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Beilage zur Weiheritz-Zettung Nr. 202 — Freitag, am 30. August 1929 95. Jahrgang Chronik des Tages. — Im Haag wurde beschlossen, mtt der Räumung des Rheinlandes am 15. September zu beginnen; die Ge samträumung soll spätestens vor Ende Juni 1930 beendet fein. — Der „Graf Zeppelin", der seine Weltfahrt in 21 Tagen beendet hat, wurde bei der Landung in Lakehurst stür misch begrüßt. — In Freiburg wurde der diesjährige Katholikentag «eröffnet; der erste Tag war Beratungen im engeren Kreise gewidmet. . - Von den beim Brande am Kurfürstendamm in Ber lin verletzten Feuerwehrleuten sind der Brandmeister Pfeif fer und der Feuerwehrmann Klemm ihren Verletzungen er legen. - Am heutigen Freitag wurde in Berlin die große deutsche Funkausstell-ung 1929 feierlich eröffnet. — Im Krankenhaus zu Buir ist Frau Mager aus Reval gestorben. Damit erhöht sich die Zahl der Todesopfer der Eisenbahnkatastroph« auf 15. — Der seit vielen Wochen wütend« Brand der Pe troleumquellen in Moreni greift unterirdisch immer weiter um sich, so daß das gesamte Petroleumgebiet in Gefahr ist. Der Aitsklang im Haag. — Haag, 29. August. Tie Haager Konferenz 1929 ist praktisch beendet. Ueber einige Punkte wird zur Stunde noch verhandelt, aber zwei Tinge stehen bereits fest: der Youngplan wird in Kraft treten und das Rheinland wird ge räumt werden! Tie Räumung der zweiten Zone mit Koblenz wird innerhalb von drei Monaten durchgeftihrt; die Räumung der dritten Zone durch die Franzosen muß spätestens bis Juni 1930 vollzogen sein. Tas ist eine erstaunlich lange Frist! Hier muß Teutschland noch erheblich drücken, damit die Franzosen ein wesentlich flotteres Marschtempo einschlagen. Tah es auch rascher geht, zeigt, daß die Engländer und die Belgier die Räumung der dritten Zone sofort in Angriff nehmen und sie im Zeitraum von drei Monaten beenden wollen. Ter Einigung über die Räumungstermine und die Frage der Kommission waren noch erbitterte Aus einandersetzungen voraufgegangen. Wie es heißt, haben sich in der letzten Nacht sitzung, in der die deutschen Forderungen behandelt wurden, regelrechte Radauszenen ereignet. Strese mann, Wirth, Henderson und Briand schrien sich er regt an, und Briand, noch immer daraus bedacht, sich in der Frage des Räumungstermins nicht sepzu legen, verstieg sich sogar zu der Aeutzerung, er sei zwar ein friedfertiger Mensch, aber er könne auch furchtbar werden! In den Kreisen der Gläubigerdelegattonen war man aus diesen Ausgang anscheinend nicht gefaßt. Unsere Partner haben sich dem Glauben hingegeben, daß die Haager Konferenz mit der Schlichtung des er bärmlichen Streites um die Beute praktisch zu Ende sei. Sie haben es in rührender Naivität als eine Selbst verständlichkeit bettachtet, daß Teutschland zu dem finanziellen Akkord unbesehen sein Jawort gibt. Tiefe Hoffnungen, die die Engländer sowohl wie die Franzosen hegten, hat die deutsche Delegation denn doch zuschanden gemacht; sie hat Bedingungen ge stellt und bekannte sich zu diesen Bedingungen, auch als die Gläubiger in holder Eintracht Deutschland unter Druck setzten. Und das war das mindeste, was von der deut schen Telegatton verlangt werden mutzte. Engländer und Franzosen haben volle drei Wochen mit einem unerfreulichen Streit um Fragen von untergeordneter Bedeutung vertrödelt, jetzt mußten sie sich auch Zeit nehmen, um die Fragen sorgfältig zu prüfen und gerecht zu lösen, die für das deutsche Volk von lebens wichtiger Bedeutung sind. Ter Youngplan ist unter den Händen der Mi