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Copyright by Martin Feuchtwanger, Halle (Saale) nur, zu befürchten." „Und wenn die gnädige Frau käme?" Da lachte Isolde schrill auf. „Ich wollte, sie würde es tun!" Hatz funkelte aus ihren Augen. Sie streckte ihre Hand Isolde hatte es verstanden, Klausen heimlich den Brief in die Hände zu schmuggeln, der ihn dringlich um eine Unterredung im Turnauschen Park ersuchte, und sie hatte ihm nur so viel milgeteilt, daß sie wußte, er würde sicher erscheinen. Zur bestimmten Stunde hatte Klausen sich am Rendez- vousplatz eingefunden. Als er vor Isolde von Kletten trat, die sehr blaß war, deren Augen aber seltsam funkelten, verbeugte er sich, zog den Hut und sagte: „Sie sehen, ich bin pünktlich zur Stelle." „Das sreut mich, Herr Klausen", erwiderte sie, ver gebens bemüht, ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu geben. „Bille, nehmen Sie neben mir Platz!" „Sie sind sicher, daß wir hier nicht überrascht werden?" fragte er, fuhr aber sogleich fort: „Ich frage töricht; denn Sie würden dies alles nicht wagen, hätten Sie nicht die Gewißheit, daß wir hier sicher sind." „Sie haben recht", gab Isolde zu. „Ich weiß, daß Turnau in Berlin ist, und außer ihm haben wir niemand vor, um den noch Zögernden neben sich niederzuziehen. Dann fuhr sie hastig fort: „Sie haben meinen Brief erhalten, Herr Klausen! WaS sagen Sie dazu?" „Vorläufig gar nichts. Ich muß erst wissen, mit wem ich das Vergnügen habe!" „Aber Sic kennen mich doch schon! Ich nannte Ihnen meinen Namen, als ich Sie das erste Mal aufsuchte: Isolde von Kletten. Damals hätten Sie wohl nicht vermutet, daß ich so schnell hinter Ihr Geheimnis kommen würde, wie?" Doch sie erwartete vergebens, daß er zornig sein Würde. Er blieb kühl wie bisher und erwiderte: „Welches Geheimnis, bitte?» Kaum aber war dies geschehet, da rang sich ein «schwacher Schrei über ihre Lippen. Berndt Klausen hatte diese Mappe doch schon benutzt:» — nur Vas' Nachdruck verboten^ hl über diese Frage, wie eS' wär«. Er antwortete ohne« Vormund geworden ist." Da preßte Käthe Turnau erblassend die Hand aufS; Herz, und leise kam eS über ihre Lippen: „O weh!" Bodenstein aber schien das nicht gehört zu haben. Er fragte auch nicht, warum sie diese Auskunft von ihm ver langt hatte; er lächelte und sagtet „Sie sollten sich mit solchen Dingen nicht beschäftigen, Kau Käthe. Äe sind häßlich und beschmutzen nur die "Seele." „Ja, das tun sie", murmelte Käthe, die sich alle Mühe- -ab, ihre tiefe Enttäuschung zu verbergen. In ihr flammte die Frage auf: „Wie soll ich mich nun freikaufen können von ihm? Ich kann doch Felix nicht bitten, mir das Geld zu geben — ich kann nicht!" Eben noch so glücklich, war sie nun sehr, sehr traurig, und obwohl sie noch einmal daran dachte, daß es das Beste fein würde, wenn sie alles, alles dem Manne vor ihr beich tete. Obwohl sie seines Schweigens sicher war, brachte sie die Kraft zu dem Entschluß nicht aus. „Wir wollen zu Felix gehen", sagte sie. Sie erhoben sich und schritten den Gang hinab. Als sie zu Turnau kamen, meinte dieser: „Ich werde dir Bodenstein siir einige Stunden ent führen, nm mit ihn» zu Altberg zu fahren. Wir können vielleicht um acht Uhr jpeisen und den Grasen mitbringen." „Auch Vertu, Felix! Sie ist solange nicht bei mir ge wesen", bat Käthe, und ibr war auf einmal, als würde die treue Freundin ihr auch heute wieder helfen können. Diese Zuversicht macln-, sie wieder froh, und Felix ahnte nicht, wie sie sich sorgte, als sie ihm einen Gruß an die AlrbcrgS austrug und ihn mahnte, ja beide mit- zubringen. Er versprach es, und Käthe kehrte in ihr Zimmer zurück, von dessen einen« Fenster aus sie in den Hof hinabschaute und den Davonkahrenden nachwinkte. Dann trat sie an ihren Schreibtisch