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LÄ!e überhörte eS. .Bitte, nehmt Platz, und kann erzählt, wie es euch geht und was euch zu mir geführt.* Von Eva kam die Frage nach Nora. .ES geht ihr gut*, sagte Lotte, und sah Hanna an. »Du willst Nora nun wohl zu dir ins Haus nehmen?* »Ins HauL ist gut! Ich habe längst kein Haus mehr. Bin bei Eva untergekrochen; sie kann mich aber nicht mehr halten — hat selbst nichts.* «Also so steht eS!" Lotte atmete tief au^. .Wir wollten mal hören, ob du nicht etwas für Hanna tun könntest?* sagte Eva. Lottes Blick ruhte auf Hannas Gesicht. Es war stark gealtert, seine feinen Züge waren verschwommen. Hannas Schönheit war hin, die konnte also keinem mehr gefährlich werden. Mit dem Abenteurerleben war es nun Wohl aus. Das gab ihr eine gewisse Beruhigung, festigte den Ent schluß, den sie eben in rascher Eingebung gefaßt. .Wie dachtet ihr euch eine Hilfe von meiner Seite?* fragte sie. Eva zog die Schultern hoch. .Zu verlangen haben wir nichts mehr, aber da du außer dem Vermögen, das dir unser Bruder hinterlassen hat, auch wohl noch reichlich hohe Einkünfte aus dem Geschäft hast, wird es dir eine Bagatelle sein, für Hanna ein Jahresgeld auszusetzen.' .Ich will noch mehr tun. Den Anteil, den ich an dem Geschästsgewinn habe, will ich an euch abtreten, zehn Jahre hindurch, bis Rosa erwachsen ist." Beide sahen sich überrascht an. Hatten sie recht gehört? .Wenn ihr mein Anerbieten annehmen wollt, so will ich die Sache notariell feftlegen lassen.* .Wie hoch sind die Ueberschüffe?* fragte Hanna. »Das kann ich nicht so im Augenblick sagen. Sie sind auch nicht immer gleich.' .Goldmann ist noch immer beteiligt?* fragte sie weiter. Lotte nickte. .Ja, prozentual.* Sie erhob sich, und Eva und Hanna auch. .Ihr müßt schon entschuldigen, ich habe zu tun. Wenn ihr noch etwas zu sagen habt... ?* Sie sah von einer zur anderen. Vor lauter Bestürzung wußten sie nichts zu sagen. .Was wird mit Nora? Wirst du sie zu dir nehmen?* fragte Lotte. Es wäre mir lieb, fie könnte noch einstweilen bei dir bleiben.* .Gut, ich behalte sie gern im Hause.* Hanna fragte mit keinem Wort nach dem Kinde. Wieviel das Geschäft wohl so im Jahre abwirft, kalku. lierte Hanna, als fie mit Eva auf der Straße stand. .Jakob hat sich wohl so auf fünfzig Tausend im Jahre gestanden. Wenn das Geschäft noch auf der Höhe ist — und eS sieht ja so aus —, dann sind wir schön heraus, «va. Mit einem Einkommen von zehntausend Mark im Jahr können wir dann wohl rechnen.* Ihre Augen glühten. Aber plötzlich kam ihr Miß- trauen. »Ich kann nicht recht glauben, daß sie das so aus gutem Herzen tut. Was kann sie dazu bestimmt haben, uns ihren Anteil abzutreten? Vielleicht steckt irgend etwas dahinter?" »Na, man mutz abwarten.* Lotte sprach zu Goldmann von ihrem Vorhaben. Er Akttelte den Kopf und sagte: „Das ist un- A ^°"en Sie das tun? Geben Sie was Sümmchen, wenn's gerade nottut. W* i MH dzg gPt-d Jahresgewinn, der Ihnen zufällt? Sagen Sie, wozu? Sie schmälern Ihre Ein» nahmen, schmälern das Vermögen Ihres Kindes?" „Ich kann auf diese Einnahmen verzichten, mein Kind auch. Mein Mann hätte seinen Schwestern auch geholfen; was ich jetzt für sie tue, wäre wohl auch in seinem Sinne." Goldmann schüttelte den Kopf. Wie unpraktisch oft Frauen sind... Als Lotte nach Kontorschluß das Geschäft verließ, fiel ihr ein, daß ihre Mutter am Tage telephonisch bei ihr angerufen hatte, daß sie in die Gleditschstraße kommen möchte. Sie hatte so geheimnisvoll getan. Lotte ahnte eine Ueberraschung. Sie winkte einem Auto. „Zum Nollendorfplatz!" rief sie dem Chauffeur zu. Um sieben Uhr wartete das Fräulein mit Rosa und Nora am Untergrund bahnhos auf sie. Bald war sie vor dem Hause angelangt. Sie sah zum Balkon hinaus. Niemand stand oben. Die zwei Treppen zur Wohnung nahm sie im Sturmschritt, aber an der Tür blieb sie stehen, die Hand aus ihr laut pochendes Herz ge preßt. Die Mutter sollte nicht merken, wie töricht sie noch war. Plötzlich wurde die Tür geöffnet. .Lotte — na, Jott sei Dank, da biste ja l* Um Augen und Mund der Mutter war heute so ein geheimnisvolles Lächeln. „Ich muß noch was einholen, Lotte, jeh' mal in die Vorderstube. Du wirst erwartet." Und dann war sie weg und die Tür der Stube ging auf. „Hans — du? Hansl* Sie hing an seinem Halse. „Lotte I" Sie küßten sich heiß, leidenschaftlich. Als wollten sie nachholen, was sie in den Jahren der Trennung versäumt. „Lotte, komme ich nicht zu spät?" Sie hob die zuckenden Lippen zu ihm, unfähig, ein Wort zu sprechen. Als er sie endlich aus seinem Arm ließ, erfuhr sie, warum er nicht früher gekommen. Jahre voll haner Arbeit und rastlosen Fleißes lagen hinter ihm. Von diesen sprach er nicht viel. „Daß ich nie von mir hören ließ, Lotte, das hatte seinen Grund darin: Ich fühlte, daß ich erst von Grund auf ein anderer werden mußte, ehe ich mich dir wieder näherte. Ich habe viel über dein und mein Schicksal nach- -gedacht. Was es uns an Leid gebracht, Lotte, ist aus meiner Schwäche, meiner Mutlosigkeit gekommen, damit hab' ich dich ins Unglück hineingetrieben. — Doch, doch, Lotte, so war es. Sieb mich nicht so an." Sie senkte die Lider. „Du warst so stark in deiner Liebe, Lotte, daß du ohne Besinnen mit mir in ein Leben voll Armut und Ent behrungen gegangen wärest." Sie hob wieder beschwörend den Blick zu ihm. „Hans, ja, so war's. Aber nun sprich nicht mehr davon, nie mehr, Hans." Ihre Stimme bebte. „Du bist jetzt bei mir — nun ist . alles gut. Wir ver gessen, was war." Er nahm ihre Hände in die seinen. „Nein, Lotte, vergessen können wir das nicht, man kann das nicht einfach auslöschen. Aber gutmachen, soviel wir können, das wollen wir." Sie schmiegte sich fest in seinen Arm. „Ja, Hans, das wollen wirl* Wie ein Gelübde klang es... Enoe. - ^drucke», Martin Feuchtwanger, Halle sSaair), Ftjchtrplaa S.