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Beilage zur Weifzeritz-Zeitung Rr 246 Montag, am 21. Ottober 1929 SS. Jahrgang Chronik des Tages. — Der - Preußisch« Landtag tritt am Mttwoch zur Kornahme von Abstimmungen zusammen. — Die leitenden Beamten der Minderheitenabteilung des Völkerbundes begaben sich am heutigen Montag von Oberschlesien nach Ostoberschlesien. — Der amerikanische Präsident Hoover wandte sich in einer öffentlichen Erklärung gegen die Hatzinschrift an der Universität Löwen. — Die chinesischen Generale rüsten wieder offen zum Bürgerkrieg. — Ter Inhaber der Königsberger Fahrradfirma Dr. Edgar Spiro u. Co., Dr. Spiro, ist nach großen Betrüge reien flüchtig geworden. — In der Nähe von Soufis in Griechenland sind durch heftige Regengüsse zwei Eisenbahnbrücken vollkommen unterspült worden, so daß der Verkehr zwischen Konstanti nopel und Saloniki zur Zeit unterbrochen rst. Verkehrsfrage» -es Ostens Von Max Menzel. Durch die sogenannten Friedensverträge sind an der deutschen Ostgrenze Verhältnisse geschaffen wor den, die dringend einer kräftigen Remedur bedürfen. Allein durch die im Versailler Vertrag vorgesehene Regelung der deutschen Ostgrenze sind nicht weniger als 70 Eisenbahnstrecken durchschnitten worden. Die Abtrennung Ostpreußens vom Reiche hat einen Zustand geschaffen, bet dem das ostpreußische Eisen bahnnetz mit demjenigen des übrigen Deutschland nur durch Verbindungen über rein polnische Strecken funk tionieren kann! Der wichtige Wirtschastskomplex Danzigs ist außerdem sowohl vom Reiche, als auch von Ostpreußen abgeschnrtten und nur nach Ueberwin- dung bedeutender Schwierigkeiten in Verbindung mit seinem natürlichen Hinterlands zu bringen. Die eigen artige Struktur des ostpreutzischen Wirtschaftslebens bedingt aber ein« möglichst innige Verkettung mlt der deutschen Gesamtwirtschaft, soll hier aus der vor geschobenen Plattform nicht alles Kultur- und Wirt schaftsleben der Verkümmerung und dem Absterben ausgesetzt werden. Gewiß sind in den letzten Jahren durch eine ganze Reihe von Derkehrsabkommen mit den beteiligten Ländern Erleichterungen gegenüber dem Zustand in der ersten Nachkriegszeit geschaffen worden. Trotzdem lassen sich selbst unter Weglassung aller poli tischen Gesichtspunkte noch wesentliche Verbesserungen erreichen. Bet der gegebenen Sachlage ist es klar und ver ständlich, wenn die ostpreußifche Bevölkerung von den Leitungen unserer großen deutschen VerkehrS- institute ein besonderes Verständnis für ihre schwie rige Lage erwartet. Es ist wohl lediglich aus den starken wirtschaftlichen Druck zurückzuführen, bäß erst in letzter Zeit ein spürbares Eingehen aus üstpreu- ßische Nöte festgestellt werden kann. So hat die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft mit der vor wenigen Wochen erfolgten Indienststellung des neuen Königs berger Bahnhofes und der im Zusammenhang damit geschaffenen Umgestaltung der gesamten Königsberger Bahnanlagen einen schönen Beweis dafür erbracht, wie eine Gesamtheit einem besonders notleidenden Teile zu helfen vermag. Besondere Verkehrsverhältnisse bestehen in Ost preußen nicht nur infolge seiner abgetrennten Lage, sondern auch im Hinblick auf das Klima. Vor allem der letzte harte Winter, der Erscheinungen mit sich brachte, wie sie in den letzten 80 Jahren im Osten nicht mehr festgestellt wurden, stellte die Verkehrs abwicklung vor außerordentlich schwierige Ausgaben. Es ist der Reichsbahn hoch anzurechnen, daß, von geringen Ausnahmen abgesehen, der Verkehr in nor malem Umfange aufrechterhalten