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Beilage zur Weitzeriy Zeitung Nr. 181 Dienstag, am 6. August 1829 95. Jahrgang Chronik des Tages. — Am heutigen Dienstag beginnt im Haag die größte Konferenz der Nachkriegszeit. — Das Luftschiff „Graf Zeppelin" will am Freitag in Lakehurst zur Heimfahrt- starten. — Die Stadt Beuthen wurde abermals von einem polnischen Flugzeug überflogen. . „ — Der Erfinder des GasglühlichteS, Karl Fniherr von Auer, ist auf Schloß Welsbach im 71. Lebensjahre — Sonderzüge aus allen Teilen des Reiches haben Tausende von Reisenden nach Bremen gebracht, die die „Bremen" besichtigen. . - In Hannover hat die Tagung des RerchsbundeS der deutschen Kürschner c. V. stattgefunden. Schicksalstage im Haag. «. S. Ministerpräsident Briand, der jetzt im Haag die französische Abordnung führt, hat einmal die Frage aufgeworfen, ob Deutschland und Frankreich sich nichts anderes zu geben hätten, als Wunden und Ruinen. Auf der Haager Konferenz 1929 hat Briand es in der Hand, die Zukunft unseres Erdteils entscheidend zu beeinflussen! Nach dem Prolog soll die Haager Konferenz der Organisierung des Friedens dienen? man will im Haag unter ein ganzes Jahrzehnt übler europäischer Politik den Schlußstrich ziehen. Und darum das große Auf gebot, das selbst die Locarnokonferenz in den Schatten stellt. Tie Handlung im Haag wird mit guten Reden und dem Austausch friedlicher . Versicherungen be ginnen. Wenn die Hoffnungen, die dadurch in den Völkern wach werden, durch die Ergebnisse der Kon ferenz nicht grausam enttäuscht werden sollen, dann muß allerdings der Wille zum Frieden diesmal deut licher Ausdruck finden, als bei den voraufgegangenen Konferenzen und bei dem Vorspiel zum Haager Mi nistertreffen. Im Mittelpunkt der Beratungen stehen der Uoungplan, seine Voraussetzungen und seins Folgen. Ter Uoungplan soll den Dawesplan ersetzen und die deutschen Tributzahlungen endgültig regeln. Nach dem Gutachten seiner Väter bildet der Plan ein Ganzes, das nicht geteilt und nicht abgeändert werden kann. Trotzdem werden die Regierungen im Haag nicht ledig lich ihr Ja oder Nein zu der neuen Reparationsrege- lung aussprechen, sondern über die Einzelheiten dieses Zahlungsprogramms verhandeln. Einmal, weil die Sachverständigen einige Fragen offengelassen haben, — so muß z. B. der Sitz der Reparationsbank bestimmt werden — zum andern wollen einige Gläubigermächts den Ver-teilungsschlüssel für die deutschen Zah lungen abändern. Eine Erhöhung der ungeheuerlichen Tributsumme ist von dieser Diskussion nicht zu befürchten. Der Streit um den Verteilungsschlüssel spielt sich unter den Gläubigermächten ab. Wohl aber besteht die Ge fahr, daß Frankreich einige Prozent seines Anteils an England abritt, wogegen England den Franzosen politische Zugeständnisse macht. Von dem im Haag weilenden englischen Schatzkanzler Snowden ist jeden falls bekannt, daß er die Abänderung des Verteilungs schlüssels durchsetzen will. Zu welchen politischen Opfern er im Falle eines Erfolges seinen Kollegen Henderson bewegen will, darüber weiß man zur Stunde noch nichts. deRegierung hat den Uoungplan grundsätzlich als Verhandlungsgrundlage angenommen. Ten Gegenstand der Verhandlungen bilden aber nicht Einzelheiten des Reparationsprogramms, wohl aber die Voraussetzungen der Inkraftsetzung des Uoungplans. Es gibt keine deutsche Regierung und keine Reichs tagsmehrheit, die daran denkt, die schwere Bürde des UoungPlaneS auf Deutschland zu nehmen, phne daß zugleich mit der Annahme des Youngplanes das Rhein land von fremder Besatzung befreit und das Saaraebiet mit Deutschland wieder vereinigt wird. Entscheidend für