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i Uskis vvrt^i-2-k-n»« in155!. S,»>^Kun^K»tt6 Anselm ^sus^baok « Die deutsche Kunstwelt hat einen Fest- und Erinne rungstag ersten Ranges zu begehen. Am 12. September 182S wurde der Maler Anselm Feuerbach geboren. Im Laufe dieses Jahrhunderts haben Kunstanschauungen viel fach gewechselt, die Wertung Feuerbachs ist innerhalb dieses Wechsels immer gestiegen. Feuerbachs Leben und Schaffen war von einer schicksalhaften Tragik beschattet. Er hatte einen Namen, den viele Träger zu hohen Ehren gebracht, bei denen sich auch künstlerische Neigungen in hohem Maße gezeigt. In Verbitterung sagte er in seinen Aufzeichnungen von sich selbst: „Meine Geburt ist für mich als ein vierfaches Unglück zu betrachten. Einmal, daß ich überhaupt geboren wurde und als wahrhaftige Künstlerseele das Licht der Welt erblickte,- dann aber, weil mein Vater ein deutscher Professor war, dessen Sinn und Geist damals ein klassisches Kunstwerk erfüllte, über welches er seinerseits ein klassisches Buch schrieb, ich meine den „vatikanischen Apollo". So wurde mir recht eigent lich die Klassizität mit der Muttermilch eingetränkt,- eine Klassizität, auf menschlich Wahres und Großes gerichtet, die denn auch nicht verfehlte, mein Leben zu einem hoff nungslosen Kampf gegen meine Zeit zu gestalten." Der Vater Feuerbachs war Gymnasiallehrer in Speyer, wo er sich einen eigenen Hausstand gegründet. Im Jahre 1827 wurde ihm eine Tochter geboren, dann am 12. September 1829 der Sohn, ein halbes Jahr nach seiner Geburt starb die Mutter. Die Kinder erhalten eine Stiefmutter in Henriette Heydenreich, die in „grenzen losem Mitleid" das Schicksal der Waisen und namentlich Anselms in allen Lebensstürmen unerschütterlich betreut. Der Vater wird auf Grund des nach langem Gedulden erschienenen Werkes Universitätsprofessor in Freiburg. Ein charakteristischer Zug von ihm ist, daß er seinem Sohn, ^s'Lt'LS LLibsfKl iciniS . (im frivsidsLilL) dLk sonst körperlich und geistig rüstig, nach der Genesung bon einem Typhusanfall am Krankenbett die Odyssee dorliest,- ein für den Knaben unverwelklicher Eindruck. Auf Grund seiner Erstlingszeichnungen darf er nicht ohne Widerstände, die die Stiefmutter überwindet, zur Kunst akademie nach Düsseldorf,- er bezieht die Malerstadt in Kleidung und äußerem Gehaben in der damals typischen Aufmachung des „Malers" im Jahre 1845. Er wird Schüler von Schadow, Lessing, Sohn, Rethel, Schirmer; » hat trotz vieler starken Eindrücke und reger Anteilnahme An Künstlerleben — der schöne Mensch erscheint auf einem Maskenball der Malerschaft als Shakespeares „Prinz Heinz" — doch eine stärkere Sehnsucht nach freiheitlicher Gestaltung seiner Kunstideale, sein Streben geht nach größerer Ausbildung im Kolorismus. So versucht er, Acht ohne vorhergegangene familiäre Kämpfe, sein Glück w München. Auch Lornelius und Ptloty fesseln ihn nicht; M Rubens-BUder in der Pinakothek begeistern ihn da- «egen sehh Auch hier geht er in dem heiteren Treiben d«^ Künmerkekte auk und okwobl die Nackrtlüten der Familie immer trüber werden, lebt er unbekümmert. Menschlich und künstlerisch behaupten allein Karl Rahls Ratschläge Einfluß auf Feuerbachs noch unsichere Haltung. Antwerpen zieht ihn an, aber auch nur vorübergehend, bis er endlich seinen Entschluß, nach Paris zu gehen, ausführen kann, wo ihm unter dem Einfluß Thomas Coutures sein erster Wurf „Hafis vor der Schenke" ge lingt. Während Feuerbach in Paris lebte, starb sein Vater im Lahre 1831, seine Stiefmutter und Schwester siedelten in punkt der Ablehnung. Sn größter Not bekam Auerbach ein Stipendium des Karlsruher Hofes und er brach mit