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Fürst von Bülow kom, 28. Oktober. Fürst Bülow ist heute morgen!7 Uhr nach kurzem Todeskampf entschlafen. Bon den vier Kanzlern, die in der Zeit von - Bismarcks Rücktritt bis 1914 die Politik des Deutschen ! Reichs leiteten, ist Fürst von Bülow dervolkstüm- ' lichste und der bedeutendste. Neun Jahre, von - 1900 bis 1909 bekleidete er das Amt des Reichs kanzlers und des preußischen Ministerpräsidenten. In ! Erinnerung ist allen wohl noch der aus Konservativen ! und Liberalen gebildete „Bülow-Block" und das Wort Bülows von dem Anspruch Deutschlands aus einen Platz an der Sonne. Fürst von Bülow, ein Schüler Bismarcks, hat I Deutschland in die Weltpolitik des neuen Jahrhunderts eingeführt. Während seiner Amtszeit wuchs die deutsche j Flotte zusehends an Größe, wandte sich das Reich mit Entschiedenheit der Kolonialpolitik zu. Angesichts ! des Umstandes, daß Deutschland bei jedem Schritt in ! die Welt den Truck aus die deutschen Grenzen in Europa zu spüren hatte, war Deutschlands weltpoli- ! tische Lage in dieser Zeit niemals leicht. Fürst von ! Bülow verstand es jÄoch, das deutsche Staatsschiff ! glücklich durch die stürmisch-bewegte See Hindurchzu steuern. Und wie stürmisch die See war, dafür nur einige Beispiele: in London war Eduard VII. am Werke, Deutschland einzukreisen, 1903 zog Frankreich Italien durch ein Geheimabkommen vom Dreibund ab, 1904 verbündeten sich England und Frankreich gegen Deutschland, 1905 sand Rußland Anschluß an Frank reich und England. Inwieweit es dem Fürsten von Bülow gelungen wäre, den Ausbruch des Weltkrieges »u verhindern, wenn er sich 1914 noch im Amte befun den hätte, darüber braucht heute nicht mehr diskutiert zu werden. Als sicher kann man aber annehmen, daß der gewandte und menschenkundige Fürst von Bü low die Zügel nicht hätte am Boden schleifen lassen und daß die deutsche Politik im Kriege unter seiner Ehrung eine wesentlich andere Richtung genommen Bedauerlich war, daß man vor dem Kriege in Deutschland für abgedankte Staatsmänner keine rechte Verwendung hatte. Eine Rückkehr zur Macht gab es für niemanden! Um so bemerkenswerter ist es, daß Fürst von Bülpw nach dem Sturz Bethmanns dicht daran war, zum zweiten Male Reichskanzler zu werden. Uebriaens galt er, als Eberts Amtszeit zu Ende ging, auch als Präsidentschaftskandidat. Erstaunlich war, welches Maß geistiger Fri sche und körperlicher Rüstigkeit der Fürst sich bis in fein hohes Alter hinein bewahren konnte. Die Winter verbrachte er regelmäßig in der von ihm so geliebten Stadt Rom; nach dem Tode seiner Lebensgefährtin wurde es dann einsam um ihn. Zu erwähnen ist noch, daß Fürst von Bülow, als Italien dem Drei bund den Rücken kehrte, sich in Rom für Deutschland einsetzte, doch scheiterte feine Mission, weil es zu spät war. Bernhard v. Bülow, dem in Anerkennung seiner Verdienste später der Grafen- und 1905 auch der Fürsten- tttel verliehen wurde, wurde am 3. Mai 1849 in Klein» , Flottbek in Holstein geboren. Nachdem er 1867 bis 1870 Rechts- und Staatswissenschaften studiert und den deutsch- - französischen Krieg mitgemacht hatte, trat er 1874 in ! das Auswärtige Amt ein. An dem Berliner Kongreß j von 1878 wirkte er im Sekretariat mit. 1879 bis 1884 ' War er Botschaftssekretär in Paris, dann wurde er Bot- z schaftsrat in Petersburg, 1888 Gesandter in Bukarest. ! 1893 wurde er Botschafter in Rom und 1897 übernahm f er die Leitung des Auswärtigen Amtes. Als Staatssekre tär trat er wiederholt für eine energische Politik besonders im Orient ein und brachte 1899 einen Vertrag mit Spanien über die Abtretung der Karolinen- und der Ladroneninseln zum Abschluß, was ihm die Verleihung des Grafentitels etntrug. Zum Reichskanzler wurde Bülow am 17. Oktober 1900 als Nachfolger des Fürsten Hohenlohe ernannt. Er hat dieses Amt und gleichzeitig das Amt des preußischen Ministerpräsidenten neun Jahre, bis 1909, innegehabt und damit von allen Nachfolgern Bismarcks die längste Amts dauer als Reichskanzler erreicht. Vor etwa einem Jahre ist dem Fürsten Bülow seine langjährige Lebensgefährtin durch den Tod entrissen worden. Tie Fürstin Bülow entstammte einem alten italienischen Adelsgeschlecht, dem Hause der Principi di Camporeale. In erster Ehe war sie mir einem Grafen Tönhvff ver heiratet, doch wurde diese durch Scheidung gelöst. 