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SV Jahre deutsche Rechtseinheit. ANt vem vor 50 Jahren am 1. Oktober 1879 er. folgten Inkrafttreten der Reichsjustizreform gestalteter sich auch für Sachsen die bis dahin teilweise noch recht verworren gewesenen Rechtsverhältnisse völlig ein- hettlich. Mit dem genannten Termin wurde das neugebil- dete Reichsgericht in Leipzig im dortigen ehemaliger Handelsgcrichtshof eröffnet. Dieses bestand zunächsl aus fünf Zivil- und drei Strafsenaten mit einem Präsidenten, elf Senatspräsidenten und 83 Reichs gerichtsräten, denen ein Oberreichsanwalt, sechs Reichs anwälte, drei Oberstaatsanwälte und eine Anzahl Hilfsbeamter zur Seite standen. Die Befugnisse des ftüheren Reichshandelsgerichtshofes, in dessen alter Leipziger Räumen sich zunächst das neue Reichsgericht befand, gingen am gleichen Datum auf das letzter, mit über. Das Reichsgericht in Leipzig bekam dori später in den von 1888 bis 1895 von Architekt Hoff- mann im Renaissancestil erbauten heutigen Reichs gerichtsgebäude ein neues würdigeres Heim. Sein da maliger erster Präsident war das Reichtagsmitgliek Eduard von Simson, der erste Reichsanwalt der be rühmte Jurist von Seckendorfs. Gleichfalls am 1. Oktober 1879 trat die neu, Zivil- und Strafprozeßordnung und Kon- kursordnung in Kraft, desgleichen die an di, Stelle der alten sächsischen Advokatenordnung von 1859 getretene neue Reichsgebührenordnung für Rechtsanwälte. Weiterhin wurden in Sachsen das bisherige Oberappellationsgericht in Dresden nebst den alten vier Appellationsgerichtshöfen in Dres den, Leipzig, Zwickau und Bautzen aufgehoben. Das gleiche geschah mit sämtlichen bisherigen Bezirksgerich ten, Handelsgerichten und. auch den ehemaligen Ge richtsämtern in den Schönburgschen Rezetzherrschaften An Stelle dieser in der früheren Zeit sämtlich nach verschiedenem Recht Justiz übenden Gerichtsstätten tra ten sieben neue sächsische Landgerichtsbezirke mit dem Oberlandesgericht in Dresden an der Spitze. Dies« noch heute bestehenden sieben sächsischen Land- unk Schwurgerichtsbezirke von Dresden, Bautzen, Chemnitz, Freiberg, Leipzig, Plauen und Zwickau umfaßten da mals wieder insgesamt 105 Amtsgerichte, von denen aus den Dresdener Bezirk 14, auf Leipzig 15, Bautzen 18, Zwickau 16, Chemnitz 16, Freiberg 14 und Plauen 12 entfallen. Bor 50 Jahren wurden mit der neuen Rechts- anwaltsordnung auch die sächsischen Rechts- anwaltskammern erstmalig gebildet. Weiter war am 16. August des gleichen Jahres das noch heut, bestehende Institut der Friedensrichter gebildet worden. Endlich wurde am 1. Oktober 1879 der da malige neu« Justizpalast in Dresden, das heu tige „alte Landgericht" für Zivilsachen an der Pill- nitzer Straße dem öffentlichen Verkehr übergeben. Eine Sehenswürdigkeit der Seifenmesse Auf der zur Zeit in Berlin stattftndenden Seifenmesse ist ein Riesentank aus Seife ausgestellt worden, der berechtigtes Aufsehen erregt. Diese völlig un gefährliche Kriegswaffe ist 5 Meter lang, 3,50 Meter hoch und hat ein Gewicht von 130 Zentnern Auf fallendem Ast. Diese Nacht hat uns den Herbst gebracht, den astronomischen Herbst. Mit der Tag- und Nachtglciche am 23. September beginnt nämlich kalendermäßig die dritte Jahreszeit. Selbst dann, wenn wir keinen Blick auf den Ka lender geworfen hätten, wissen wir, daß der Herbst da ist, wissen es schon seit einigen