werden konnte. Weit größere Schwierigkeiten entstanden dem Fahr-, ins besondere dem Kraftwagenverkehr auf den verschnei ten Landstraßen. Hier mutz an die Finanzbehörden das dringende Ersuchen gerichtet werden, den Fahr zeughaltern, die an der Benutzung ihrer Kraftwagen durch den Zustand der Landstraßen verhindert sind, in steuerlicher Hinsicht mehr Erleichterungen zu teil werden zu lassen, als das im letzten Jahre der Fall gewesen ist. Leider sind die ostpreutzischen Land- stratzen so gut wie gar nicht auf den Autoverkehr eingestellt. Ihr Zustand schreit dringend nach Ab hilfe. Es müssen gute Kunststraßen aus Beton oder mit Teer und Splittoberdecke hergestellt werden. Die Reichspost hat den Zuleitungsverkehr zu, Eisenbahn durch Postkraftwagen in großzügiger Weis, organisiert. Gerade im verkehrsarmen Osten rst durck di« Bereitstellung von Mitteln aus dem Gesamtauf- kommen dafür zu sorgen, daß die schwer erreichbaren Gegenden besser bedient werden. Die Verkraftung bei Landpostwesens mit der vorgesehenen Personenbeför derung kann in schwach bevölkerten Gebietsteilen eiv gutes Mittel zur Beförderung von Reisenden jein n2Ä?räumt werden müßte noch mit der unterschied lichen Preisbemessung bei den Kraftposten. werden muß vielleicht noch die allzu der Fremdenverkehrswerbung, die Platz machen sollte, n/ei groA Parok: Reise nach dem deutschen Osten" L "OH S» wenig zu vernehmen. b"^et Ostpreußen dem Naturfreund manches Zenden entehren müssen. Oke vom Reich zwischen Swinemünde, Zoppot, Pillau und Memel eingerichtete Schiffsverbindung Lat sich übri gens in vollem Umfange bewährt. Meuterei am Jangtse. Chinesische Regierungstruppen plün-s dern die Stadt Wuhu. — London, oen 21. Oktober. Die Garnison der chinesischen Stadt Wuhu am Uangtse hat gemeutert. Die Regierung in Nanking entsandte sofort starke Truppenabteilungen, um die Meuterer niederznkämpfen. Die Kämpfe zwischen de» Menterern nnd der Strasexpeditiou erstreckten sich über zwei Tage, Am Abend des erste« Tages beherrsch ten die Aufständischen noch die Stadt Wuhu. Zum Schutze der Ausländer entsandten die Engländer, die Amerikaner und die Japaner je ein Kanonenboot; ein weiteres englisches Kanonenboot lag beim Ausbruch »er Unruhe» vor der britischen Kolonie in Wulm vor Anker. lieber die Einzelheiten der Meuterei werden fol gende Mitteilungen gemacht: Die chinesischen Truppen in Wuhu hatten am Abend vor der Meuterei den Kaufleuten ein Ultimatum überreicht, in dem sie die Zahlung einer Summe von 120 000 Mark forderten. Als dieses Geld von der Bevölkerung ausgebracht wor den war, stellte die Garnison «ine neue Forderung in Höhe von 200 000 Mark. Nach der Ablehnung dieses zweiten Ultimatums gingen die Soldaten gegen drei Uhr morgens daran, die Geschäfte und die Häu ser zu plündern. Nach Ausbruch der Unruhen versammelten sich die Europäer an der Wasserfront, wo sie von den dort liegenden Schiffen an Bord genommen wurden. Die Missionare weigerten sich jedoch, ihre Posten zu verlassen. Zum Schutz der fremden Niederlassung setzte ein Kanonenboot eine Abteilung Marinesoldaten an Land. * Kommt es doch zum Bürgerkrieg? Tschangkaischek übernimmt den Oberbefehl. — Tschang« fakwat marschiert t« Hanan ei«. Die Bemühungen des französischen Staatspräsi denten Tschangkaischek um «inen Ausgleich der Diffe renzen IchÄnen noch keinen Durch schämenden Erfolg gehabt zu haben. Es werden neue Vorbereitungen zum Kampf« gemeldet! Nachrichten aus 'Schanghai zufolge hat Tschangkaischek wieder den Oberbefehl über die Regierungstruppen übernommen nnd Ilch mit 15 000 