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Freitag, am 13. September 1S2S Nr. 214 SS. Jahrgang Beilage Mr Wettzeritz-Zettung Chronik des Tages. „Graf Zeppelin" wurde auf seiner West- oeutschlandfahrt überall stürmisch begrüßt. Im Zusammenhang mit den ersten Verhaftungen in der Sprengstoffaffäre erfolgten neu« Verhaftungen und Haussuchungen. ... , 3» Berlin starb im 52. Lebensjahr der bekannte Autor Paul Rosenhahn an den Fragen einer Magen- vperation. — Das Dorf Stibarlimbach bei Bamberg hat infame S^lu^es^ zwischen^och- und Niederspannung eine wahre — Bei einem Schiffsuntergang auf der Westerschelds sind 15 Menschen ums Leben gekommen. — Die Zahl der Opfer von Tammerfors ist auk !144 gestiegen. — Nach einer soeben erlassenen Verordnung werden in Budapest Chauffeure und Motorfahrer, die übermäßig und unbegründet hupen, bestraft. Die Bombenleger. — Berlin, 13. September. Die polizeilichen Ermittlungen in der Bomben- leger-Affäre schreiten langsam fort. Der Kreis de, Verhafteten ist fast stündlich größer geworden, es hält daher schwer, schon heut« einen Ueberblick über die gesamte Aktion zu gewinnen. In Berlin wurden weitere drei Personen mitten aus einer Unterhaltung in einer Konditorei heraus geholt und nach dem Polizeipräsidium gebracht, in Hamburg Hollen Kriminalbeamte mehrere verdäch tige Männer aus einem CasS Heraus und auf dem Bahnhof wurden die Redakteure einer zweiten Zeitung sowie der Gaugeschäftsführer der Nationalsozialisten, Brix in Haft genommen. Ferner erfolgte in Heid« eine Verhaftung. Ob sich alle Verhaftungen werden aufrechterhallen lassen, ist augenblicklich noch nicht sicher. Da der Po lizei aber daran liegen muß alle Vertuschungsmöglich keiten aus der Welt zu schaffen, wird man — wenn man sich die Worte des deutschnationalen Berliner Lokal-Anzeigers zu eigen machen will — nichts da gegen einwenden können, wenn der Kreis lieber etwas zu weit als zu eng genommen wird. Wieder auf freien Fuß gesetzt wurde bisher nur die Privat sekretärin Ehrhardts und drei andere Personen. Jetzt handelte es sich nun darum, die Schuld - frage zu klären, die Zusammenhänge, die zwi schen den einzelnen Gruppen bestanden, blotzzulegen und die Täter von den Mitwissern zu sondern. Tas wichtigste Beweisstück, was der Polizei in die Hände gefallen ist, ist die Höllenmaschine, die Nickels nach Hamburg transportiert hat und di< bestimmt war, in der Serie der Sprengstoffanschläg« das Dutzend voll zu machen. Inwieweit die Ver hafteten noch durch die beschlagnahmten Schriftstück« belastet werden, ist von Außenstehenden nicht zu beur teilen. Wie verlautet, sind von der Polizei u. a. einig« aufschlußreiche Schriftstücke sowie Zeichnungen von öffentlichen Gebäuden aufgefunden worden. Die Zentrale der ganzen Attentats-Bewegung dürfte sich in Schleswig-Holstein befunden haben; ihr« Häupter gehörten der Landvolk n o t-Bewegung an. Daß die Not der Landwirtschaft groß ist und daß insbesondere die Landwirtschaft in Schleswig-Hol stein zu leiden hat, wird niemand in Deutschland bestreiten. Unverantwortlich aber ist es, wenn radikale Elemente sich die Konjunktur zunutze machen und mit Dynamit Politik machen wollen! Die Attentäter dürfen daher nicht verwundert sein, wenn selbst weit rechts stehende Kreise das Tischtuch zerschneiden und eine strenge Bestrafung der Schuldigen fordern. Gewiß, per deutsche Bauer leidet Not, aber er beißt die Zähne aufeinander und setzt alle Kräfte ein, um die. Not zu bannen und die Scholle zu verteidigen. Wenn es sein mutz, scheut er auch kräftige Worte nicht, stets aber kämpft er mit sauberem Schild, lehnt er es ab, nach dem Beispiel der russischen Anarchisten Terror aus zuüben und durch unverantwortliche