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Bettage Mr Wettzerty Zettung Nr. 210 Montag, am S. September 1S29 LLZSS. Jahrgang , Chronik des Tages. - Reichspräsident von Hindenburg empfing den deut schen Botschafter in Angora, Nadolny. — Am 1. Oktober vollziehen sich umfangreiche Per foneckveränderungen ,in den höheren KommandostMen der — Die Wirtschaftspartei fordert in einer Entschließung di« Aussetzung der Reichstaasentscheiduna über den Aoung- plan bis zur Klärung der Zukunft des Saargebietes. — Dr. Eckener hat sich am Sonnabend von New Mork nach Deutschland etngeschifst. — Die interalliiert« Rheinlandkommission hat auf die Vorstellung des Reichskommissars für die besetzten Gebiete nunmehr di« ständige Unterbringung von Flugzeugen auf d«m Flugplatz Erbenheim gestattet. — Wegett Unregelmäßigkeiten und Unterschlagungen wurden der Vorstand und Aufsichtsrat der beiden Bronv- berger Krankenkassen ihres Amtes enthoben. — Ms Mörder des Ehepaares Hummel, das am 19. Juli in der Nähe von Brandenberg in Tirol ermordet aufgefunden wurde, wurde ein Bauernbursch« aus dem Unterinntale namens Michael Stern verhaftet. — Sechs Kinder einer Ferienkolonie wurden bei Mer- limont in Frankreich von den Wellen ins Meer hinausge spült. Zwei Kinder und der Leiter, der di« Kinder zu ret ten versuchte, ertranken. — Von den Teilnehmern an einem Rundslug d«r Militärflieger der Kleinen Entente und Polens sind 24 in Warschau gelandet. Deutscher Sparkaffentag. ; ' — Königsberg, 9. September. In Königsberg wurde heute der diesjährige deut sche Sparkassentag eröffnet. Der Vormittag war der Erstattung des Geschäftsberichtes durch den Präsidenten des deutschen Sparkassen- und Grroverbandes Dr. Kleiner gewidmet, ferner sprachen Dr. Jahn-Berlin und Oberregierungsrat Dr. Engelhard-München über das Thema: Sparkassen und Arbeitnehmer. Präsident Dr. Kleiner knüpfte an den Sparkassen tag in Kiel an und stellte fest, daß die durch die Sta bilisierung unseres Geldwesens bedingte Rückkehr der Sparkassen zur normalen Geschäftspolitik nunmehr durchgeführt ist. Man könne sich jetzt der Intensivie rung und den bank- und wirtschaftspolitischen Fragen stärker zuwenden. Tas mit den Verbänden der Banken und den Genossenschaften abgeschlossene Wettbewerbs abkommen habe sich bewährt, zu einer Entspannung habe es leider nicht geführt. Die auf die Ausdehnung des Anlagezwangs aozielenden Pläne müßten von den Sparkassen entschieden bekämpft werden. Zum Schluß leitete Präsident Dr. Kleiner auf die beiden folgenden Referate über. Von jeher habe die Arbeitnehmerschaft einen großen Bestand teil des Sparerkreises der Sparkassen ausgemacht. Sie habe daher ein Recht aus Gegenleistung für die Ein bringung der Spargelder. Diese Gegenleistungen seien Übrigens beträchtlicher, als man allgemein annehme. So hätten die Sparkassen z. B. auf dem Gebiete der Finanzierung Les Wohnungsbaues Hervorragendes ge leistet; beträchtliche Mittel seien ferner für die direkte Kreditgewährung an die Spareinleger verwendet worden. Tr. Jahn-Berlin führte aus, das Sparen gehöre zu den Fragen des praktischen Lebens, in denen dis deutschen Arbeitnehmer innerlich weitgehend überein stimmten. Tas Monatseinkommen der großen Masse der Arbeitnehmer — einschließlich der Angestellten — liege zwischen 1S0 und 250 Mark. Trotzdem brächten gerade diese Kreise Geld zu den Sparkassen, ja, es lei zu erwarten, daß sie künftig noch mehr sparen würden. Ursprünglicher noch und stärker, als der Wille zum Sparen, sei der Wunsch nach Sicherung. Ter Sparer wolle Sicherung vor Einkommensverlust in den Wechselfällen des persönlichen und des wirtschaftlichen Lebens. Wirtschaftlich betrachtet sei auch die Sozial versicherung eine Form des Arbeitnehmersparens. Beide ergänzten sich. Erst die