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Beilage zur Wetheritz-Zeitung Sonnabend, am 19. Oktober 1929 95. Jahrgang Nr. 245 *-RLtLröAerL ^alrksüee aus, Sa M'r l« Kochbuch: nicht »ukübeMhnl, öen kLÄr-mer? son-M Elche Nuuten Scharfrichter und Geschäft. Wie die Scharfrichter den Aberglauben ansnützten. Bon Justizoberinspektor Kari Fuchs (Neuß). In frühester Zeit war das Amt des Scharfrichters eine Würde, um die sich zwar niemand bewarb, der sich aber niemand entzog. Ais man jedoch im 13. Jahrhundert auch in Deutschland an dem unseligen Hexenwahn erkrankte und dazu überging, die .Hexen durch ein willkürliches und grausames Prozeßverfah ren auszurotten, sand sich für den Henker soviel Arbeit vor, daß es notwendig wurde, besoldete Scharf richter anzustellen. ' Dem berufsmäßigen Henker waren die Bürger- rechte versagt, er galt als verfemt und mit dem Makel der Unehrlichkeit behaftet. an Bord geholt". Seitdem hat sich die Diskussion zu einer beinahe privaten Unterhaltung zwischen dem Siemenskonzern und der A. E. G. zugespttzt. Ein näheres Eingehen auf diese Auseinander setzungen erübrigt sich; Einigkeit muß jedoch darüber; bestehen, daß bei der Hereinnahme ausländischer Gel der unter allen Umständen dafür gesorgt wird, daß di« Leitung des Unternehmens 'freie Hand behält. Der Pionierwille der deutschen Industrie, von dem mit in erster Linie die Förderung unserer Aus fuhr abhängt, darf nicht lahmgelegt werden! Treibende Kräfte. Ueberall in der Welt sind gewaltige, treibende Kräfte am Werke. Ohne diese Kräfte geschieht nichts, regt sich nichts. Aus der Natur hat der Mensch sie in seinen Dienst genommen und sich seinen Zwecken untertan gemacht. Ein großer Teil dessen, was ivir Kultur nennen, ist dadurch geworden. Auch im Menschen wirken Naturkräfte. Wir fol- zen bei unserem Tun ost genug unseren natürlichen Trieben und lassen uns zu bestimmten Entschlüssen treiben. Es hat einer gesagt: Hunger und Liebe sind vas Weltgetriebe. Das trifft für vieles zu, doch nicht für alles. Es gibt noch andere Triebkräfte, Antriebe zu gro ßen Taten, Antrieb auch zu großen Torheiten. Da sind Wissensdurst, Schaffensdrang, Forscherlust, aber da sind auch Ehrgeiz, Ruhmsucht, Gewinnsucht, Ge nußsucht, und wie die niederen sinnlichen Triebe alle heißen mögen. Viele Menschen kennen überhaupt keine anderen und edleren Beweggründe für ihr Tun und Lassen. Ja, werden wir nicht alle oft genug Werk zeug und Opfer solcher niederen Triebe? In eine ganz andere Welt versetzt das Bibelwort, das der Menschheit zuruft: „Welche der Geist Gotte? treibt, die sind Gottes Kinder!" Das ist ein Wort, das die Frage weckt, die jedem ernsten und besinn lichen Menschen zu schaffen macht, und hineinleuchtet bis in die innerste und geheimnisvollste Werkstatt unseres Lebens, die Frage: Was ist die treibende Kraft in uns? Stark ist die Liebe, stärker der Haß, am stärksten die Selbstsucht im natürlichen Menschen, den die Erd- kräfte treiben. Wer ein Kind Gottes ist, kennt nur; noch eine Kraft, der alle anderen sich unterordnen müssen: Den in ihm lebendigen Gotteswillen, der aufwärts führt, im besten und tiefsten Sinne des Wortes. Scherz und Ernst. tk. Wie reich Vie Welt an Gold ist. Wie rekch die Welt an Gold ist, wissen die wenigsten Menschen; z. B. birgt das gesamte Meerwasser ö tt. - 70 Milliarden Kilo Gold in sich: diesA Gold ist aber für uns unfaßbar, »veil es chemisch gebunden ist. Wir essen sogar täglich Gold. Eine holländische Zeit