1886 heiratete sie den damaligen Botschaftsrat v. Bülow. Das Zwickauer Todesurteil veWgt. Die Entscheidung deS Reichsgerichts. Der 1. Strassenat des Reichsgerichts behandelte in seiner Sitzung die Revision des Hilfsheizers Erich Zäun er, der am 6. Aug. d. I. vom Schwurgericht Zwickau zum Tode verurteilt worden war- Der An geklagte war, was bei solchen Verhandlungen eigent lich nicht üblich ist, persönlich erschienen. Er wurde von zwei Ziviltransporteuren geleitet, nahm aber daS Recht, sich zu äußern, nicht in Anspruch. Der Tat bestand ist kurz folgender: Zäuner hat am 13. März 1929 sein wenige Mo nate altes, uneheliches Kind mit Schwefelsäure ver giftet. Zäuner versuchte zunächst die Mutter des Kindes und deren Angchörtge davon zu überzeu gen, Laß das Kin- eine MauS verschluckt habe. Ein sofort herbeigeholter Arzt stellte aber bald die Todes ursache fest. Der Verdacht -er Täterschaft richtete ssth gegen -en Angeklagten. Zäuner zeigte nach der Lat nicht das geringste Bedauern über den Tod des Kindes, sondern er rechnete sofort aus, wie viel er jetzt Unterhaltungskosten sparen könnte. Die von Zäuner gegen das Urteil eingelegte Re- vtfion hat jetzt -er erste Strafsenat des Reichsgerichtes verworfen, da die vorgebrachte Berfahrensbeschwerde nicht durchgreifend sei und die Begründung des Ur teils keinen Widerspruch enthalte. Das Todesur teil ist damit rechtskräftig aeworden. Sanlfuflon md Personalabbau. Die Lan-eskirche zur Lebensfrage der Bank» angestellte«. Das evangelisch - lutherische Lanbeskonststoriu« yat an die Deutsche Bank, Filiale Dresden und a« die Direktion der DiSconto-Gesellschaft. Filiale Dres den, folgendes Schreiben gerichtet: „Unter dem starken Eindruck der Fusionierung der Discontogesellschaft und der Deutschen Bank uno der Auswirkungen dieser Maßnahme für die Lebens frage vieler Bankangestellter fühlen wir unk als Leiter der Landeskirche zur Stellungnahme ge- -rängt. Es muß uns natürlich fern liegen, die Berechtigung solcher entscheidenden Maßnahmen zu erörtern, wis sen wir ja auch, daß nach der Meinung sachverständi ger Urteile die erwähnte Fusionierung ein notwen diges, freilich besonders tiefgreifendes Ereignis in der schweren Krise der Gegenwarts-Wirtschaft darstellt Aber in dem Gefühl unserer ernsten Verantwortung für die Geltendmachung der christlich-sittlichen Grund: ,aye nn ofsemnq)en Leven und für die Betonung oer menschlich-persönlichen Werte auch im Wirtschafts eben und in der lebhaften Erkenntnis, daß die wtrt- chaftliche Gefährdung undMnsicherheit auch für die iche und innere Bedeutung der Menschen die ern- testen Folgen haben kann, dürfen wir vertrauens- voll bitten, bei der großen Umgestaltung im Bank» wese« die Sorge für das dabei bedrohte Dasein der Angestellten nicht unbeachtet zu laste« u«d besouders bei der Verfügung des Abbaues die persönlichen Ver hältnisse der Beteiligten berücksichtigen z« «ollen. Namens der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens, öaö Landeskonsistorium, gez. Dr. Seelen.