Tagen, seit dem Sonnabendmorgen, an dem plötzlich kühle Luftmassen uns empfingen, als wir unser Heim verließen. Auch dieser Sommer, der so tat, als ob er nie weichen wolle, ist besiegt, der Herbst hat ihn geschlagen. Manche mögen das bedauern. Namentlich die Stadtmenschen, die die Sonne, die Wärme, die heil same Naturluft so notwendig gebrauchen, wie das täg liche Brot. Aber manche, und ihrer sind nicht wenige, weinen diesem Sommer keine Tränen nach. Sie möchten vielmehr über ihn weinen. Tas sind die Landleute, denen die dürre, regenlose, lang« Sommerzeit vielfach erheblichen Schaden zugefügt hat. In manchen Ge genden sicht eS trostlos aus, man hört nur allzu berechtigte Klagen. Aber selbst dort, wo die Ernte noch einigermaßen erfreuliche Erträge aufzuweiscn hat, besteht doch kein Anlaß zu freudigem Rückerinnern, denn der an-gedörrte, stahlharte Boden wchrte sich gegen W Füaschar, die ihn verwunden sollte, um der neuen itzt fruchch«e» Bett zu bereiten. Kurz: die Herbstbestellung ist zurückgeblieben, und schwer wird W werden, das zwangswäse Versäumte nachzuholen, Venn wir befinden uns auf absteigendem Ast. Immer kürzer werden die Tage, die Zeit für die Arbeit bet Tageslicht wird immer knapper. Da heißt es, doppelt fleißig sein, wenn doch noch etwas geschafft werden soll. Aber auch diese karge Zeit wird nur wenig genutzt werden können, wenn der Himmel nicht bald ein Emsehen hat. Regen braucht jetzt der Land mann, Regen und wieder Regen. Möge der HeM doch nachholen, reichlich, was der Sommer vernachD lässigt hat, damit im Frühjahr, das ja zu Mtserevt Trost doch einmal kommen wird, lachende Augen schwe« fen über prächtig«, grünende Saaten! Di« anderen, die nicht das Ackerland betreuest, sehnen aber auch die Wolken herbei, die den Regen spenden sollen. Eine alt« Bauernregel sagt: Je trockener der Herbst, desto kälter der Winter. Was ein kalter Winter der Menschheit und dm Tieren bringen kann, das hat uns der letzte Nord polwinter zur Genüge beigebracht. Möge uns ein gütiges Geschick vor einer Neuauflage bewahren! Und darum sehnen wir Regen herbei und nochmals Regen für diese Zeit, in der wir uns auf fallendem Ast befinden. H. D. Festtag im Elefantenhaus. Das Elefantenbaby „Kalifa",, das im Berliner Koo das Licht der Welt erblickte, feierte kürzlich den 1. Ge burtstag. Die zahlreichen Besucher brachten an diesem Tag« dem 10 Zentner schweren, „niedlichen" Tierchen besondere Gratulationsleckerbissen. Kunst und Wissen. -- Wilhelm ve Haan 80 Jahn alt. Ein angesehener Tondichter, oer namentlich der älteren Generation musi kalisch interessierter Kreise in bester Erinnerung sein wird, Wilhelm de Haan, wird am 24. September 80 Jahre alt. de Haan, der gebürtiger Holländer ist, aber durch musi kalische Erziehung und sein erfolgreiches Wirken in Deutsch land wohl als Deutscher gelten kann, ist ein Schüler Joachims und stand einst dem Künstlerkretse Brahms-Ru binstein nahe. Eine ersprießliche Tätigkeit entfaltete er namentlich in Darmstadt, wo er als Hofkapellmetster lang« Jahre der Exponent des rheinisilxw Musiklebens war. Auch als Opcrnkomponist betätigte sich de Haan. Seine im romantischen Stil gehaltenen Opern „Die Kaisertochter", „Der Königssohn" und „Harpa" wurden seiner Zeit mit Beifall ausgenommen. Versteigerung einer Kirche. Da sich di« russisch-griechisch-orthodox« Gemeinde in Berlin in Zahlungsschwierigkeiten befindet, hat das Charlottenburger Amtsgericht die Versteiger uno ihrer Kirch« verfügt. Der „strahlende" Körper. 