schrift teilt über diese Tatsache, di« nur weniger be kannt sein dürfte, folgendes mit: 150 Gramm Haser- locken enthalten ein Zehntel Mlligramm Gold, ebenso 100 Gramm Roggenbrot und 100 Gramm Haselnüsse. M einem Kilo Menschenblut befinden sich 0,4 Milli gramm Gold und in einem Kilo Rinderleber 0,2 Milli gramm. Am meisten aber kamen Goldsucher aus ihr« Rechnung beim Rinderhirn. DL weist das Kilo nickst weniger als 14 Milligramm Gold auf. - ves Scharfrichters, denn er verstand nicht nur mei sterlich das große Richtschwert zu führen, sondern «v war auch ein Meister in der Ausbeutung des Abev- glaubens, mit dem ihn das Volk umgeben hatte. Infolge seiner Ausstoßung aus der menschlichen Gesellschaft war die Ausnutzung dieser Geldquäle aber auch Mr ihn der einzige Weg, nm Besitz zu erwerben, der ihn in die Lage Werkzeuge aus der langung eines Gnadenbriests ein „ehrliches" Leben führen zu können. Zur einsamen Behausung des Scharfrichters schlich in tiefer Vermummulm der verfchnÄH« Lieb haber, um dort gegen bares Geld den sicher wirkenden Liebestrank zu erstehM, oer ihm das Herz Her Angebeteten zuwenden sollte; hier übte sich die treu los Verlassene in der schwierigen Kunst des Nestel knüpfens, in der Herstellung stneS unter bestimm ten Zeremonien geknüpften Zaüberknotens, Den Ver gil als „die Fesseln der Venus" bezeichnet hat. Der Scharfrichter allein war in der Lage, die Finger eines gehängten Diebes zu beschaffen, deren Besitz mit Sicherheit vor dem Galgen bewahrte urck Glück bei allen Unternehmungen brachte. Wurde de« Finger in ein Faß gehängt, so gab dieses den doppel ten Inhalt Her und der Wein wurde wohlschmeckender. Fuhrleute waren schon mit dem Fingernagel eines Gehängten zufrieden, denn dieser machte, in den Peitschenstiel geflochten, die Peitsche so scharf, daß jedes gestürzte Pferd durch die Schläge wieder auf die Beine kam. Für teures Geld verkaufte der Scharfrichter di« Splitter des Stabes, der bei dem Urteils spruch über den Sünder gebrochen worden war, denn diese Splitter brachten Linderung aller Schmerzen. Der Besitz des Strickes eines Gehängten brachte Glück und geschäftliche Erfolge. Weil daS Seil sehr begehrt war und hoch im Preis, stand, be gnügte man sich schon mit einem Stückchen dieses kost baren Stranges und dichtete ihm die gleiche Kraft an. Selbst die Haut eines Gehängten war dem Aberglauben ausgeliesert; durch Auslegen einzelner Stücke glaubte man, Gicht, Rheumatismus, besonders aber den Hexenschuß heilen zu können; Henn dieser war dadurch entstanden, daß eine Hexe «in schmerz haftes Albgeschoß, etwa Nägel oder Nadeln, in den Körver des Erkrankten geschossen batte. Ein ganz besonderer Saft war von jeher das Blut, insbesondere aber das Blut eines Gerichte ten, und heute können wir es kaum verstehen, daß erst 100 Jahre darüber vergangen sind, daß der Scharfrichter das dem Hals des Enthaupteten ent strömende Blut in Gläsern auffing und den zahlreich erschienenen, an Fallsucht Erkrankten unter den Augen der Obrigkeit als Heiltrunk verkaufte. Besondere Geschäststüchtigkeit besaß zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges der Scharfrichter von Passau. Er verkaufte den Soldaten talergroße, mit wunder lichen Figuren bezeichnete Papierblättchen, die, unter geheim gehaltenen Prozeduren verschluckt, gegen Kugel und Säbel „festmachten". Noch in den letzten Kriegen fand man bet Soldaten derartige, aus bloßem Leib ge tragene Schutzmittel, die an die Passauer Kunst er