Sicherung gegen die schlimmsten Risiken bereite den Boden für das Aufkeimen eines gesunden Spartriebes. Oberregierungsrat Tr. Engelhard-München verwies darauf, daß die Sparkassen schon zu Beginn ihrer mehr als hundert Jahre zurückliegenden Geschichte als gemeinnützige und soziale Einrichtungen gedacht gewesen seien, mit dem Zweck, den geringbemittelten Einwohnern die Möglichkeit zu verschaffen, sich einen Notpfennig zurückzulegen. , ! Redner legte dann dar, in welchem Maße dre ' Anlagepolitik der Sparkassen auf die Arbeitnehmer. - schäft Rücksicht nimmt und fuhr fort: „In vorderster Linie steht die Unterstützung des Keinwohnungs- baues und der Siedlungen, entweder unmittelbar durch Hypothekyingabe oder mittelbar dadurch, daß ' die Svarkassen ihren Gewährträgern Mittel für diese > Zwecke zur Verfügung stellen, sei es aus Ueberschüssen, sei es im Darlehnsweg. Aber auch für andere Arbeit- . nehmerwohlfahrtszwecke werden Lie Sparkassenmittel - weitgehend verwendet. Beispielsweise für Verkehrsein- ! richtungen, Bäder, Krankenhäuser, Volksheime und ' Sportanlagen. Daneben spielen «ine erhebliche Rolle die Kommunalkrebite, die zum großen Teil eben falls aus Sparrassenmitteln fließen, indem die Spar- ! lassen teils unmittelbar, teils auf dem Wege über ' die Bankanstalten ihrer Organisationen, die Girozen tralen, den Kommunen Darlehen geben zur Erfüllung von Aufgaben, die der Allgemeinheit zugute kommen und damit wiederum in erster Linie, namentlich dort, der Arbeitnehmerschaft über- wiegt, der Arbeitnehmerschaft. - ». Ableistungen öffentlichen Sparkassen die Arbeitnehmerschaft sind bei unvoreingenommener , Beurteilung nicht gering zu veranschlagen. Tie Schaf fung von Arbeits- und Berdienstmöglich- keit durch die Kreditgewährung aus Sparkassengeldern darf hierbei nicht außer acht gelassen werden. Diese Leistungen der Sparkassen gehen wohl sogar weit hin aus über die von den Arbeitnehmern selbst auf gebrachten Sparkapitalien. Die enge Verflechtung der Arbeitnehmerschaft mit einer günstigen Weiterentwick lung der öffentlichen Sparkassen erscheint damit er wiesen." Im weiteren Verlause des Königsberger Spar kassentags wird u. a. noch die Frage der öffentlichen Bausparkassen behandelt werden. Wann beginnt der Reichstag? Vorarbeit für die Inkraftsetzung des Yonugplans. — Ernste parlamentarische Schwierigkeiten. — Ler Streit um die Versicherung. — Berlin, 9. September. In den Amtsstuben der europäischen Regierungen sind die Vorbereitungen für die Inkraftsetzung des Uoungplans in vollem Gange. Die französische Regierung ist mit ihren Vorbereitungen am weitesten, die Kammer soll bereits im November zusammentreten und ihr Votum zum Youngplan und zur Rheinland räumung abgeben. Mr England beschränkt sich die Einfügung des Uoungplans im wesentlichen in die Gesetzgebung aus Räumungsbefehle und Verbuchungen im Staatshaushaltsplan. Die Räumungsbefehle sind bekanntlich bereits ergangen. Tie zuständigen Ressorts der Reichsregierung ar« beiten eifrig an der Fertigstellung der Gesetzentwürfe, die der Reichstag verabschieden m«ß, bevor der Young- plan in Kraft treten rann. Hierzu gehöre« die Ab- ändernng des ReichSbank- und des Reichsbahngesetzes. Wie verlautet, haben sich bei den ersten Veratungeu bereits Schwierigkeiten ergeben. Noch schwieriger würde sich die Lage gestalten, »venu diese Gesetze eine Zwei drittelmehrheit erforderten. Ist das — wie es vereinzelt behauptet wird — tatsächlich der Fall, dann stehen uns parlamentarische Kämpfe bevor, wie die, die zur Zett der DaweSPlan- verabschiedung die Gemüter bewegten. Daß die deutsch nationale Reichstagsfraktion durch Ab kommandierungen zu dem Zustandekommen einer Zwei drittelmehrheit beitragen wird, ist angesichts der deutsch- nationalen Kampfansage gegen den