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16. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Sie war wieder aufgestanden. Die Schwäche war von ihr gewichen. Sie war entschlossen, diesen Menschen keiner lei Recht über sich einzuräumen — keines! Niemals sollte er sie von Felix reißen dürfen! Berndt Klausen aber lächelte wieder und sagte gelassen: „Ich durchschaue dich. Du möchtest mich als einen Schurken hinstellen, um dadurch das Verbrechen zu recht fertigen, das du begangen hast, das Verbrechen der Dop pelehe, auf das Zuchthausstrafe gesetzt ist. Es wird dir nicht gelingen. Du hast mich einen Lügner genannt. Ich will sehen, ob du den Mut zur Wahrheit hast. Ich frage dich: Habe ich dir während der Zeit, da du mir vertrautest, da du mir folgtest, je ein Leid angetan? Habe ich von dir verlangt, was du mir nicht freiwillig gegeben hättest? Habe ich es erzwungen, nachdem du meine Frau geworden warst? Habe ich nicht vielmehr deine mädchenhafte Scheu stets geehrt und dich mit aller Rücksicht behandelt? — Nein, unterbrich mich jetzt nicht, wie ich dich nicht unterbrochen habe! Ich frage dich weiter: Habe ich dich wirklich dem Elend preisgegeben, als ich- an jenem Morgen von dir ging? Habe ich dir nicht all mein Geld zurückgelassen? Du bist klug. Du mußt dich öfter als einmal gefragt haben, warum ich dich damals aus der Armut und dem Elend riß, warum ich dich mit mir nahm und dich heiratete, ohne daß ich etwas davon hatte. Welche Antworten hast du dir auf diese Fragen gegeben? Ich will die Wahrheit wissen, Käthe.- Käthe senkte das Haupt. Ja, diese Fragen hatte sie unzählige Male an sich ge richtet, ohne eine Antwort auf eine einzige zu finden. Seit sie mit Turnau verheiratet war, wußte sie doch, daß Berndt von ihr alles hätte verlangen dürfen — alles. Aber sie mußte bekennen, daß er nichts gefordert hatte! Er hatte sich nichts genommen, gar nichts. Warum? „Du weißt keine Antwort-, fuhr Berndt Klausen fort. „Du wirst sic nie wissen, solange du bezweifelst, daß ich dich geliebt habe. Ja, ich liebte dich, und du erbarmtest mich bis ins innerste Herz. Ich sah deine Scheu vor mir und wollte, daß du erst volles Vertrauen zu mir fassen soll test, ehe ich dich in Wahrheit zu meiner Frau machte." „Und hast mich verlassen!- murmelte sie. „Ja, ich habe dich verlassen. Aber ich sprach die Wahr heit, als ich behauptete, es handelte sich um eine gute Stelle. Ich kann die Beweise dafür erbringen." Er wartete eine Weile, daß sie etwas erwidern sollte, aber da sie beharrlich schwieg, fuhr er fort: „Du sagtest vorhin, du hättest in der Zeitung von dem Unglückssall gclcjen, der mich betraf. Dann weißt du, daß man mich allgemein bedauerte, daß man schrieb: es sei schade um einen solchen Mann, der der technischen Wissen schaft noch große Dienste hätte leisten können. Oder war es nicht so? Antworte.' „Es war so-, gab sie tonlos zu. „Glaubst du, daß man das geschrieben hätte, wäre ich ein ehrloser Mensch gewesen? Du hältst mich für einen solchen, weil ich dich verließ, aber du tust es, ohne meine Gründe zu kennen.' „Und sie nützen jetzt auch nichts mehr!" unterbrach sie ihn. „Vielleicht bist du damals nicht der Schurke gewesen, für den ich dich gehalten habe; vielleicht bist du durch irgend etwas, was stärker war als du, verhindert worden, zu mir zurückzukehren. Doch wenn ich dir damals anrecht tat, heute — heute bist du in Wahrheit ein Schurke, denn du willst das Glück meiner Ehe stören, ohne daß du ein ande res Recht hast als jenen Fetzen Papier, trotzdem du heute genau weißt, daß ich dich damals nicht liebte und doch keine Sünde beging, wenn ich tat, was du von mir ver langtest. Damals kannte ich die Liebe ja überhaupt nicht! Ich sehnte mich nur nach ihr. Du verhießest, sie mir zu schen ken! Ich war dir von Herzen dankbar dafür, aber ich habe nie die Scheu vor dir verloren. Du bliebst mir fremd, auch, nachdem ich angeblich deine Frau geworden war. Als ich