nister im Haag nicht besser geworden, sondern schlechter. Taran ändern alle Rechenkünste nichts! Vertreten kann die deutsche Negierung den Youngplan nur dann, wenn die deutsche Telegatton für die finanziellen Opfer andere wertvolle Vorteile einhandelte. Angesichts dieser Lage mußte die deutsche Dele gation am Mittwoch und Donnerstag eine schwere Nervenprobe bestehen. Tie Gläubiger belegten Plätze in den Abendzügen und trugen deutlich Abschiedsstin^ mung zur Schau. Alles in der Absicht, die deutsche De legation mürbe und nervös zu machen, damit sie in der allgemeinen Hasterei sich mit Dingen abfinden sollte, für die sie bei ruhigen Verhandlungen nicht zu haben war. Ueber die Unwürdigkeit dieses Spiels brau chen nicht viel Worte verloren zu werden; sie ist zu deutlich zu erkennen. Festgehalten zu werden verdient aber, daß auch Englands „eiserner" Schatzkanzler an diesem Spiel nicht unbeteiligt war. Kaltblütig lächelnd verleugnete Snowden in der Frage der Besatzungs kosten seine bisherigen Aeußerungcn, dem Beispiel jenes Abgeordneten folgend, der, als man ihn auf Wider sprüche in seinen Reden aufmerksam machte, dem Zwi- fchenrufer zuries: „Was geht mich mein schlecht' Ge schwätz von gestern an." Und dabet sind die an sich wohl etwas unklaren Bestimmungen des Youngplans über die Verwendung deS 300-Millionen-Ueberschusses wenigstens in dem Punkt klar, daß die Besatzungskosten nach dem 1. Sep tember mit aus diesem Ueberschuß bestritten werden müssen. Tas hinderte die Gläubiger aber nicht, Deutsch land auch noch das Opfer zuzumuten, die Besatzungs kosten nach dem 1. September aus eigener Tasche zu zahlen. Die deutsche Delegation kämpfte in den letzten Stunden einen schweren Kampf; es ging um annehm- > bäre Räumungstermtne, sie mutzte Garantten dagegen verlangen, daß irgend jemand aus einigen unklaren Bestimmungen des Kompromisses in der Kommissions frage Kontrollrechte über das Rheinland ableiten kann, und schließlich wollte Deutschland wissen, woran es in der Saarfrage ist. . Rheinlandräumung beschlossen. RäumungSbegin«: 18. September. — Höchstfristc«: für die dritte Zone acht, Mr die zweite drei Monate. — Haag, 30. August. Die Besprechungen der an der Besetzung inter essierten Mächte Frankreich, England, Belgien und Deutschland sind beendet. Es wurd^ einstimmig ein Bericht angenommen, der unverzüglich der politischen Kommission vorgelegt wurde. Deutschland war in der Sitzung durch Reichsaußenminister Dr. Sttesemann und Reichsminister Dr-. Wirth vertreten. Ter der politischen Kommission zugeleitete Be richt enthält im einzelnen folgende Bestimmungen: Die Kommission stellt fest, datz die drei Be- j satzungSmächte zu einer «ebereinsttmmung iiber den , endgültigen Begin« der Räumung gelangt sind. Die ! Räumung soll am 18. September beginne«. Tie bel gischen und vie englischen Truppen werden in einer Zeit von drei Monaten gänzlich zurückgezogen werde«. In derselben Zeit werden die französische« Truppe« I die zweite Zone räumen. Tie RSnmnng der dritten Zone durch die fran zösischen Truppen wird sofort beginnen, nachdem die Ratifizierung des Uoungplanes durch das deutsche ««d das französische Parlament erfolgt und der Uonngpla« in Kraft getreten ist. j Ministerpräsident Briand hat hierbei ausdrücklich die Erklärung abgegeben, datz er nicht die Absicht habe, darauf zn warten, bis jeder einzelne der übrigen an I dem Youngplan beteiligte« Staate« di« Ratifizierung ! des Nomtgpla««s dnrchgeführt habe. Tie Räumung soll ' ohne Unterbrechung fortgesetzt werde«, und zwar so ! schnell, als es technisch möglich ist. Sie soll späteste«« ! in einem Zeitraum von acht Monaten, jedenfalls vor Siwe A««i 1930 beendet sein. Auch die Kommisfionsfrage geregelt. * Streitfälle au» Artikel 42 und 43 des Versailler »er- tragS komme« vor die Loearnokommifsio«««. Gleichzeitig mit der Einigung Wer di« Räumungs termine wurden im Haag auch endgültige Verein barungen in der Frage der sogenannten BergleichS- kommtssion getroffen. Ein darüber veröffentlichter Be richt besagt: Im Interesse einer allgemeinen friedliche« Rege- lnug sind di« Regierungen übereingekommen, datz Streitfall«, die sich aus der Auslegung der Artikel 42 und chü des Versailler Vertrages ergeben — ent militarisierte Rheinlandzone —, vor die durch den Locarno-Bertrag geschaffenen deutsch-belgischen und deutsch-französischen Vergleichskommiffionen gebracht werden sollen nnd von diesen Kommissionen gemätz den ihnen nach dem Locarno-Bertrag zustehenden Kompe tenzen und den im Locarno-Bertrag vorgesehenen Ver fahre« behandelt werden sollen. Von maßgebender deutscher Seite wird dazu mit geteilt, diese neue Vereinbarung ändere an dem bis herigen Zustand nichts. Die beiden AusgleichSkommis- sionen des Locarnoverttages blieben wie bisher neben einander bestehen, auch erfahre ihre Zuständigkeit keine Erweiterung. Im übrigen sei ausdrücklich festgestellt worden, daß jede Regierung das Recht habe, sich in Streitfällen statt an die Kommission, direkt an den Völkerbunds-rat wenden könne. Aeppelin-Weltfahrt beendet Glatte Landung in Lakehurst. — In 21 Tagen um die j Erde! — 30 000 Kilometer zurückgelcgt. — New York, 30. August. ! Tas Luftschiff „Graf Zeppelin« ist gestern 1,13 - Nhr deutsch«r Zeitrechnung in Lakchurst gelandet und j hat damit seinen ersten Weltflng erfolgreich beendet, j Tr. Eckener erhielt Glückwünsche über Glückwünsche. , Insgesamt hat daS Luftschiff auf seiner Fahrt von Lake- i hurst über Friedrichshafen—Tokio—Los Angeles nach ! Lakehnrst mehr als 30 000 Kilometer zurückgclegt. ? Einschließlich des Aufenthalts auf den einzelnen Sta» ! tione» dauerte die Fahrt um die Erde 21 Tage 5 Stun, ! den und 31 Minuten. 1 Tie Fahrt von Los Angeles nach Lakehurst dauert» ! 51 Stunden, also etwas länger, als anfangs zu er- ! warten war. Dabei ist zu bedenken, daß das Luftschiff i infolge der hohen Gebirgszüge und der Gewitterzonen i nicht immer direkten Kurs nehmen konnte, sondern ' vielfach gezwungen war, seinen Weg durch gewundene : Täler, entlang an himmelhohen Bergriesen, zu suchen. ! Der Triumphzug durch Amerika. Ter Flug des „Graf Zeppelin" durch die Ver einigten Staaten glich einem einzigen großartigen Triumphzug. Ueberall bot sich das gleiche Bild, drängten sich große Scharen begeisterter Menschen, die j bewundernd zum Himmel blickten und dem „Graf Zep- Pelin" zujubelten. ' Bei der Ueberfliegung von Texas und Oklahamal hatte das Luftschiff durch Umwege und die Ungunst des Wetters viel Zeit verloren, die es dann Wer teil weise wieder einholte. Tie größeren Städte schickten! dem „Gras Zeppelin" Flugzeuggeschwader entgegen, die dann dem Luftschiff das Geleit gaben. Sobald daÄ Luftschiff größere Städte erreicht hatte, begannen dick Fabrik- und dip Schiffssirenen zu heulen. Vielfach wurden zur Begrüßung veS Luftschiffes auch deutsch« Fahnen gehißt. ' Chicago empfing den „Graf Zepelin"' m^ einem ohrenbetäubenden Freudenlärm. Fast stillstshend neigte sich das Luftschiff salutierend nach vorn. Ein besonders stürmischer Empfang w«rde dem „Graf Zeppelin« in New York znteil. Unzählbar Wack die Masse