Volltext Seite (XML)
Copyright by Martin FeuchtwiMger, Halle (Saale) 7. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Und dieser Gedanke verbannte schließlich alle Sorgen aus ihrem Herzen. Lächelnd schaute sie sich um, lächelnd lies sie durch die beiden Zimmer, die ihr nun gehören sollten. Ein Bade- und ein Ankleideraum grenzten daran, und was Käthe da sah, das war ihr alles wie ein un erwartetes Geschenk. Sie kam sich vor wie eine Märchen- Prinzessin. die von einer bösen Fee verwunschen und nun von einem fremden schönen Prinzen erlöst worden war. Einige Zeit später eilte Käthe die Treppe hinunter zur Tante, die schon zur Ausfahrt fertig war. Sie mußte sich mustern lassen und Frau Adelheid war sehr zufrieden mit dem Aussehen der Nichte. Sie schritten hinaus und durch den Garten, der noch immer in Hellem Sonnenschein lag. Das Gittertor sprang auf, und draußen hielt ein wundervoller Horchwagen, auf dessen Führersitz der Chauffeur in dunkelblauer Uniform und ebensolcher Mütze saß. Wie wunderbar war es, in diesem eleganten Gefährt durch die Straßen der Stadt zu gleiten, still und geräusch los, in den weichen Polstern zu sitzen und auf die Menschen zu schauen, die durch die Straßen hasteten oder schlenderten. Da hielt der Wagen vor einem vornehm aussehenden Geschäftshause. Der armen Käthe schwirrte es im Kopse, als sie all diese Herrlichkeiten sah, die sie nie gekannt hatte, und die doch, wie Tante sagte, unbedingt nötig für sie waren. Sie wunderte sich, daß Tante nie nach den Preisen fragte, daß sie sich immer nur das Beste vorlegen ließ. Erst als sie das Haus verließen, wagte sie die Frage: „Tante Adelheid, machst du dir nicht zuviel Kosten meinetwegen?- „Närrchen, glaubst du, daß ich das zu bezahlen habe? Du hast doch selbst ein recht nettes Vermögen. Es war ja einst größer als es jetzt ist, doch wir haben immerhin noch genug für dich retten können, daß du fast reicher bist als ich. Du kannst dir alles das gut leisten, du hast ja bisher nichts ausgegcben. Kind, wenn ich einst abgerusen werde, so wird dir ja auch das Zufällen, was ich hinterlasse. — Nein, nein, sorge dich nicht! Vergiß, daß du arm warst und bedenke, daß auch dein Name dir Verpflichtungen auf- erlegl." Da schwieg Käthe und mußte daran denken, wie sehr sie sich gefreut hatte, als Berndt Klausen ihr in dieser Stadt allerlei gekauft, was sie bis dahin entbehrt hatte. Die Fahrt ging weiter. Eines der ersten Moden- gcschäjte wurde ausgesucht. Käthe merkte wohl, wie die Direktrice etwas verächtlich auf das Kostüm schaute, dgs ihr selber doch als der Inbegriff aller Eleganz erschienen war. Sie fühlte sich beschämt und war Tante Adelheid dankbar, als sie sagte: „Meine Nichte, Fräulein von Bernsbruck, kommt aus einem Lande, wo man es nicht so bequem Hal wie hier, wenn man sich ausstatten will. Sie hat bis jetzt in Buitenzorg gelebt, wo ihr Vater große Pflanzungen besaß. Nun aber soll sic Deutschland kennenlernen, und ich ver traue Ihnen, liebes Fräulein, daß Sie aus dieser jungen Wilden eine tadellose Dame machen werden!" Käthe staunte heimlich, wie Tante diese Unwahrheit so ruhig aussprach, aber sie merkte sofort, wie sich das Be nehmen der Direktrice änderte, wie sie die Vorführdamen durcheinander trieb, wie geschmeidig sie wurden. Sie war sehr müde und erschöpft, als endlich die Aus wahl getroffen mar. Sie hätte aber nicht sagen können, wieviel Kleider sie nun besaß. Und als sie im Lift hinuntcrsuhren, da dachte sie nichts weiter als: Wenn ich doch jetzt ein Stück hinaus könnte aus der Stadt, nichts sehen als Bäume und Büsche! Als hätte Tante Adelheid diesen Gedanken erraten, besahl sie dem Chauffeur, ein wenig ins Freie zu fahren, nach Wildenhagen hinaus. Käthe ließ sich aufatmend in die Polster zurücksinken und schloß die Augen. Sie wollte diese Häuser und diese Menschen nicht mehr sehen, wollte die Augen erst wieder öffnen, wenn sie merkte, daß frisches Grün sie um rauschte. Frau Bottrup beobachtete verstohlen ihre Nichte und lächelte dabei. Sie sah immer von