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Beilage zur Weitzeritz-Zeitung Nr. 237 Donnerstag, am 1(>. Oktober 1929 95. Jahrgang Chronik des Tages. Reichspräsident von Hindenburg empfing Dr. Ecke ner und Krach ihm sein« Anerkennung für die Leistungen auf der Meltrundfahrt aus. — Macdonald hat Washington am Mittwoch wieder verlassen. — Das französische Kabinett befaßte sich am Mittwoch mit der Einladung zur Flottenkonfevenz. — Der Diebstahl in der französischen Botschaft in Berlin ist aufgeklärt. — Im Hause A. Wertheim G. m. b. H. in Berlin wurde eine Werbeschau des Deutschen Luftfahrtverbandes e. V. eröffnet. — Der Geschichtsprofessor an der Göttinger Georgia Augusta, Professor Dr. Max Lehmann, ist im 84. Lebens jahre gestorben. Er war einer der bedeutendsten Gelehrten Deutschlands. . — In Mandeln im Dillkreis hat der 40 jährig« Schneider Heinrich Schüler seine Ehefrau erwürgt und dann Selbstmord begangen, ind«m er sich beide Puls adern aufschnitt. — In Königsberg in Preußen hat ein Großfeuer di< oberen Stockwerke von acht Mietskasernen und ein ehe maliges Militärwarenhaus vernichtet. — In Washington wurde Ward van Ormans von der staatlichen Luftfahrtgesellschast zum Sieger im Gordon- Bennett-Ballon-Wettstrett erklärt. Die Länge seiner Luft reise betrug 545 Kilometer. Kapitän Hepner wurde Zweiter mit 541 Kilometer und Marineleutnant Settle Dritter mit 486 Kilometer. Ab- oder Aufrüstung? Deutschland und die Flottenverhandlungen. — Berlin, 10. Oktober. Ter offizielle Teil des Besuches des englischen Ministerpräsidenten Macdonald in den Vereinigten Staaten ist zu Ende. Nach einer neuen Aussprache mit Hoover hat Macdonald Washington am vergangenen Mittwoch, wie vorgesehen, wieder verlassen. Tie Hoff nungen, die auf die Amerikareise gesetzt worden sind, sollen durch die tatsächlichen Ergebnisse noch über troffen worden sein. Für den heutigen Donnerstag erwartet Washington eine gemeinsame Erklärung Hoo vers und Macdonalds über das Ergebnis ihrer Be sprechungen. Tas Echo, das die Einladungen zur Flottenkon ferenz gesunden haben, nimmt sich für Macdonald durch, weg günstig aus. Tie englischen Zeitungen, gleich gültig in welcher Partei sie fechten, werten Macdo nalds Vereinbarungen mit Hoover als einen bedeut samen Fortschritt, und soweit aus Frankreich, Italien und Japan Pressestimmen vorliegen, klingt aus ihnen die Bereitschaft zur Annahme der Einladungen heraus. Tie Eröffnung der großen Flottenkonserenz soll in der dritten Januarwoche erfolgen. Heftige Kämpfe sind trotz der günstig verlaufenen Vorver handlungen vorauszusehen. Und das, obwohl Eng länder und Amerikaner so vorsichtig waren, sich bei zeiten mit Japan in Verbindung zu setzen. Tie Ge fahr einer Einheitsfront der übrigen drei Mächte ge gen die Angelsachsen ist damit wohl behoben, nicht zu bestreiten ist jedoch, daß es auch heute noch Tifse- renzpunkte von erheblicher Bedeutung gibt. Offene Ab lehnung findet vor allem der Vorschlag der Angel sachsen auf Abschaffung der Unterseeboote. Frankreich, das nicht weniger als 131 Unterseeboote besitzt, ist nicht gewillt, sich seine „Hauptverteidigungs- wafse" aus der Hand schlagen zu lassen, und das um so weniger, als es in dieser Frage der italienischen und japanischen Unterstützung sicher ist. Man sollte den Vorschlag der Abschaffung der Unterseeboote jedoch nicht zu ernst nehmen. Taß es den Engländern lieb wäre, wenn die U-Boote verschrot tet würden, ist jedermann bekannt. Ebenso klar ist aber aber auch, daß England wegen der Unterseeboote unter keinen Umständen es zu einem Scheitern der Konferenz kommen lassen wird. Für England ist das zwischen Hoover und