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von diesen in die Oeffentlichkeit drang, war genug, um ihn für die Gesellschaft, in der er verkehrte, unmöglich zu machen. Eines Tages in der Frühe sand das Donatsche Haus mädchen ihren Herrn mit durchschossener Schläfe tot vor dem Bilde seiner Tochter liegen... Ida hatte man gleich nach der Verhaftung Westphals aus der Irrenanstalt entlasten. Hanna Donat war aus dem Ausland zurückgekehrt. Ihr erster Gang führte zu Lotte. Was sie dazu sage, daß Donat Nora zu seiner Uni versalerbin bestimmt habe? , Lotte sah sie an. „Er wird seine Gründe dazu gehabt haben.- Hanna lachte schrill aus. »Ünd wenn er sie gehabt hätte, er hatte dennoch nicht das Recht, mich zu enterben. Ich habe ihm das Vermögen mit in die Ehe gebracht, mir gehört es allein." Lotte zog die Schultern hoch ,WaS gedenkst du zu tun?" »Natürlich werde ich gegen das Testament Einspruch erheben lasten. Ein tüchtiger Rechtsanwalt wird mir die Sache schon durchführen. Ich kann nachweisen, daß ich alles, was an Werten vorhanden ist, in die Ehe gebracht habe. Auch das Haus. In das werde ich mit Nora zurück gehen. Von dem Ueberschuß, den das Haus bringt, können wir gut leben." Lotte befürchtete, daß nach dem Vorgefallenen das Normundschaftsgericht ein Zusammenleben von Hanna und Nora nicht gestatten würde. Deshalb riet sie ab und meinte: »Wenn du in deinen Erwartungen enttäuscht werden solltest oder die Verwirklichung deiner Wünsche sich zu lange Hinziehl, so will ich dir bis dahin helfen. Ich kann dich aber nicht bitten, bei mir im Hause zu bleiben, denn Kleine Schwester lebt bei mir." Hanna lächelte maliziös. »Sie hat natürlich mehr Anrecht darauf, hier zu leben, als ich. In der Wohnung, die einmal meinen Eltern gehört und in der ich aufgewachsen bin. Also laßt es euch Wohl darin sein — du hast es verstanden, dich ins warme Nest zu setzen." Damit hatte sie es bei Lotte verspielt. „Heute gehört die Wohnung mir, und ich kann darin aufnehmen, wen ich WM. Die Beziehungen, die du zu Westphal gehabt, hätten mich dazu bestimmen sollen, dich überhaupt nicht mehr in mein Haus zu lasten, ich wollte nicht hart gegen dich sein — weil du Jakobs Schwester bist." Sie trennten sich ohne Gruß. Hanna erhielt eine Vorladung zum Verhör vor dem Untersuchungsrichter. Sie erschien vor ihm in eine Wolke schwarzen Crepes gehüllt. Ein süßer Heliotropduft um- floß sie und flutete durch die graue Nüchternheit der Amts stube. Wenn man Westphal mit verbundenen Augen in den Raum geführt hätte, er hätte gewußt, daß die Frau, für die er geglüht, für die er zum Dieb, zum Mörder ge worden war, vor ihm stand. Hanna hatte den Cröpeschleier zurückgeschlagen und sah Westphal voll Neugier an. In seinen Händen zuckte es. Seine Finger spreizten sich im Verlangen, ihren weißen HalS, der sich leuchtend von dem schwarzen Crepe abhob, zu pressen. So lange zu pressen, bis die großen schwarzen Augen, die ihn hineingelockt hatten in Unheil und Ver derben, vor seinem Blicke brachen. Der Untersuchungsrichter ließ ein leichtes Räuspern hören. Dann sagte er: »Westphal, wollen Sie Ihre Behauptung, Frau Jo- Hanna Donat habe Ihnen das Geld gegeben, das Sie zur Tilauna Ihrer Schuld verwandt, aukrecbterbalten?" Wie von einem elektrischen Schlage getroffen, zuckte Westphal zusammen. Die Frage traf ihn vernichtend. Er schloß einen Moment die Augen, sein Gesicht wurde kalk weiß. Aber er riß sich schnell