neuem, wie schön dieses unschuldige Kind war, und sie freute sich schon im voraus auf all die neugierig-erstaunten und bewundernden Blicke, wenn sie die erste Gesellschaft geben würde. Die Herren würden die junge Schöne nur so umschwärmen, und ... Ja, die erfahrene Frau wußte, daß sie sich nicht lange ihrer wiedergefundenen Nichte würde erfreuen können. Sie Würde bald einem Manne folgen. Aber welchem? Und insgeheim ging Frau Adelheid alle Männer durch, die in Frage kamen. Es war mancher unter ihnen, der ihr Willkommen gewesen wäre und ihr auch für Käthe gut genug erschien. Aber endlich dachte sie doch nur noch an einen, an ihren Liebling, den jungen Felix von Turnau, der selber nicht wußte, wie viele Herrschaften er eigentlich besaß, wie groß sein Vermögen und seine Einkünfte waren. Wenn er Käthe sah... Frau Adelheid baute Zukunftsschlösser und störte Käthe nicht. Und als sie endlich im Freien waren, da sagte sie aus ihrem Gedankengange heraus: „Ich werde in der Stadt doch keine Gesellschaft mehr geben, Kind, sondern mit dir aufs Land gehen und dort hin einige Gäste einladen. Du kennst ja auch meinen Landsitz noch nicht und wirst staunen, wie schön es in Nonnenwerth ist! Sobald du alles erhalten hast, was wir heute be- stellten, werden wir dorthin übersiedeln... Sag' mal, Kind! Tennis, Golf und Hockey hast du wohl nicht erlernt?" Käthe schüttelte den Kopf. Sie hatte die Fremden Tennis spielen sehen, Golf und Hockey kannte sie überhaupt . Tante war sofort Feuer und Flamme. »Ich werde dir einen Lehrer kommen lassen, der dir beides beibringt. Wir haben vergessen, die Kostüme dafür zu bestellen. Jch'werde das aber gleich nachher noch tele phonisch besorgen. Ja, und, Kindchen, was ich vorhin der Direktrice erzählte, das werde ich nun wohl noch ost wiederholen müssen — ich meine, daß du unmittelbar von Java kommst. Niemand braucht zu wissen, wo du bisher hast leben müssen. Man würde sich wundern und fragen, und das darf nie bei einer jungen Dame der Fall sein. Du selbst wirst mich nicht blohstellen, nicht wahr?" Käthe nickte stumm. Wieder machte die Vergangenheit ihre Rechte geltend. Und diese Vergangenheit würde immer vor ihr auftauchen, mochte ihr ferneres Leben sich gestalten, wie es wollte. Ob vielleicht auch jener junge Herr, der ihr so freund lich geholfen und dessen leuchtende Augen sie nie vergessen hatte, zu den Bekannten Tante Adelheids gehörte? Wenn sie ihn wiedersah, nachdem er sie in jenem Cafö als Kellnerin getroffen hatte? Nein, Käthe konnte nicht froh werden. Und sie atmete aus, als es wieder heimging, als sie endlich in ihrem Zimmer war. Doch die Zeit wirkte auch hier Wunder. Als die Ge schäfte das Eingekaufte ablieferten, gab es Arbeit genug, alles anzuproben und unterzubringen. Käthe freute sich nun doch, baß sie so wunderschöne Sachen besaß und daß sie alles von ihrem eigenen Geld bezahlen tonnte. Sie war reich! Noch wußte sie nicht, was das be deutete. Die zweitausend Mark der „Tante" hatten sie schon ein Vermögen gedünkt. Wie viele Tausende mochten ihr nun gehören? Käthe lebte sich überraschend schnell in dem Hause der Tante ein. Es war ihr, als brauchte sie sich nur zu er innern, wie sie das und jenes getan hatte. Es zeigte sich, daß ihre Erziehung doch recht sorgfältig gewesen war. Immer freundlicher sah Tante Adelheid auf ihre Nichte, die sich so schnell zur großen Dame entwickelte. Wenn hin und wieder Besucherinnen eintrafen, wurde Käthe erst heruntergebeten, nachdem Frau Bottrup die Geschichte von Java erzählt hatte. Dementsprechend war dann auch der Empfang. Damit Käthe aber die Fragen nach ihrer fernen Heimat auch beantworten könnte, hatte Frau Adelheid ihr eine Menge Werke über Java und namentlich über Buitenzorg kommen lassen und sie ge beten, eifrig darin zu studieren. Sie selbst hatte ihr dabei geholsen und sie dann auch geprüft. Und jetzt konnte schon sogar ein Kenner des Landes kommen, ohne daß Käthe fürchten mußte, sich eine Blöße zu geben. Immer aber lag ihr schwer aus der Seele, daß sie doch lügen