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Beilage zur Weiheritz-Hettung Nr. 201 Donnerstag, am 29. August 1929 98. Jahrgang 1 Chronit des Tages. — Im Haag fanden gestern zahlreiche neue Bespre chungen und Konferenzen statt; Deutschland machte seine Stellungnahme zu dem Kompromiß von der Lösung der politischen Fragen abhängig. — Der „Graf Zeppelin" hat die Fahrt über das ame rikanische Festland infolge Gewitter und Stürme teilweise in verlangsamtem Tempo zurücklegen müssen. — An der Eröffnung der Hauptversammlung des Vöv- kerbundsrats nimmt Graf Bernstorff als Führer der deutschen Delegation teil. — Seit Anfang August ist im Reich die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger in der Arbeitslosenversiche rung von 710 ÜOö auf 720 000 gestiegen. — In Hannover wurden nach Wild-West-Art zwei Kassenboten um etwa 60 000 Mark beraubt. Der eine Bote wurde niedergeschossen. — In Pösek in der Tschechoslowakei sind 78 Per sonen, die in einem Hotel speisten» unter Bergiftungserstzei- nungen erkrankt. — Im Irak ist eine starke Cholera-Epidemie aus» gebrochen. »Graf Zeppelins^ Weltflug. Tie Prophezeiung aus dem Jahre 1887 geht in Er füllung! In einer 1887 für den württemberaischen König angefertigten Denkschrift schrieb Graf Zeppelin, der Erfinder des bewährtesten Luftschifftyps: „Dem Luftschiff sind noch große Ausgaben Vorbehalten, nicht nur für kriegerische Zwecke, sondern auch für die Erforschung der Pole, die Erkundung der Erdoberfläche und als völkerverbindendes Verkehrs mittel." Heute beginnt diese Weissagung eines tapferen Mannes Wirklichkeit zu werden. Die Weltsahrt des „Graf Zeppelin" hat jedermann offenbart, daß das Luftschiff eine sichere Zukunft hat. Die Stunde des Grotzlustschisfes bricht an! Ter ideelle Erfolg der Zeppelin-Weltfahrt ist ein vierfacher. Der „Graf Zeppelin" hat einen Rekord in der Umsegelung des Eroballs aufgestellt, den ihm das schnellere Flugzeug nicht entreißen kann, er hat ferner als erstes Luftschiff den sibirischen Schild, den Stillen Ozean und das amerikanische Festland über quert; mit einer Schnelligkeit und einer Sicherheit, die vielfach vergessen ließ, daß dieser Weltflug in der Hauptsache eine Expeditionssahrt bildete. Die Bedeutung der Weltsahrt liegt in der Führung des Nachweises, daß es für das Luftschiff keine unüberwindlichen Hindernisse mehr gibt. Die Bahn für den Luftschiff-Weltverkehr ist frei, und Bahn brecher war der deutsche „Graf Zeppelin"! Schwierigkeiten haben sich während der Weltfahrt in beängistendem Maße vor dem „Gras Zeppelin" auf getürmt. Sibirien, diese älteste Lanoplatte aus der Urzeit der Erde, ist nicht nur wenig erforscht, auch das Luftmeer über Sibiriens unermeßlichen Weiten ist voller Geheimnisse und Tücken. Weniger fremd sind den Seewarten die Wetter verhältnisse auf dem Stillen Ozean. Zuverlässige Vor aussagen auf längere Sicht können aber nicht gemacht werden, weil sich über der Wasserwüste des Stillen Ozeans häufig Wirbel bilden, von denen man nicht weiß, woher sie kommen und wohin sie sich wenden und die d ann als Taifune über Asien mit verheeren der Gewalt hinwegbrausen, Schiffe kentern lassen, Bäume entwurzeln und Gebäude Niederreißen. Gefahrvoll war aber auch die Reise von Los An geles an der amerikanischen Westküste nach Lakehurst am Atlantischen Ozean! Von der kalifornischen Küste bis zum Felsengebirge hat der „Graf Zeppelin" ein Gebirgsland überfliegen müssen, dessen höchste Er hebungen über 4000 Meter hinausgehen. Die Ueber- querung dieses Gebirgslandes stellte hohe Anforde