und öffnete das Fach, in dein sie ihr Geld verwahrte. Felix hatte es selbst biucingelegt, damit sie es ständig zur Verfügung hatte, und sic mußt;, daß er nie fragen würde, wozu sie es ver wendet hatte. Dieses Gels konnte sie Berndt Klausen geben und den Ring dafür zutückkaufen. Aber das andere? Ach. sie wollte jetzt nicht daran denken. Sie wollte erst diese eine Sorge loswerden und Berndt bitten, unter irgendeinem Vorwand das Schloß zu verlassen, auch nicht zu Graf Altberg zurückzukehren. > Vielleicht wußte er selbst einen Rat, wie sie das Geld bekommen konnte. Sie wollte ihn deshalb fragen. Sie zählte die Scheine und fand, daß es wirklich genau zehntausend Mark waren, schob sie in einen Umschlag und steckte diesen zu sich. Ihr schien, als wollte das Schicksal ihr helfen, da die beiden Herren sortgefahren waren. Nun konnte sie noch vor dem Essen zu Berndt Klausen gehen und den Ring zurückfordern. Unruhig schritt sie in ihrem Zimmer auf und nieder. Sie konnte gar nicht erwarten, daß sie zu Klausen gehen tonnte; aber sie wußte doch, daß er jetzt noch nicht in seinem Zimmer sein würde. Sie stand auf, um sich ein wenig im Parke zu ergehen. Sie wollte aber vorher doch einmal nachsehen, ob Berndt Klausen nicht vielleicht schon in seinem Zimmer sei. Es befand sich im Seitenflügel des Schlosses; aber sie konnte hingelangen, ohne dieses verlassen zu müssen. Ein langer Gang führte hinüber, und diesen betrat sie nun. Sie brauchte nicht zu fürchten, daß jemand sie beob achten konnte; denn niemand betrat ungerusen dieses Stockwerk, und so schritt sie sorglos ihres Weges, bis sie die Tür erreichte, die zu Berndt Klausens Zimmer führte. Ihr schlug das Herz schneller als sonst, als sie die Hand zum Anklopsen hob; aber sie wußte, daß sie han deln mußte, und so meldete sie, daß sie Einlaß begehrte. Niemand antwortete, auch nicht, als sie das Klopsen wiederholte. „Er ist noch nicht da", dachte sie; aber sie wollte sich Gewißheit verschaffen. Daher drückte sie die Klinke nieder und öffnete die Tür — vorerst nur wenig, um in das Zimmer zu spähen; Berndt konnte doch schlafen. Sie erblickte niemanden, und nun schlüpfte sie vollends hinein, von einem dunklen Drange getrieben, der plötz lich in ihr wach wurde. Sie wußte ja gar nicht, was sie in diesem Zimmer wollte, wenn er nicht anwesend war. Sie kannte es nicht, wunderte sich aber gar nicht, daß eS schon als Arbeitszimmer eingerichtet war, daß außer dem breiten Schreibtisch am Fenster auch noch ein Zeichen gerüst vorhanden war, und ohne sich über ihr Tun Rechen schaft zu geben, trat sie zu dem Schreibtisch. Sie ließ die Blicke über die Platte gleiten, aus der nur eine Schreibmappe lag, und zerstreut griff sie nach einem der Schreibstifte. Da kam ihr der Gedanke, ihm eine Zeile zu hinterlassen, daß sie genau halb acht Uhr bei ihm sein würde. Sie dachte nicht daran, daß sie ihm eine neue Waffe gegen sich in die Hand geben würde durch diese Zeilen. Sie suchte nach einem Notizblock, nach einem Stück weißes Papier, und da sie aus der Platte keins entdeckte, so hob sie den Deckel der Schreibmappe, um in dieser nachzusehen. Und die Schrift war die einer Frau. Sie wollte die Mappe schon wieder schließen. Sie haSet .nicht die Absicht, in die Privatangelegenheiten KlausenS einzudringen; aber sie zögerte. Von diesem Brtefblatt ging ein eigenartiger Duft aus, den sie zu kennen meinte, ohne daß sie für den Augenblick wußte, woher. Ganz unwillkürlich neigte sie sich etwas vor. Noch immer hatte sie nicht ein Wort von dem gelesen, was da geschrieben stand; sie dachte auch gar nicht daran. Aber plötzlich wich sie mit allen Zeichen des Schrecks zurück. Auf einmal wußte sie, woher sie diesen aufdringlichen Geruch kannte. „Isolde von Kletten!" murmelte sie. Es gab keinen