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Beilage zur Weiheriy-Jeitung Nr. 193 Dienstag, am 20. August 1929 95. Jahrgang — Die Räumungsverhandlungen kommen nicht vom , Fleck; Briand sträubt sich, einen endgültigen Termin zu ! nennen. , — Aus Anlaß der Anwesenheit russischer Kriegsschiffe in Deutschland findet heute im Auswärtigen Amt ein Empfang statt. — In Berlin hat sich ein Sechzehnjähriger vergiftet, weil seine Mutter sich wieder verheiraten wollte. — Vor dem Hamburger Erholungsheim Uhlenbusch in der Lüneburger Heide explodierten mehrere Sprengkörper. Nach Ansicht der Polizeibehörde handelt es sich um groben Unfug übelster Art. — In dem französischen Seebad Chatelaillon ist eine Autogarage mit 130 Automobilen und drei Autobussen einem Brande zum Opfer gefallen. — Bet einem Eisenbahnunglück in Amerika kamen 13 Menschen ums Leben. „Graf Zeppelin" am Ziel. Glanzvoller Verlauf der ersten Asien-Fahrt. Mit der Landung aus dem Flugplatz Kasumigaura hat das Luftschiff „Graf Zeppelin" das Ziel seiner zweiten Etappe auf der großen Weltfahrt erreicht: die japanische Hauptstadt Tokio. Freude erfüllt das ' deutsche Volk! Abermals hat ein Werk der deutschen > Industrie allen Wettern und Stürmen getrotzt, aber- ! mals haben deutsche Männer eine Tat vollbracht, deren , Gelingen ein neues Kapitel in der Geschichte der Luft» > fahrt einleitet. Für die Besatzung des „Graf Zeppelin" muß die Fahrt von Friedrichshafen nach Tokio von eigen artigem Reiz gewesen sein. Sie konnten sich eines Schauspiels erfreuen, bis zu dessen Wiederholung ge raume Zeit vergehen dürste. Eine Fülle wechselnder Eindrücke stürmte vier Tage hindurch auf die Passagiere des „Graf Zeppelin" ein. Am ersten Tag jubelten dem Luftschiff Angehörige aller Berufsschichten des deutschen Volkes zu, an das süddeutsche Gebirgsland reihte sich die norddeutsche Tiefebene, Berlin tauchte auf, das deutsche Danzig grüßte, die Marienburg, heute wie ehedem das Wahr zeichen des Deutschtums im Osten, Königsberg rief dem „Graf Zeppelin" seinen Gruß entgegen, und dann läuteten in Tilsit die Glocken. Ter „Graf Zeppelin" nahm Abschied vom deut schen Volk, die Grenzen, durch einen Gewaltspruch uns aufgezwungen, versanken in der Ferne. Rußlands unendliche Wette breitete sich unter dem „Gras Zep pelin" aus. Fast drei Tage brauchte das Luftschiff, um aus dem russischen Reich herauszukommen. Hinter dem Ural wurde es einsam. Wälder und Sümpfe huschten unter der Gondel hinweg, Steppen und dann wieder Berglandschaften; nur Menschen und Siedlungen wa ren nirgends zu erkennen. Dann, nach langer Pause, wieder eine Stadt: Jakutsk, die Großstadt Ost sibiriens. Ter „Graf Zeppelin" verlangsamte seine Fahrt, steuerte auf den deutschen KriegerfAedhof zu und warf dann in einer Minute des Schweigens einen Kranz für die in russischer Erde ruhenden deutschen Soldaten ab. Von Jakutsk aus nahm der „Graf Zeppelin" über das kahle und an Lebewesen arme Stanowoj-Gebirge Kurs nach Süden. Ter Flug über das astatische Fest land war damit gelungen! Mit voller Kraft ging eS nun über das Meer hinweg, Sachalin zu und von da über die japanischen Inseln in flotter Fahrt nach Tokio. Rechnet man die Umwege hinzu, die das Luft schiff gemacht hat, um Schlechtwetterzonen auszubie gen, ergibt sich eine Gesamtlänge des Weges, die nicht viel hinter 12 000 Kilometer Zurückbleiben wird. Wenn es gelungen ist, diese Strecke in etwa 100 Stunden zu bewältigen, dann ist das ein Erfolg, wie ihn sich Lr. Eckener nicht besser wünschen konnte. An Bedeu tung gewinnt diese Leistung aber noch dadurch, daß der „Graf Zeppelin" zeitweise nur mit drei oder vier Motoren gefahren ist, um Betriebsstoff zu sparen. Also ein neuer Rekord? Zweifelsohne! Denn die Astenfahrt bedeutet nun einmal nach