gesundete und erfuhr, daß du noch immer nicht wieder gekommen seist, da atmete ich auf, da habe ich nicht eine Minute mehr daran gedacht, mich für deine Frau zu hal ten, deinen Namen zu führen. Da wurde ich wieder die Käthe Fernau, die ich gewesen war. Daß sich mein Leben nachher so sehr wandelte, das ist nicht dein VerdtcUst. Ich mag jetzt nicht mehr wissen, warum du nicht zurück- gekommen bist. Ich srage dich nur das eine: Was willst du noch von mir?' Hatte sie im Anfang Hochmut ihm gegenüber geheuchelt, so stand sie jetzt in wahrhafter Hoheit vor ihm, und sie fühlte sich auch in Wahrheit hoch erhaben über diesen Men schen. Sie fürchtete ihn in diesem Augenblick nicht im ge ringsten mehr, denn unerschütterlich war in ihr die Ge wißheit, daß sie ihn nie geliebt, daß ihr Herz nur einem gehört hatte, seit sie die Liebe tennengelernt. Berndt Klausen wunderte sich immer von neuem über die Wandlung, die in dieser kurzen Zeit mit diesem Weibe vor sich gegangen war, und immer mehr redete er sich ein, daß er Käthe damals wahrhaft geliebt hatte, daß er sie jetzt noch liebte. „Was ich will?- wiederholte er halblaut. „Das kannst du noch fragen? Dich will ich.' Käthe Turnau taumelte zurück. Das hatte sie nicht erwartet. Noch einmal raffte sie sich auf. „Elender!- stieß sie hervor. „Du darfst mich beleidigen-, erwiderte er, Ruhe Heu- chelnd. „Vergiß nur nie, daß ich alle Trümpfe in meiner Hand halte, daß ich sie aussptelen werde, wenn du mich dazu zwingst.' „DaS könntest du tun? Und du behauptest, mich zu Neben? Ist das nicht Hohn, purer Hohn?' ,Rimm eS, für was du willst. Ich habe dir gesagt, waS ich verlange; ich werde unter keinen Umstände« davon ab gehen. Du bist nach dem Gesetz meine Fran. Ich darf mit vollem Recht verlangen, daß du zu mir kommst, mit mir lebst! Felix Turnau ist nicht dein Gatte, kann es nicht sein. Wenn du dich weigerst, dann werde ich dich zwingen!' „Du wirst mich und ihn töten, Wetter nichtL!' schrie. sie auf. „So schnell stirbt man nicht', entgegnete er voll Hohn. „Bis jetzt glaube ich vielmehr, daß dein sogenannter Gatte allen Grund haben wird, einen Skandal zu vermeiden, der ihn gesellschaftlich unmöglich machen würde. Wenn ich ihm alles enthülle, wird er keinen Widerspruch erheben, glaube mir. Entscheide dich! Ich werde dir nie wieder Gelegen heit dazu geben.' Totenblaß stand Käthe Turnau da. Sie hörte aus seinen Worten, daß er kein Erbarmen kannte. Was sollte sie tun? Wenn sie ihn bat? Aber als hätte er ihre Gedanken erraten, sagte er: „Versuche nicht erst, mich mit Bitten oder gar durch Tränen umzustimmen l Du würdest nichts erreichen.' „Auch dann nicht, wenn ich dir sage, daß ich mich Mutter fühle?- fragte sie erglühend. Das hatte er nicht erwartet, obwohl er es sich hätte sagen können. Er schaute sie betroffen an und wußte für den Augen blick nicht, was er antworten sollte. Käthe merkte, daß sie einen Vorteil über ihn errungen hatte, und war entschlossen, ihn auszunutzen. „Berndt-, sagte sie weich, „es mag sein, daß ich dich zu unrecht verdächtigt habe, daß du mich damals wirklich liebtest; aber wenn das der Fall war, dann mußt du selbst wissen, daß der Mensch nur einmal zu lieben vermag. Ich liebe nur einen — meinen Gatten —, ich liebe ihn so sehr, daß ich sterben würde, müßte ich ihn verlieren. Wenn du mich wirklich liebst, so kann ich dir nachfühlen, was du leidest. Laß uns doch nicht mehr unnütz streiten! Meine Liebe kannst du nie erringen, ebensowenig mich selbst! Ehe ich in Wahrheit deine Frau werden würde, wäre ich im stande, mich mit eigener Hand zu töten. Zwecklos, daß du mich von Felix trennen willst. Ich sagte dir, daß ich Mutter werden soll. Felix ist der Vater des Kindes, das ich erwarte. Das allein muß dich erkennen lassen, daß ich nie die Deine werden kann. Berndt!, es gibt so viele Mädchen auf der Erde, die schöner sind als ich. Wähle dir eine! Suche dir ein neues Glück, nachdem du das erste durch deine eigene Schuld verloren hast." „Jch werde nie eine andere lieben." „Das glaubst du jetzt, Berndt! Oder willst du behaup ten, du hättest dich all die Jahre über nach mir gesehnt? Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hättest du mich suchen und mich finden müssen! Du aber hast mich nicht ge sucht! Der blinde Zufall hat mich wieder in deinen Weg geführt. Als du mich sahst, da regte sich in dir etwas, was du vielleicht Liebe nennst, was es aber nicht ist. Du be gehrst mich, Berndt, aber du liebst mich nicht." „Jch werde wahnsinnig, wenn ich sehen soll, wie er —" „Warum mußt du das sehen, Berndt? Kannst du nicht fortgehen von hier?' Er lachte auf. Es klang bitter. „Fortgehen!' wiederholte er. „Ich soll meine Arbeit aufgeben? Ich muß doch leben." Und ehe sie etwas einwenden konnte, fuhr er fort: „Ich habe einst geglaubt, ich hätte den Schlüssel zum Reichtum gefunden — damals, als die Erfindung mir glückte, aber ich — alles ist hin, ich habe von vorn an fangen müssen — ich bin arm —" „Und wenn ich dir gäbe, was du ersehnst, Berndt?" fragte sie hastig. „Ich weiß nicht, ob ich reich bin. Ich rede nicht von dem Vermögen meines Gatten. Meine Tante sagte mir, ich hätte viel Geld. Berndt, ich will es dir geben, alles, wenn du mich freigibst, wenn du fortgehst und nie wiederkommst!" „Abkaufen willst du mir meine Liebe?- fragte er höh nisch. „Nicht so, Berndt! Ich will dir doch nur helfen, daß du vorwärts kommen kannst, daß du nicht mehr in der Tret mühle der Alltagsarbeit verkümmern mußt, daß du wieder deinen Geist frei arbeiten lassen und erfinden kannst, daß du berühmt wirst, wie du es schon warft. Ich will dir die Mittel geben, dich zu befreien, wenn du mich befreist —' „Von mir?!" „Ja, von dir! Von dem, was ich immer gefürchtet habe, was mein Glück nie vollkommen werden ließ!" ge stand sie. - Er stand stumm. Er kämpfte mit sich. Käthe sah, daß sie den rechten Weg gefunden hatte, daß er sich danach sehnte, reich zu sein, und hastig fuhr sie fort: „Du darfst dich nicht bedrückt fühlen durch mein An gebot, Berndt! Ich werde deiner in Hochachtung und Dankbarkeit gedenken, wenn du einwilligst, wenn du von hier fortgehst l" „Du wirst mich verachten.' „Nie! Ich habe dich verachtet, als du mich zwingen wolltest, aber ich werde anders denken, wenn du der besse ren Regung in dir den Sieg gönnst! Berndt, sage ja!" Sie faßte seine beiden Hände, die schlaff herabhingen; dabei blitzte im Sonnenschein an ihrer linken Hand der Ring auf, den Felix ihr zur Verlobung geschenkt hatte. Berndt Klausen sah es, er sah den kostbaren Stein. Die Habsucht überwog jede andere Regung in ihm. Der Kampf war entfchieden. „Es seil- stieß er hervor. „Ich will von hier verschwin den, wenn du mir so viel gibst, daß ich frei arbeiten kann." „Berndt!' jubelte sie auf. „Du hast natürlich dein Geld nicht verfügbar', fuhr er geschäftsmäßig fort. „Ich werde warten, bis du es flüssig gemacht Haft. Je eher du es tust, desto besser für dich. Es ist selbstverständlich, daß ich schweigen und dich nicht bloß- stellen werde, solange ich noch hier bin. Damit ich ab«! ekle Sicherheit habe, daß dn auch Wort halten wirst, ver- lange ich den Ring hier.' Erschrocken wich Käthe abermals vor ihm zurück. „Mein Verlobungsrtng!' murmelte sie. „Gerade deshalb will ich ihn haben! Du wirst ihn so bald wie möglich wieder einlösen wollen. Gib mir den Ring! Oder unser ganzer Handel ist nichtig!' Da streifte Käthe den Ring von ihrem Fing« und reichte ihn Berndt Klausen, der ihn in eine Tasche seiner Weste schob. „Wie lange wirst du brauchen, um deine Gelder flüfstg zu machen?' fragte er dann. „Ich weitz es nicht', erwiderte sie, leise erschauernd. „Tante ist verreist. Ich mutz sie fragen —' „Datz sie alles merkt! Weitzt du denn nicht, bei welcher Bank es deponiert ist?" Käthe nickte schweigend. „Dann brauchst du doch nur hinzugehen und es zu ver langen! Man kann es dir nicht verweigern, und du hast nicht nötig, zu