Handlungen den Staat in einen schlechten Ruf zu bringen. > Aehnliche Aeußerungen findet man denn auch in ! der deutschnationalen Deutschen Tageszeitung, die sich dagegen verwahrt, die Landwirtschaft mit den Ver schwörern in Verbindung zu bringen. Sie betont, daß die Landvolknotbewegung ein Feind jeder Orga nisation ist und jede Bindung ablehnt. , Ueberraschung hat es ausgelöst, daß der Kreis der ; Personen, die von den Sprengstosfanschlägen irgendwie j Kenntnis hatten, so groß ist. Bisher war man versucht ! »u glauben, daß nur wenige von den Anschlägen ge- vutzt haben können, weil man ihrer niemals habhaft verden konnte. Ueber die Art, wie die Polizei sich an die Spreng- swsfattentäter heranarbeitete, werden jetzt einige inter- tssante Einzelheiten bekannt. Ta nach jedem Attentat an verschiedenen Stellen in Schleswig-Holstein be stimmte Kraftwagen beobachtet wurden, wurde eim Ueberwachung der Land st ratzen angeordnet. Für die Kraftwagenführer wuchs sich diese Ueber wachung bald zu einer wahren Plage aus. Tie Polizei hatte nämlich, um di« Nummern der Kraftwagen no- tieren zu können, künstlich« Hindernisse errichtet, Bau material angehäuft und Pflasterarbeiten vorgetäuscht, alles, um die Kraftwagen in langsamer Fahrt beob achten zu können. Aus diesem Wege war es gelungen, die Nummer des verdächtigen Kraftwagens festzustellen und zu ermitteln, daß es fick um einen Fordwagen mit der Bezeichnung IP 35 088 handelte. Alles ander« spielte fick in verhältnismäßig kurzer Zeit ab, ohne , daß die Attentäter jemals Verdacht schöpften. - Wie noch bekannt wird, sind die Höllenmaschinen von Attentat zu Attentat besser geworden. Es scheint Ast- als hätten die Bombenleger eingehend die Zei- tungSberichte studiert und sich di« Kritik ihrer Bomben- anfertigung zunutze gemacht Im Zusammenhang da mit benutzten sie statt der zuerst verwandten Marga- rinekisten später Zigarrenkisten. Die Strafe, die den Attentätern droht, ist schwer, sicht doch das Sprengstoffgesetz für Bombenattentate hohe Zuchthausstrafen vor, gleichgültig, ob dem Ver brechen Menschen zum Opfer gefallen find oder nicht. Die Verhaftungen gehen weiter. Neue Haussuchungen. — Wichtig« Briese beschlagnahmt. — Die ersten Haftentlas sungen. — Berlin, 13. September In der Angelegenheit der Sprengstoffanschläge er folgten in Berlin und in der Provinz neue Ber- Haftungen. Ans Beranlaffnng der Altonaer Kriminalpolizei und der Berliner politischen Polizei wurden »er Chef redakteur der „Schlcswig-Holsteinschen Tageszeitung" in Itzehoe, Uhse, der Redakteur Ehlers, der «au- geschästsfiihrer der Nationalsozialistischen Arbeiter partei, Brix, und der Kaufmann Rentsch verhaftet. — In Heide wurde der Wirt des Heider HofeS, Genge- lazkh, in Haft genommen, in Ilmenau in Thüringen die Mutter des in das Ausland geflüchteten Herbert Bolk, Frau Tobel. , In de« Wohnungen aller in Hast befindliche« Personen fanden neue Haussuchungen statt. Lie Polizei beschlagnahmte umfangreiches Material, da» als wich tig bezeichnet wird. ! Die Redakteure Uhse und Ehlers sowie der Na tionalsozialist Brix sollen mit den Attentätern irgend wie in Verbindung gestanden haben. Ihre Vernehmung ist jedoch noch nicht beendet. Die Nationalsozi alistische Arbeiterpartei veröffentlicht im Zu sammenhang mit den Verhaftungen eine Erklärung, in der sie nochmals aus ihren Gegensatz zur Landvolk not-Bewegung hinweist und die Hoffnung ausspricht, daß die Verhafteten bald wieder srergelasfen werden. Aus der Haft entlassen wurden bisher di« Privat sekretärin Ehrhardts, Fräulein Lankes, sowie di« in einer Berliner Konditorei festgenommenen Personen; der dritte der Brüder Salomon, der Flugzeugführer v. Winterfeld und der