Youngplan nicht zu erwarten. Es hilft auch nichts, daß Reichspräsident von Hindenburg der Delegation seinen Dank aussprach und daß das besetzte Gebiet Danktelegramme schickt. Selbst in Stresemanns eigener Partei gibt es Kreise, die die wirtschaftliche Belastung, die der Young- plan mit sich bringt, für so ungeheuerlich halten, daß sie gegen den Plan Stellung nehmen. Wenn nun auch trotz alledem der Youngplan Wirk lichkeit werden dürfte, so wird es doch der Regierung nicht leicht werden, die entsprechenden Gesetze ein zubringen. Tie Koalition ist während der Parlaments serien nicht fester geworden! Das haben die letzten sozialpolitischen Beratungen gezeigt. Immer wieder ergab sich, daß es zwischen Sozialdemokraten und Deut scher Volkspartei in dex Frage der Reform der Ar beitslosenversicherung keine Einigungsmöglich keit gibt. So kraß wie in diesen Verhandlungen ist der Gegensatz zwischen beiden Parteien noch nie zutage ge treten; und es ist zunächst keine Aussicht darauf vor handen, daß er sich abschwächt. Verzögerung der Plenarberatungeu? Tiefe Kampfstimmung auf sozialem Gebiet schafft für die Regierung keine günstige Atmosphäre. Es mag zwar keine Krisis geben, aber die Einigung wird lange aus sich warten lassen. Man wir» versuchen, Var den offiziellen, das heißt var de» Plenarsitzungen des Reichstags die Kau- fliktstimmung ei» wenig aus der Welt zu schaffen. TaS erfordert Zeit. Deshalb ist nicht zu erwarten, daß der Reichstag var Anfang Oktober seine Beratungen aufnimmt. Tas ist bedauerlich, weil die Retchsanstalt für Arbeitslosenversicherung ohne Geld dasteht nnd weil der Etat so angespannt ist, daß der Reichsfinauz- minister keine Vorschüsse erteilen kann. Tic Kurve der Arbeitslosigkeit aber ist im Steigeu begriffen. Aussetzung der Voungplan-Entscheidung? Der Reichsausschuß der Wirtschaftspartei nahm eine Entschließung an, in der die Aussetzung der Entscheidung des Reichstags über den Youngplan bis zur Klärung der Zukunft des Saargebietes und bis zur Beseitigung der Artikel 429 und 430 des Versailler Vertrags — in denen von einer Wiederbesetzung des Rheinlandes die Rede ist — gefordert wirs). Bis dahin müsse die Partei eine ablehnende Haltung einnehmen« Nur noch drei Ratstagungen. Im Januar, Mai und September. — Zusicherungen in der Vstafrika-Arage. Im Völkerbundsrat nahm Reichsautzenminister Dr. Stresemann den Antrag des früheren englischen Außen- Ministers Chamberlain wieder aus, die Zahl der jähr- lichen Ratstagungen von vier aus drei herabzusetzen. Nach kurzer Debatte beschloß der Rat einstimmig, in Zukunft nur noch drei Tagungen im Jahre abzuhallen. Die Tagungen finden am dritten Montag im Januar, am zweiten Montag Im Mai und drei Tage vor der Herbstversammlung des Völkerbundes statt. Außerhalb der Herbstversammlung im September werde» sich also die Minister nur noch zweimal in Genf treffen. , Das Schicksal Deutsch-SstastikaS. Bel der Besprechung des sogenannten Hilto«- Uoungplans, der eine Einverleibung des Mandatsge biets Tanganjika, des ehemaligen Deutsch-Ostatttta an die englische Kolonie Uganda Vorsicht, erklärte der eng lische Außenminister Henderson, daß der Plan zur Zeit noch von der englischen Regierung geprüft werde und daß auf jeden Fall die Mandatskommission des Völker- bunds benachrichtigt werden würde, bevor er in Kraft gesetzt werden sollte. I» der vorhergehenden Diskussion hatte Reichs» autzenminister Tr. Stresemann betont, daß keinerlei Verschmelzung des früheren Seutsch-Vstafrika mit an» deren Kolonialgebieten Englands statthaft fei. Er er» warte, daß die Mandatskommission eingehend die Vor schläge der englischen Regierung prüfen werde, ob sich die in Aussicht genommenen „Verwaltungsmaßnahmen" mit der Selbständigkeit des Mandatsgebiets unter den Kontrolle