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Nr. 1S9 Beilage zur Weitzeritz-Zeitung Dienstag, am 27. August 1929 95. Jahrgang Chronik des Tages. — Das Luftschiff „Graf Zeppelin" ist Montag 2,18 Uhr nachmittags M. E. Z. glatt in Los Angeles gelandet. — In Genf wurde der fünfte Kongreß der natio nalen Minderheiten eröffnet. — Im Ehrenhos des Tannenberg-NationaldenKnalS fand die Weihe und feierliche Enthüllung von 60 Gedenk tafeln statt. ,,, — Am Sonntag ist in Leipzig die diesjährige Herbst messe eröffnet worden. — Die Zahl der Todesopfer des Eisenbahnunglücks bei Buir beträgt bis jetzt dreizehn. - Der Sohn des bayerischen Ministerpräsidenten, Heinz Held stieß in München mit seinem Kraftrad mit einem Stra ßenbahnzug zusammen und erlitt eine Gehirnerschütterung. Er mußte in die Chirurgische Klinik gebracht werden. — Das nebliche Wetter der letzten Tage hat an der schwedischen Küste eine ganze Reih« von Schiffsunglücksfällen zur Folge gehabt. Zn Los Angeles. — New Jork, 27. Angus». Der „Graf Zeppelin" hat die schwierigsten Etap pen seiner Weltfahrt hinter sich! Ter Ruhm dieses glückhaften Schiffes und seiner Männer ist unbestritten. In etwas mehr als 67 Stunden hat der „Graf Zep pelin" in glatter Fahrt durch Gewitterstürme und Nebelgebilde das größte Weltmeer überquert, den Stil len Ozean, der die japanische Inselwelt von dem amerikanischen Festlande trennt! Tas ist ein Erfolg, ein Rekord, den in den nächsten Jahren niemand dem „Graf Zeppelin" ent reißen wird! Eine Vorahnung von dem, was sie in den Vereinigten Staaten erwartet, erhielten die Männer des „Graf Zeppelin", als das Luftschiff im Scheine der untergehenden Sonne die BerghÄnge bet San Francisco überflog, die das Goldene Tor bilden. Ein Geschwader von Armeeflugzeugen stieg auf, um kreiste das Luftschiff, Hunderte von Luxusjachten lösten sich vom Hasen, folgten dem Zeppelin, und dazwischen heulten Srrenen, schrien Tausende und aber Tausende dem Luftschiff einen Willkommensgruß zu. Tie Bevölkerung der Stadt Los Angeles wurde mitten in der Nacht aus dem Schlafe geweckt. Ge spenstisch huschte der „Gras Zeppelin" über die schla fende Stadt hinweg. Vom Flugplatz her streckten rie sige Scheinwerfer ihre Fangarme aus und mit ihnen nm die Wette suchte der Scheinwerfer auf dem Tach« des gewaltigen Rathauses, des einzigen Wolkenkratzers der Stadt, das Luftschiff als erster zu erhaschen. Aus dem Brummen der Zeppelin-Motore und dem Ge donner der Flugzeuge, die dem „Graf Zeppelin" daS Ehrengeleit gaben, wurde ein Konzert, das den gesun desten Schlaf unterbrechen mußte. Und dabei ist man in Los Angeles nicht ver wöhnt. Los Angeles zeichnet sich auch an normalen Tagen durch einen Höllenlärm aus, der kaum noch übertroffen werden kann. Im Süden der Stadt ragen die Schornsteine der Oelindustrie gen Himmel, die aus 1100 Quellen der Erde das Petroleum ent zieht; im Norden hat eine Kinoindustrie ihren Sitz, die fast die ganze Welt mit Filmstreifen versorgt. Im Nordwesten von Los Angeles liegt die berühmte Film stadt Hollywood. Ter Weg von Los Angeles nach Hollywood wird durch Palmenwälder und Olivenhaine überschattet und durch die reizenden Villen der Film stars geschmückt. Tie Entwicklung der Stadt Los Angeles ist auch unter Berücksichtigung amerikanischer Verhältnisse er staunlich. 