Entfernung und Zeit eine Spitzenleistung, die bisher noch kein Luft schiff vollbracht hat und die sobald auch kein Luftschiff dem „Graf Zeppelin" nachmachen wird. Tie Asien- Fahrt darf aber nicht nur nach dem Gesichtspunkt sport licher Erwägungen beurteilt werden, vielmehr legt diese Fahrt auch Zeugnis ab für die Leben sberech- tigung des Luftschiffes und für seine Geeignetheit als Verkehrsmittel in der Verbindung der Erdteile. Früher, als man erwarten konnte, geht jetzt die große Fahrt des „Graf Zeppelin" zu Ende. Mögen auch die Hoffnungen in Erfüllung gehen, die man in diesen Weltflug gesetzt hat, und möge der Weltwirt schaft und dem Welthandel in dem Luftschiff ein Ver kehrsmittel für den Alltag erwachsen. Es ist gleichgültig, ob der „Graf Zeppelin" noch in den regelmäßigen Verkehrsdienst gestellt wird oder nicht, sein Verdienst bleibt es auf alle Fälle, die Bahn sreigemacht zu haben. Und der Name „Graf Zeppelin" wird auch dann seinen Glanz behalten, wenn einst größere und stärker« Luftschiffe über die Weltmeere und die Erdteile hinwegfliegen sollten. Nicht über sehen wollen wir ferner, in welchem Maße der „Graf Zeppelin" durch Mne glanzvollen Fahrten dem deut schen Namen draußen in der Welt ein erhöhtes An sehen verschafft hat. Tie Erfolge des „Graf Zeppelin" beruhen nicht «ur auf Wagemut seiner Führer, sind nicht nur der Leistungsfähigkeit der deutschen Luftfahrtindustrie zu danken, sie künden auch vom Lebenswillen des deut schen BolleS und mahnen die Welt, Gewähr dafür zu schassen, daß die Kräfte dieses BolleS sich auswirken können. „Graf Zeppelin" in Tokio. Mach I63stündiger Fahrt glatt gelandet. — Begeisterte Aufnahme. — Tokio, 19. August. Ter „Graf Zeppelin" hat die zweite Etappe seiner großen Weltfahrt glücklich vollendet! Nach etwa 1O3stnndigcr Fahrt warf er heute gegen 11 Uhr M. E. Z. auf dem japanischen Flugplatz Kasumigaura die Halte taue und wurde dann, von den deutsche» Landsleute« uud de« Japanern stürmisch begrüßt, in die Halle ge zogen. Zuvor hatte das Luftschiff noch eine Rundfahrt über Tokio unternommen und vor dem kaiserliche« Palast seine Spitze gesenkt. Tie Landung auf dem Flugplatz verzögerte sich etwas infolge widriger Winde. Zur Begrüßung des Luftschiffes, dem vier ja panische Flugzeuge das Ehrengeleit gaben, hatte sich aus dem Flugfeld ein sehr zahlreiches geladenes Publi kum etngefunden. Sonderzüge brachten von Tokio her große Zuschauermassen heran. Tie Begeisterung der unübersehbaren Menschenmenge war groß. Selbst aus entferntesten Ortschaften waren Tausende und aber Tausende, darunter auch viele Arbeiter und Bauern, gekommen, um dem Schauspiel beizuwohnen. Tie deut sche Kolonie von Tokio und Kobe war vollzählig wer- sammelt. Nachdem die Mannschaft das Luftschiff ver lassen hatte, wurde sie zunächst nach japanischer Sitte mit gerösteten Kastanien und Wein bewirtet. Nach der Beendigung der offiziellen Begrüßungs feier aus dem Flugplatz wurde ein Teil der Zeppelin- Besatzung nach dem Sonderzug gebracht, der sie in die japanische Hauptstadt Tokio brachte. Bei der Ankunft der Zeppelin-Führer trug Tokio reichen Flaggenschmuck. Japans Kaiser empfängt Eckener. Ter Empfang der deutschen Gäste in Japan zeich nete sich nach den letzten Meldungen durch Herzlichkeit aus. Tie großen Zeitungen des Landes feier» begeistert den Erfolg deutscher Männer und deutscher Arbeit und die Behörden veranstalten große Feste zu Ehren Lr. Eckeners. Im Lanfe deS heutigen Dienstags wird Dr. Eckener übrigens auch von dem Kaiser von Japan empfangen werden. Die Gesamtstrecke des Weges, den das Luftschiff zurückgelegt hat, wird auf rund 12 000 Kilometer veranschlagt. Das ist die längste Strecke, die bisher ein Luftschiff in ununterbrochener Fahrt bewältigen konnte. Und trotzdem hatte