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Das Wort „Frauenberufe" Ist eigentlich an sich ein ^neuzeitliches" Wort; früher, d. h. vor gar noch nicht so langer Zeit, gab es nur wenige eigentliche Frauenberufe. Das Lehrfach unb vor allem die Wohlfahrtspflege waren allerdings von jeher ein der weiblichen Natur besonders Legendes Tätigkeitsfeld. Pflege der Kranken unb Kinder, in Instituten unb im Hause, war von jeher so recht eigent lich Frauenarbeit. In ruhigen und unruhigen Zeiten, bei Epidemien unb Kriegen, haben Frauen stets Heldentaten vollbracht. Der früheste, von einer Frau selbständig aus- geübte Berufszweig war jedoch wohl derjenige der Bühnen künstlerin, seltener wohl der Bildnerin und Dichterin. Wenn man, von großen Gesichtspunkten aus gesehen, Zeitalter der Literatur, der Musik, der bildenden Kunst annimmt, unb die Frau in diesen Epochen der schönen Künste produktiv mitgearbeitet hat, so kann man das durch aus als ihren «damaligen" Fähigkeiten entsprechend be zeichnen, die sich aus dem Rahmen eines gepflegten unb behüteten Daseins entwickelt haben. Wenn man heute von einem Zeitalter ber Technik sprechen mutz, so mutz es einen um so mehr in Erstaunen setzen, wie schnell sich bie Frau aus allen Kreisen auf unser Zeitalter eingestellt hat. Ein Zeitalter, in dem bie Musen immer mehr verstummen, dessen lautester Klang bas Surren der Maschinen, bas Geknatter ber Motoren geworden ist. Die „Frau im Gewerbe" wäre für den Menschen des vorigen Jahrhunderts mit „Köchinnen und Schneiderinnen" Mc? s/77, ////" /"/s erschöpft, die sozusagen nur als Interpreten fremder Ideen ! fungierten. Heute ist der Sammelbegriff des „Frauenge- > Werkes" weit größer gefaßt. Wir finden Frauen in vielen Iihnen früher verschlossenen gewerblichen Berufen; die Ge sellenprüfung bestanden sie z. B. als Kaminfeger, Schmied, Fleischer, Bäcker. Jüngst berichtete eine „Verkäuferin", daß es für sie ein direkt als „Glück" zu bezeichnendes Ge fühl sei, daß sie Backwaren verkaufen könne, bie Vater unb Schwester angefertigt. Ein Beweis, baß auch „neu zeitlich" bie Gefühlsseite nicht unbedingt ausgeschaltet sein mutz. Da das „Buchbindern" seit altecsher eine ber be liebtesten und dankbarsten Liebhabercünste darstellt, finden sich heute vielfach von Frauen geleitete, auch gegründete, Werkstätten für künstlerische Buchbinderei. Die Ausbildung geschieht am besten in ber Buchbinberabtellung ber Kunst gewerbeschulen. Die Vielseitigkeit ber Buchbinderei ge stattet auch bie Herstellung zahlreicher Gebrauchs- unb Luxusgegenstänbe mit Verwendung ber Materialien beS Buchbinders. Die vielerlei Arlen von Mappen. Schachteln. Dosen, Pyotoalben, Gästebücher, reinecr ^«-verwaren, Taschen unb Täschchen bieten als Modeartikel der ge schickten Buchbinderin reichlich Gelegenheit, ihren künst lerischen Geschmack zu betätigen. Die Frau tritt schöpferisch und selbständig in das Ge werbe. Nicht nur daß sie Küche und Schneideratelier von einer höheren Warte aus regiert, indem sie mit ihren tech nischen Kenntnissen die Methoden vervollkommnet, sie hat auch neue Gebiete für ihren Tatendrang erobert. Sie baut und erfindet, um die Arbeitsqualität zu erhöhen, unb sie benutzt ihre chemischen Kenntnisse, um Material zu prüfen unb zu sichten. In Amerika ist z. B. bie „Butter- unb Eier-Laby" der ausschlaggebende Faktor bei der Begut achtung der wichtigsten Volksernährungsmittel. Hatte die Frau, bie man seit Jahrzehnten in ben Hör sälen ber Universitäten in steigender Anzahl antreffen konnte, die Vorbedingungen zu ben akademischen Berufen des Juristen, des Mediziners, des Apothekers erfüllt, so baut sie auch Ventilatoren, Dampfschiffe, Wassertürme, sie taucht, sogar in jüngsten Jahren, in die Tiesen des Meeres, und sie Hilst, die geheimnisvollen Schwingungen ber Atmo sphäre burch produktive Mitarbeit am Radio einzufangen unb dem Menschengeist bienstbar zu machen. So schafft sie mit „am sausenden Webstuhl ber Zeit", nicht mehr als unselbständiges Arbeitstier, sondern als wissenschaftliche Mitarbeiterin, in deren geübten Händen oft bie Fäden eines ganzen Unternehmens zusammenlaufen. , Die Wissenschaft ber Technik tritt heute immer mehv in ben Worbergrunb unb bie Statistik ber Hochschulen hat ergeben, bah der Strom ber Stubierenben am stärksten in bie Laboratorien, in bie meteorologischen Institute, in bie Ateliers ber Architekten flutet. Unter den tapferen Forschern» bie oft mit Lebensgefahr neue Gebiete der praktischen Wissenschaft erobern, sind die Frauen nicht mehr selten. Auch sie erklimmen die schwindelnden Gerüste der Bau unternehmer, lenken den Motor des Autos und beS Flug zeugs und spüren in den Laboratorien noch ungeklärten chemischen Prozessen nach. — In Amerika bekleidet eine Frau bereits den Posten eines Offiziers ber Akademie, zu dem sie burch die Verleihung ber silbernen Medaille für Fortschritt erhoben wurde. Sie erhielt sie als Be lohnung für eine epochemachende Erfindung auf dem Ge biete des Grammophons. H So gerät nach „Wissenschaft unb Fortschritt" bie Ge^ schichte von dem „schwachen Geschlecht" immer mehr ini bas Gebiet der Fabel. Die Frau in der Wissenschaft, bis Frau im Gewerbe, bie Frau in ber Verwaltung hat sicht nach langen Kämpfen einen Platz erobert unb „steht ihren! Mann", und der Mann mutz sich damit abfinben.