innern. Nur der Scharfrichter war in der Lage, die Al raune, das unter dem Galgen wachsende Galgen männchen, zu graben. Er verkaufte es für teures Geld, das gerne gezahlt wurde, denn dieser seltnen! Wurzel hatte der Aberglaube Zauberkraft angedichtet. Insbesondere bewahrte der Besitz vor UnglückSfällen. hängen seltsam ausgeputzte der Mrarrnenwurzel ähnliche Gebilde an seidener Kordel als Schutzpuppe in ^reichen Autos. In unsere« aufgellLÄen Zeit ist natürlich für Aberglauben kein Pilch mehr, aber A könnte doch einmal, womöglich noch «n einem Freitag, eine schwarze Katze Wer den Weg laufen '7,,'!"nArufen", natürlich - und schnell ist ein Un-, ßMck da, also läßt man am besten das reizende Mascottchen doch noch im Rückfenster des Autos hangen. Jo kann man in zahlreichen Fällen die Wurzel» unserer Zeit bis in das finstere Abfolgen; seine Lebenszähigkeit er- ^li sich an An Rätseln, die Wett und Leben uns ?aig^ben. Das Nichtwissen füllt der Mensch mit Glau ben aus, reicht es aber zum Glauben nicht mehr dann trifft Geibels Wort zu: „Glaube, dem die Tür versagt, Steigt als Aberglaub' ins Fenster: Wenn die Götter ihr verjagt, Kommen die Gespenster." , > ^mR^Mchterei lag abseits der Stadt, häufig in der Nähe des Galgenberges und des Schindackers. Dieses waren seit jeher unheimliche Orte, an denen . der Aberglaube seine Triumphe feierte. Und doch z fanden viele, die bei Tage den Henker ängstlich wie- - den, bei Nacht und Nebel den Weg zur Behausung So kommt nämlich Eder—nichtige Kachmnetgeschmack ruk Geltung! Die Ueberfremdungsgefahr I — Berlin, den 18. Oktober. pgz. In den führenden Kreisen der deuttchen Industrie ist eine erregte und scharf zugespitzte Aus- prache über die Gefahr der Uebersremdung im Gange, leberfremdung liegt dann vor, wenn es ausländi- chen Industriellen gelungen ist, durch Auskauf deut- cher Firmen oder durch Mehrheitsbeteiltgrmgen an deutschen Unternehmen einen beherrschenden Einfluß auf diese Werke zu erlangen. Bekanntest die Beteiligung des Auslandes an der deutschen Mar garine-, an der Zündholz-, Grammophon-, Auto mobil-, Kugellager- und Schokoladenindustrie. > k Letzten Endes ist Ueberfremdung eine Teilerslkei- nung unserer Auslandsverschuldung. Diese wiederum ist auf zwei Ursachen zurückzuführen: auf die ungeheure Kapitalabzapfung durch die Tribut- zahlungen und aus den großen Kapitalbedarf der deutschen Wirtschaft. Der Kapitalbedarf wiederum ist Mtstanden, weil das deutsche Volk durch Rationali- sierungen die Ergiebigkeit seiner Arbeit m ebensol chem Maße steigern will, wie es die ausländische und insbesondere die amerikanische Konkurrenz getan Kat. Unsere eigene Kapitalbildung reicht nicht aus, um den aus diesem Willen entstehenden Kapitalbedarf der deutschen Wirtschaft zu decken. Man griff daher zu Ausländsanleihen und hat damit in allen Fällen richtig gehandelt, wo diese Ausländsanleihen zu einer Produktivitätssteigerung der deutschen Wirt schaft verwandt worden sind. In objektiv denkenden Kreisen der deutschen Wirt schaftsführer und der Wirtschaftspolitiker ist man sich darüber einig, daß produktiv angelegte Aus- landskredite für Deutschland notwendig und auch nützlich sind! Zuletzt hat der Enqueteausschuß des Reichstags in seinem bekannten Gutachten über die Reichsbankpolitik Dr. Schachts, der sich in den letz ten Jahren gegenüber Auslandskrediten oftmals all zu unfreundlich verhielt, diese Auffassung bestätigt. Die gegenwärtige Diskussion in Jndustriekreisen dreht sich