* Sprilschieber vor Gericht. Strafprozeß wegen Hinterziehung von Mouopol- avgaben. Vor dem Gemeinsamen Schöffengericht Dresden findet zurzeit ein großer Strafprozeß wegen Hinter ziehung von Monopolabgaben bzw. wegen Vergehens gegen das Branntwetnsteuergesetz statt. Die Anklage richtet sich gegen den 48 Jahre alten Kaufmann un- vormaligen technischen Direktor der Firma Woldemar Schmitt, Willi Kraege, und drei Angestellte die ser Firma. Es sind dies der 47 Jahre alte Betriebs leiter Arthur Johne, der 55 Jahre alte Werkmeister Friedrich Rentzsch und der 47 Jahre alte Brenner Hermann Patzing, sämtlich bisher unbestraft. Nach dem Eröffnungsbeschluß wird Kraege beschul, digt, als technischer Direktor der vorgenannten Firma in den Jahren 1923-1024 von auswärtigen Firmen größere Mengen Franzbranntwein bezogen zu haben, der von der Reichsmonopvlverwaltung für kosmetische Zwecke zu wesentlich verbilligten Preisen, und zwar das Liter zu 1 RM. abgegeben wurde. Dieser Franz branntwein war zum Teil vergällt. Die Mitange klagten werden der Mithilfe zur Hinterziehung der Monopolabgaben beschuldigt, indem sie auf-Auor-nuug Kraeges das Bergällungömittel ausschiedeu, damit der Sprit für die Herstellung von Trinkbranntwein ver wendet werden konnte. Soweit die behördliche» Er mittlungen ergeben haben, wurden 81 200 Liter preis ermäßigten Franzbranntweins bezogen und damit die Einnahme des Reiches um 82 400 RM. geschädigt. Der Hauptangeschuldigte Kraege, der 30 Jahre in dem Dienste der Firma gestanden hatte, ist wegen die ser Vorkommnisse Anfang 1925 ausgeschieden. Das Hauptzollamt Dresden hat sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen. Aus Stadt und Land. Zwei Bauernhöfe in Flammen aufgegangen. In den frühen Morgenstunden kam in dem Dorfe Eck horst (Kreis Eutin) ein Großfeuer aus. Das Anwesen des Landwirts Jsselhorst stand in Hellen Flommen. Tie Familie konnte, nur notdürftig bekleidet, das Wohn haus, das an allen Ecken brannte, verlassen. Bald darauf stürzte das massiv erbaute Haus vollkommen in sich zusammen. Mehrere Pferde, eine Anzahl Schweine und Kälber kamen in den Flammen um. Ebenso wurden große Mengen Getreide und Heu ver nichtet. Durch Funkenslug wurde dann auch das gegen überliegende Anwesen veS Landmannes Meins in Brand gesetzt und ebenfalls im Nu bis auf die Grundmauern eingeäschert. Tas Vieh konnte hier noch gerettet wer den. Groß ist der Verlust jedoch an Getreide und Fut termitteln. Ei» Bulle alS Mörder. In Wittichow bei Stargard in Pommern sollte ein Bulle auf den Hof geführt werden. Er riß ich aber los und lief aus eine Wiese. Als zwei Gutsleute, Vater und Sohn, ihn wieder einfangen wollten, wurden sie überrannt und so schwer verletzt, daß sie bald daraus starben. Ter Bulle wurde erschossen. SSO Schafe verbrannt. Turch ein Großseuer wur den auf dem Gute Karlshof bei Röbel 1. M. drei große Wirtschaftsgebäude etngeäschert. ToS Feuer dehnte sich mit großer Schnelligkeit aus. ES konnte nicht verhindert werden, daß mehr als 300 Schafe in den Flammen umkamen. Mehrere hundert Fuder Getreide und landwirtschaftliche Maschinen sind ebenfalls der- brannt. Naiv oder frech? Ter Aufenthalt des aus Bres lau geflüchteten Konkursverwalters Lohn ist jetzt durch nn Telephongespräch der Polizei bekannt geworden. Ein Rechtsanwalt in einer benachbarten Landeshaupt stadt fragte beim Abwesenheitspfleger CohnS an, ob man bereit sei, Cohn bis Breslau freies Geleit -uzu- sagen. Die Staatsanwaltschaft wird sich jetzt über diesen Antrag Müssig werden. Inzwischen ist bn der StaatS- anwaltschast eine wettere Anzeige gegen den Flüch tigen eingegangen. Eine Firma, deren Konkurs Cohn verwaltete, beschuldigt ihn, Außenstände von 30 0ÜÜ Mark veruntreut zu haben. , Bei lebendigem Leibe verbrannt. In der Nähe von Moulins in Frankreich, brach in dem alten Schloß Montaret ein Brand aus. Der 73 Jahre alte Schloßbesitzer wurde durch den Rauch aufmerksam, stürzte aus den Hof und gab dort Alarm. Er drang noch einmal i» das brennende Schloß ein, um seine Wertgegenstände zu retten. Hierbei wurde « von berabfallenden Bakken eingeklemmt und verbrannte le bendigen Leibes. Bor den Augen des Vaters abgestürzt. In der Nähe von Nancy stürzte der französische Flieger offizier Thiriot, der von Straßburg aus in seinem Flugzeug seine Verwandten besuchen