1781 aus einer spanischen Misstonssiedlung hervorgegangen, zählte Los Angeles 1870 etwa 5700 Einwohner und heute hat es mit anderthalb Mil lionen Menschen bereits San Francisco überflügelt! Ter Aufstieg setzte ein, als i« der Gegend von Los Angeles O e l entdeckt wurde. Ein wildes Spekulations fieber machte sich bemerkbar. Aus aller Herren Länder strömten Menschen nach Los Angeles, schnupperten nach Oel, kauften Gelände, bohrten, „machten Dollars" oder ruinierten sich bei einem Geschäft, das die Kräfte verzehrte, Kapital verschlang und den Geist verwirrte. Wenn man heute an der kalifornischen Küste hier und da nicht gut auf Los Angeles zu sprechen ist, obwohl der Name dieser Stadt zu deutsch die „Stadt der Engel" heißt, so sind das Nachwirkungen aus diesen Jahren des „boom". Immerhin ändert das nichts daran, daß derjenige, der einmal in Los Angeles ist, gewöhnlich auch bis zu seinem Ende dort verbleibt. Tas Klima ist gesund, die Temperatur ziemlich gleichmäßig, man „wandelt unter Palmen" und wer nicht selbst mit irdischen Gü tern gesegnet ist, freut sich fremder Pracht und fremden Reichtums Tazu herrscht Leben in der Stadt, findet jeder bei den zahlreichen Vereinen und Orden, die in A^^^les ihre Zelte aufgeschlagen haben, leicht Anschluß. Daß man in Los Angeles auch fremde Verdienste anzuerkennen und zu feiern weiß, zeigt der Empfang, der dort den Männern des „Graf Zeppelin" zuteil wurde. Tas, was die Massen auf die Beine bracht« und sie zum Flugplatz kinausführte, ist der Erfolg des „Graf Zeppelin", sind die Rekorde, die dieses in allen Wettern erprobte Schiff zu verzeichnen hat. Bedeutsamer noch als die Rekorde ist aber, daß die Weltfahrt des „Graf Zeppelin" bisher auch ein Maß von Sicherheit offenbarte und mit einer Pllnkt- Itchkeit vonstatten ging, die erstaunlich ist und deren praktikcher AuÄvertung hoffentlich keine unüber windlichen Schwierigkeiten entgegenstehen Zeppelin in LosAngeles gelandet. Ler Stille Ozean In Rekordfahrt bezwungen! — Stnndengeschwindigkeit bis 180 Kilometer erzielt. - New York, 27. August. Der „Graf Zeppelin" hat den Stillen Ozean in Rekordfahrt bezwungen und ist Montag nachmittag 2,18 Uhr deutscher ZeitrechMng — also in früher Morgenstunde amerikanischer Zeit — auf dem Flugplatz Minefield bet Los Angeles glatt gelandet. Beim Er scheinen des Luftschiffs brach ein ungeheurer Begeiste rungssturm der unübersehbaren Menschenmassen aus, die das Gelände bevölkerten. Der Oberbürgermeister von Los Angeles hatte die ganze Nacht auf dem Flug platz verbracht. Wie groß die Leistung ist, die der „Gras Zeppelin" auf der dritten Etappe seines Weltflugs vollbracht hat, ergibt sich daraus, daß das Luftschiff die 8695 Kilometer lange Strecke von der japanischen Küste bis zum amerikanischen Festland in etwas mebr als 67 Stunden bewältigen konnte. Die durchschnittliche Geschwindigkeit des Luftschiffes betrug 118 Kilometer in der Stunde, die Höchstgeschwindigkeit 180 Kilometer! »ei der Bewertung der ersten Luftschiffahrt über den