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Matrose Jan Johansen. « Bo« Elfriede Neuhaus. < (Nachdruck verboten.) i. In dem Fischerdorf an der Meeresbucht galt Marie, die Tochter des Fischers Smalen eigentlich , lals die Braut des Matrosen Jan Johansen; denn jedes- ; mal, wenn er von einer wetten Seereise zurückgekehrt > war, besuchte er, mit praktischen Geschenken beladen, i den Vater Maries, ehe er noch an die eigenen Eltern : dachte, und dann sah man Marie mit einem fremd- ! ländisch bestickten Gchultertuch, einer funkelnden Hals- s kette oder irgendeinem andern Schmuck durch die Gasse > gehen. Voller Neid steckten die Nachbarinnen die Köpf« > zusammen, denn der Matrose Jan Johansen war nicht i allein ein hübscher, stattlicher Seemann, er hatte nun I auch zum soundsovielten Male bereits die ganze Welt ! umsegelt, war aus dem Atlantischen, Indischen und ; Großen Ozean wie zuhause und wußte von den frem- ! den Völkern und ihren Sitten d:e merkwürdigsten ' Dinge zu berichten. Aber an einem Abend kam der Fischer Smalen j nach dreitägiger Abwesenheit nach Hause, ohne einen ! einzigen Fisch gefangen zu haben. Polternd warf er s die Geräte auf den Sreinhaufen der Küche, schlug mit ' der Faust auf den Tisch, daß die Teller und Tassen ! klirrten, und erklärte kategorisch: „Mit dem Matrosen > Jan Johansen ist es aus, der schwimmt vergnügt auf s dem großen Wasser und läßt unsere Marie hier ver- i säuern, während andere sich die Finger nach ihr lecken ! — Schluß! — Morgen kommt der Händler Hen Ver- ; heulen und hält um sie an, da gibt es kern Nein! - Schluß!" - Marie Katte zu folgen, ob sie wollte oder nicht, l Mit rotgeweinten schmerzenden Augen trat sie an den i Traualtar. Kein Wunder; denn Hen Verheulen hatte > weder den eigenen Seemannsgang noch das offen- > herzige gebräunte Gesicht eines Jan Johansen, er ! schlich vielmehr wie eine auf Beute ausgekende Katze, z stand immer unerwartet neben einem und erschreckte ! oen Betreffenden durch sein hämisches Kichern. Wohl ' war er begütert, doch ein solcher Geiz wurzelte in ! seinem Wesen und Sein, daß er sich selbst nicht das , Notwendigste gönnte. - Drei Wochen nach der Hochzeit war der Händler i Hen Verheulen der größte Feind des Fischers Smalen; ! nur weil er sich vor seiner jungen Frau, die so blaß ; und still geworden war und ihn mit ihren dunklen ! traurigen Augen zu durchbohren schien, fürchtete, wagte ! er nicht, ihm, wenn er seine Tochter besucht«, die Tür ' zu weisen. Der alt« Fischer fühlte wohl den Haß z seines Schwiegersohnes, der ihn ehedem so sehr zu um- ! schmeicheln gewußt hatte, daß er ihm sein einziges ! Kind fürs Leben anvertraute. „Ha", sagte er jetzt i sich selbst verspottend zu Marie, „welch einen Dumm- « köpf Hat Hen in mir gefunden, daß ich ihn deinem i Matrosen vorzog. Ich bereu« es. dich zu der Heirat s gHWUKgen zu haben, Marie! — Kannst du das deinem alten Ääter verzeihen?" Sie nickte nur stumm und hielt seine harte Ar beitshand still in der ihren. Bon ihm, dessen Bild in ihrem Herzen eingebrannt war, durste sie ja nie mehr reden, nie jemand, auch dem eigenen Vater nicht merken lassen, daß sie immer nur an Jan dachte, im Wachen und Träumen; ach, und sie hatte ihn und sich und ihr« Liebe an einen ungeliebten Mann verraten, der nicht wert war, daß man auch nur den Keinen Finger für ihn rührte. Und doch tat sie ihr« Pflicht, wie sie es nicht anders von ihrer im mühevollen All tag schweigsam gewordenen Mutter und Großmutter wußte und kannte, tat ihre Pflicht und wurde von Tag zu Tag zarter, blasser und trauriger. Da hörte man im Dorfe raunen: „Der Matrose Jan Johansen ist von seiner Weltreise zurückgekehrt, was wird er