muhte. Und immer wieder fürchtete sie, daß durch einen Zufall alles an den Tag kommen könnte. Sie atmete auf, als Tante Adelheid ihr verkündete, daß am nächsten Tage die Ucbersiedlung nach Nonnenwerth stattfinden sollte. Als sie dann vor dem alten, schloß- ähnlichen Herrenhause vorfuhren, von dessen Rampe aus die ganze Gegend zu übersehen war, da war Käthe wieder zum ersten Male von Herzen froh. Sie wußte, daß sie hier glücklich sein mußte. Während der nächsten Tage durchstreifte sie zu Fuß den Park und die ganze Gegend, teils allein, teils von einem Diener gefolgt, bis dann Tante Adelheid es an der Zeit hielt, den Unterricht in Tennis, Hockey und Reiten be ginnen zu lassen. Und die Tante war entsetzt, als sie erfuhr, daß Käthe nicht einmal tanzen konnte! „Da mußt du viel lernen, bis wir die Einladungen hinausschicken können!" sagte sie. „Sei nur recht fleißig, das; es nicht zu lange dauert!" Käthe gab sich wirklich alle Mühe, und wieder zeigte sich ihre natürliche Anstelligkeit. Es dauerte keine vier Wochen, da war sie schon fest im Sattel, kannte die alten und die modernen Tänze und spielte recht gut Tennis und Hockey. Tante Adelheid überzeugte sich immer wieder davon. Und eines Abends, als sie mit ihrer Nichte beisammensaß. sagte sie: „Morgen früh tperde ich die ersten Einladungen ab senden, und ich halte es für meine Pflicht, dich vorher schon über die Leute zu unterrichten, die du demnächst wirst begrüßen müssen. In erster Linie wird das der Baron Felix von Turnau sein, einer der ersten Kavaliere unserer Gesellschaft, ein Gentleman im Sinne des Wortes und unermeßlich reich. Ich bin gewiß, daß er dir bald gefallen wird. Dann möchte ich Isolde von Kletten einladen, die Tochter eines Generals und ebenfalls reiche Erbin. Sie spielt eine führende Rolle in der Gesellschaft, ist anerkannte Meisterin in allen Sportarten und unbestrittene Königin der Salons. Von ihr kannst du also immerhin noch viel lernen, obwohl sie ein wenig zu frei und zu selbstbewußt ist. Sie ist mit Turnau schon seit Jahren bekannt. Die Familien sind eng befreundet. Du begreifst also, daß ich beide zusammen einladen muß..." Käthe begriff das, aber sie hatte keinerlei Interesse daran und verstand noch nicht, wie Tante allen diesen Be ziehungen so hohe Wichtigkeit beimessen konnte. Sie mußte sich zwingen, sich aufmerksam zu stellen. Sie sah diesen Besuchern fast gleichgültig entgegen. Und als Tante Adelheid endlich schwieg, stieß sie hastig hervor: „Tante, ich muß dir noch etwas anvertrauen. Ich weiß nicht, ob Herr von Bodenstein dir davon gesprochen hat..." „Er hat mir nichts sagen können, denn als er das tun wollte, habe ich ihn gebeten, es zu unterlassen", wurde sie unterbrochen. „Kind, ich habe mich deinetwegen sehr ge sorgt und oft gefürchtet, du könntest — ohne deine Schuld natürlich — nicht mehr würdig sein, daß ich dich in mein Haus ausnehme. Aber nachdem ich dir einmal in die Augen geblickt habe, und nachdem ich dich jetzt so lange um mich habe, weiß ich, daß ich mich deiner nie werde zu schämen brauchen. Du bist eine echte und tadellose BernLbruck, Käthe." „Ich danke dir, Tante, du bist, wie immer, sehr gut. Aber etwas muß ich dir doch sagen, und ich wollte, Herr von Bodenstein hätte es dir erzählt. Es sällt mir so schwer..." „Ach, ach! Welche große Missetat wirst du denn zu »berichten haben!" rief Tante Adelheid lachend. „Was ist es denn?" „Tante, ich war doch Kellnerin!" stieß Käthe außer sich hervor. Doch sie wartete vergebens, daß die Tante einen Schreckensruf ausstoßen würde. Frau Bottrup lächelte nur und entgegnete: „Kind, das wußten wir doch! Wir hatten dich in jenem Cafö entdeckt, ehe du es ahntest. Und wärest du damals nicht so schnell fortgegangen von dort, so hätten wir dich holen lassen. Oh, du Dummerchen, was ist denn dabei^ daß du versucht hast, dir dein Brot selber zu verdienen?" Käthe atmete tief auf. Das hatte sie nicht geahnt. Sie lächelte jetzt selbst, als sie daran dachte, wie sehr sie vor diesem Bekenntnis gezittert hatte. 