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Beilage zur Weitzeritz-Zeitung Nr. 263 Dienstag, am 12. November 1929 95. Jahrgang irom etwas an, wozu sie berechtigt seien. Deshalb fordere Oesterreich von der ganzen Welt, sie möge die Tat sache des «nschlnßwirlen» zur Kenntnis nehme« «xd nicht hemmen, was doch kommen müsse! Sie «Sge insbesondere nicht dem kleine« Oesterreich de« Weg versperren, wenn eS ans einer Umklammerung Hera«»» komme« wolle, die feinen wirtschaftlichen Tod -deutelt müsse. Zu seinem Schlußwort wies Reichs tagspräfident Löbe auf di« Beteiligung sämtlicher deutscher L<mdSs Mannschaften hin, die damit -um Ausdruck brächten, daß es in der Anschlußfrage keinen Unterschied inner-, halb der deutschen Landsmannschaften und der deut-» scheu Parteien gibt. zurückzugeben. Gerichtet waren unsere Blicke dabei aus den Westen. Am Rhein standen die enalisch-franzvfi- schen-belaischen Heere, und über den Geschützen schwebte der Geist Ludwigs XIV. Aus dem deutsthen Strom sollte wieder Deutschlands Grenze weiten. und Kardorff zur Fnnenpolittk. Der letzte Sonntag brachte ein« Hochflut von Re den führender Minister und Parlamentarier. In Bottrop führte Reichsverkehrsminister Dr. Ste-, tzerwald in einer Zentrumsversammlung aus, eS gebe zwei Möglichkeiten: entweder mache mau uns die Er füllung des Aoungplans durch Erleichterungen in der Versorgung Deutschlands mit fremden Rohstoffen mög lich, oder man müsse sich damit abfinden, daß in ab- sehbarer Zeit auch der Aoungplan revidiert werde. Würde jetzt der Aoungplan abgelehnt werden, werde kein« Regierung, sei sie nach rechts oder nach links orientiert, imstande sein, eine Kürzung der Beamten gehälter zu verhindern. Reichsminister a. D. Schiele erklärte in Genthin bet einer Feier aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens des Landbundes Jerichow ll, die „Grüne Front" müsse verbreitert werden, bis sie schließlich zu einer geschlossenen nationalen Front werden könnte. Die deutschen Bauern yanen keine Zeit, auf Kriege und Revolutionen, die nach Bismarck Verfassungsänderungen schaffen, zu warten. Es bleibe dem Bauern keine Wahl. Schritt für Schritt sei der agrarische Einfluß in die Politik und in die Ver waltung hineinzutragen. — In einer zweiten Red« in Oppeln schilderte Dr. Schiele am Montag die Gefahven eines MeistbegünsttgunasvertrageS mit Polen. Die Regie rung müsse unverzüglich im handelspolitischen Ausschuß des Reichstags Mitteilungen über de« geplante« Handels vertrag machen. In einer Zentrumsversammlung in Weimar bezeichnete der frühere Reichskanzler Dr. Marx die EheschÄdungS- reform als ein „Sprengpulver" unter den Koalitionspar teien; in Dortmund forderte der volksparteilich« Abge ordnete v. Kardorff ein geschlossenes Bürgertum gegen über der Sozialdemokratie; in Hamm setzte sich der preu ßische Finanzmintster Dr. Höpker-Aschoff in einer Versammlung der Deutschen Demokratischen Partei für die Schäftung einer starken bürgerlichen Mitte «in. Zur Wirtschaftspolitik übergehend, betonte Mi nister Höpker-Aschofs, die Förderung der Neubildung von Kapital Keg« im Jnterefs« des gesamten Volkes. Wege hierzu seien Abbau der Industrie- und Renten- banklasten, Erleichterung bet der Einkommensteuer und ein« starke Senkung der Realsteuer. Politische Rundschau. — Berlin, den 12. November 1929. , .. 