Monteur Eichler. Die Vernehmung der Verhafteten dauerte den ganze« Tag über an und erstreckte sich bis tief in die Nacht. Bis-jetzt bestreiten alle in Haft genommenen Personen, die Sprengstoffanschläge aus geführt Äwr von ihnen gewußt zu haben. Lie Polizei glaubt jedoch, auf Grund des bei den Haussuchungen beschlagnahmte» Materials die Haftbefehle anfrecht- halten zu müssen. Las Verhör der Verhafteten erfolgt einzeln, auch sind sämtliche Verdächtigte« gesondert «ntergebracht, um zu verhindern, daß sie Verein barungen über ihr; Aussagen treffe«. Nach den Mitteilungen des Polizeipräsidenten in Altona haben die Verhafteten, soweit ihnen eine Be teiligung an den Sprengstoffanschlägen nachgewiesen werden kann, Zuchthausstrafen bis zu zehn Jahren zu gewärtigen. Ueber die Personalien der Verhafteten wird noch folgendes bekannt: Ter Bankbeamte Pünjer, bei dem die Höllenmaschine gefunden wurde, ist 1885 in Altona geboren worden, Plöhn ist «in Jahr älter, ge lernter Goldschmied und «in geschickter Basteler. Der Redakteur von Salomon stammt aus Stettin und ist 29 Jahre alt. Hans Gerd Techow ist 23 Jahr« all. Ter Syndikus Weschke, der 1893 in Pichelsdorf ge- boren wurde, hat dem Landbund, dem er früher an gehörte, den Rücken gekehrt, weil er ihm nicht radikal genug war. — Herbert Volk, der in das Ausland ge flüchtet ist, ist der Besitzer des verdächtigen Kraft wagens IP 35 088. Ein Gemeinösverfteher verhaftet. Im Zusammenhang rntt »er Spreugstoffaffär« wurde in Röune (Kreis Winsen an der Luhes »er Gemeindevorsteher Amandus Bick in Hast genommen. Er steht im Verdacht, die Hauptattentäter begünstigt zu habe«. Eine Haussuchung bei ihm soll wichtiges Material zutage gefördert habe«. Reichslandbund und.Wirtschaftsnot. 2er Handelspolitische Ausschuß des Reichstags soll einbernfen werde«. Ter Reichslandbund faßte in seiner VorstandS- fitzung eine Entschließung, in der es heißt: „Der Bundesvorstand des Reichs-Landbundes verfolgt mit größter Sorge die bedrohliche Preisentwicklung an den landwirtschaftlichen Produktenmärkten und die sich daraus und aus der anhaltenden Dürre ergebenden Gefahren für die Aufrechterhaltung geordneter Betriebsführung. An- gesichts dieser Lage kann der Bundesvorstand der Reichs- regierung den ernsten Vorwurf mangelnder Initiativ« nicht ersparen. Die Erbitterung in der Landbevölkerung ist außerordentlich gewachsen, und es wird den besonnenen El», menten angesichts der Untätigkeit der berufenen amtlichen Stellen immer schwerer, die erregten Gemüter zu berE- gen. Der Bundesvorstand stellt sich einmütig hinter das Schreiben der Reichsbauernfront vom 8. 9. 1929 und for- dert von dem Herrn RetchSernährungSminister zunächst di« schleunig« Einberufung des handelspolitischen Ausschusses zur Verwirklichung der von der Reichsbauernfront ans- gestellten Sofortmaßnahmen. Verficherungsdebatte im Reichstag? Lemokratische Anfrage Wege« »e» Zusammenbruch» »er Krawkstirter Allgemeine«. Tie Reichstagsfraktion der Deutschen Demokra tischen Partei hat tm Zusammenhang mit dem AW» sammenbruch der Frankfurter Allgemein«» Verfiche- rungS-A.-G. eine Anfrage an die RetchSregierung «M, gebracht, in der es heißt: der VerwattnngSmethvden des Haben die bisher geben, daß die Mißstä sicht als unzulänglich gesetzes über private V Mängel des Aufbau«« ren sind? Welche Folgerungen hat die Regierung aus dem Ergebnis ihrer Prüfungen gezogen und welche Vorschläge ge denkt sie zu machen? Wird sie Regierung aus den Vor gängen auch einen Anlaß Verleiten, die Reform des Aktien rechtes insbesondere zur Erhöhung der Publizität der Ge sellschaften und der Konzerne und zur Verstärkung da» Akttonärschutzes zu beschleunigen? Das Boungplan-Volksbegehren. Lie