der „Graf Zeppelin" damit seine Leistungsfähigkeit noch nicht erschöpft! Das Luftschiff hatte vielmehr bei seiner Landung noch für 60 Stunden Trrebgas und für 20 Stunden Benzin an Bord! Die erste« Glückwünsche. Aus Anlaß der glücklichen Vollendung der zweiten Etappe des Weltflugs erhielten die Führer des Luft schiffes zahlreiche Glückwunschtelegramme. Reichsver- kehrsminister Dr. Stegerwald drahtete an Dr. Eckener: „In stolzer Freude über Vie vo« Ihnen vollbracht« großartige Verkehrsleistung spreche ich Ihnen zugleich im Namen des Herr« Reichspräsidenten und der ReichSregie- rang herzlichste Glückwünsche zur Ueberwindung der ersten schwierigsten Etappe des Weltflnges mit dem Luftschifi „Graf Zeppelin" und beste Wünsche für die Fortsetzung des Fluges aus. Die hervorragende Leistung von Schiss und Besatzung erfüllt das ganze dentsch« Volk mit freudi ger Genugtuung." Ter japanische Botschafter in Berlin, hatte noch während der Asienfahrt folgendes Telegramm an Tr' Eckener gesandt: „Meine innigsten Wünsche begleiten den „Grafen Zep pelin" auf der epochemachenden ersten Fahrt nach Japan, die wesentlich zur weiteren Förderung der iapa- ntsch-deutschen Freundschaft beitragen wird. — Gleichzeitig wünsche ich Ihnen von Herzen eine erfolgreich« Durchführung ihres großartigen Planes des Weltfluges sowie Gesundheit Ihnen und allen Mitreisenden." Eine geschichtliche Tat vollbracht! Tie Hamburg-Amerika-Linie sandte fol gendes Telegramm: „Die progkammäßige Durchführung der zweiten Etappe des Weltfluges begrüßen wir Deutsche mit berechtigtem ! Stolz und mit unverbrüchigem Vertrauen zum „Graf Zep pelin" und seinem altbewährten Führer. Ihm und der Besatzung sendet die Hamburg—Amerika-Linie in treuer Arbeitsverbundenheit aufrichtige Glückwünsche. Ihre ge schichtliche Tat hat durch die sichere und planmäßige Aus führung den Wert deutscher Arbeit für die Welt erneut ; und überzeugend zur Geltung gebracht und bietet damit die beste Gewähr für eine glücklich« Vollendung, die wir Ihnen von Herzen wünschen, gez. Cuno." ; Suvetendeutsches Heimatfest. - Teutsch-öhmc» eine fest geschlossene Schicksalsgcmei«- i schäft. ! Ter Sudetendeutsche Heimatbund, Kreis Berlin- Brandenburg, veranstaltete in der Reichshauptstadt ein großes Heimatfest der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien. Tas Fest wurde mit einem Trachtenzug eingeleitet. Nach Vortrag mehrerer Musikstücke ergriff der Landsmann Paul Grimm das Wort zu der Festrede, in der er ausführt«, daß die ehemals deutschen Reichs länder Böhmen, Mähren und Schlesien entgegen der Verheißung des Selbstbestimmungsrechtes dem tsche chischen Staate ohne Abstimmung und gegen den Wil len des deutschen Dreieinhalb-Millionen-BolkeS gewalt sam einverleibt wurden. Der tschechische Staat habe 4800 deutsche Schulklassen und Schulen geschlossen, die deutschen Privatbahnen und Grenzwälder ent- eignet, 1229 000 Hektar Ackerboden und 2 73^000 Hektar Wald geraubt. 30 000 deutsche Beamte, die er laut Friedensvertrag hätte übernehmen müssen, hab« er nachträglich unter nichtigen Vorwänden entlassen. Professor Walter Saure ging in längeren Aus« führungen auf die Geschichte Böhmens ein und führt« aus, Teutschböhmen sei kein deutsches Traumgebilde, wie es die Gegner behaupten, sondern eine festgeschlos sene SchicksälSgemetnschaft. G- Odcrschlesiertag i« Liegnitz. Unter zahlreicher Teilnahme fand in Liegnitz del fünfte deutsche Ober^chlesiertag statt. Den Auftakt der Tagung bildete eine Sitzung der Landesgruppe Schlesien des Verband«» heimattreuer Oberschlesier. ES wurde beschlossen, die Tagung im Jahre 1930 in Breslau abzuhalten. Im festlich geschmückten Saale des Schieß« Hauses begann dann die Begrüßungsfeier, an der zahl« reiche Ehrengäste teilnahmen. Stadtrat Palatzky