3» der Technischen Hochschule in Berlim-Chav- wttenburg wurde unter großen Feierlichkeiten der 100. Ge burtstag des berühmten deutschen Maschinenbauers Reu leaux begangen. * :: viirgerfchastswahl in Lübeck. An Lübeck fan den Bürgerschastswahlen statt; die Wahlbeteiligung bo- trug 84 Prozent. Di« im Hanseatischen BolkAund vereinigten bürgerlichen Parteien haben von 36 Man daten sieben verloren; die Sozialdemokratie verlor von 35 ein Mandat. Die Nationalsozialisten, die bishw kein Mandat hatten, eroberten sechs, di« Kommunisten zwei Mandat«. Demokraten und Zentrum behaupteten ihren alten Besitzstand. :: In dem vau-rnpr-z-ß in Neumunst«» wird für den beutiaen Dienstag das Urteil erwartet. Der Ltsanwatt bLntragL ruhrs und LandfrtedenSbruch, begangen durch Muth- mann Roß und Thieß, Gefängnis von 15, 12-4 und 12 Monaten; für die übrigen Angeklagten fordert« der Anklagevertreter Gefängnisstrafen von «in bis zwei Mo naten bzw. Geldstrafen. Rundschau im Auslande. * Der Polnische Ausschuß zur Bekämpfung d«r Spio nage hat durch Bolkssammlungen eine Million Zloth zu- Kundgebung für den Anschluß. Ansprachen LöbelS und Drexel». — Di« Welt m«ß die Tatsache des Anschlußwille«» z«r Kenntnis nehmen. Zur 11. Wiederkehr des Jahrestages des An- schlußbekenntnisses der österreichischen parlamentarischen Körperschaften veranstaltete der österreichisch-deutsche Volksbund gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft deut scher Landsmannschaften im Reichstag eine Anschluß kundgebung. Der Vorsitzende, Reichstaaspräsident Löbe, be tonte in feiner Begrüßungsansprache, daß die Erin nerung an jene unerfüllte Forderung aufrechterhalten werden müsse. An der heutigen Zeit stärkster partei politischer Kämpfe sei der österreichisch-deutsche Volks- bund eine der wenigen Stätten, an denen Angehörige aller Parteien vereint für ein Ziel kämpften. Prälat Dr. Drexel-Vorarlberg erklärte zunächst, er befürchte nicht, daß es wegen der Derfassungsresorm in Deutsch- Oesterreich zu Konflikten kommen werde. Die grüßte Sorge Oesterreichs sei die Lage seiner Wirtschaft, die die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes ! "" Deutschland gebieterisch fordere. Gemeinsam mütz- ten Deutschland und Deutsch-Oesterreich sich in der Weltwirtschaft den Platz erringen, der ihnen zukomme. btevner bedauert« dann da» Schicksal der D««t. - in Sudkrol und erklärte, daß die ««handln»- ! der Minderheiten in Europa ein- stete Gefahr für de« Frieden fei. Wenn heute D«utschla«d und Deutsch. Oesterreich weder zufammen^ingen, strebten sie nur > Neichskabinett wieder vollständig ' Dr. Curtins zum Minister des Auswärtigen, Pro, fessor Moldenhauer zum Reichswirtfchaftsrni«ister j «rnannt. j — Berlin, 12. November. Die geplant« Ergänzung de» R«ichSkabin«ttS W nunmehr erfolgt. Auf Vorschlag des Reichskanzler» hat Reichspräsident von Hindenburg deu Miuister Dr.Lmv tiu» unter Enthebung vom Amte de» Reichswirtschaft»« ' Minister» zum ReichSanßenminister und den Prof. Dr, Moldenhauer zmn ReichSwirtschaftsmintster «rna««t. Veränderungen innerhalb der RegierungSgemeinschast treten damit nicht «in; Dr. Curtius und Prof. Mold««, Hauer g«HSren beid« der Deutschen Bolkspartei a«. Notwendig wurde dieses kleine Revirement innek halb der Reichsregierung durch den Tod Dr. Stress, mannS. Ueborraschungen bieten die beiden Ernennung gen nicht. Daß Reichswirtschaftsminister Dr. CurtiuS, der noch vor der Beisetzung Stresemanns mit der Stell vertretung des Außenministers beauftragt worden war. endgültig mit der Führung der deutschen Außenpolitik beauftragt werden würde, galt bereits seit Woche« als sicher, und ebenso wußte man seit einigen Tagen, daß Professor Moldenhauer zum ÄeichSwirtschafiSmi« «ister auSerfehen war. Reichsaußenminister Dr. Curtius, der 52 Jahr« alt ist, war früher Rechtsanwalt am Kammergericht in Berlin. Seit 1920 gehört er als Mitglied der Fraktion der Deutschen Volkspartet dem Reichstag und seit 1926 als Wirtschaftsminister dem Keichskabinett an. An den internationalen politischen Verhandlungen bat Minister Dr. Curtius zum ersten Male während der Haager Konferenz tetlgenommen. Zn Vorahnung seines nahen Todes hat Reichsckußen- minister Dr. Stresemann Dr. Curtius weitgehend in seine außenpolitischen Pläne eingeweiht. Die National liberale Correspondenz, das parteiamtliche Organ Der Deutschen Volkspartei, schreibt denn auch, die Ernen nung von Dr. Curtius zum Reichsaußenminister er fülle einen letzten