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——. — — V-.—. - --—-—»— 1 > , ' '' 10. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Regungslos saß sie neben ihm. DaS war die Frage, die Bitte, die sie gefürchtet hatte in all den Tagen. Was sollte sie ihm antworten? Was durste sie ant worten? Sie senkte die Augen, um seinen flehenden Blick nicht sehen zu müssen. Er sah sie erbeben; er zog sie an sich. »Käthe, liebe, liebe Käthe, du schweigst? Wenn du wüßtest, wie ich mich ängstige, daß du mir abermals ent schlüpfen könntest wie damals I Ich bin wieder gesund; aber ich weiß, ich könnte das Leben nicht ertragen ohne dich, ohne deine Liebe.* »Meine Liebe wird dir immer und immer gehören, Felix', erwiderte sie leise. »Und du — du selbst, Käthe?* Da schaute sie zu ihm aus. Fest und groß blickten ihre blauen Augen ihn an, und fest klang ihre Stimme, als sie nun fragte: »Felix, wirst du mich wirklich immer liebbehalten, was auch geschehen mag?* »Käthe, das fragst du noch?* »Nicht so, Liebster! Sage ja oder nein! Nichts anoeres will ich in dieser Minute von dir hören.* »Ja, Käthe, tausendmal ja! Immer und ewig werde ich dich lieben müssen, und nichts auf Erden soll uns mehr trennen dürfen!* »Nichts, Felix? Gar nichts, was es auch sei?* Verwundert schaute er sie an. Er verstand die Feier lichkeit nicht, mit der sie sprach; aber ohne Zögern er widerte er: »Nichts, gar nichts wird mich von dir trennen können, Käthe, als der Tod!' »Willst du mir das schwören, Felix?' Sogleich hob er die Hand, und rief: »Ich schwöre dir bei allem, was Menschen unv mir heilig ist, daß ich nie und nimmer von dir lassen, daß ich dich lieben werde bis zu meinem letzten Atemzug!* »Und mir in allem vertrauen, Felix?' Wieder war er verwundert; doch er sprach: »Und dir in allem vertrauen, Käthe!' Da schlang sie beide Arme um seinen Nacken und küßte ihn herzlich. »So will ich die Deine sein, Felix, und mit dir vor den Altar treten, wenn du es verlangst!' rief sie dann. »Gott im Himmel sieht in mein Herz und Weitz, daß nichts darin ist als die heiligste, reinste Liebe zu dir, Felix. Dir will ich gebären, dir allein!' Da jubelte er auf und zog sie stürmisch an sich. Noch in der gleichen Stunde wurde der Tag der Hoch zeit festgesetzt und Tante Adelheid, die wieder nach Nonnen- werth zurückgekehrt war, telephonisch herbeigerufen, die auch sofort herbeieilte. Sie war außer sich vor Freude; denn diese beiden jungen Menschenkinder, die sich nun doch noch gefunden hatten, waren das Liebste, das sie auf der Welt besaß. Sie umarmte Käthe innig und küßte sie und fragte: »Nun fürchtest du dich nicht mehr vor dem Heiraten, Kind?' Doch Käthe antwortete nicht; sie zuckte zusammen und barg ihr Gesicht an der Brust der Tante. Eine Stimme in ihr mahnte sie: „Sage ihr jetzt alles! Vertraue ihr dein Geheimnis an! Jetzt ist der richtige Augenblick! Jetzt kannst du dich noch vor schwerer Sünde bewahren, und sie wird sicher, ganz sicher einen Rat wissen. Rede, rede!" Aber so oft Käthe den Mund öffnen wollte, war ihr, als lege sich eine unsichtbare Faust um ihre Kehle, so daß sie kein Wort hervorbringen konnte. Aber als Tante Adelheid ihr sagte, daß sie nun schnell nach Berlin fahren müßten, um die Ausstattung zu be schaffen, erschrak Käthe. Sie fürchtete sich vor Menschen, und sie nahm sich vor, Felix zu bitten, mit ihr auf dem Lande zu bleiben. Er sollte nur ihr leben; sie wollte ihn so glücklich machen, daß ihn nichts mehr von ihr trennen konnte. Sie sah jedoch ein, daß sie die Tante begleiten mußte, und als ihr Verlobter davon hörte, erklärte er sofort, daß auch er in der Hauptstadt zu tun habe. „Das werden herrliche Tage werden, Käthe!' sagte er voller Freude. „Ich werde dir alle Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen; wir werden die Theater und die Kon zerte besuchen. Du kennst ja noch so wenig." Da schmiegte sie sich an ihn und schaute zu ihm