tun, wenn er Maries Untreue erfahrt — wird er ein anderes Liebchen nehmen und die alle Braut mit Nichtachtung strafen?" — Und die jungen Mädchen standen länger als sonst vor ihren winzigen Kammersptegeln, drehten das Haar und rückten den ! Kopfputz zurecht; denn jede wäre gern an Maries ! Stelle getreten, hätte sich von dem stattlichen Matrosen beschenken und küssen lassen; wer konnte es wissen — j vielleicht wäre er dann nicht mehr hinausgefahren. ' Die Kinder hatten ihn gesehen; er war leicht- ! schwankend aus dem Wirtshaus gekommen, war davon gegangen und wieder umgekehrt, bis er schließlich in die rhm wohlbekannte Gasse einbog, wo der Fischer Sma- s len wohnte. — en an dem kleinen, weiß gescheiter- ! hatten sich ausgesprochen. „Ja," r Mte, betrübt und nachdenklich Fenster blickend, „es ist meine Die Männer sa ten Küchenttsch. Si< sagte zum Schluß L durch, das ntedrrge I.UX Schuld, Jan! — ganz allein meine Schuld — Mari« verzehrt sich in Sehnsucht nach dir, der geizige Händ ler spielt den großen Herrn und sieht nicht einmal, daß mein Kind von Stunde zu Stunde weniger wird, ich schätze, sie wiegt kaum noch soviel wie eine zarte Bleihe. Der Matrose Jan Johansen war gegangen. Auf dem Marktplatz traf er den Händler Hen Verheulen, der gerade von der Bucht kam, wo er einen guten Fischhandel abgeschlossen hatte. Für einen Augenblick sah er auch an dem Fenster eines ansehnlichen Hauses das blasse traurige Gesicht Maries . .. oder war es nur eine Einbildung gewesen? — „Jawohl!" sagte der Händler kichernd zu dem Matrosen, „wer sich da draußen herumtreibt, hat da heim das Nachsehen!" „Gut," entgegnete ironisch Jan Johansen, „trinken wir eine daraus, und wer recht hat, der bezahlt." Er umfaßte den Arm des Händlers wie eine Klammer und zog ihn mit zu dem Wirtshaus an der Bucht, dem Handels, und Versammlungsplatz der Fischer. Hen Verheulen war unbeliebt bei allen; denn er versuchte selbst da noch die Preise zu drücken, wo Vas Pfund Fische nur wenige Pfennige kostete, und wer konnte, ging ihm aus dem Wege. Es war dunkel geworden. Matter, rötlicher Licht schein fiel von der Laterne auf den Eingang des Wirts hauses, dunkle Schatten bewegten sich an der Wand hin und her, und aus dem Innern drang das Gewirr erregter, streitender Stimmen. Jan Johansen behaup tete, Marie gehöre noch immer zu ihm, weil sie nur ihn allein liebe! — Die meisten Stimmen waren auf seiner Seite, und der Händler mußte die Runde zahlen. Verheulen behauptete, er sei klüger als zehn Welt reisende zusammen und Marie, sein Weib gehorche ihm in allen Dingen. Da protestierte der Mattose, und alle anwesenden Fischer verlangten, er solle zum Beweis den Sohn des Wirtes zu ihr senden mit dem Befehl, sofort zu ihm zu kommen, und mit ihm und dem Heimgekehrten ein Glas Grog zu leeren. Aber der kalbwüchsige Knabe kam zurück mit dem Bescheid, soweit ginge die Befugnis eines Ehemannes nicht... Also war der Händler nicht im Recht gewesen und wieder mußte er die Runde zahlen. So folgte ein Glas Grog dem andern, immer heftiger wurde der Streit und immer erbitterter matzen sich die beiden Gegner mit haßerfüllten, zornsprühenden Augen. Keiner wußte, wie es geschehen war. Plötzlich war der Mattose und der Händler nicht mehr in der Wirts stube, und als ein besonnener Mann nach den beiden ausschauen ging, fand er sie nirgends. Die Nacht blieb still und dunkel, nur das gewaltige Rauschen des Meeres drang in die Hütten und bis an die Ohren der Schläfer. Marie, die wach lag, hörte und fühlte mehr als die anderen und wußte doch, daß sie das Schreck liche nicht hindern konnte. — Ihr Mann kehrte nie wieder zu ihr zurück, und auch den Mattosen hat keiner mehr gesehen.