des Völkerbundes vereinbare« ließe«. Ter englische Außenminister Henderson erstattete schließlich noch «nen Bericht über die Ereignisse in Palästina. Er erklärte, die britische Regierung werde nicht von der Politik der Errichtung einen jüdischen Heimstätte in Palästina abgehen. Saarabordnung bei Stresemann. Besprechu«ge« über die Lösung der Saarfrage. — Englands «ahnschntztruppe verläßt im Oktober da» Saargebiet. In Genf traf eine saarländische Abordnung et«, der Vertreter aller Parteien des Saargebietes ange hören; die Führung der Delegation hat der Industriell« Kommerzienrat Röchling. Die Mitglieder der De legation haben sich mit Reichsautzenminister Dr. Strese mann in Verbindung gesetzt und werden wettere Be sprechungen mit dem deutschen Außenminister haben. Zu dem Plan, eine deutsch-französische Gesellschaft mit der Verwaltung der Kohlengruben zu beauftragen, wird von maßgebender saarländischer Sette erklärt, solche Pläne würden im Saargebiet entschieden ab gelehnt. Unter keinen Umständen dürfe eine Regelung getroffen werden, die auch in einer noch so losen Form die Möglichkeit eines französischen Einflusses aus die Saarkohlengruben ossenlätzt. Ferner wird daraus hin- gewiefen, daß die Zurückziehung des alliierten Bahn- schutzes aus dem Saargebiet nunmehr unverzüglich er folgen müßte. Wie von gut unterrichteter Sette verlautet, wird die im Saargebiet als sogenannter Bahnschutz weilende englische Truppenabteilung spätestens zum 30. Oktober aus dem Saargebiet zurückgezogen werden. Belgien dürste sich zu einer ähnlichen Maßnahme entschließen. * Kehl wird geräumt. Eine französische Bestätigung. — Abzug deS letzte» ranzösischen Kürasfierregtments aus Trier. Wie aus Genf berichtet wird, bestätigten dort Mitglieder der französischen Delegation, daß der Brückenkopf Kehl gleichzeitig mit der Räumung der dritten Zone freigegeben werden muß. Aus Trier wird berichtet, daß in den letzten Tagen das letzte fran zösische Kürassierregiment die Stadt verlassen hat, um an Manövern zwischen Maas und Mosel teilzunehmen. Tas Kürassierregiment dürste nicht wieder nach Trier zurückkehren. ein De» Behörde« zuvorgekommen. Wie jetzt bekannt wirb, s-ltt- an A Attentats in Lüneburg ein« ^tfi^en^auf der über B-rb-ngnngSmaknabw-n ^A«n sollt«. TW «ttentatersinvvws^ als» Ans der Anbringung ver «mmw wir» aekckEen vaK die «ombenleger gute Lokalrenntniss« Wt Sp«ug»ad«^ ittK tn Lünebnrg verwendete» Bombe war übrigen» Weitz größer als »t« »er bisher verwandte« Bombe«. , In Bertin meldete sich auf einem Polizeirevier Arbeitsloser namens Werner MLNe? Md gab Wer find die Bombenleger? Das Dunkel noch nicht gelichtet. — «svoo Mark Ve- lohuung! — Unwahre Selbstbezichtignngen. — Trr ge heimnisvolle Motorradfahrer. Tie Untersuchung des Bombenans aus das Regierungsgebäude in Lüneburg ist mit ar m Nach druck fortgesetzt worden. Der eine wettere Belohnung von 10 000 Mark ausgesetzt. Da die für die frühere« Anschläge ausgesetzt«» v« lAnuugeu bestchen bleibe«, find jetzt insgesamt SS 00« Mart für die A«fklaru«g der «uschläge ausgelobt. Die bisherigen Nachforschungen lenkten den Ver- baKt auf einen Motorradfahrer, der sich in der Atten- tatSnacht bei Artlenburg über die Elbe setzen ließ, um Soltau nach Berlin zu fahren. Der Fahre« benutzte ein Motorrad mit Soziussitz, Marke Zündapp, mit ,dem Erkennungszeichen I. S. Von der fünfstelligen Zahl sollen die beiden ersten Ziffern „17..." sein. — Bekanntlich hatte auch bei dem ersten Lüneburger Attsr- tat ein Motorradfahrer den Verdacht auf sich gelenkt. Inzwischen verbreitete eine Berliner Zeitung dis Nachricht, der Motorradfahrer habe sich auf dem K lizeipräsidium der Reichshauptstadt gemeldet. Wiewm dazu von gut informierter Stell« erfahren, entsprny» diese Meldung nicht den Tatsachen.