be« tonte, daß die Bedeutung des Oberschlesiertages darin liege breite Schichten des Bolles über den Verlust Ober« fchlesiens auszuklären. Die Festansprache hielt Justiz« rat Dr. Friedländer-Breslau. Russische Kreuzer i« Deutschlaud. Empfangsfeierlichkeiten in Swi»enrü«de ««V Berti«, Aus Anlaß der Anwesenbett der beiden russische« Kriegsschiffe „Profintern" und „Aurora" in Deutsch« land, die gegenwärtig in Swinenründe vor Anker Ü« gen, fanden dort am Montag größere Begrüßungsfeier« lichkeiten statt. Ter Kommandeur der Schiffe, Konter« admiral Rall, wird sich am heutigen Dienstag im Flu« zeug nach Berlin bcgeben, um einen Empfang im AuÄ wärtigen Amt und in der Botschaft beizuwohnen. Wie uns ergänzend berichtet wird, gehören btt beiden Schiffe zu den modernsten Einheiten der russi schen Kriegsflotte. Als sie im Hasen von Swinernüno« einliefen, nahm die Mannschaft Paradeaufstellung. Zur» Empfang der Schiffe hatten sich mehrere deutsche Tor» pedoboote und das Linienschiff „Elsaß" etngefunden- * Weiterfahrt veS italienische« Dchnlschrffgeschwavers. Tas italienisch« SchulschiMeschwader unter de» Kommando des Admirals Rota hat di« Wetterfahrt durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal nach Lomdorr am getreten. Khsfhäuserbund und Volksbegehren. Tie BuudeSorgauisattone« dürfe« de« Wktiousansschuf nicht -eitrete«. Die Leitung des Reichskriegerbundes Kyffhäuser hat den ihr angefchlossenen Organisationen untersagt dem „Aktionsausschuß für das Volksbegehren gegen den Aoungplan" beizutreten. Die Leitung der Krieger- verbände stellt fest, daß es sich um eine politisch« Aktion handelt, der der Kyffhäuserbund satzungSgemal sich fern kalten müsse. Briand weicht ans. Schlechter Stand der Ränmungsverhcmdlunge«. — Bel gien will die Engländer in der dritten Zone ersetzen! — Haag, 19. AuKtst. Briand wollte heut« in der auf vier Uhr nach mittags anberaumten Ministerbesprechung den endgültigen Räumungstermin bekanntgeben. In der französischen Delegation wurde jedoch bereits gegen Mittag bekannt, daß Briand sein Versprechen nicht einlösen wird. Er will überhaupt keinen präzisen Schlußtermin nennen, denn die französische Kammer mache die Räumung von der Annahme und der Durch führung des YoungPlanS abhängig, und eS sei nicht zu leugnen, daß das Schickfal des Aoungvlanes im Haag höchst ungewiß geworden sei. Frankreichs Vorwände. Briand läßt durch ihm befreundete Politiker be reits die deutschen Kreise „schonend" darauf vorbereiten, daß er die Räumungsfrage ganz dilatorisch behandeln will. Er bringt die unglaubwürdigsten und lächer lichsten Argumente vor. Er erklärt — wohlgemerkt immer unter Hinweis aus seine Freundschaft für Dr. Stresemann - die deutsche Presse sei dahin beeinflußt worden, daß sie die Engländer gegen Frankreich aus spiele und Briands ohnehin schon schweren Standpunkt gegenüber seinem Parlament noch erschwer«. Er be sitze doch nun einmal keine Mehrheit in der Kammer. Auch die Belgier seien nicht räumungsfreudig. Tatsächlich erklärt heute die „Belga", das halb amtlich«: Nachrichteubnrean Belgiens im Haag, im Ge gensatz zu den früheren belgischen Beteuerungen, -aß die belgische» Truppen vom 13. September ab aus den» besetzte« Gebiet zurückgezogen werden sollten, die Räumung der zweite»» Zone solle zwar z» diestm Zeitpunkt beginnen, aber die belgischen Truppe» wär- den nicht in ihre Heimat zurückkehren, sondern m me dritte vo» den Engländern geräumte Zone zicye . Ter internationale Charakter dieser besetzte» -ritte» Zone müsse gewahrt -leiben. Ganz abgesehen davon, daß "^n vmn «^ltsc^n intÄmationalen Brauch hohnfprechendeS Nor- Stresemann wird wohl de« französische« mtd den belgische« Chefdelegierte» iw« Vie deutsche Auf. firffnng nicht im ««klare« lasse« ««v Briand «wider«.