jedoch nicht um die Frage fitr oder gegen Hereinnahme von Auslandskapital. Zur Diskussion steht vielmehr, welche Form des Auslandskredite? für die deutsche Wirtschaft das kleinere Uebel ist. In der Hauptsache kann man drei Formen der Kapitaleinfuhr nach Deutschland unterscheiden, und zwar langfristige Ausländsanleihen, kurzfristige Kre dite und Beteiligungen an deutschen Werken, also Aktienübernahmen. In den letzten Jahren herrschten die langfristigen Anleihen vor. Bedenklich groß — bedenklich deshalb, weil Kapitalabzug durch das Aus land von Tag zu Tag erfolgen kann — ist die kurz fristige Verschuldung der deutschen Wirtschaft. Wie derum herrscht darüber keine Meinungsverschiedenheit, daß alles getan werden muß, um Diese kurzfristige Verschuldung abzubauen! Der Streit, der heute im Gange ist, entstand um die dritte Form, die Kapitalbeteiligung des Auslandes an deutschen Werken. Das praktische Wirt schaftsleben hat in den beiden letzten Jahren einen so brutalen Anschauungsunterricht über die möglichen Formen der Kapitalbeteiligung des Auslandes au deutschen Unternehmungen erteilt, daß uns erst in dieser Phase das Wesen des Ueberfremdungsproblems der deutschen Industrie so recht klar geworden ist. Die Kapitalbeteiligung des Auslandes erwies sich näm lich nicht nur als ein finanrtewniscker Voraana. mo del das fremde Kapital nur mit dem Anspruch auf Sicherheit und Rente aufgetreten wäre. Man er blickte hinter dem nach Deutschland kommenden Ka pital einen fremden unternehmerischen Willen, und nun erhob sich die Frage: „Ist es gut für die deutsche Wirtschaft, wenn nicht nur ausländisches Kapital in ihr arbeitet, sondern auch ein ausländischer Unterneh. mer nach seinen egoistischen kaufmännischen Erwä gungen ganze Industriezweige in Deutschland be herrscht?" Diese Fragestellung trat zum ersten Male in ' deutschen Unternehmerkreisen auf der Düsseldorfer Tagung des Reichsverbandes der deutschen Industrie in den Vordergrund. Direktor Kehl, Vorstandsmit glied der Deutschen Bank, betonte in seinem Referat, daß es zweckmäßig wäre, das notwendige Kapital in viel größerem Umfange dis bisher in der Gestatt langfristiger und verantwortlicher Beteiligungen her einzunehmen. Generaldirektor Meinhard von Osram meinte, daß die Beteiligung des Auslandes an deut schen Unternehmungen durchaus zu befürworten sei, soweit es sich um M i n d e r h e i t s beteiligungen han del«. Nun trat Direktor Senkell von den Ver einigten Stahlwerken auf den Plan, gab ebenfalls zu, daß gegen eine gelegentlich« Abgabe kleinerer Aktien pakete an das Ausland nichts einzuwenden sei; wenn aber 30 bis 40 Prozent der Aktien eines Unter nehmens geschlossen in «ine ausländische Hand ge langen, sei die Gefahr groß, daß von dieser ge schlossenen Minderheit das Unternehmen beherrscht »Verde. Darauf fühlte sich Geheimrat Bücher von der A. E. G., di« kurz vorher eine solche Minder heitsbeteiligung an die amerikanisch« General Elec tric abgegeben hatte, betroffen. Er erklärte mit schneidender Stimme, daß die Frage, wer di« Füh- rimg habe von den Personen abhänge und nicht von der Höhe der Beteiligung. Eine neue Wendung in der Ueberfremdungsdis- kussion trat ein, als vor einigen Tagen der Auf- sichtSratsvorsitzende dA größten Konkurrenzunterneh mens der A. E. G., D. v. Siemen?, eine Rede hielt, s in der er ausführte, „manche Führer der einst so : stolzen Elektrotechnik Kälten das Steuer zu früh aus > der Hand gegeben und zu früh den fremden Lotsen