'Mir Radioaktivität de» Menschen. — Seltsame Be obachtungen an Infekten und Pflanzen. — Photo graphische versnche. — Ungeklärte Naturerscheinungen, Schon viele Gelehrte haben versucht, Strahlen zu entdecken, die dem menschlichen Körper entströmen; di« entsprechenden Forschungen werden in gewissen Ab- ständen stets von neuem angestellt, seit Reichenbach, der Entdecker des Paraffins, mit der Lehre vom mensch lichen Fluidum „Od" die Menschheit in Verwirrung stürzte. In den letzten Jahren untersuchten diese Frag« ! besonders Desaille, Cazzamalli und Mondeil, der ein - Buch über das menschliche Fluidum veröffentlichte. ! Die bisher erzielten Ergebnisse unterzieht RenE Gudr« > einer kritischen Untersuchung; er führt dabet folgen. ' den Grundversuch an: Faßt man im Dunkeln mit der linke» Harch eiru Glühlampe beim Sockel und reibt fie kräftig mit d« trockenen rechten Hand, so erscheint im günsngen Fats nach 2 bis 3 Sekunden, sonst nach 1 bis 2 Minuten die Lampe in ein milchiges Licht getaucht; man sieht leuchtend« Punkte in ihrem Innern. Hört man nun mit dem Reiben aus, so verschwindet der Schimmer erst nach «Iwa 3 Sekunden. Das Licht ist stark genug, Um «inen in der Nähe befindlichen Gegenstand zu «L kennen. Beim Nähern oder Entfernen der Hand zei gen sich verschiedene Lichterscheinungen. Man könnte dies« Phänomene, die auch mit Gummihandschuhen und sogar schon mit einer Kar toffel hervorgerusen werden können, zur Not auch auf Reibungselektrizität zurückführen. Ganz eigenartig« Erscheinungen sind auch am Magnetometer zu beobach ten, von Joires auch Sthenometer und von Baradue Biameter genannt; es besteht aus einer um eine senk rechte Achse leicht beweglichen Nadel, die bei der An näherung der menschlichen Hand in rasche Drehung gerät. Da dies auch hei ihrem Abschluß unter einer Glasglocke geschieht, kann man wohl kaum an eine Wirkung der Handwärme und der Luftströmungen denken. Monderl hing eine Stecknadel an einem Faden aus, näherte den Finger bis auf 2 bis 3 Millimeter Entfernung und beobachtete nach einigen Sekunden Schwingungen, denen eine sichtbare Anzie hung folgte, wenn er den Finger zurückzog. Alle Erklärungsversuche, die aus die bekannten Naturkräfte zurllckgehen, lassen noch immer einen kleinen Rest Un erklärbares zurück. Der Physiker Albert Nodon unternahm nun Ver suche, um die Radioaktivität der lebenden Zellen un mittelbar zu beweisen, und zwar durch Entladung eines Elektrometers. Nodon fand, daß die Strah lungsenergie bei grünen Blättern, Stempeln und Sten geln so groß sei wie bei dem Uran; sie ist größer bei den Fvrtpflanzungsorganen der Pflanzen als bei an deren Teilen und kräftiger bei frischen Pflanzen, als bei verwelkten, während sie bei getrockneten völlig verschwindet. Ebenso erweisen sich frische Erdschollen vom Feld als radioaktiv. Die Radioaktivität von In sekten war fünfmal so groß, wie die der gleichen Menge Uran; doch war sie bei kranken Insekten kleiner und bei toten gar nicht vorhanden. Eine lebende Fliege entlud das Elektrometer in zwei Sekunden, eine ster bende in 75, eine tote erst in 78. Nach Dr. Müller in Zürich strömt auch der mensch. liche Körper ein undefinierbares Agens aus, beson- Vers aus den Fingern der linken Hand. Nodon machte photographische