das Schicksal des Uoung- planes und damit der Haager Konferenz überhaupt ist somit die französische Antwort aus die deut sche Räumungsforderung! Räumen will Frankreich, aber es möchte uns nach dem Abzug der Besatzungstruppen mit einer Kon trollkommission beglücken. Und um diese Kon trollkommission wird im Haag erbittert gekämpft werden. Geschwächt wird Frankreichs Stellung in der Kon trollfrage dadurch, daß alle Welt Weitz, daß Deutsch land in eine ewige Kontrolle nicht einwilligen kann. Es könnte sich also nur um die Einsetzung eines Ueber- wachungsausschusses für die dritte Zone handeln, dessen Amtszeit 1935 abläuft, also gerade in einem Zeit-- punkt, in dem diese Kommission den französischen Ge nerälen gegenüber überhaupt erst nützlich erscheint. Deutschland wendet sich mit guten Gründen gegen jede Kontrollkommission und läßt sich dabei auch da durch nicht beirren, daß Briand für dieses häßliche Instrument den Namen „Feststellungs- und Versöh- nungSkommission" erfunden hat. Zugestanden hat Deutschland bisher lediglich eine Diskussion über einen „Feststellungsausschutz" bis 1935. Es ist dringend zu wünschen, daß im Haag auch die befristete Kontrollkommission zu Fall gebracht wird. Tenn der Gedanke der Kontrollkommission ist eingegeben von dem Geist des Mißtrauens, und der einzigste Zweck der Kontrollkommission ist der, für Schikanen eine Handhabe zu bieten und die Versöhnung unmöglich zu machen! Noch größer sind die Schwierigkeiten in der Frage der Rückgabe des Saargebietes. Allerdings wnv über diese Frage im Plenum der Konferenz nicht ge- sprochen werden, wohl aber werden sich desto mehr die deutschen und französischen Minister mit der Saar frage in Sonderbesprechungen zu befassen haben. Letzten Endes wird der Erfolg der Haager Kon ferenz 1929 davon abhängen, ob es unter den zahl reichen im Haag versammelten Ministern wirkliche Staatsmänner gibt ,d. h. Männer, denen Politik eine Kunst des Notwendigen ist und die ihren Ruhm nicht nach den erledigten Eingängen messen, wohl aber nach der Größe der Schwierigkeiten, die sie überwunden haben. Und wenn Briand jetzt dem Frieden mit der Tat dienen will, dann ist es seine Aufgabe, den Fran zosen die Erkenntnis beizubringen, daß Frankreichs Sicherheit durch Sondergarantien nicht mehr erhöht werden kann. Die Sicherheit Europas hängt jetzt davon ab, daß die Unruheherde Europas gelöscht und die Ge fahrenquellen zugeschüttet werden. , Die Gesamtliquidation der Restsragen des Krie ges wird uns die Konferenz im Haag freilich nicht bringen, auch dann nicht, wenn sie mit einem „vollen" Erfolg endet. Denn die Besetzung des Rheinlandes und die Abtrennung des Saargebiets bilden nicht die einzigen Gefahren für eine friedliche Entwickluna Europas. Aeppelinfreude in Amerika. Telegramm Hindenburgs an Eckener. — Der Jubel in Lakehurst. — Mittwoch Start zur Heimfahrt? — Lakehurst, 6. August. Zum zweiten Mal hat der „Graf Zeppelin" den Ozean von Europa nach Amerika überflogen, in glatter Fahrt, siegreich durch Wetterzonen aller Art hindurch. Abermals wird der deutsche Name in den Vereinigten Staaten genannt, feiern die amerikanischen Zeitungen einen neuen Erfolg deutscher Männer und deutscher Technik, freuen sich Amerikaner mit den Deutschen. Tausende und aber Tausende harrten Ui Lakehurst aus, jubelten, als der „Graf Zeppelin" am Horizont sichtbar wurde uud näher kam, winkten ihm nach, als er voriiberflog, nm New York einen kurzen Besuch ab zustatten. In New York das gleiche Bild. Ler Rund funk hatte die Ankunft angekündigt? im Nn füllten sich die Löcher mit den Menschen und als dann der „Graf Zeppelin" hell erleuchtet, sich scharf abhebend