Zweifel. Nur diese ihre Feindin liebte dieses Parfüm. Und dann war auch der Brief in der Mappe von ihr geschrieben. Käthe stockte der Herzschlag, als sie diese Gewißheit be kam. Isolde von Kletten und Berndt Klausen! Was hatte sie an ihn zu schreiben? Waren die beiden ein Bündnis eingegangen, um sie zu vernichten? Leichenblaß stand Käthe da, unfähig, sich zu rühren; aber die Gedanken in ihr arbeiteten fieberhaft, und plötz lich hob sie abermals, ohne daß sie es wußte, den Deckel der Schreibmappe und griff nach dem Briefe. Schnell jedoch zog sie die bereits ausgestreckte Hand zurück. Ihr graute vor diesem Uriasbrief. Sie fürchtete, sich zu besudeln, wenn sie ihn anrührte. Aber sie las, was da geschrieben stand, und Entsetzen erfaßte sie. Sie las: „Ich mutz Sie umgehend sprechen. Wer ich bin, werden Sie ahnen. Meinen Namen nenne ich hier nicht. Ich erwarte Sie pünktlich um vier Uhr an der Bank unter dem alten Nutzbaum an ver Mauer des Turnauer Parks. — Damit Sie aber bestimmt kommen, sage ich Ihnen: Ich bin soeben aus London zurückgekehrt. Ich war in dem Hotel, in dem Sie bei Ihrem letzten Aufent halt dort wohnten. Ich habe Mister Frome gesprochen. Vorher aber war ich in Herzogenheide. Genügt das?" Ja, es genügte — auch für Käthe Turnau. Jetzt wußte sie, daß ihr Geheimnis auch von ihrer Todfeindin entdeckt war, daß Isolde von Kletten nicht ge ruht hatte, bis sie alles herausbekommen. Zitternd preßte die arme junge Frau eine Hand aus die heftig atmende Brust. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und kaum hörbar stieß sie hervor: „Nun ist alles verloren — alles! Ihn hätte ich zum Schweigen bringen können. Sie aber ..." Ihr graute vor dem, was nun kommen würde, kommen mußte, und in dieser Furcht vergaß sie ganz, wo sie war, achtete auf nichts mehr, und so hörte sie nicht, daß Schritte draußen erklangen, daß die Tür geöffnet wurde, und sie schrak erst zusammen, als eine heisere Stimme ihren Namen rief. „Käthe!" Da schauerte sie zusammen, blickte auf und sah sich dem gegenüber, den sie so sehr gefürchtet hatte. Berndt Klausen stand vor ihr. Und er kam zurück von der Unterredung mit Isolde von Kletten. Sie wußte es, als sie in seine Augen blickte. Mh'stk» fE" (zurzeit Schloß Turnau." Käthe schwieg einen Augenblick, eheste wetterfragte:« „Und ich darf frei darüber verfüge^" ,Rein", erwidere er. „Sie sind noch nicht volljährig, die Zustimmung Ihres Gatten haben, der Ahr» chenn in ihr lag ein an ihn adressierter Brief d<ch öS ziemlich beträcht- Briefblatt; aber auf ihm stand: „H«rn Berndt Klause«^ „Daß Sie der Gatte dieses WetbeS sind, dieser frechen Betrügerin!" * „Bon wem sprechen Sie?" Isolde starrte ihn aufs höchste betroffen an. Sie ver band sein Benehme« nicht im geringsten. „Sie wissen eS doch ebenso gut wie ichl Verstellen Sie Pch nicht; denn Sie sind ja bloß hier, um.. „Um einen Auftrag auSzuführen, mit dem der Barow Delix von Turnau mich beehrte!" vollendete Berndt "Klausen, sie unterbrechend. „Mensch! Wollen Sie mich glauben machen, daß...* „Ich will gar nichts! Ich habe dem Wunsche einer Dame entsprochen, die mich durch einen nicht unter» fchriebenen Brief hierherbestellte, und eS ist erklärlich, wenn ich wissen möchte, wozu das geschah." Isolde von Kletten war nahe daran, ihre Fassung zu verlieren. Sie wußte nicht, WaS sie noch sagen sollte; aber plötzlich entschloß sie sich zu einem kühnen Zuge. „Sie versuchen mit mir zu spielen. Es hat keinen Zweck. Ich brauche Sie, und wenn eS Ihnen darauf ankommt, etwas bet unserem Handel zu verdienen, so sagen Sie es. Knickrig bin ich nicht, werde eS namentlich in diesem Falle Nichtsein!" „Sie erweisen mir also die Ehre, mich für einen Er presser zu halten?" fragte er kühl. „Sehr schmeichelhaft, meine Gnädige!" Abermals