's Ob sie nun der Tante auch gleich jenes andere beichtete, das sie noch mehr bedrückte? Nein, nein, das konnte sie nicht! Davon durfte niemand etwas erfahren! Sie war froh, daß dies hinter ihr lag, und unbesorgt sah sie dem Eintreffen der Gäste entgegen. Am Wochenende stellten sich die ersten ein — Menschen, die mit Tante sehr vertraut schienen, sie äußerst freundlich behandelten, denen sie aber innerlich nicht näherkam, auch den jungen Damen nicht, mit denen sie spielte, ritt und ruderte. Aber am Sonntag, als sie eben aus dem Gottesdienste kamen, fuhr eine sehr schöne Limousine vor. Eine Dame entstieg dem Auto. „Fräulein Isolde!" rief Tante Adelheid. „Da ist wohl auch Baron Felix nicht weit? Nichtig — da ist er schon!" Käthe sah, wie Tante eine schlanke junge Dame um armte und sich dann einem jungen Herrn zuwandte, der eben den Wagen verließ. Sie taumelte zurück und war froh, daß sie mit den rückwärts greifenden Händen Halt an einem Baume fand. Sie spürte, daß sie sonst niedergesunken wäre, denn dort — dort stand der Mann, den sie kannte, der sie zum Zuge gebracht und dessen leuchtende Augen sie nicht vergessen hatte. Es war derselbe, der ins Cafe gekommen war! Und mit ihm die Dame dort — wie hieß sic doch gleich? Ehe Käthe noch den Namen fand, wandte Tante Adel heid sich schon nach ihr um. „Kind, komm doch!" ries sie. „Wir haben noch ein paar sehr liebe Gäste erhalten — das hier ist Fräulein Isolde von Kletten, und das Baron Felix von Turnau..." Käthe wußte nicht, wie sie nähergekommen war. Sie sah vor sich ein hochmütiges Gesicht mit grauen Augen, die scharf prüfend aus sie schauten, und ein anderes — ach, sie hatte es ja nie vergessen können. Und jetzt sah sie wieder das Leuchten in den Augen, aber vermengt mit dem Aus druck höchster Verwunderung. „Meine Nichte Käthe von Bernsbruck, die eben erst aus Buitenzorg gekommen ist", hörte sie Tante sagen. Sie sah die scharf prüfenden Augen Isoldes noch ein mal auf sich gerichtet, sie mußte den Händedruck der Dam« erwidern. Und dann fühlte sie auf, ihrer Hand einen leichten Kuß. Das war, als Felix von Turnau sich vor ihr verneigte. Käthes Herz zitterte ängstlich. Hatten die beiden sic erkannt, wie sie sie erkannt hatte? Doch plötzlich schüttelte sie alle Furcht ab. Sie hatte der Tante beichten wollen, daß sie Kellnerin gewesen war. Diese hatte es schon gewußt und nichts dabei gefunden. Da durfte auch Käthe selbst ruhig sein. Und wenn sie gefragt wurde... Sie lächelte, als sie das dachte. Diese beiden Menschen waren viel zu wohlerzogen, als daß sie neugierige Fragen an sie hätten richten können. Das war niemals zu be fürchten. Aber trotzdem fühlte sich Käthe in der Nähe cher jungen Dame nicht Wohl. Etwas Feindliches strömte von ihr aus. Und bald erfuhr sie etwas, was vielleicht diese Feindschaft erklärte. Tante Adelheid sagte ihr, ehe sie sich zu Tisch begaben: „Isolde von Kletten hat sich einst viel Mühe gegeben, den Baron zu erobern. Man sprach in der Gesellschaft schon allgemein von der bevorstehenden Verlobung. Aber man hatte sich doch getäuscht, es wurde nichts daraus, und bis heute weiß niemand genau, ob die beiden wirklich einander nahegestanden hatten und was sie dann aus einandergebracht haben kann. Sie verkehren noch immer sehr freundschaftlich miteinander, aber eben nur als gute Kameraden, und niemand denkt mehr daran, daß aus beiden ein Paar werden könnte." Käthe hörte das und ihr war, als müßte sie sehr froh darüber sein. Sie hätte .nicht ertragen können» hätte sie sehen müssen, wie Felix Turnau mit diesem Mädchen ver traut verkehrte. Sie fragte sich nicht, warum das so war — sie errötete bei dem Gedanken. Und als Tante Adelheid nun so neben bei hinwarf, daß Felix Turnau ein sehr hübscher Mann sei, da mußte sie sich abwenden, um das Erglühen ihrer Wangen zu verbergen. Dabei war Frau Bottrup klug genug, nicht etwa zn sagen: „Das wäre ein Mann für dich!" Sie kannte nun Käthe schon und wußte, daß ein solches Wort genügt hütth um sie für immer von Felix zurückrnlchrecken. Lortletumn ^kalaSl