Viktor von Scheffel nach Italien auf, dem Lande seiner stärksten Wünsche. Er kopiert in Venedig Tizians Himmel fahrt, erlebt in Florenz Stunden der Erkenntnis und kommt dann nach Rom, das seine eigentliche Heimat wurde, wo er durch das Studium Michelangelos und Raffaels endlich seine eigentliche Richtung ausbildete. Die Entwicklung in der römischen Zeit bis zum Jahre 1872 — mit kurzer Unterbrechung einer Berufung nach Weimar —'wurde gefördert durch den hochherzigen Be schützer Graf Schack, der viele seiner Werke kaufte und in Auftrag gab, und durch die künstlerischen Anregungen der beiden Modelle Nanna Risi und Lucia Pirunacci, die mit seinem Ruhme unlöslich verbunden sind. Die Hauptwerke sind: „Dante mit den edlen Frauen von Ravenna", „Die erste Iphigenie", „Medea", „Das Gastmahl des Plato", „Das Urteil des Paris", „Die Amazonenschlacht", „Im Frühling", einige Landschaften, „Orpheus und Eurydike" und das Werk, das in der Hauptsache seinen Namen emportrug, „Die zweite Iphigenie" (Stuttgart), die für die Deutschen die Inkarnation der Gortheschen Iphigenie geblieben ist, die das „Land der Griechen mit der Seele sucht" und die man als die vollendetste Ver schmelzung des klassischen und romantischen Stils be zeichnen darf. Aber die öffentliche Würdigung blieb immer noch für den in Verzweiflung auch mit dem Selbst mord ringenden Künstler aus, am schlimmsten traf ihn das ablehnende Urteil über seinen „Titanensturz", „Sieg der Kultur über die rohen Naturkräfte", den er nach seiner Berufung als Professor an die Wiener Kunst akademie geschaffen. Auf den Tod erkrankt, sucht er Ge nesung bei der Mutter, die nach Nürnberg übersiedelt war., wo er in un^eiwilliger Muße seine Lebenserinne ¬ betrüblichen Verhältnissen nach Heidelberg über und darbten für den aufstrebenden Sohn und Bruder. Die äußere Anerkennung seines Schaffens kam nicht. Ein sehr ge lungener Porträtauftrag des Kirchenrats Umbreit hatte ein merkwürdiges Schicksal. Der erregte Geheimrat gab das Bild „wegen der verkrüppelten Wäsche" der Mutter zurück und heute hängt es am Ehrenplatz im Direktorial zimmer der Heidelberger Bibliothek. Auch weitere Werke: „Der Tod des Pietro Aretino" und die „Versuchung des heiligen Antonius" verfielen vom spießbürgerlichen Stand- rungen niederschrieb. Unter vielen weiteren Werken, vor allem Porträts, muß noch das Bild seiner Mutter erwähnt werden, von dem Professor Hermann Uhde-Bernays, dem diese Skizze folgt, sagt: „Wohl niemals ist das schlimmste Gefühl, das den Menschen beschleicht, das Ermattend« der Resignation, in Gesichtszügen und Gebärde, der ge sunkenen Hand, so lebendig dargestellt worden wie hier." Der kränkelnde Feuerbach war aus Nürnberg, wo er seinen 50. Geburtstag gefeiert, nach Venedig zurückgekehrt. Am 4. Januar 1880 fand das Stubenmädchen des Albergo „Luna" Feuerbach tot im Bett. Am 12. Januar wurde er in Dürers Nähe auf dem Iohanntsfriedbof in Nürnberg beigesetzt. Die Ausstellung seines Nachlasses im Frühjahr 1880 brachte den ersten allgemeinen Erfolg, im Jahre 1906 offenbarte die Deutsche Iahrhundertausstellung in Berlin die Größe und den Reichtum von Feuerbachs Kunst. In zwischen sind manche Werke, namentlich aus der Pariser Zeit, aufgetaucht und manche Publikationen über ihn er folgt. Zum 100. Geburtstag rüstet München eine große Schau über Feuerbachs Lebenswerk, das eines echt Deut schen von echt deutscher Art. Wer Aufklärung über seine Seelenstürme haben will, der lese jenes herrliche BuH das nach Anselm Feuerbachs Tode von seiner Stiefmutter zusammengestellt worden ist, das als „Anselm Feuerbachs Vermächtnis" zu den klassischen Werken unserer deutschen Literatur aebört.