auf. „Liebster", sagte sie, „ich frage nicht viel nach solchen Dingen, wenn ich nur dich habe; und wenn wir vereinigt sind, dann gehen wir auf eins deiner Güter und leben ganz für uns, nicht wahr? Ich kann mir nichts Herrlicheres denken, als allein zu sein mit dir. Wir beide wollen nur uns leben und unserem Glück, Felix!" Da küßte er sie innig. Er ahnte nicht, daß heimliche Furcht in ihr war, doch noch dem Manne zu begegnen, dem sie von Rechts wegen gehörte. »Vor allem werden wir eine weite Hochzeitsreise machen, Liebste! Wir werden bleiben, wo es schön ist* Da lächelte sie froh, und nach herzlichem Abschied von jFelix, reiste Käthe mit ihrer Tante ab. Run erst erfuhr sie, daß Frau Adelheid auch in Berlin jein Heim besaß. Aber sie hatte gar keine Zeit, sich darüber zu wundern; denn sie waren fast den ganzen Tag unter wegs. Aus einem Geschäft ging es ins andere, und wenn fder Abend kam, dann war sie ost sehr, sehr müde; aber sfle»freute sich dessen, denn dann schlief sie ein, sobald sie sich jüiedergelegl hatte. Und am Morgen gab es wieder so viel MU ttm, daß ihr keine Zett blieb, zu grübeln. ^Dau« traf Feliz ein, und nun begann eine herrliche Nett. Käthe sah zum zweiten Male in ihrem Leben ein ITH«ter und die ersten Künstler und Künstlerinnen. Sie. hörte Musik, sie sah die Schätze, die in den Sammlungen vereint waren, und immer war Felix bei ihr und umgab sie mit seiner zärtlichen Liebe. Sa verging die Zett im Fluge. Immer näher rückte der Hochzeitstag, immer näher die Entscheidung, und nun hatte Käthe doch ost wieder Stunden, wo sie sich tod- unglücklich fühlte, wo sie nahe daran war, fortzulaufen und irgendwohin zu flüchten, wo niemand fie finden würde. Wenn Klausen doch noch lebte? Wenn er ihr eines Tages begegnete und seine Rechte auf sie geltend machte? ^»Jch muß eS Felix sagen!* dachte sie, und nahm sich immer wieder vor, eS zu tun; aber nie sand fie den Mut dazu. Sie wollte ihn nicht erschrecken. So kam der Hochzeitstag heran. Käthe stand in Braut» kleid und Schleier da. Tante Adelheid prüfte noch einmal alles und küßte fie. »Gott segne dich, Kindl* sagte sie, Tränen in den Augen. „Wie würde dein Vater sich freuen, könnte er dich so sehen!* Dann geleitete sie die Braut nach dem Salon, in dem die Baronin mit ihrem Sohne wartete. Wortlos schauten die beiden einander in die Augen, aus denen all das hohe Glück leuchtete, das sie empfanden. Er bot ihr den Arm und geleitete sie hinaus. Das Gotteshaus war gefüllt von einer erlesenen Gesell schaft. Der greise Hofprediger hielt die Traurede. Ernst und eindringlich waren seine Worte; aber sie atmeten große Herzensgüte, und bis ins Innerste erschauernd, lauschte Käthe; aber auch erbebend, selbst in diesem feierlichen Augenblick, vor heimlicher Furcht, die sie nicht bannen konnte. Wie würde Gott den Frevel rächen, den sie jetzt beging, wenn Berndt Klausen noch lebte? Sie erschrak bei diesem Gedanken, und als sie die Hand vorstreckte, daß der Ring an ihren Finger geschoben würde, da zitterte sie. Der Geistliche mußte sie mit beiden Händen erfassen, und um sie zu beruhigen, schaute er sie dabei so gütig an, daß Käthe sofort alle Furcht schwinden fühlte und sich vornahm, zu diesem Manne zu flüchten, wenn — wenn doch einst das Furchtbare geschah. Bei ihm würde sie Verständnis und Vergebung finden; davon war sie in dieser Minute überzeugt. Alles andere war ihr wie ein Traum. Sie empfing den Kuß ihres Gatten; sie wurde von seiner Mutter um armt und von Tante Adelheid; sie hörte die unzähligen Glückwünsche; sie spürte Händedrücke; sie sah hundert fremde Gesichter. Sie schrak erst auf, als eine Stimme an ihr Ohr klang, die sie haßte. Vor ihr stand Isolde von Kletten und lächelte süß und sprach: »Auch ich wünsche Ihnen von Herzen Glück und — daß es von Dauer sein möge!" Dabei blitzte es in ihren Augen auf. Sie verbeugte sich und trat zurück; aber Käthe war es, als sei auf einmal