittenen Schutzpolizei in Breslau, nahn an einer Geländereitjägd der Reichswehr teil. Bein Ueberspring« eines Grabens sprang sein Pferd zri kurz ukd stürzte. Das Pferd des nachfolgenden Reiterl stürzte ebenfalls und trat aus den am Boden liegender Polizeimajor. Diesem wurde der Brustkorb eingedrückt ferner erlitt er eine Nieren zerr ettzung. Nach der Ein lieferung ins Krankenhaus trat der Tod ein. Bor Brochem war im Kriege Generalstabsoffizier. Seil Februar 1921 war er rn Breslau Polizeimajor uni zugleich Leiter des Provinzial-Reit-Lehrganges. Ei« Sprengschutz «visiert. In dem Steinbruck von Müller in Witten-Düren (Westsalen) kam beim Setzen eines Schusses der Schutz aus bisher noch unge klärte Weife zur Explosion. Der mit dem Setzen der Schusses beschäftigte 25 Jahre alte Schießmeister Fritz Ulm und der Steinstößer Adolf Gutland wurden ge lötet. Die Feuerwehr ist zur Zeit mit den Auf- räumungsarbeiten beschäftigt. Während eine Leiche be- rettS geborgen wurde, ist die andere noch unter den Ge- stetn-massen begraben. Die Untersuchung über die Ur sache des Unglücks ist eingeleitet. »erhSugnisvoN« Deckeueinsturz. In Büdin gen im Saavsebiet Mrzte t« einem Neubau des Eisen- b<chxschlo«eW Wkola-u» Schuhmacher ein« Betondeck« et«, wob« ei» Wauver aus der Stelle getötet und der Bauherr selbst schwer verletzt wurde. Als der Bau herr »Kd der Maurer einen schweren Quaderstein zum wett«« Ausbau des zweiten Stockwerks kochzogen und «ruf die Betondecke niederließen, brach diese -um Teil ein. Die beiden stürzten mit mehreren anderen Ar- beitern in die Ties«. Während die übrigen Abge- vürzt« mit Hautabschürfungen davonkamen, gerieten der Maurer und der Bauherr unter den schweren Qua derstein. Dem Maurer wurde der Kopf bis zur Unkennt- Schreit zermalmt. Schuhmacher erlitt einen Oberschenkel bruch und schwere innere Verletzungen. Sein Zustand ist bedenklich. Ler Erfind« »es ZeitluPenanfnahmcverfahrenS gestorben. Am 39. Oktober ist in Graz der Professor pm MMtjjchöflichen Knabenseminar, August MuSger, , im 62. Lebensjahre gestorben. Der Name des Ver storbenen, der Priester der Diözese Seckau war, ging vor zwei Jahren durch alle Blätter der Welt, die in ihm den eigentlichen Erfind« des Zettlupenauf- nahmevcrfahrens im Film feinten. Weitere Pr-beflüge deS englischen Luftschiffs ,M j 101". Das englische Luftschiff „R 101" wird nach Er- ! ledigung notwendig gewordener kleiner Ausbesserungen ' seine Probeflügc fortsetzen. Auf Einladung an 75 Par- i lamentsmitglieder zur Teilnahme an einem Fluge haben - sich so viele Parlamentarier gemeldet, daß wahrschetn- ' lich ein zweit« Flug veranstaltet werden wird. j Professor Rossi s. In einem Sanatorium von ! Bologna starb nach langem Leiden Professor Rosst, ! Direktor und Chirurg des Spitals von Aquila und Schwager der Königin von Italien. Bei dem Be gräbnis folgten dein Sarge die Witwe des Verstorbenen, ? Prinzessin Ljubiza Petrowitsch, eine Schwester des Kö- ! nigs von Italien, mit ihren Kindern und Anverwand ten. Auch ein Vertreter des Königshauses wohnte ! der Beisetzung bei. Das italienische KontgSpaar, d« ' Thronfolg« und seine Schwester, hatten Kränze ge- ' sandt. Hagelstürme über dem Athener Flugplatz. Athe - - ner Meldungen zufolge gingen dort schwere Regen- und Hagelstürme nieder, wodurch große Verwüstungen auf dem Flugplatz angerichtet wurden. Eine Flug zeughalle wurde gänzlich zerstört und drei wettere schwer beschädigt. Zwanzig Flugzeuge «litten Beschä digungen. Grotzfeucr in einem Polizeipräsidium. Das Po lizeipräsidium in ChalonS sur Marne ist in der Nacht von einem Grotzfeuer heimgesucht worden. 