rungen an die Führung und an die Manöverierfähig- keit des Schiffes. Infolge der heißen Sonnenstrahlen treten in diesem Teil der Vereinigten Staaten häufig Sonnenböcn auf, außerdem bilden sich an den Berg ketten leicht Gewitter. In Erinnerung ist noch die Katastrophe vom Sep tember 1925. Tamals versuchte die den Zeppelinen nachgcbildete amerikanische „Shenandah" als erstes Luftschiff das nordamerikanische Festland zu über fliegen. Einige Stunden nach dem Start geriet das Luftschiff in einen Gewittersturm, dem es nicht ge wachsen war. Tas Luftschiff wurde von den Winden zerrissen, ein Teil des Schiffskörpers stürzte zur Erde, und der Rest des Luftschiffes trieb als Freiballon mit dem Commander Rosendahl an Bord davon! Wenn jetzt der „Graf Zeppelin" alle Belastungs proben bestehen konnte, dann zeugt das von den FÄHrereigenschaften der deutschen Luftfahrer und von der Güte deutschen Materials. Hinsichtlich der praktischen Folgen des Zep pelin-Flugs muß man das Ergebnis der Besprechungen abwarten, die Tr. Eckener in New Uork mit amerika nischen Geldleuten führen wird. Gelingt es, die Fi- nanzterungsfrage zu lösen, dann kann der Bau der Groß-Zeppeline beginnen, die statt mit fiinf Motoren wie der „Graf Zeppelin", mit acht ausgestattet sein werden. Für das Luftschiff bedeutet die Vermehrung der Motore nicht nur eine erhebliche Erhöhung der Fahrtgeschwindigkeit, sondern auch verstärkte Sicher heit. Tas Schiff ist jederzeit in der Lage, mit dem Sturmwind um die Wette zu fliegen und zwar mit der Aussicht, das Rennen zu gewinnen. „Gras Zeppelin" hat mit seiner Weltfahrt aber nicht nur der Luftfahrt einen Dienst erwiesen, er hat auch Aufklärungsarbeit für das deutsche Volk voll bracht! In Rußland, in Japan, in Amerika, überall jubelten Menschen dem Sendboten des deutschen Vol tes zu, feierten die Zeitungen diese Großtat des Mutes und der Technik. Und schließlich leben Völker nicht nur von Brot und Fleisch allein, sondern auch vom Glau ben an die Zukunft. Daß aber die Weltfahrt des „Gras Zeppelin" einen neuen Beweis deutschen Lebens willens und deutscher Lebensfähigkeit darstellt, ist nicht in Zweifel zu ziehen. Zeppelins Fahrt nach Lakehurst. Stürme und Gegenwinde verursachten Zeitverlust. — Neberall herzlicher Empfang. Tie Fahrtgeschwindtgkeit des Luftschiffes „Graf Zeppelin" wurde während des Flugs über das ameri kanische Festland zeitweise durch Gegenwinde und Stürme beeinträchtigt. TaS Luftschiff flog an der mexikanischen Grenze entlang und steuerte häufig in großen Höhen. Auf der ersten Hälfte des Weges hatte der „Gras Zeppelin" gegen heftige Böen ankämpfen müssen. Ferner wechselte das Luftschiff mehrmals den Kurs, um Gewittern auszuweichen. Lie amerikanische Bevölkerung bereitete dem Luft- schiff in den größeren Ortschaften, die der „Graf ZeP. Pelin" passierte, überall einen begeisterten Empfang. Gro» war die Zahl der Städte, die um den Besuch deS Luftschiffes baten. Mehrfach flogen dem Luftschiff Armeeflieger entgegen, um ihm ein Stück WegeS daS Geleit zn geben. > Nach der Ueberquerung des amerikanischen Ge birgslandes sand der „Graf Zeppelin" besseres Wetter ' vor; die Fortbewegungsgeschwindigkeit des Luftschiffes wuchs zusehends. Tie Stadt New Bork beabsichtigt einen großartigen Empfang des Luftschiffes „Graf Zeppelin" zu veran stalten, der bedeutend umfangreicher werden soll, alt der Empfang nach dem berühmten Atlantikslug. Dr. Eckener soll seterlichst im New Uorker Rathaus be grüßt werden. Auch sind Bankette in Riesenausmaßen unter Beteiligung führender