Wunsch Dr. Stresemanns. Reichswirtschaftsminister Moldenhauer ist Professor an der Universität Köln. Nach dem Stu dium der Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn und Göttingen promovierte er 1899 in Göttingen und erlangte das Diplom für Versicherungssachverständige. Nach mehrjähriger praktischer Tätigkeit bei Versiche rungsgesellschaften habilitierte er sich 1901 an der Handelshochschule in Köln als Privatdozent für Ver- sicherungswissenschaft und unternahm längere Studien reisen in die verschiedensten überseeischen Länder. An dem Kriege nahm er als Landwehroffizier teil. Mit glied des Reichstags ist Prof. Moldenhauer, der im 53. Lebensjahr steht, seit 1920. Beziehungen zur Wirt schaft hat Professor Moldenhauer seit einiger Zett dadurch, daß er dem Aufsichtsrat der I. G. Farben- tndustrie angehört, doch wird er dieses Amt nach seiner Ernennung zum Minister niederlegen. > — Der RetchSverband deutsch-evangelischer Beamten ¬ vereine hielt seinen vierten Beamtentag in Bochum ab, zu dem sich die Vertreter der dem Reichsverband angeschlosso- nen Vereine aus dem ganzen Reich in großer Zahl einge sunden hatten. — Unter dem dringenden Verdacht, den Mord an der 36 jährigen Margarete Seid«! in Cuxhaven begangen zu haben, ist der etwa 40 jährige angeblich« Kunstmaler Ernst Stoll in Bremerhaven festgenommen worden. — Bei Hasselt in Belgien entgleiste ein Dampfftratzen- bahnzug mit etwa 1000 Fahrgästen. Einer von den 18 Wagen des Zuges fiel um, wobei 32 Personen verletzt wurden. Zehn Schwerverletzte mußten in ein Kranken haus übergeführt werden. — Bei der Bevölkerung in Guatemala, die durch den Ausbruch des Vulkans „Santa Marta" in höchster Auf regung war, tritt allmählich wieder etwas Beruhigung ein. Die Lavaausbrüch« haben aufgehört. Vom Rhein zur Weichsel. — Berlin, 12. November. Die deutsche Außenpolitik in den ersten zehn Jah ren nach dem Kriege verfolgte in der Hauptsache das Ziel, Deutschland von den Versailler Ketten insoweit zu befreien, wie es notwendig war, um der deutschen Regierung die Handlungsfreiheit auf der Weltbühne Zehn Jahre, alle reich an Not und Kämpfen, waren erforderlich um die französischen Pläne im Westen zu verekeln. Die Politik der Besatzungsgene rale scheiterte ebenso kläglich wie die der französischen Agitatoren, die die rheinische Bevölkerung für Frank« reich gewinnen wollten. Mit der Räumung des Rhein- landes, d. h. mit dem Verzicht Frankreichs auf das linke Rheinufer, findet dieses Kapitel der Nachkriegs zeit vorläufig seinen Abschluß. Die Wetterwolken am Rhein zerteilen sich, unsere Aufmerksamkeit muß jetzt dem deutschen Osten gelten. Die Ostfragen sind nach und nach für Deutschland zu Schicksalsfragen geworden. Im Osten können wir nicht damit zufrieden sein, wenn es uns gelingt, etwas abzuwchren, denn im Osten geht es nicht nur um die Wiederherstellung der deutschen Staatshoheit, son dern auch um die Aufhebung ungerechter Grenzen. Da auch das nur auf friedlichem Wegs geschehen kann, muß die deutsche Außenpolitik ander Weichsel ihre Befähigung für konstruktive Arbeiten er, weisen. Um der deutschen Oefsentlichkeit ein Bild von der ungeheuren Notlage der deutschen Ostgebiete zu geben, bereisen zur Zeit auf Anregung der Provinzialverwal tungen eine Reih« von Vertretern maßgebender deut scher Nachrichtenbüros und Zeitungen die östlichen Grenzgebiete, insbesondere Schlesien und die Grenz mark Posen-Westpreußen. Ostpreußen, wohl mit der wichtigste deutsch« Eckpfeiler im Osten, kann diesmal leider nicht besucht werden. Die Verhältnisse in den östlichen Grenzgebieten haben noch nichts von ihrem katastrophalen Charakter verloren. Durch di« unmögliche Grenzziehung und die brutale Zerreißung jeder Verbindung mit den früheren deutschen Gebieten seitens der Polen haben sich nach gerade Zustände herausgebildet, die dringend nach Ab hilfe schreien. Ernste Rückwirkungen auf die