derer, die sich di« ganze Nacht «m die Ohre« geschlagen hatte, nur um di« Ueberfliegung der Frei- hcitsstatne mitznerleben. Als der „Graf Zeppelin« dann im Schein der Morgensonne über New Morst hinwegglitt, stockte der Verkehr; wieder henkten Sire«««, wieder winkten Taufende nnd aber Tausende «KL Flaggen nnd Tüchern. Nach der Umkreis««- d«r K«i- hcitsstatue «ahm der „Graf Zeppelin" dam» Kurs anß Lakehnrst. Die Landung in Lakehnrst. Schon viele Stunden vor der zu erwartenden Ankunftszeit des Luftschiffes hatte sich in ÄÄehürff eine gewaltige Menschenmenge eingefunden. Als der Lantsprecher das Nahen des silbernen Lnftriefen a»kündigte, erreichte die Spamrmrg der Menge ihren Höhepunkt. Wenige Misuten später er schien der „Graf Zeppelin« von eine« ganze« Schwarm von Kl«gze«gen begleitet über Lakchurst. Ter Anbei der Mafftm war «Wefchreiblich; die Hochruf« auf Tr. Eckener wollten nicht verstummen. MS da» Luftschiff langsam «iederging «nd di« Haltotan« fallen ließ, war da» Militär außerstande, die begeisterten Anschauer, di« anf de» Flugplatz stürmten, zurüchuhalten. Di« Marinemannschafte« ergriffe« da»« die Seile «nd zogen das Luftschiff über den Platz nach der Halle. Sofort nach der Landung begab«» sich Staats sekretär Dr. Meißner und BotschafMat Dr. Kiep an Bord des Luftschiffes und überbracht«» Dr. Eckener, der auf der Kommandobrücke stand, Vie Glückwünsche des Reichspräsidenten von Hindenburg und der Retchs- regierung. Eckeners historisches Verdienst. Ter Zcppelin-Weltflug ein Beweis für Wirke«, Kraft «nd Befähigung deS deutschen BolkeS. Unter den Glückwunschtelegrammen an Dr. Eckener befindet sich ein Telegramm der Hamburg-Amerika- Linie, in dem es heißt: „Die Weltfahrt Ist glücklich vollendet und damit das größte Werk vollbracht, das menschlicher Geist Mr di« Be zwingung der Lüfte je erträumte. Mit ehrlicher Bewunderung und mit wachsend«« Ber» trauen haben alle Bölter der Erd« Ihr« Fahrt begleitet und mit spontaner Herzlichkeit und stürmischer Begeiste rung hab«» diejenigen S»e begrüßt, dl« Augenzeugen gh«K Fluges waren. Sie haben durch eine echt deutsch« Tat von technischer Vollendung die Kontinente und die Herz«» der Menschen einander uähergebracht und zugleich Wir- ken, Kraft und Befähigung unseres Boltes zum Lebe« in und mit der Welt von neuem bestätigt. Das ist «uv bleibt Ahr großes historisches Verdienst, zu dem die Hacuburg- Amer.ka-Linie Sie und die Besatzung herzlich beglück- wünscht. Mögen die kommenden Jahre in gemeinsamem Planen und Wagen die Vollendung dessen bringen, was Sie mit der Fahrt um den Erdball getreu dem Vermächtnis des alten Grafen fo verheißungsvoll begonnen haben. Cuno." Sonnabend Start zur Heimfahrt. Tr. Eckener Gast deS amerikanischen Präsidenten. — Kapitän Lehmann übernimmt die Führung. Tr. Eckener hat sich am Donnerstag nach der Landung des Luftschiffes „Graf Zeppelin" von Lake hurst im Flugzeug nach Washington begeben, um dem amerikanischen Präsidenten Hoover einen Besuch avzu- statten. .... Bei der Verabschiedung von den Journalen auf dem Flugplatz erklärte Dr. Eckener, das LuftschM „Graf Zeppelin" werde wahrs^inlich bereits <m S Wend zur Heimfahrt nach Friedrichshafen Mrten. Ms Führung des Schiffes werde KaWnLehmann üver- nekmen da Dr Eckener zwei Wochen tn Amerna »u bNmu oed^'ke um den Präsidenten Hoover und ^ai^nosmttali^er"?« besuchen. Aus geschäftlichen GZWM mE auch noch Akron im Staat» No fWr-wo er Brechungen mit der Goodyear Corporation habe« werde. Das neue Zeppelin-Luftschiff. Fertigstellung der neue« «erst bi» Oktober?