von den Wolken über New Uork kreiste, erscholl ein ohrenbetäubender Lärm, ein Gemisch von Jubelrufe«, Schiffssireneu und Autohupen. Aus der Fahrt nach New Uork gaben zahlreiche amerikanische Flugzeuge dem Luftschiff das Ehrengeleit. Zur Landung kehrte deb „Graf Zeppelin" dann allein nach Lakehurst zurück. Als die Landungsmannschaft in Bereitschaft stand, stürzten die vielen Tausende nach vorn, gegen die Absperrungsketten der Staatspolizei. Scheinwerfer huschten über den Platz hinweg, ver wandelten die Dunkelheit in Licht. Dann sielen die Landeseile! Geschickte Hände griffen zu und zogen das Luftschiff herab. Montag früh 2,52 Uhr mittel europäischer Zeit war der Flug zu Ende. Der ungünstigen Winderverhältnisse wegen wurde das Schiff zunächst am Ankermast befestigt. Die Einwanderungsformalitäten, die sich im Lichtschein der Scheinwerfer abspielten, waren schnell erledigt. ML erster hatte der Polarforscher Wilkins das Schiff ver lassen. Er äußerte, die Fahrt sei glänzend gewesen Tr. Eckener mutzte beim Verlassen der Gondel der Presse eine Unterredung versprechen. Kaum war die Landung erfolgt, als auch schor Glückwunschtelegramme eiMesen. Einer der erste» Gra tulante» war Reichspräsident v. Hindenburg; sei» Te legramm au Tr. Eckener lantet: „Meine herzlichste» Glückwünsche zum erfolgreiche» zweite,» Amerikafl»»- des Luftschiffes „Graf Zeppelin". Ich wüusche auck weiterhin guten Erfolg. Mit freundlichen Grüße» uon Hindenburg, Reichspräsident." * Bezeichnend für den Eindruck der neuen Amerika fahrt des „Graf Zeppelin" ist ein Artikel der grotzen Zeitung „New Uork World", in dem es heißt, der Westflug des „Graf Zeppelin" zeige von neuem, daß ein Luftschiff dieses Systems bei einigermaßen gutem Wetter und mittelmäßigem Glück jeden Dampfer an Geschwindigkeit übertreffe und den Passagieren ein gutes Matz an Komfort und Sicherheit zu bieten ver möge. Die Geschichte der Luftschisf - Ozeanslüge stehe in erfreulichem Gegensatz zur tragischen Geschichte der Flugzeug-Ozeanflüge. Noch keine Ozeanfahrt eines Zeppelin habe unglücklich geendet. Dr. Eckener schildert die Fahrt. m Wind nachlies, wurde das Luftschiff "Graf ZeppMn" in die große Militärluftschiffhalle gebracht. Dr. Eckener -hatte nunmehr Zett, die Presse zu empfangen. Er gab folgende Fahrtschtlderung: Die Reise war sehr interessant. Wir hatten alle Arten von Wetter, Stürme als wir abflogen, und so keftig, daß wir sogar schon zögerten, den Flug fortzusetzen. Wir entschlossen uns aber doch und wählten den Weg über Gibraltar. Dann hatten wir längere Zert gutes Wetter, aber die letzten 40 Stunden waren wieder abscheulich, lieber dem Golf, ström hatten wir starken Regen. Der »Ina von »rievricksbafen bis rar erite» An« kunft i« Lakehurst hat SS Stu,»bä» gevauerr. Zurück- gelegt habe» wir eine Strecke von SOOS Seemeilen ober S2SS Kilometer,». Der Klug von Gibraltar bis zum amerikanischen Festland bauerte 67 Stunden «nd SS Minuten. Auf bieser Strecke, also über dem Ozean, hatten wir eine Durchschuittsgeschwinbigkeit vo« Sil Knoten (101,86 Kilometer) in der Stunde. Die Reise zeigt endgültig, daß das Zeppelinluft, schiff alle Arten von Wetter überstehen kann. Wit hatten an Bord genügend Unterhaltung, wir machten Musik, wir tanzten und hatten auck genügend Wein zu trinken. Drei .Passagieren sagte die Reise so zu, daß sie mich baten, die Reise wieder mitmachen zu dürfen. Zu meinem Bedauern mußte ick das ab lehnen, da für die Rückreise die Plätze bereits ver geben sind. Ich bi» vo» dem Ergebnis dieses Fluges so be friedigt,, daß, wenn alles bereit wäre, sofort die Welt, reise angetreten werden könnte. Am Mittwochabend werben wir wieder