erklären, warum du es haben willst. Wo 4st es? In Berlind- Abermals nickte Käthe. Jetzt erst erkannte sie, datz sie etwas versprochen hatte, was sie schwer würde halten können. Aber sie sah keinen anderen Weg, von ihm frei zu kommen, und so erwiderte sie: „Ich werde tun, was du verlangst. Aber noch um eins möchte ich dich bitten —' „Was ist eS?' „Berndt, mein Mann wird merken, datz ich den Ring nicht mehr habe —' „Du kannst doch sagen, du hättest ihn verloren oder verlegt!' „Ich kann es sagen, aber er würde sofort wissen, daß es die Unwahrheit ist. Ich habe nicht lügen gelernt', sagte sie fast demütig. „Und doch war deine Ehe bisher eine einzige Lüge!' murmelte er. Sie verstand ihn glücklicherweise nicht. Als sie ihn fragend anschaute, sagte er: „Also: Was wolltest du?" „Ich wollte dich fragen, wieviel ich dir geben mutz, da mit du mir den Ring zurückgibst!" Er lächelte spöttisch. „Du hast also doch Geld?' „Etwas, Felix zwang es mir auf" „Wieviel ist es?" „Jch weiß nicht; es mögen zehntausend Mark sein.' „Nun gut! Damit du endlich einsiehst, datz ich nicht der gewissenlose Schurke bin, für de» du mich hältst, will ich dir auch das zugestehen. Ich werde dir den Ning zurück geben, wenn du mir zehntausend Mark dafür einhändigst!' „Ich danke dir, Berndt', sagte sie leise. „Und wann willst du mir das Geld bringen?" „Vielleicht noch heute. Ich weiß nicht —" „Du kannst es mir in mein Zimmer bringen." Sie schrak zusammen. „In dein Zimmer?" wiederholte sic scheu. „Ja, in das Zimmer deines Mannes!" rief er voll Hohn. Da neigte Käthe Turnau ergeben das Haupt und ant wortete: „Ich werde kommen! Ich weiß nur nicht, wann." „Und ich werde dich erwarten. Halte Wort!" Er wandte sich ab und ging. Käthe Turnau sank wieder aus den Buchenstamm nie der, verhüllte das Gesicht mit beiden Händen und weinte bitterlich. * * Isolde von Kletten war von Turnau aus zu Bekann ten nach Berlin gegangen, von denen sie gern ausgenom men wurde, da sie sie nur von der besten Seite kannten. Da sie recht angegriffen aussah, glaubte man ihr gern, datz sie nur etwas Ruhe brauche und nicht zu ihrem Vater ge gangen sei, um ihn nicht zu ängstigen. „Mir fehlt gar nichts", sagte sie lächelnd. „Ich bin lediglich durch die gesellschaftlichen Strapazen etwas mit genommen." Man ließ sic also in Ruhe und kümmerte sich bloß inso weit um sic, wie sic selbst es wünschte. Man sand auch nichts dabei, daß sie jeden Verkehr mied und nur selten ausging. Niemand ahnte, daß die Seele des schönen Mädchens einzig und allein von dem Verlangen nach Rache aus gefüllt war, nach Rache nicht mehr nur an der Neben buhlerin allein, sondern jetzt auch an dem Manne, der sie zum zweiten Male verschmäht hatte. Aber wie sollte sie sich rächen können? Durfte sie hoffen, datz das Gift der Verleumdung doch noch wirken und das Glück der beiden vernichten würde? Sie wußte noch nicht mit Bestimmtheit, ob Käthe diesen Klausen schon gekannt, geschweige denn, ob irgendwelche Verhältnis zwischen ihnen bestanden hatte. In ohnmächtigem Zorn ballte sie die Hände. „Warum habe ich die Maske Käthe gegenüber so früh fallen lassen. Nun kann ich sie nicht mehr belauern!' stöhnte sie auf. „Was für eine Närrin bin ich gewesen!' Sie grübelte und sann unablässig, um herauszufinden, wie sie sich an den beiden rächen könnte. Aber sie fand nichts, bis sie auf den Gedanken kam, jenes kleine Dors aufzusuchen, in dem Käthe einst als Mädchen gelebt hatte. Sie überlegte alles sorgfältig. Aber je länger sie nach- dachte, desto besser erschien ihr dieser Plan. Und so nahm sie eines Tages Abschied von ihren Freunden unter dem Borwand, einen kleinen Kurort aufsuchen zu wollen. Isolde führte sofort aus, was sie sich vorgenommen hatte. Zwei Tage später tauchte in dem Seebade, von dem aus man nach dem abgelegenen Orte fahren mußte, et» junges, einfach gekleidetes Mädchen auf, das einen großen, viel gebrauchten Koffer v«t sich führte. Fortsetzung folg«.