300 Soldaten und 200 Studenten beteiligten sich zusammen mit d« Feuerwehr an den LöscharbÄten, konnten ab« nicht verhindern, daß ein Teil des Gebäudes vernichtet wurde. Neben großem Materialschaden tst auch die Zerstörung wichtiger Akten zu verzeichnen. Freiherr von König st» Kanada. Freiherr von König-Warthausen, der sich mit einem Kleinflugzeug auf ernem Flug um die Welt befindet, ist in Hamil ton im Staate Ontario eingetroffen. Die Strecke üb« den Stillen Ozean legte von König-Warthausen mit einem Dampf« zurück. Er wird sich von New Kork nach Deutschland auch Wied« etnfchifsen. Kleine Nachrichten. * Unter dem Vorsitz des Wirklichen Geheimen Rats Staatssekretär a. D. Dr. v. Lindequtst sand in Schwerin eine Tagung des Reichsvorstandes des deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und HeimatSpfleg« statt. * Im Amsterdamer Konzerthaus dirigierte Pierce Monteux das Abonnementskonzert unter Mitwirkung der Sängerin der Wiener Staatsoper, Lotte Lehmann. Lotte Lehmann erntete mit Strautzlievern mit Orchcsterbeglritung stürmischen Beifall. Kunst und Wissen. — Ei« Hegel-Weltbund. Gelehrte aus Deutschland, Italien, Holland, Frankreich, England und aus der Schweiz haben ein Internationales Komitee gebildet, das sich die Ausgabe gestellt hat, einen Weltbund der Hegelschen Philo sophie zu gründen. Das Komitee hofft, zu Ostern 1930 eine internationale Zusammenkunft im Haag abzuhatten. Der Bund will nicht nur die Hegelsche Philosophie pflegen, sondern auf Grund der heutigen Geistesrtchtungen und mit Hilfe der gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisse die Philosophie auf der Grundlage Hege« weiter auS- bauen. --- Ter Nobelpreis für Medizin. Am Donnerstag wurde die Entscheidung über den Nobelpreis für Medi zin und Physiologie in Stockholm getroffen. Das Nobel- komitee teilte den diesjährigen Nobelpreis zwischen den beiden Gelehrten Professor Christian Eikmann-Ntrecht und j Hopkins Cambridge. Damit haben zum ersten Male Ver- ! treter der Vitaminforschung den Nobelpreis erhalten. November. > Ter Spätherbst löst den Farbenrausch seines Vor läufers ab; die ganze goldne, gelbe, braune, rote, vio lette Pracht, die an den Bäumen hing, schüttelt der rauhe Boreas ab, die blauen Herbsttage machen regen schweren, grauen, verhängten Spätherbst- und Vor wintertagen Platz. Tie am wenigsten beliebte Jahres zeit hat begonnen. Aber selbst der Düsternis kann man lrchte Sei- , ten abgewinnen; Goethe hat es uns gelehrt. Er, der den Spätherbst nicht liebte, weil er ihn arbeitsunfähig machte, hat gleichwohl einmal auf den November ein Gedicht geschrieben, und dieses liebliche Lied, dessen zwei erste Zeilen darauf bezug nehmen, daß im letzten Drittel des November die Sonne in das Zeichen Schützen tritt, lautet: s „Tem Schützen, doch dem alten nicht. i Zu dem die Sonne flieht, j T« uns ihr fernes Angesicht Mit Wolken überzieht; Tem Knaben sei dies Lied geweiy», Ter zwischen Rosen spielt, j Uns höret und zur rechten Zeit Nach schönen Herzen zielt. Durch ihn hat uns de« Winters Nacht So häßttch sonst und rauh. Gar manchen werten Freund gebracht Und manche liebe Frau." Für romantist^befchauliche Gemüt«, die eS jo auch noch, trotz allem, gibt, hat Heinrich Seidel ein Paar Anweisung« bereit, wie «um auch im November auf seine Kost« kommen kann: „Er hat manchmal so stille graue Regentage, wo o« Luft eigentlich nur sehr naß tst und e» an jeder Knospe und jedem welk« Blatt tot« eine dick« Trän« yungf! das ist eine herrliche Zett zum Träumespinneri und Luftschlüfserbauen. — Schön ist es zu sehen, wenn er dann auf seinem wild« Roß, dem Nordwind, unter fliegendem Reg« dahinsaust, das letzte Laub von der Bäumen reißt und wirbelnd vor sich herjaat, dal Wass« zu sprühendem Schaum in die Höh« peitscht mrd durch die Wipfel de« Waldes docherstürmt, bah stc donnernd brausen!" Nach den Fest« und Lostaa«, die der November bringt, heißt er bisweilen auch Allerheiligen- odäf Allerseelenmonat, Andreasmonat oder MarttnSnronaü Der Martinstag (11. November) gilt im Volk auch vÄ alters her als Wintersanfang. „Sanft Martin — Few» im Kamin" sagt ein alt« Spruch. Der 18. M dei heilig« Elisabeth, der 25. der heilig« Katharina geweiht; beide Tage soll« nach der alt« Bauernreas Mr da« Wetter des ganz« Winters bedeutungSvAl