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Die Ouvertüre zur Oper „Anacreon“ von Cherubiui beschwört das Andenken an den Sänger des Weines herauf, der im 6. Jahrhundert vor der Zeitwende sciue Harfe schlug. Die Oper, die 1803 in Paris als „deutsche Musik“ ausgepfiffen wurde, ist vergessen, die Ouver türe hat sich als unverwüstliches Zeichen der Lebensfreude in den Konzertsälen gehalten. Nach den romantischen Homklängen der Einleitung bringt der Hauptteil ein munteres, ge fälliges Hauptthema zur Entfaltung, dem kein eigentliches zweites Thema zur Seite steht. Im Jahre 1852 lernte Richard Wagner in Zürich den Großkaufmann Otto Wesendonck und seine damals vierundzwanzigjährige zweite Frau Mathilde kennen. Aus der Freundschaft zu ihr wurde eine Liebe, die auch erwidert wurde. „Da zwischen uns nie von einer Vereini gung die Rede sein konnte, gewann unsere tiefe Neigung den traurig-wehmütigen Charakter, der alles Gemeine und Niedere fernhält und nur in dem Wohlergehen des anderen den Quell der Freude erkennt ..In diesem Erlebnis wurzelt der „Tristan“. Die Vertonung der fünf Gedichte Mathilde Wesendoncks war die erste musikalische Studie zu diesem Hohen lied der Liehe, dessen Melancholie in diesen Liedern vorausschwingt. Beethoven zeigte gleich in seiner ersten Sinfonie, daß er gewillt war, sich von der Tradition zu befreien. In der langsamen Einleitung zum ersten Satz beginnt er nicht mit der Grundtonart derSinfonie, er setzt vielmehr an den Anfang zwei Akkorde aus einer benach barten Tonart (F-dur) und leitet dann erst zur Haupttonart über, um sie sofort wieder zu ver lassen und zur Oberdominante überzugehen. Dieses Kreisen um die Tonart, um das „Zen trum“, war für die damalige Zeit kühn und reizvoll. Mühelos löst sich das keck aufwärts drängende, vorwiegend aus den Tönen des Hauptdreiklangs bestehende Hauptthema des ersten Satzes aus dieser Einleitung heraus. Schon bald stimmt die Oboe das anmutige Seiten thema an, wirft es der Flöte zu, die es wieder zurückgibt, bis sich dann auch die Streicher an dem tänzelnden Spiel beteiligen. Echt Beethoven ist es, wie das Motiv in den Bässen ins Düstere gewendet wird. Auch in der Durchführung geistern Schatten über das Bild. — Der langsame Satz (Sonatenform) ist in heitere Wolkenlosigkeit getaucht. Ein zweites Thema biegt nach Moll aus. — Der dritte Satz ist schon typisch für das Scherzo, wie es Beethoven später entwickeln sollte und wie es im Scherzo Bruckners seinen Höhe- und Endpunkt fand. — Der letzte Satz hat eine der originellsten Einleitungen. Die ersten Violinen setzen nach einem einleitenden Schlag des ganzen Orchesters mit einem Anlauf ein, der immer mehr ge steigert wird, bis er schließlich auf einer Fermate hängen bleibt. Dann stürzen sie sich un gehemmt in das vor Laune übersprudelnde Thema des Allegros. Seine dritte Sinfonie leitet Johannes Brahms ebenso wie die beiden vorangegangenen mit einem „Urmotiv“ ein, das das ganze Werk beherrscht. Es ist — in dieser F-dur-Sinfonie — durch die aufsteigenJe Mollterz der Tonika charakterisiert; in echt Brahmsscher Weise wird so der Charakter des Werkes verschleiert. Das Urmotiv erscheint dann sogleich als Baß des ersten Themas. Dieses selbst ist wiederum nichts anderes als eine freie und sozusagen er weiterte Umkehrung dieses Baßmotivs. Da es auch am Schluß des letzten Satzes steht, bringt dieser auch hier die endgültige Lösung. Selbstverständlich ist auch die Coda des ersten Satzes auf dem „Urmotiv“ aufgebaut. Besonders geistvoll verwendet es Brahms als Über leitung von der Durchführung zur Reprise. Da erscheint es nach dem wilden Rauschen der erregten Wogen wie der Heimatruf des Hafens ... Auch in dieser dritten Sinfonie sind die Mittelsätze nur die Brücken zwischen den Ecksätzen. Das Andante gibt sich geheimnisvoll sehnsüchtig, fromm, ohne Pauken und Trompeten, nur die Posaunen malen ab und zu den Goldgrund einer zarten Legende. Dafür setzen die Holzbläser gleich vielstimmig ein und be herrschen weithin das Feld. Clara Schumann belauscht bei diesen Klängen „die Betenden um die kleine Waldkapelle“ und hört die webende Natur — ein Pastorale, das zum Schönsten und Eigensten gehört, was Brahms geschrieben hat. Und ebenso echt Brahmsisch ist auch der dritte Satz, der das Scherzo umgeht, ein dreiteiliges Intermezzo, das mit einem un endlich sehnsuchtsvollen Gesang des Cellos anhebt. Er singt sich wie ein Volkslied in unser Herz. Ein Mittelsatz in As-dur läßt in seiner Grazie daran denken, daß dies eigentlich das Trio eines Scherzos ist. Das Finale bestätigt mit seinem Hauptthema in f-moll das dunklere Tongeschlecht. Wie Schatten nahenden Unheils weht es in unser Herz. Der Seitensatz aber fegt Zweifel und Kleinmut beiseite. Bezeichnend ist, daß es kein Gesangsthema ist. Ver ständlich, weil hier die Lösung gegeben werden soll, das kraftvolle „Dennoch!“, das die Ant wort auch für die im ersten Satz aufgetauchten Fragen gibt. Dr. Karl Laux