Macdonald vereinbarte „Abrüstungspro gramm" auch bei einer Ausschaltung der U-Boot-Frage von größtem Vorteil. Tie Bedeutung der neuen Abrüstungskonferenz ist darin zu erblicken, daß die großen Seemächte sich nun auch über das Stärkeverhältnis der leichten Seestreitkräfte, der Kreuzer, U-Boote und Torpedo boote verständigen wollen. Damit soll das Werk der Washingtoner Konferenz von 1922 vollendet werden. Damals einigten sich England, Amerika, Japan, Frank reich und Italien dahin, daß sich ihre Großkampf- schiffe - die Linienschiffe, Schlachtkreuzer und Flug zeugmutterträger — wie 5:5:3:1,75:1,75 verhalten sollen. Nach diesem Schlüssel waren die englische und die amerikanische, ferner die französische und die ita lienische Großkampfflotte einander gleich. Jetzt sollen auch die leichten Seestreitkräfte einander gleich werden. Wenn England den Amerikanern in vollem Um- sangc die Flottcngleichheit zugestehen will, so bringt England damit ohne Zweifel ein großes Opfer. In den englischen Köpfen spukt noch heute der Ge danke, daß Großbritannien die Meere beherrscht. Aber auch diese Leute werden nicht verkennen, daß das Opfer durch Vorteile von erheblicher Bedeutung ausgewogen Wird Tie Washingtoner Konferenz von 1922 hat das Wettrüsten zur See nicht beendet/nur rüstet man seit- d«n nicht mehr in Großkampfschiffen, wohl aber in leichten Seestreitkräften. Tie Mächte fanden Gefallen an dem Bau von 10 000 Tonnen-Kreuzern. Für Eng land war das verhängnisvoll. Bisher bevorzugte Eng land erheblich kleinere Schiffe, außerdem können in feinen Flottenstützpunkten in der ganzen Welt nur Schiffe bis zu 7000 Tonnen Aufnahme finden. Eng land hat sich also vor die Wahl gestellt, entweder eine Verständigung zu suchen, oder aber gleichfalls kräftig 10 000-Tonnen-Schiffe zu bauen und seine Flotten stützpunkte umzuwandeln; selbstverständlich unter Auf wendung erheblicher Mittel. Jetzt hat England den Weg der Verständigung ge wählt. Lohnend ist das insofern, als damit die Eini gung mit Amerika verbunden ist und England gewaltige Summen an Rüstungen erspart, die es nun seiner Wirtschaft für die Ausdehnung des britischen Absatzes überlassen kann. Tie Flottenabrüstung dürfte also der englischen Wirtschaft außerordentlich gut be kommen. Freilich sollte das Wort Abrüstung hinsicht lich des neuen Entwurfs nicht angewandt werden. Auch bei der Annahme dieses „Abrüstungs"programms kann Amerika außer den vorgesehenen 15 Kreuzern noch wei tere fünf bauen, und England kann sieben neue Kreuzer auf Stapel legen, sowie die überalterten Schiffe durch Neubauten ersetzen! Im besten Falle handelt es sich um eine Begrenzung der Rüstungen! Für Deutschland folgt daraus, daß das uns in Versailles feierlichst gegebene Abrüstungsversvrechen auch jetzt nicht eingelöst werden wird. Auch wir find von der Sicherung der Einfuhr aus übersemschen Ge bieten abhängig, trotzdem ist unser Flottenbestand auf ein ganz geringfügiges Maß herabgedrückt worden, und l-nterseeboote sind Deutschland überhaupt nicht ge stattet. Ferner besteht die Gefahr, daß England ein Nachgeben Frankreichs in der Flottenfrage mit einem Nachgeben in der Landabrüstung beantworten muß, Angesichts der engen Verquickung zwischen Land- und Seeabrüstung ist der Ausblick, der sich jetzt ergibt, für Deutschland nicht ohne weiteres erfreulich. Wir müssen aus der Hut sein und die weitere Entwicklung der Tinge mit größter Aufmerksamkeit verfolgen. Di« Entspannung im angelsächsischen Verhältnis allerdings ist auch für Deutschland ein Ereignis, das sich günstig auswirken muß und das geeignet ist, die deutsche Außenpolitik zu erleichtern. Deutschlands Wohlstand. Lord