Mann auserwählter Truppen in Ätzung Hankau begeben, um die Sache der RUierung zu verteidigen. General Tschangfakwei, der Befehlshaber der sogenannten Eisernen Division, der Suf Seiten Fengs steht, marschiert gegenwärtig in die Provinz Honan ekn. Feng auf dem Vormarsch. Die chinesische« Regierungstrnppen räumen Hanka« — Die Meuterer in Wuhu von Japanern entwaffnet. Die Lage der Nankinger Regierung gestaltet sich immer bedrohlicher. Die größte Gefahr droht offen bar von dem Marschall Feng, der bereits den Vor marsch aus Nanking angetreten und die chinesischen Regierungstruppen zum Rückzug gezwungen hat. Nach einer Mitteilung des chinesischen Kriegs- ministerinms waren die Truppen Tfchangkaischeks nach 27stündigem Kampf mit de» Truppen Fengs gezwun gen, Tschangtschau, das zwischen Hankau und Tient sin liegt, zu räume». Tschangtscha» wurde am Sonn abend von den Truppen Fengs besetzt. Die chine sischen Rcgierungstruppen habe» mit der Räumung Hankaus begonnen. In der Stadt Wuhu am Uangtse, deren Gar nison gemeutert und einzeln« Stadtteile geplündert hatte, ist die Ruhe wieder hergestellt. Di« Japaner hatten 400 Matrosen gelandet, die Stadt- und Re- grerungsgcbäude besetzt und die chinesischen Truppen entwaffnet. Was Stahlhelm-VerboL. Ein Brief des Reichskanzlers an d,e deutschnatioirale Reichstagsfraktion. Im Zusammenhang mit der Auflösung der Stahl- heunorganisationen im Rheinland und in Westfalen richtete Reichskanzler Müller ein Schreiben an die veutschnationale Reichstagsfraktion. in dem es ü. a. heißt: „Eine Nachprüfung der von der „Reichsregierung" uklärten Zustimmung zu dem Verbot des Stahlhelms durch »en Herrn preußischen Minister des Innern kommt nicht in Frage. Vorab bemerke ich, daß Ihre Ausfassung rechts- irrtümlich ist, wonach im vorliegenden Falle unter „Neichs- cegierung" die Gesamtheit der Reichsminister zu verstehen A. Auch in früheren Fällen, bei denen die Reichsminister ßülz und v. Keudell mitgewirkt haben, ist ebenso oer- whren worden. Ich darf ferner darauf Hinweisen, daß beim diesjährigen Verbot des Roten Frontkämpferbundes genau nach den gleichen Grundsätzen verfahren worden ist. Meine gufUmmung als die des für die Bestimmung der Richt- Unten der Politik zuständigen Reichskanzlers hat er voriger rmgeholt Darüber hinaus hat der Reichsminister des In- nern auch die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes nngeholt und seine Entscheidung erst getroffen, nachdem auch vom Auswärtigen Amte keine Bedenken geäußert worden sind. Die Geländespiele des Reichsbanners Schwarz- Rot-Gold tragen, wie dies der Politischen Einstellung des Reichsbanners entspricht, keinen militärischen Charakter im sinne des Gesetzes vom 21. März 1021/' Von zuständiger Stelle wird mitgeteilt, daß die in verschiedenen rheinischen und westfälischen Gemein den erfolgte Beschlagnahme von dem Stahlhelm ge hörenden Geldbeträgen sowie die Sperrung von Post scheckkonten des Stahlhelms wieder aufgehoben wurde. Die Beschiaanahme sei von den örtlichen Polizei- örden ohne Beauftragung von höherer Sette'hürW behörden ohne L geführt worden. Völkerbnndsbesuch 1« Ostoberschlefien. Minister Agui , die in der Woche Ober- Professor de Azearate, schlesien bereisten, La Montag Die leitenden Beamten der Minderheitenabtetluna des Völkerbundes, Minister Aguirre de Larcerund Steigender Ausfuhrüberschuß. So» 118 Milli»»«» Mark i« August auf 16« Mil. lionen Mark im September gestiegen. Nach den soeben veröffentlichten Ergebnissen des deutschen Außenhandels im September betrug die Ein fuhr im reinen