Deutsch-Amerikaner vor gesehen. Am Sonntag Start zur Rückfahrt? Wie verlautet, hofft Dr. Eckener, seine Anwesen heit in Amerika abkürzen zu können, so daß der „Gras Zeppelin" schon am Sonntag in Lakehurst zur Heim fahrt nach Deutschland starken kann. Eine endgültig« Entscheidung ist jedoch noch nicht getroffen. Erst Räumungs-Beschluß! Deutschland stellt Bedingungen. — Englands For» derungen werden erfüllt. — Neue finanzielle Opfer. — Haag, 28. August. Im Haag fanden gestern und heute Verhandlun gen schwerwiegender Natur statt. Gestern begannen die Besprechungen nachmittags 4 Uhr und endeten heute früh 1,30 Uhr. Ihr Ergebnis besteht darin, daß die Gläubigerstaaten sich nach Wochen des Haderns geeinigt haben. Ein erheblicher Teil dieser Einigung geht jedoch zu Lasten Deutschlands! Dec heutige Tag war daher mit Bemühungen ausgefüllt, Deutsch land zur Zustimmung zu dem Kompromiß zu bewegen. Das Angebot an England. Tas Uebereinkommen, das zwischen den vier Gläubigerstaaten, Frankreich, Italien, Belgien und Japan auf der einen und England auf der anderen Seite zustandegekommen ist, enthält im wesentlichen folgende Punkte: 1. Ter englische Anteil an den deutschen Tributen »oird um jährlich 40 Million«» Mark erhöht; 18 Millionen Mark stammen aus dem noch unverteilten Teil des UoungPlanS, der ursprünglich für die sogenannten kleinen ReParationS» gläubiger bestimmt war. 2. Aus dem ungeschützten Teil der deutschen Tribute, an dem England bisher nicht beteiligt war, «rMt England einen Betrag von v« Millionen Mark. Lieser Betrag fetzt sich znsammen aus obigen 18 Millionen Mark, a«S der Er höhung der Gesamtsumme der ungeschützten Tribut« um 42 Millionen Mark und an» einer Sondergarantie Iran», reich«, Italiens, Belgien« und Japans in Höhe von 3» Millionen Mark. 8. Ferner will sich Italien verpflichten, während dreier Jahre jährlich «in« Million Tonnen englischer Kohlen kür seine Staatseisenbahnen »nm Marktpreis abzunehmen. Die neuen Opfer. Teutschland soll also zwet neue Opfer brin- ^en: es soll -- bei gleichbleibender Höhe der aesamtcn Lrwme — in. eine Erhöhung des ungeschützten Teil» der Tribute um 42 Millionen Mark willigen und es soll zweitens auf die Mitbeteiligung an dem Ueber- schutz aus dem Tawesplan verzichten. Stellen wir die Forderung voran, die von den Sachverständigen als die schwerste erachtet wird, näm lich die Forderung nach Freigabe von weiteren 40 Mil lionen bei der ungeschützten deutschen Jahres leistung. Diese Annuität ist im Uoungplan auf 660 Millionen begrenzt worden, sie laust 37 Jahre und enthält auch den Anteil für den Dawesanleihedienst, der nach 20 Jahren abläuft. Nun haben die übrigen Wichte den Engländern für die ganzen 37 Jahre einen festen Anteil von 96 Millionen an den ungeschützten Zahlungen angeboten, mit der Maßgabe, daß für 96 Millionen Mark Deutsch land ein zusätzliches Risiko auf sich nehmen soll. Der zwanzigjährige Dienst für die Dawesanleihe entwickelt sich so, daß jetzt dafür etwa 88 Millionen und zum Schluß 64 Millionen aufgebracht werden müssen. ES ist also ein veränderlicher Faktor, der von den Reparationsmächten durch ein komplizierte» Rechenkunststück aus etwa 40 Millionen stabilisiert wer den soll. Bei der Umrechnung auf 37 Jahre werden rechnerisch vorn Beträge zugelegt und rückwärts gekürzt. Kür uns ist wesentlich, daß Leutschland für 20 Jahre durchschnittlich die ungeschützte Annuität ur» 42 Millionen erhöhe« soll. Tiefes Mehr während der 20 Jahre wird in den restlichen 27 Jahren abgezogen, so daß rechnerisch eine dauernde