wollte, tödlich ab. Ter Vater des Verunglückten, Major Thiriot, war Augenzeuge der Katastrophe. Er eilt« sofort hinzu, konnte aber den Sohn nur noch als Leiche bergen. veutny« Schwimmdock t« Südslawien einge troffen. In Cattaro sind zwei deutsche Schlepper mit dem großen Schwimmdock eingetroffen, das von Deutschland aus Reparationskonto an Südslawien ge liefert wurde. Tas Dock ist mit den modernsten Er rungenschaften der Schissbautechnik, besonders zur He bung und Reinigung von großen Schissen, ausgestattet, so daß nun die südslawischen Schisse zur Ausbesserung nicht mehr ins Ausland geschickt werden müssen. TaS. Dock wird dem Arsenal der südslawischen Kriegsmarine einverleibt. Schlägereien zwischen Hindus und Mohammeda nern. In Bombay ist es zwischen Hindus und Mos lems in der Nähe des mohammedanischen Wohnviertels zu schweren Ausschreitungen gekommen. Verschiedene Mohammedaner wurden in ihren Wohnungen von Hin dus überfallen. Mohammedanern gehörende Geschäfte und Gasthöfe wurden zum Teil zerstört und ausgeplündert. Im Verlause der Unruhen sollen ins gesamt 30 Mohammedaner verletzt worden sein, ver schiedene von ihnen lebensgefährlich. 20 Hindus sind von der Polizei verhaftet worden. Tie Ruhe wurde inzwischen wieder hergestellt. SchiffSunfälle auf dem Schwarzen Meer. Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, sind infolge des auf dem Schwarzen Meere herrschenden starken Nebels in den Dardanellen und an der türkischen Küste des Schwarzen Meeres viele kleinere Schiffe gesunken, wäh rend mehrere Tampser Schaden erlitten haben. Der französische Dampfer „Ile oe Toulon" hat Schiffbruch erlitten. Tie türfisch« Nacht „Odaverdi" ist auf den Felsen von Achetisa ausgelaufen und gesunken. Tie Mannschaft konnte gerettet werden. Kleine Nachrichten. * Der 20 000 B.R.T. große Luxusdampfer „Resolute" der Hamburg—Amerika-Ltnie, der seit sechs Jahren regel mäßig in der Zeit von Anfang Januar bis Ende Mai eine Vergnügungs- und Erholungsreise um die Erde durchführt, wird auch Anfang 1930 eine Weltfahrt unternehmen. * In Kruft bei Andernach stürzte eine Straße, auf der ein Kraftwagen fuhr, plötzlich ein. Man entdeckte unter irdische Gänge, di« aus der Römerzeit stammen. ES wurde festgestellt, daß fast unter dem ganzen Ort unterirdische Gänge liegen. * In Bussum in Holland wurden fünf Deutsche an gehalten, die fast aller Mittel entblößt waren. Sie waren nach Holland gekommen, um Arbeit zu suchen und wurden, da sie keine Mittel zu ihrem Unterhalt hatten, in die Heimat zurückgesandt. * Das zu einem Afrikaflug in Croydon gestartete Flugzeug, über dessen Verbleib angesichts des Sturmes über dem Kanal große Besorgnis herrschte, ist in Paris ein getroffen. * Während der Probefahrten des englischen Luft schiffes „R. 101" ist an einem der Motoren ein kleiner Schaden entstanden. Die weiter in Aussicht genommenen Fahrten sind infolgedessen für die nächste Zeit aufgehoben worden. Arno Holz Ter Erfinder der neuen Berskunst. Im 67. Lebensjahre ist in Berlin der am 26. ! Avril 1863 in Nastenburg in Ostpreußen geborene ! Dichter und Schriftsteller Arno Holz an einer Nieren schrumpfung gestorben. Arno Holz, der Mann, der in einem Dachgeschoß in Berlin als Theoretiker die „Makulaturprofessoren" bekämpfte, war der Erfinder der neuen Verskunst, die radikal mit der bisherigen Lyrik brach. Das Bild seines Wirkens auf diesem Gebiete schwankte bisher in der Geschichte und wird schwanken, denn Holz war ein Verkannter und — fühlte sich selbst auch al ber Verkannte, der ungeheuer naiv zusammengehauene l Dramen schrieb, die entweder von den Bühnen nie mals angenommen oder nicht gespielt oder verstüm melt herausgebracht wurden und untergingen." Und doch liegt eine ungeheure Arbeit in seinem Schaffen. Man lese den „TraumuluS", den „Phanta- suS", die „Sonnenfinsternis", die „Blechschmtede", und man wird erkennen, daß er dabingegangen ist als einer.