nach Friedrichshafen zurück, fliegen." Entsprechend der Ankündigung Dr. Eckeners wurde das Luftschiff am Montag und Dienstag überholtz gleichzeitig wurde der Brennstoff ergänzt. * Der blinde Passagier ein I7jähriger Bäckerlehrling. — Bom „Graf Zep» Pelin" in die Arrestzelle. Der blinde Passagier des „Gras Zeppelin" war während der Ozeanfahrt in einem besonderen Raum eingesperrt worden, der nicht gerade in dem ruhigsten Teil des Schiffes lag. Nach der Landung würbe de, blinde Passagier von Marinesoldaten in eine Arrest zelle gebracht, von wo aus er mit dem nächste« Dampfer nach Deutschland zurückgebracht werden wird, Ueber die Person des blinden Passagiers äußert« Dr. Eckener, es handele sich um einen 17jährigen Bäckerlehrling namens Busch ko, der romantisch ver anlagt und durch das Beispiel des ersten blinden Zep pelin-Passagiers Terhune irregeführt worden sei. Buschko, der sich mit einem Seil vom Hallendach-aus das Luftschiff niedergelassen habe, hätte durch sein« Handlungsweise leicht Besatzung und Schiff gefährden können, nämlich dann, wenn er nicht zufällig auf das Aluminiumgerüst des Schiffes, sondern aus eins der Gaszellen gelandet wäre. Wie verlautet, soll der blinde Passagier, den wäh rend der Fahrt niemand von den Gästen zu sehen bekam, bestraft werden, um ein abschreckendes Beispiel zu kon struieren. * Deutschland hörte die Zeppelin-Motoren. Tie Ankunft des Luftschiffes „Graf Zeppelin" in Lakehurst wurde mit Hilse eines auf Schloß Solitude bei Stuttgart aufgestellten Kurzwellenempfängers aus die deutschen Sender übernommen. Die Uebertragung, die sich bis 3 Uhr nachts ausdehnte, stellt einen neuen Triumph der Kurzwellentelefonie dar. Ter Empfang war teilweise so klar, daß man deutlich das Motoren geräusch des Luftschiffes hören konnte. Gegen 2 Uhr nachts verschlechterte sich der Empfang. Tampferzusammenstoß bei Wüsung. Im ostchinesischen Meer stieß außerhalb von Wü-* sung der 10 000 Tonnen große englische Kreuzer „Corn wall" mit dem 8142 Tonnen großen deutschen Dampfer „Scheer" zusammen. Die „Scheer" befand sich aus dem Wege von Hamburg nach Yokohama. Bei dein Zusam menstoß erlitt das deutsche Schiff schwere Beschädigun gen am Bug, anscheinend oberhalb der Wasserlinie und mußte nach dem Hafen zurückkehren. Handelsteil. — Berlin, den 5. August 1929. Am Devisenmarkt traten bet ruhiger Geschäfts lage nur geringe Kursänderungen ein. Effektenmarkt stand unter dem Eindruck der Transaktion der A.E.G., für deren Papiere lebhaftes Interesse herrschte Gegen Schluß der Börse bröckelten die Kurse allgemein ab. In heimischen Renten kamen nur geringe Geschäfte zustande. Tagesgeld war infolge der fälligen Restzahlung auf die fällige Reichsanlethe ge- suchter. Prtvatdiskont hielt sich auf 7-/, Prozent, Reichs- bankdiskont 7»/s Prozent. , , o , Am Produktenmarkt gaben die Preise vonBrot- geAtde bei reichlichem Angebot um 2—3 Mark nach. Gerste rubig, guter Hafer gefragt, Mais still. Mehl lag ruhig und nachgebend. Devisenmarkt. ^Dollar: 4,192 (Geld), 4,20 (Brief), engl. Pfund: 20,342 20,382, holl. Gulden: 167,92 168,26, ital. Lira: 21,92 21,96, franz. Franken: 16,42 16,46, Belgien (Belga): 58,28 58,40, schweiz. Franken: 80,625 80,785, dän. Krone: 111,70 111,92, schweb. Krone: 112,35 112,57, norw. Krone: 111,70 111,92, tschech. Krone: 12,403 12,423, öfterr. Schil ling: 59,06 59,18, span. Peseta: 61,30 61,42. Warenmarkt. (12-12,50). Weizenkleiemelasse -,- (-.-). Rap» §30 bis 33^ (»30-335). Leinsaat —,— (—,—). Biktoriaerbsen -0—48 (40—48). Kleine Speiseerbsen 28—34 (28—34). FMtererbsen 21-23 (21-28) Peluschken 27-30 (28-29 . Ackerbohnen 22-^2^ (22^25)^, Wicken 2^-32 (28—82),