Rothermeres Schlußartikel. — „Deutschland daS Land schöner und neuer Fabriken." — London, 10. Oktober. Lord Rothermere beschließt seine Artikelserie über di« Teutschlandreise mit einem Aufsatz über das Thema: „Deutschlands Vormarsch auf dem Wege zum Wohl stand." Es ist erfreulich, daß Lord Rothermere, dessen Zeitungen vor dem Kriege gegen Deutschland hetzten, sich bemüht, in seinem Schluhartikel Deutschland ge recht zu werden. So verfällt der Lord z. Ä. nicht in den Fehler, Aeußerlichkeiten zu verallgemeinern und dann über den deutschen „Luxus" herzuziehen. Be denken muß es aber erwecken, wenn Lord Rothermere den deutschen Wohlstand übertreibt und damit falsche Vorstellungen im Auslande erweckt. Im wesentlichen wird in dem Artikel ansgeführt, in Deutschland kämpfe ein arbeitsames Volk hart um die Notwendigkeiten deS Lebens. Ueberflnß an irdr. schen Gütern sei nirgendwo feshnstelle«. Es gebe keinen individuellen Reichtum, aber auch keine An zeichen tatsächlicher Armut. Die einzigen, die nicht genug hätten, seien die Angehörigen des Mittelstandes. Die zehn Fahre Besetzung hätten in Deutschland einen Geist wach werde» lassen, wie er in belagerten Garni sonen vorherrsche. Isermann lebe sparsam nnd be nutze die Neberschüsse, um das eigene Unternehmen zu fördern. Deutschland besitze die „Substanz großen Wohl standes", wenn es auch die Seidenfransen des Luxus entbehre. Dafür sei Deutschland das Land schöner und neuer Fabriken, moderner Anlagen, großer Eisenbahn- und Kanalerweiterungen, ausgedehnter Luft linien, wohlausgerüsteter technischer Schulen und La boratorien, ausgezeichneter Kraftwerke, reiner und mo derner Städte, charmanter Häuser; aber es sei auch das Land, in dem die Leute von Morgen bis Mit ternacht arbeiteten und nur einen Bruchteil der Erholung und Vergnügungen hätten, die das britische Volk beanspruche. Auf einer Eisenbahnfahrt zwischen Dover und London hätte er mehr Leute Spiele treiben sehen als auf seiner vierzehntägigen Tour durch Deutsch land. Tie deutschen Dörfer seien frisch gestrichen und machten den malerischen Eindruck einer Bühnen- D eut schlau d als Beispiel. Lie Folgerung, die Lord Rothermere aus diese, Darstellung zieht, geht dahin, daß England die ihm aus dem Wiedererstarken der deutschen Wirtschaft er wachsenden Gefahren erkennen, sparsamer leben unk mehr arbeiten müsse, damit es nicht eines Tages er wache, „ohne einen Platz an der Sonne", denn, so Prophezeit Lord Rothermere, die Besiegten im Kampf« der Waffen seien auf dem besten Wege, im Kamps um die Märkte zu siegen. Nordtirol erneuert Treuschwur« Am zehnten Jahrestag der Annexion Südtirols. — Kundgebung am Grabe Andreas Hofers. Am heutigen Donnerstag jährt sich zum zehnten Male der Tag, an dem Italien Südtirol seinem Staats- verbände einverleibt hat. In Innsbruck und anderen Ortschaften Nordtirols finden aus diesem Anlaß Trauer- Kundgebungen statt. Den Anfang machte der Ge- meinderat Innsbruck. Bürgermeister Fischer ge an die ser Volk wird niemals tgsn Nn- Am Abend fand in der Hofkirche am Grabe des Freiheitskämpfers Andreas Hofer «ine große Kund gebung statt, in der Rordtirol seinen Treue schwur erneuerte. „ „ ihm zugefügt wurde, vergessen, wie eS auch niemals anf- hören wird, zu vertrauen» daß der gerechten Sache der Sieg wird." auch Nordtirol. An di deShauptstadt Tirols i und das Gerechtigkeit«« ten. Sie wolle sich viel lichkeit berufen, das fi der Politik erhebe. Bu dachte der Kümpfe und der Leiden der deutschen SSK tiroler. Härter noch als die Errichtung der Grenzmapern verwunde das Her- -er Tiroler das Kicken, das hinter ihnen empordrmge. Jeder Schlag, der gegen das Deutschtum