Warenverkehr 1038 Millionen M., die Ausfuhr — einschließlich der ReparationSsach- lieserungen in Höhe von 67 Millionen Mark — 1204 Millionen Mark. Der Ausfuhrüberschuß beträgt somit im September 166 Millionen Marr; im Vor monat war ein Ausfuhrüberschuß von 118 Mil lionen Mark zu verzeichnen. Die Einfuhr ist gegenüber dem August um 34 Mil lionen Reichsmark zurückgegangen, und zwar hat die Ein fuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen nachgelassen, wäh rend diejenige von Fertigwaren wesentlich gestiegen ist. An der Ausfuhrsteigerung gegenüber dem Vormonat sind Lebensmittel, vorwiegend Getreide, beteiligt, dagegen ist di« Ausfuhr von Rohstoffen und halbfertigen Waren, sowie die von Fertigwaren leicht zurückgegangen. Freilassung in der Bombenaffäre, «eitere sechs Persone« au» der Haft entlasse«. — 1« Ä«gMagte «och t« Haft. In der Voruntersuchung wegen der Giwengstoff- auschläge sind am Sonnabend die gegen die Mitglieder der sogenannten Thimm-Gruppe, Erich Thimm, Herbert Mitteldorf, Kurt Roßtäusch«, Heinrich Bauder und Willy WilSke erlassenen Haftbefehle vom Unter suchungsrichter aufgehoben worden. Der Unter suchungsrichter erachtet den gegen sie bestehenden Verdacht» an einer Verabredung zur Begehung von Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen zu sein, nach den bisherigen eingehenden Ermittlungen nicht mehr als so dringend, daß eine weitere Festhaltung geboten erscheint. Auf di« von Herbert Plaatz gegen den ableh nenden Beschluß der dritten Strafkammer des Land gerichts 1 eingelegte w«ttere Beschwerde hat der 3. Straffenat des Kammergerichts den gegen Plaaß er lassenen Haftbefehl aufgehoben. Gegen sämtliche in dieser Angelegenheit aus der Untersuchungshaft Entlassenen besteht jedoch der Tat verdacht fort. Die Untersuchung nimmt ihren Fort gang. Zur Zeit befinden sich noch 14 Personen in dieser Sache in Untersuchungshaft. Gegen das Volksbegehren. Eine Erklärung führender Persönlichkeiten an» Wirt schaft und Wissenschaft. Eine große Anzahl namhafter Persönlichkeiten oes deutschen öffentlichen Lebens, insbesondere der Wirtschaft und der Wissenschaft, nimmt in folgender Erklärung gegen das Volksbegehren Stellung: „Ne: voller Würdigung des national«» Wider- standswillens, der in Par. 1 und 2 des BolkSbeaeL- rens nach Ausdruck ringt, sehen «Kr den vora^chla- genen Gesetzen ' ««d namentlich sein« Par" 3 u»v.. 4 f»r die F unserer Autzenpolitik als schädlich am Paragraphen wollen di« Lei- ter der dcuhch«» Außenpolitik, wer Ire i» Zukunft auch sei» mögen, in ihrer Handlungsfreiheit durch dessen AusKÄg schließ- »ich den, Strafrichter znfallen soll. Ein »nmög. lecher Zustand. Das Ergebnis der Uoungverhandlungen in Paris und im Haag befriedigt auch uns nicht, so sehr wir die großen und ehrlichen Bemühungen der deutschen Unterhändler anerkennen. Aber ein Erfolg des Volks begehrens würde alle Bestrebungen auf Besserung der deutschen Lage für jede absehbare Zeit vereiteln. Wir halten daher die Ablehnung des Volksbegehrens für den richtigen Dienst am Vaterland«." Bon den zahlreichen Unterzeichnern dA,Aufrufs seien folgende genannt: Der ehemalige Reich«mnz-- ler Dr. Luther, die früheren Reichsminister Mett, LLVLSAiLL« LSL"- A W-- die Industriellen C. F- v. Siemens, Geheimrat v Opel Dr. Silverberg, Präsident Witthoest- Lmmbura, Geh.-Rat Stimming-Bremen, Präsident Fr. v Mendelssohn-Berlin, Dr. Eckener-Jriedrtchshafen, die Universitätsprofessoren Nernst und Planck, Admiral Zenter, General Reinhardt u. a. Kanzlerrede in Nürnberg. Reichskanzler Müller sprach auf dem sozial-