erschrak Isolde. Was für ein Mqnsch war das nur? Sie hatte angenommen, daß er sich in die Nähe Käthes gedrängt hatte, um von dieser Geld zu erpressen, und nun lehnte er das ab! Was wollte er denn haben, damit er ihr beistand? Plötzlich schmiegte sie sich an ihn. „Herr Klausen", raunte sie ihm zu, „es braucht dock wohl nicht Geld zu sein. Vielleicht wäre Ihnen etwas anderes lieber?" „Ich verstehe Sie nicht ganz..." Da umschlang sie ihn leidenschaftlich. „Mann, wenn Sie mir Helsen, dann — gehöre ick Ihnen!" Berndt Klausen aber streifte ihre Arme von sich ab un > lachte ihr ins Gesicht. Die Röte des Zornes färbte Isoldes Wangen, ia'e Augen funkelten ihn an; aber sie mutzte hören, daß ec nachlässig sprach: „Sollten Sie wirklich geneigt sein, den schon in« voraus zu betrügen, zu dessen Besitz ich Ihnen verhelfen soll? Haben Sie sich nicht überlegt, datz Sie mir dadurch die gleiche Waffe in die Hand geben würden, die Sie jetzr gegen Ihre Nebenbuhlerin zu besitzen wähnen?" Da erbleichte Isolde von Kletten jäh. Sie griff sich nach dem Herzen, dessen Schlag aussetzte. Aber in ihr empörte sich alles. Hätte sie einen Revolver bei sich gehabt, sie wäre im stande gewesen, diesen Mann niederzuschießen. Sie hatte sich das Spiel so leicht gedacht, hatte gehofft, ihn ohne weiteres als Bundesgenossen gewinnen zu können, und nun... Noch hatte sie ihre Fassung nicht zurückgewonnen, da ergriff Berndt Klausen das Wort und sagte halblaut: „Ich habe aus Ihrem Briefe erfahren, datz sie in London waren, datz Sie dort in einem bestimmten Hotel wohnten und mit einem Mister Frome sprachen, ferner, datz Sie auch den kleinen Ort Herzogenheide mit Ihrem Besuch beehrten. Leider aber verstehe ich nicht, was dies alles mit mir zu schaffen hat, und ich möchte Sie wiederholt um freundliche Erklärung bitten." „Ja, sind Sie denn nicht Berndt Klausen, der in London mit Käthe Fernau getraut worden ist, nachdem er sie aus Herzogenheide entführt hatte?" stietz Jfolde autzer sich hervor. „Und wenn ich es wäre, was dann?" „Dann sind Sie doch hier, um Ihre Rechte an Ihrer Frau geltend zu machen!" „Nehmen wir an, ich sei Berndt Klausen, der eine ge wisse Käthe Fernau heiratete", erwiderte or. „Muß ick deshalb meine Rechte an diese geltend machen wollen? — Mein Fräulein", suhr er fast verächtlich fort, „Sie denken nicht logisch. Auf keinen Fall handeln Sie logisch. Oder haben Sie in London auch festgestellt, warum jener Berndt Klausen, für den Sie mich halten, seine junge, schöne Frau verlassen hat? Und wenn er es tat, warum sollte er sie dann später aufsuchen und zu sich zurückzuholen suchen?" Immer von neuem war Isolde von Kletten fassungslos. Sie zitterte vor Empörung, und sie war schon aus dem Punkte, diesen Menschen da einfach stehenzulaffen. Sie brauchte ihn doch gar nicht. Es genügte vollkommen, wem» sie nachwies, daß die Frau Felix Turnaus schon verheiratet gewesen war, als sie mit ihm die Ehe schloß. Und das war erwiesen, klar erwiesen! „Sie wollen mir also nicht helfen, eine BettM^erin zu entlarven?" „Und Sie in die Arme des geliebten Fettx von Turnau zu führen?" fügte er voll Hohn hinzu. Da sprang Isolde von Kletten wütend auf. Sie streckte beide Hände vor, als wollte sie ihn packen, um W» M erwürgen. Hatz sprühte aus ihren Augen. Auch Berndt Klausen stand auf. Er war immer neW sehr kühl, und so sagte er: „Mein Fräulein, ich habe Ihnen gezeigt, daß ich genau weiß, was Sie zu erreichen wünschen. Sie aber Wunen daB gleiche nicht von mir sagen. Ich möchte Sie iude-e« alle Fälle warnen, meine Pläne irgendwte g» durch kreuzen. Hüten Sie sich, das auSzuführen, WAS Este ick Ihrer Rachsucht planen, WaS die Eifersucht Mueu «tugMk Wagen Sie sich keinesfalls eher an Käthe Tummu, att VW ich es Ihnen erlaubt baden Werve!" i SmE-hwEtE