alle Freude von ihr gewichen, und sie atmete auf, als sie wieder im Auto saß. „In einer Stunde hole ich dich, Liebste!" raunte Felix ihr zu, und als sie in ihr Zimmer kam, warteten schon die Mädchen auf sie und lösten ihr Schleier und Kranz aus dem Haar, streiften ihr das kostbare Gewand ab und halfen ihr beim Umkleiden. „Fort, weit fort!" hämmerten die Pulse in Käthe. „Allein mit ihm sein! Keinen anderen Menschen mehr sehen!" Und als Felix kam, da flog sie ihm mit einem jubeln den Schrei entgegen, schmiegte sich an ihn und ließ sich gern, ach, so gern aus dem Hause führen. Sie hatten sich vorgenommen, eine Rundreise nach den Gütern der Turnaus zu machen, und diese Fahrt war herr lich; denn sie führte durch die schönsten Gegenden des Landes. Und überall, wo das junge Paar erschien, wurde es festlich empfangen. Käthe staunte stets von neuem, wie viele Menschen in den Diensten ihres Gatten standen, wie große Strecken Landes er besaß. Dann ging es über Tirol nach dem Süden weiter, nach Oberitalien, nach der Riviera, und Käthes Glück kannte keine Grenzen. Sie wähnte sich im Himmel, und Felix staunte immer wieder über sie; denn nie hatte er sie so froh und so heiter gesehen wie in diesen Tagen, nie hatte er sie so klingend lachen hören. „Wenn es dir recht ist, Liebste, besuchen wir auch ein mal das Kasino. Ich bin ja sicher, daß wir beide verlieren werden; aber das darf ja auch nicht anders sein. Du weißt: Glück in der Liebe, Pech im Spiel!" Käthe freute sich auf diese Fahrt, und obwohl sie längst an Luxus aller Art gewöhnt war, staunte sie doch über das, was sie in diesen berühmten und berüchtigten Spielsälen sah; aber ihr graute auch fast vor den Gesichtern der Men schen an den verschiedenen Tischen, und sie war nahe daran, Felix zu bitten, sie wieder hinauszuführen. Sie bezwang sich jedoch, und als er ihr flüchtig die Regeln der Roulette erklärte und ihr einen Platz am Tisch fretmachte, da setzte sie ein Hundertfrankstück auf ein Feld und freute sich kindlich, als der Croupier die Kugel schwirren ließ und ihr mit der Harke eine ganze Menge. Goldstücke zuschob. Sie ließ alles stehen, und eS ging ihr wie beinahe allen Anfängern, sie gewann und gewann, bis Felix sie ermahnte, das Geld an sich zu nehmen. Sie brachte es kaum in dem Handtäschchen unter. Er mußte es ihr tragen, so schwer war es, und sie strahlte, als könnte dieses Geld sie vor dem Verderben retten. Wo sie unterwegs einem Bettler begegneten, einem »«men Kinde, da verschenkte sie es mit vollen Händen. Roch mehrmals besuchten sie die Spielsäl^, und immer gewann Käthe, wenn auch nicht ununterbrochen. Sie fand .Gefallen an der Erreauna. unv Felir ließ sie gewähren. Wieder waren fie eines Abends stundenlang In dem Roulettesaal gewesen, als Felix plötzlich Putzls und aus» rief; »Entschuldige mich einen Augenblick, bitte»KAhe! Ich glaube, ich habe eben einen alten Freund gesehen, den ich gern einmal wieder sprechen möchte. Wenn ich mich nicht getäuscht habe, werde ich ihn di, bringen. Ich bin sicher, er wird dir gefallen.* ArgloS nickte sie, und Felix eilte fort. Sie schlenderte zu einer Nische, wo unter Palmen eine Bank fast ganz ver- borgen stand. Im letzten Augenblick gewahrte sie jedoch daß schon eine Dame darauf Platz genommen hatte; sie wollte umkehren, da fielen ihre Blicke auf das Haar der anderen. Es war brennendrot, wie sie es nur einmal in ihrem Leben gesehen hatte: bei Berth, der Kellnerin, die sich ihre, so freundlich angenommen hatte. Aber sie lächelte sogleich. i ES war ja ganz ausgeschlossen, daß Berth hier war. Wer mochte wissen, in welcher Kneipe sie bediente! Doch jäh griff Käthe sich nach dem Herzen. DaS Blut stockte ihr in den Adern. Sie schaute aus weit geöffneten Augen auf die Frau, die sich jetzt erhob und sich ihr zu-- wendete. . Es war kein Zweifel möglich. j „Berth!" hauchte Käthe mit versagender Stimme. Da hatte die andere sie ebenfalls