Vorbereitungen abgeschlossen. — Der Wortlaut »SS beantragte« Gesetzes. Ter von dem deutschnationalen ParteivorfitzendsW Hugenberg gemeinsam mit den Führern rechtsstehender Verbände ins Leben gerufene Reichsausfchmß für da» deutsche Volksbegehren hat seine Vorarbeiten beendet und folgenden Gesetzentwurf eingebracht: 8 1. Die Reichsregierung hat den auswärtigen Mäch- ten unverzüglich in feierlicher Korm Kenntnis davon zu geben, daß das erzwungene Kriegsschuldanerkenut- nis des Versailler Vertrages der geschichtlichen Wahrheit widerspricht, auf falschen Voraussetzungen beruht und v »H- kerrechtlich unverbindLich ist. 8 2. Die Reichsregierung hat daraus hiuzuwirken, daß das Kriegsschuldanerkenntnis des Art. Ml sowie die Artikel 429 und 430 des Versailler Vertrage« förmlich außer Kraft gesetzt werden. Sie hat fäner darauf hinzuwirken, daß die besetzten Gebiete nunmehr «nverzüglich und bedingungslos sowie unter Ausschluß jeder Kon trolle über deutsches Gebiet geräumt werden, unabhängig von Annahme oder Ablehnung der BefchMss« der Haager Konferenz. 8 3. Auswärtigen Mächten gegenüber dürfen neue Lasten und Verpflichtungen Nicht übernom men werden, die auf dem KriegSschuildanerkenutnis beru hen. Hierunter fallen auch die Lasten und BerpsAchtun«», die aus Grund der Vorschläge der Pariser Sachverständigen und nach den daraus hervorgehenden Vereinbarungen von Deutschland übernommen werden sollen. 8 4. Reichskanzler und Reichsminister sowie Bevoll mächtigte des Deutschen Reiches, die entgegen der Vorschrift des 8 3 Verträge mit auswärtigen Mächten zeichnen, unterliegen den im 8 92 Nr. 3 St.G.B. vorgesehenen, Strafen. 8 5. Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung i« Kraft. In Ler Begründung des Gesetzentwurfs wird ge sagt, die außenpolitischen Forderungen feien dadurch bedingt, daß Deutschland nicht die Schuld am Kriegs trägt. Der Reichsausschuß erstrebe eine völlige Um stellung der deutschen Außenpolitik. Der erste Schritt dazu sei das jetzige Volksbegehren. Voraussetzung für eine wirkliche Liquidierung des Krieges sei die An erkennung der deutschen Lebensnotwendigkeiten. Z« ihnen gehöre die Wiederherstellung des für das deut sche Volk lebensnotwendigen Raumes. Rheinland und Saargebiet müßten befreit von allen die deutsche Sou veränität irgendwie beeinträchtigenden SondäbeMm- mungen, unbelastet wieder zum Reiche kommen. Zu den deutschen Lebensnotwendigkeiten gehöre ferner der Rüstungsausgleich zwischen dem entwaffneten Deutsch land und den ausgerüsteten europäischen Michten. Im übrigen kündigt der Reichsausschuß noch an, daß die hinter ihm stchenden Parteien die Aussetzung der Verkündung des Gesetzentwurfs zur Durchführung der Haager BefchMss« beantragen wollen. Politische Rundschau. — Berlin, den 13. September 1929. , . - Zwischen Deutschland und Belgien ist ein Ver gleichs- und Schiedsgertchtsvertrag unterzeichnet worden. ^»^DenWaen Landwirten in Mecklenburg, die nicht ?-m^EL^Esch«n konnten, darf die Hälft« der am 15. Sep-- ! stundet lm?den* der Landessteuern vier Wochen ge- j ! dem Festessen der Hapag z« Ehre« des ! »erMarineleitung erklärte Geheimrat Cuno, durch die Handelsflotte werde die deutsche Zahlungs- bilanz von unnötigen Zahlungen an das Ausland ent lastet. Admiral Raeder dankte für die Einladung und führte aus, die Reichsmarine fühle sich den Handels städten aufs engste verbunden. :: Merten zum Ministerialdirektor ernannt. Der langjährige Führer der Berliner ^mottaten, Land- ' tagsabgeordneter Otto Merten, ist Ministerialdirek tor in das preußische Handelsministerium berufen worden. Rundscha« im Anslande. SSV«« NE LL Adam» Brstarchaag-- ---- Frag« -ar - Der rumänische ArbeitSminister ^gibt HL in den