ungeschützte JahrcSzah- lung von 660 Millionen aufrecht erhalten wrrden folt. Leutschland muß also im Durchschnitt der nächste« 20 Jahre — und wer spricht denn überhaupt von dieser späteren Zeit noch? — statt 600 etwa 70g Millionen, in den Anfangsjahren sogar noch mehr, ungeschützt lassen! Weitere Opfer waren uns insofern zugemutet, als wir auch noch die Besatzungskosten nach dem 1. Sep tember tragen und aus die Anrechnung des Ueber- schusses von 79 Millionen Mark verzichten sollten, der sich in der letzten Woche der Gültigkeit des DaweLplaneS ergeben wird. Frankreich muß die RLumrmgstermine nenne«. Nach der Einigung anf dieser Grundlage ersuchten die Glänbiger die deutsche Delegation in mitternächt licher Stunde n« die Bekanntgabe ihrer Stellungnahme zu diesem Projekt. SS erschienen jedoch lediglich die Minister Dr. Wirth, Curtius «uv Hilferding; Tr. Stresemann blieb fern, da Ihm der Arzt nach den An strengungen des LageS Ruhe verordnet hatte. Tadnrch wurde verhindert, daß in der Hast über einen Plan abgestimmt wurde, der dringend verdiente, d«rch- lenchtet zu werde«. Am Mittwoch fand dann eine neue Sechs-Mächte- Besprechung statt. Nach zweistündiger Tauer wurden die Verhandlungen unterbrochen und am Nachmittag wieder ausgenommen. Bon Seiten der deutschen Telegation wurde in der Sechs-MSchte-Besprechung die deutsche Stellung nahme zu dem finanziellen Akkord der Gläubiger- machte vou der Erfüllung unserer politischen Kor» derungen abhängig gemacht. Tamit hatte Deutschland die Gesamtheit der die Haager Konferenz beschäftigen den Fragen zur Tebatte gestellt und Frankreich aufge» fordert, annehmbare Termine in der RäumungSfrage zu nennen. Das Schicksal der Haager Konferenz hängt jetzt davon ab, wie die Räumungs- und die Saar- srage entschieden werden wird. Soll auch hier das erbärmliche Feilschen weitergehen, das bisher die Konferenzpolitik der Gläubigerstaaten kennzeichnete? j Die Arbeitgeber gegen Beitragserhöhung. Presseempfang in Berlin. — Bedenken gegen die Regierungsvorlage zur Bersichernngsreform. In einer Pressebesprechung bei der Vereinigung ! der Deutschen Arbeitgeberverbände in Berlin legten ' Präsident Brauweiler und Dr. Erdmann noch einmal j die Auffassung der Vereinigung der Verbände zur Re- ! form der Arbeitslosenversicherung dar. Sie führten i aus, die Vereinigung müsse schwerwiegende Bedenken i Zrgen die jetzige Regierungsvorlage äußern. Im Reichs- ! >eien Mittel in nennenswertem Umfang für ! die Arbeitslosenversicherung nicht mehr verfügbar, auch i konnten bei der gegenwärtigen Finanzlage des Reiches j keine größeren Geldmittel von dieser Seite erwartet ! Werden. Die Vereinigung halte nach wie vor eine Er- ! Höhung der Beiträge über drei Prozent mit der gegen- ! wärtigen Lage von Wirtschaft und Reich nicht für ver- ! einbar. Es sei möglich und notwendig, die Rctchsanstalt > unter Vermeidung einer Beitragserhöhung und ohne > wettere Gefährdung des Reichshaushalts durch Re- i formen und Sparmaßnahmen zu sanieren. > Trauerfeier in Darmstadt. Lie Beisetzung des MarfchällS Liman von Sanders. inman von Sanders wurde in der Familiengruft auf dem alten Friedhof in Darmstadt ' NeMck Kesetz^ Trauerfeter wohnte ein« große - H-Ei^de bet Insbesondere bemerkte man viele Offi- > L L alten Armee. P^ Behringer nahmen ' dn Friedhofshalle die Einsegnung vor. Am Grabe I legte im Namen des ehemaligen GrotzherzogS von ! Hessen General der Kavallerie a. D. von Hahn einen Kranz nieder. Oberstleutnant von Hagen, «in Schüler des Berswrbenen, wies aus die hohen Führereiaen-