jenseits des Brenners «führt wÄde, trefft die Nordtiroler, und jeder Angriff gegen dis denWe Muttersprache und das Erbe deutscher KGtNv dchRH-t Eckener bei Hindenburg. Der Reichspräsident spricht den Führern und der Mannschaft des „Graf Zeppelin" seine Anerkennung ans. Reichspräsident von Hindenburg empfing am Mitt woch den aus Anlaß des Festes der Luftfahrt in Berlin weilenden Führer des Luftschiffes „Graf Zeppelin", T>r. Eckener, und nahm einen Bericht über Vie Welt rundfahrt des Luftschiffes entgegen. Reichspräsident von Hindenburg hörte Dr. Eckener lebhaft interessiert zu und ersuchte ihn, auch dem Grbamer sowie den Führern und der Mannschaft des Luftschiffes fein« An erkennung für ihre außerordentlichen Leistungen aus- zuspvechen. Dr. Eckener sprach Reichspräsident von Hindenburg persönlich seinen Dank aus. Völkerbundsbesuch in Sberschleste«. Zwei Beamte der Minderheit« nabteilung in Berlin ein» getroffen. — Sonntag Weiterreise «ach vberschlesien. Am Donnerstag trafen zwei leitend« Beamte der Mtnderheitenabteilung des Völkerbundes von Genf kom mend in Berlin ein, nämlich der Letter der Abteilung, Gesandter de Carcer, und der Sonderreferent, Profes sor Azcarate. Die VölkerbundSbeamten werden in den nächsten Tagen den zuständigen Ressorts der Reichs- ivegierung ihren Besuch abstatten und sich am Sonn tag nach Oberschlesien begeben, wo sie di« dortigen Ver hältnisse studieren wollen. Während der Fahrt durch Oberschlesien werden die VölkerbundSbeamten von dem Präsidenten der Provinz, Dr. Lukaschek, begleitet wer den. Nach dem Abschluß der Fahrt begeben sich die VölkerbundSbeamten nach Ostoberschlefien, um sich an Ort und Stelle über die Lage der deutschen Minder heit zu unterrichten. Konferenz über Volksbegehren. Tie Haltung der Staatsbehörden. — Eine Rede de» preußischen Innenministers. Unter dem Vorsitz des preußischen Innenministers Grzesinski fand in Berlin eine Konferenz der Ober- und Regierungspräsidenten Preußens statt. Innenminister Grzesinski führte aus, die Macht des Staates sei heut so gefestigt, daß Umsturztendenzen ! keinerlei Aussicht auf Erfolg hätten. In dieser Lage j bedeute das Volksbegehren gegen den Aoungplan we- ! Niger eine außenpolitische als vielmehr eine innenpoli tische Gefahr. Es sei Pflicht der Behörden, Stellung < zu nehmen, da die Kreise, die sich zu dem VolkS- ! begehren zusammengesunden hätten, im letzten Ziel an den politischen Fundamenten des heutigen Staates zu rütteln beabsichtigen. Reichs- und Staatsregierung dürfen sich daher nicht nur mit der Abwehr begnügen, sondern sie müßten aktiv alles tun, um Aufklärung über die Ziele des Volksbegehrens zu verbreiten. Zum Schluß betonte der Minister, die Rede- nnd Versammlungsfreiheit müsse gewahrt bleiben. Aber das dürfe nicht zur Selbstverleugnung führe». Im ub^ge» werde die Reichsregierung ein neues Repu blikschutzgesetz einbringen. Bis dahin müsse di« Po- lizei dafür sorgen, daß jedem Terror — gleichgültig von welcher Seite — entgegengetreten werde. Politische Rundschau. — Berlin, den 10. Oktober 1929. - In Aachen finden gegenwärtig deutAbew-schs V«r. Handlungen über Erleichterungen im Grenzverregr iimr. — Der Schriftleiter des „Reichsbanners in Magd«- verurteilt. . :: Ländcrkonferenz in Berlin. Im GeAut« des w-gch«minin«riums des Innern fand eine Konferenz de^LenminW der Linder statt, die einer ein- gAe^en Besprechung der innerpolitischen Lage ge- widmet war. D«r R-ichsauSschuß für Errichtung des Ehren- mal» unternahm mit einem Rheindampser eine Be sichtigungsfahrt. AIS Vertreter der Rheinprovinz nah men Landeshauptmann Tr. Dorion und Oberpräsident Tr. Fuchs an der Fahrt teil.