zusammen; mit einem kalten, feindseligen Blick in Hannas Gesicht sehend, sagte er: „Nein, ich erhalte sie nicht aufrecht." -Und zum Untersuchungsrichter sich wendend, fuhr er fort: „Ich -chatte Frau Donat, für die ich die Unter schlagungen gemacht, gebeten, mir das Geld zurückzugeben, das durch mich aus der Kasse ihres Bruders in ihre Hände geflossen ist — sie hat es nicht getan, obgleich es ihr ein Leichtes gewesen wäre. Ich gestehe, daß ich aus Angst vor der Entdeckung meiner Unterschlagungen Jakob Geyer ermordet und beraubt habe." Wieder sah er in Hannas Gesicht, das jetzt von töd licher Bläste überzogen war. Ein Zittern befiel sie, ihre Hände griffen haltsuchend in die Luft, dann sank sie zu sammen. Der Untersuchungsrichter klingelte dem Wärter, daß er Westphal abführe, und er selbst bemühte sich um dis Heldin des Dramas, das mit dem Todesurteil Westphals seinen Abschluß finden würde... Hans Cleve wurde aus der Untersuchungshaft ent lasten. Niemand von den Seinen ahnte Zeit und Stunde. Es war ihm recht so, daß ihn niemand erwartete. Er fuhr nach Hamburg, von dort aus schrieb er an Lotte, daß er die Absicht habe, ins Ausland zu gehen — für einige Jahre. Bis er wieder zurückkomme nach Deutschland, möchte Lotte sich Annas annehmen. Lotte war es recht so. So sehr sie ein Wiedersehen mit Hans ersehnte, so empfand sie doch, daß bis zu diesem eine Zeit vergehen müsse, um das Schwere, das sie alle betroffen hatte, zu vergessen. Anna Bruck kam mit Erich nach Berlin und wohnte in der Gleditschstraße. Lotte be stimmte: Erich wird die Schule bis Sekunda besuchen, dann als Lehrling in die Goldmann und Geyersche Firma eintreten. Der Mutter war es recht so. „Ich wer ma nu ooch wieder Arbeit hol'n. Lotte, du hast doch nischt dagegen. So die Tage im Nischttun hin bringen, halte ich nicht aus." „Das sehe ich ein, Mutter. Ich kann dir aber nicht er lauben, daß du dir die Arbeit holst; das geht nicht mehr. Ich werde im Geschäft ansagen, daß dir jede Woche ein Posten geschickt wird, und der wird dann am Liefertage abgeholt." „Ja, Lotte, so machen wir's. Aber die Ida, die kann sich noch nich daran beteiligen, die müßte doch Woll irgend wohin zur Erholung. Die wird ja jeden Tag weniger?" Die Mutter und Lotte gingen sofort zu Ida, um mit ihr über eine Erholungsreise zu sprechen. Goldmann hatte noch einmal Blankenburg in Vorschlag gebracht. Wenn Ida nicht zu seiner Mutter wolle, sein Bruder habe in Blankenburg eine Nervenheilanstalt, dann sollte sie sich doch in dessen Pslege begeben. Ida lehnte entschieden ab. „Es käme mir sinnlos vor, jetzt etwas für meine Ge sundheit zu tun, wo mir so nichts mehr am Leben liegt." Lotte war verzweifelt. Sie machte Ida Vorwürfe, daß sie ihr Schicksal nicht in Ergebung auf sich nahm, wie sie selbst es doch auch tun mußte. Die Mutter gab ihr recht. Ida solle sich nun mal zusammenreißen. „Was das Schicksal einem aufpackt, das muß ertragen werden." Ida lächelte schmerzlich. „Ich trag's ja. Ich hadere schon längst nicht mehr mit meinem Schicksal. Ich frage nicht mehr: womit habe ich das verdient? Jetzt weiß ich, daß es keine Strafe für meine Sünde sein soll. Ich weiß längst: Leid kommt nicht von Gott — das kommt von Menschen, das schaffen wir uns selbst, es wächst aus unserem Leben." Auf das Zureden von Lotte und Frau Menkin fuhr Ida schon am darauffolgenden Tage in Begleitung Lottes nach Blankenbura. um in Doktor Goldmanns Sanatorium