Sternhimmel im November. Bei klarem Wett« geh« wir bei MonatsbegtnN 9 Uhr abends in das Freie, um d« Sternhimmel zu beobacht«. Norvyrmmel: Ueb« dem Nordpunkt der Große Bär, darüber der Klein« Bär, am Zenit die l7-sörmige Cassiopeia. Osthimmel: Orion geht auf. Ueb« ihm in der Milchstraße der Stier mit den Plejad«, links oberhalb davon der Fuhrmann, daneben der Perseus. Etwa im Nordost« ine Zwillinge. Südhimmel: Der Meridian durchschnetdet die Sternbild« Pegasus und Andromeda. Im Südvst« das große Bild des Walfisches, tief im Südsüdwest« der Stern «st« Größe Fomalhaut im südlich« Fisch. Zwischen dem Pegasus und dem Südwestpunft die Lierkreisbilder Wassermann und Steinbock. Westhimmel: Zn der Milchstraße von ob« nach unten Schwan, Leier mit Wega und Adler. Zum Untergange neigt sich der Herkules. ES geh« unt« Bootes und Krone. Planeten: Merkur ist bei Monatsbeginn eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang am Osthimmel sicht bar, vom 10. ab wird « unsichtbar. Denuö läßt sich zunächst noch gegen zwei Stund« als Morgenstern beobacht«, Ende November nur noch eine Stunde. Mars bleibt unsichtbar. Jupiter kann von Mitte des Monats an die ganze Nacht hindurch gesehen wer den. Saturn läßt sich Anfang November noch 1 Stunde 20 Minuten nach Sonnenuntergang beob acht«, Ärde des Monats nur noch 10 Minuten. Mond: Am 1. Neumond, am 9. erste« Biertel, am 17. Bollmond und am 23. letztes Viertel. Sonne: Aufgang Mr die Berlin« Gegend am 1. etwa 7 Uhr, Untergang 16.30 Uhr, Ausgang am 15. etwa 7.30 Uhr, Untergang gegen 16.15 Uhr. Die Sonnenhöhe nimmt zur Mittagszett im Laus« des November um etwa 14H Sonnenbreit« ab. Di« Sonne hat von der Erde eine mittlere Entfernung von 150 Million« Kilometern, sie steht ihr Anfang Ja- nuar am nächst« und Anfang Juli am entferntesten. Was mancher nicht Weitz. Der Wasserbedarf der Pflanze ist sehr groß. Eine Sonnenblume hat täglich 1 Liter nötig, eine große Buche sogar 300 Liter. ^ic ganze Menschheit (1500 Millionen) würde be- quem auf dem Bodensee Platz finden; sänke sie unter, so stteae sein Spiegel nur um 20 Zentimeter. iöockienmarkt vippoläiswaläe am 2. November >920. Von den aufgetrlebenen 94 Ferkeln sind 70 zum Preise von 30-45 (besonders groß« zu 57.50) Mark pro Stück verkauft worden. Oertttches und Sächsisches. . Dippoldiswalde. Heut« kurz vor mittag gelang es einem aus» Mchtung Kipsdorf kommenden Freitaler Lieferkraftwogen nicht, die Kurve beim Friedhof ordnungsgemäß auszufahren. Es kam nach rechts von der Straß« ad, fahr ttder den Vorplatz vor der Müllerschen Lohgerber«! und dann beim Versuch, die Straßen krone wieder zu erreichen, an den Zaun des Holte rischen Grund stücks und an «inen Birnbaum an. Eine Sondsteinsdul« wurde umgebrochen, der Zaun umgelegt. Auch der Magen wurde mehr fach beschädigt, Web aber noch fahrbar. Personen wurden nicht verletzt. Nach einiger Mühe gelang es, den Magen wieder flott zu bekommen. Offenbar trügt zu hche Geschwindigkeit im Ver ein mit dem herrschenden Nebel die Schuld an dem Unfall. Meerane. Für dl« Sladlverord n«l«nwohl am 17. November werden fünf Listen «rschetnen. Außer der sozialdemokratischen un kommunistischen Liste werden die Auftoertler eine Liste heraus bringen, dazu kommen noch zwei bürgerliche Listen. Sicherem Vernehmen nach werden ins neue Kollegium, das bisher eine schwach« Linksm«hrh«it halt«, «in« Anzahl neuer M««ran«r Per- sönllchketten einziehen. Letzte Nachrichten. Aufruf MahrannS zur Gründung einer nationalen Reich-Vereinigung. — derlin, 2. Novbr. Artur Mahraun, der Hoch- mÄst« des Jungdeutschen Ordens, erläßt einen Aus ruf, in dem er als Folg« des Volksbegehrens eine Zerrüttung der Front des national« Widerstande» verzetchnet, die sich 1918 der bolschewistischen Welle entgegenstellte und zur Gründung einer VolkSnatt o- nalen Reichsverriniaung aufruft. Der Reichsvereini gung stellt Hochmeister Mahraun u. a. die Aufgabe, die große Partei der nationalen Erneuerung zu er zwingen.