bemerkt und sofort erkannt, und gerade das erschreckte Käthe erst recht. Sie hatte gehofft, die frühere Kellnerin würde nicht wissen, wen sie vor sich hatte. Sie sah doch ganz anders aus als damals. Sie vergaß, daß es eine solche Schönheit wie die ihre nicht gleich wieder gab, und sie wußte ferner nicht, daß gerade Kellner und Kellnerinnen ein ausgezeichnetes Per sonengedächtnis besitzen müssen, das sür ihren Berus ebenso unerläßlich ist wie eine gute Menschenkenntnis. Beide Hände vorstreckend, kam die rothaarige Berty auf sie zu und ries schon von weitem: „Käthe! Wie kommst du hierher? Und warum er schrakst du so? Es sieht ja fast aus, als freutest du Vick» nicht über Vas Wiedersehen, sondern fürchtetest dich vor mir...' „Nein, Bertv, ich freue mich. Aber höre: ich bin nicht allein; ich — ich habe geheiratet." „Du auch? Menschenskind, das klingt ja ganz unglaub lich!" rief Berty außer sich. „Nun fehlt bloß noch, daß vu einen reichcn"Knopp erwischt hast!" „Berty!" „Na, hab' vicy nicht! Wir beide werden uns doch kenr Blatt vor den Mund nehmen! Und deshalb will ich vir gleich sagen, daß es mir gegluckt ist. Ich bin ebensalls ver heiratet. Da staunst du, was? Und nun mach' deinen Knir vor mir; Venn " heiße jetzt Berty, Gräfin Altberg! Na. was sagst du n°l7.? Besinnst du dich nicht mehr aus den alten Knaben, der alle Tage in meinem Revier saß und mich anhimmelte? Das ist er! Das ist ver Herr Gras, mein Gemahl! Ich wollte ihn ja nicht; aber schließlich, weißt du, Kellnerin kann man nicht ewig bleiben, und weil er mich doch heiraten wollte, da habe ich zugegrifsen, und gezogen habe ich ihn mir auch schon, wie ich ihn brauche." Käthe stand noch fassungslos und war nur froh, daß ihre ehemalige Kollegin soviel sprach. So fand sie Zeit, sich zu fassen, und allmählich schlug ihr Herz ruhiger. Sie zog Berty wieder mit auf die Bank, und als sie dort saßen, sagte sie: »Berty, bitte, bitte, sage niemand etwas!" „Mädel! Kennst du mich von ver Seite?" fuhr die Rothaarige auf. „Du solltest doch wissen, daß ich deine wahre Freundin bin, und wenn du irgendein Geheimnis hast, das du niemand anvertranen kannst, dann komm zu mir. Bei mir wird es gut aufgehoben sein; du aber kannst dir alles vom Herzen sprechen." „Ich habe kein Geheimnis vor dir, Berty. Ich werde dir alles erzählen, was mir geschehen ist. Es ist wunder bar genug. Ich bin verheiratet mit dem Baron Felix von Turnau, und er weiß noch nicht, daß..." „Das war Wohl der, um dessentwegen du damals 'rausflogst?" unterbrach Berty. „Du, der hätte mir auch gefallen können. Das war ein feiner Mann." „Er ist es, Berty. Aber er kam damals nicht meinet wegen; es war ein Zufall... Wie gesagt, ich werde dir alles erzählen; aber du mußt schweigen! Ich werde es meinem Manne schon sagen; er soll es nur nicht von anderen erfahren." „Natürlich nicht! Von mir am allerwenigsten! Und meinem Grafen werde ich natürlich auch einen Wink geben, falls er dich kennen sollte, was ich aber nicht glaube. Bist du nun zufrieden?" „Ja, Berty, und nun will ich dir noch von Herzen Glück wünschen. Dann aber laß mich zu meinem Manne gehen, der mich schon suchen wird. Wir treffen uns wieder, und dann sprechen wir miteinander." „Ach was, ich gehe gleich mit! Kennenlernen muß ich deinen Felix doch; denn sicher kennt er schon meine» Grafen, und da ist es besser, wir kommen gleich zusammen als erst später. Komm!" Käthe wurde emporgezogen, und fie ließ sich vonBerÄ fortführen. Sie war wieder ruhig; aber sie wußte nun» daß die Vergangenheit, die sie tot geglaubt hatte, doch jeden Augenblick wieder lebendig werden konnte. HeuIM hatte sie die erste Warnung erhalten. Wenn nun einmal Berndt Klausen, ebenso» plötzlMvo«! ihr auftauchte wie heute Berty? j Sie erbebte, und heimlich nah« sidMsDor, Berty «M das andere Geheimnis anzuvertranen. Das erfahrens Mädchen wußte sicher einen Rat, konnte vielleicht E« kundiaungen einziehev. — -