Wirt schaft der Ostprovinzen mußten sich schon deshalb eie-, geben, weil diese Gebiete durch die Grenzziehung viel fach fast alle Absatzmärkte verloren haben. So haben denn die Arbeitslosigkeit, die Konkurse und die Stille gungen industrieller Betriebe einen erschreckenden Um fang angenommen. In Schlesien befürchtet man z. B. das Schlimm ste, wenn eS der Industrie nicht gelingt, mit Hilfe des Reiches in Form von Krediten, Frachtermäßigungen, und den Ausbau von Verkehrswegen neue Absatzge biete im Westen zu gewinnen. Außerordentlich schwie- rig ist ferner di« Lage der grenzmärkischen Land wirtschaft, insbesondere Port, wo sie wegen leichten Bodens vorwiegend auf den Getreide- und Kartoffel bau angewiesen ist, also Erzeugnisse verkaufen muK. für di« sie gegenwärtig nur sehr niedrige Preise er hält. . hat der bevorstehende Abschluß des deutsch-polnischen Handelsvertrags hervorgerusen. Die Landwrrtschaft befürchtet ein verstärktes Eindringen polnischer Erzeugnisse, im Bergbau wiederum sorgt man sich wegen des angeblich im Handelsvertrag ent haltenen Kohlenkontingents. Zum Ausdruck kommen diese Besorgnisse auch in einem Telegramm, das die Handwerkskammer zu Oppeln, die oberschlesisch« Land wirtschaftskammer, der Berg- und Hüttenmännisch« Ver ein und di« landwirtschaftlichen Vereine Oberschlesiens nach Berlin gerichtet haben. Die Reichsregierung wird darin ersucht, angesichts der Bedrängnis der deutschen Wirtschaft der Ostprovinz«n einen Handelsvertrag mit Polen, aufgebaut nur auf der gegenseitigen Meistbe günstigung, ohne Zollbedingungen, aber mit Zugeständ nissen für die Einfuhr polnischer Kohle und polnischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht abzuschlteßen. Sehr große Sorge bereitet in den Grenzgebieten vor allem auch di« ständig zunehmende Landflucht und das Nachdrinaen des Polentums, das mit allen Mitteln auf eine Polontsierung der Grenzgebiete hin« arbeitet. Man hat ausgerechnet, daß die bereits heute außer« ordentlich dünn bevölkerten Grenzkreis« in zehn Iah« reu menschenleer sind, wenn das Siedlungsproblem! nicht in einer den Verhältnissen Rechnung tragenden Weis« gelöst wird und Hand in Hand hiermit eine großzügig« Kulturpolitik Platz greift. Bon der Reicks und der preußischen Staatsregierung erwarten die Ostprovinzen, oaß sie die Politik der Erhaltung des deutschen Ostens in verstärktem Maße forrsetzen werden. Chronik des Tages. — Reichspräsident von Hindenburg hat auf Von- schlag des Reichskanzlers den Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius zum Reichsaußenmtnister und den Professor Dr. ! Moldenhauer zum Reichswirtschaftsminister ernannt. ! — Der deutsch-österreichische Volksbund veranstaltete im Reichstag eine Anschl-ußkundgebung. — Der Organisationsausschuß für die Bank für inter national« Zahlungen Kat nach Erledigung seiner wichtigsten Arbeiten ein« zweitägige Pause eingelegt. — An vielen Orten im Deutschen Reich fand«» am Sonntag eindrhcksvyfle Gedächtnisfeiern für die Gefallenen des Weltkrieges statt. , Hilfe für die Deutsch-R«ffe«. Donnerstag Parteiführerbespvechung beim Reichs kanzler. Auf Veranlassirng der Reichsregierung findet am Donnerstag eine Besprechung von Vertretern dev Reichstagsfraktionen und zwar der Regierungspartei«!«, der Deutschnattonalen und der Wirtschastspartet üb« die Lage der deutschstämmigen Kolonisten in Rußland statt. Bet dieser Zusammenkunft werden der Umfang und die Art der deutschen Hilfeleistung erörtert werd«; insbesondere wird auch die Frage der Heranziehung des Roten Kreuzes Gegenstand der Erwägungen sein. -» Unterbrechung der Schwedenverhanvlangex. Die deutsch« Delegierten für die Handelsvertrags- Verhandlungen haben Stockholm verlassen. Eine Eini gung ist bisher nicht erzielt Word«. Wie verlautet, beabsichtigen demnächst Vertreter der schwedischen Re gierung zu Berhandlungen nach Bertin zu fichvm. Parlamentarier zur Lage.