Aufnahmen, indem er Pflanzen und Insekten aus ein dichtes Gewebe und dann auf eine Platte legte. Im Positiv zeigten sich die Umrisse der Gegenstände weiß auf schwarzem Grund; doch ist man noch nicht sicher, ob die Platt« nicht vielleicht durch andere Einflüsse geschwärzt wurde. Endlich sei noch erwähnt, daß der Pole Ocho- rowicz und viele ändere Experimentatoren Photogra phien anfertigen konnten, die den Austritt einer leuch tenden Materie aus dem menschlichen Körper zu be- weisen scheinen. Klarheit kann in die ganze Angelegen heit wohl erst durch die Mitwirkung von Physikern und besonders mit Rücksicht auf die auftretende kurz wellige Strahlung, von Radiofachleuten, gewonnen werden. tk. Ler Zahl »er Vorzeit. Zwei Zähne eines Mammuts, das vor rund 20 000 Jahren in Süd afrika weidete, wurden kürzlich im PilandSberg im westlichen Transvaal von Professor Dart wissensthaft- lich bestimmt. T«r Gelehrte vertritt die Ansicht, daß die beiden Zähne einer bisher unbekannten Art süd« afrikanischer Mammuts gehörten. Die Zähne wurden in Stücken von einem Jungen gefunden und von Pro fessor Dart rekonstruiert, der dem Fund um so größere Bedeutung beimißt, als gleichzeitig zahlreiches Gerät aus der Steinzeit gefunden wurde. Die bisher sehr an- gAweifelte Theorie, nach der Afrika als Urheimat der Menschheit zu gelten habe, sott danach eine wertvolle Bestätigung erfahren haben. Scherz und Ernst. tk. Musikalische Hexenmeister. Ein französischer Musiker machte kürzlich darauf aufmerksam, daß ein guter moderner Klavierspieler seine Augen dazu er ziehen muß 1500 Notenzeichen in einer Minute zu lesen; seine Finger soll er soweit drillen, daß er in der gleichen Zeit zweitausend Bewegungen ausführen kann, und sein Gehirn muß trainiert werden, dis es alle diese Notenzeichen aufzunehmen und die Finger bewegungen zu dirigieren vermag. Um beispielsweise Webers „Perpetuum mobile" zu spielen, ist der Pianist gezwungen, in weniger als vier Minuten 4541 Noten zu lesen, d. h. neunzehn in der Sekunde. Das Auge kann indessen kaum zehn Eindrücke in der Sekunde aufnehmen, so daß man annehmen mutz, datz bei einem sehr schnellen Tempo der Aufführung der Musiker nicht jede Note einzeln, sondern gruppenweise im Auge aufnimmt. Im zweiten Teil der E-Moll-Etüde von Chopin mutz er sogar in zweieinhalb Minuten 3956 Notenzeichen lesen — oder ungefähr 36 Noten in der Sekunde. tk. KSse«ssen als ScheidunaSgrund. Gaston Grout, ein biederer Kaufmann aus der französischen Stadt Boulogne, war ein vortrefflicher Ehegatte, der seine chön« Frau Rosette über alles liebte. Trotzdem mußte ich seine Frau schweren Herzens entschließen, sich von hm scheiden zu lassen, denn Gaston besaß eine un- glücklrch« Leidenschaft, die schwerer wog als all sein« Tugenden. Er hatte nämlich eine besonder« Vorliebe für Limburger Käse, von dem er ungeheure Quanti täten vertilgen konnte. Rosette dagegen vertrug nicht einmal den Geruch dieses Käses. Vergebens versuchte sie, den Käseliebhaber von seiner Liebüngsspeise abzu bringen. Als nun alle Bemühungen nichts fruchteten, reichte sie die Scheidungsklage ein und verlangte noch überdies ein« Rente, „denn, so erklärte sie in ihrer Eingabe, „ein Mann, der seiner Frau zuliebe nicht einmal dem Limburger Käse entsagen kann, liefert den schlagendsten Beweis dafür, daß er für die Rolle eines Ehemannes völlig ungeeignet ist."