Stillen Ozean ist zu bedenken, daß der „Graf Zep pelin" gut die Hälfte der Fahrt in dickem Rebel zurück- legen mutzte. In dieser Zeit lief an den Wände» des Luftschiffes ununterbrochen Wasser hinab. Unter dem Schiff wogte eine dicke, graue Masse, die undurchsichtig war und das Lnftschiff zeitweise bis auf 100 Meter iiber dem Meeresspiegel herabzwang, wenn die Navi gation einwandfrei sein sollte. Aber der „Graf Zep pelin" hat nicht nur mit dem Nebel zu kämpfen ge habt, er hat auch glatt eine Gewitterzone durchstotzen. In die Geschichte der Luftfahrt wird der Flug über den Stillen Ozean eingehen als längste Fahrt, die je von einem Luftschiff über offener See durch geführt wurde! Glockengeläut und Sirenengeheul. Tie amerikanische Bevölkerung jubelte dem „Gras Zeppelin" aus der Fahrt von der amerikanischen Küste nach Los Angeles begeistert zu. Ueber SanFrancis- e o gaben 50 Flugzeuge dem Luftschiff das Ehrengeleit. In den Jubel der Menge mischte sich das Geläut der Kirchenglocken und das Heulen der Sirenen. Ter Ver kehr stockte. Als das Luftschiff auf 50 Kilometer an Los Ange les herangekommen war, stiegen 100 Flugzeuge vom Minefield auf und flogen dem „Graf Zeppelin" ent gegen. 1,16 Uhr nachts erstrahlte dann der silberschim mernde Körper des Luftschiffes im Lichte der Schein werfer über Los Angeles. Tr. Eckener teilte durch Funkspruch mit, daß er erst bei Tagesanbruch landen wolle und führte dann einige Schleifen über dem Flugfeld aus. Aus die Kunde von der Ankunft des „Graf Zeppelin" geriet Los Angeles aus dem Häuschen. Zu Fuß und in Automobilen und Fahrzeugen aller Art eilten die Schaulustigen zu dem Flugplatz Minefield, wo sich in kürzester Zeit weit über hunderttausend Menschen > versammelt hatten. Tie amerikanische Rundfunkgesell schaft, die seit Stunden ausharrte, traf die letzten Vorbereitungen für die Uebertragung der Landuna. Die Landung. Fm Glanze des jungen Morgens erschien der „Graf Zeppelin" gegen 0 Nhr morgens ein zweites Mal über Los Angeles, nachdem er zuvsr noch di« Filmstadt Hollywood, Preise Ozean Park und Santa Monica überflogen hatte. Angeachtet der frühen Stun den waren die Dächer und Straßen dicht besetzt. Brau sende Hochrufe erschollen. Gleichzeitig trat die Marine- ! Mannschaft in Tätigkeit und führte das Landungsmanö» > der aus, während der „Graf Zeppelin" tiefer und ! tiefer herabging. Nm 2,18 Nhr deutscher Zeitrechnung ! war das Landungsmanöver beendet. Friedlich und ruhig lag das glückhafte Schiff am Ankermast; die Empfangsfeierlichkeiten nahmen ihren Anfang. Dr. Eckener erkrankt. Wie aus Los Angeles berichtet wird, ist Dr. Eckener, der Führer des Luftschiffes „Graf Zeppelin", am letzten Tage der Fahrt über den Stillen Ozean erkrankt. Inzwischen soll eine Besserung im Befinden Dr. Eckeners eingetreten sein. l * Di« Zeppelinlandung im Rmtdfttnk. , Die Landung des „Graf Zeppelin" ist von Los ' Angeles aus durch 60 angeschloffene Rundfunksender ! über ganz Amerika verbreitet woroen. Aber nicht nur > Amerika, auch in Deutschland haben Millionen von Hörern die Zeppelinlanvung im Rundfunk mtterleben können. Trotz der gewaltigen Entfermme zwilchen Los Angeles und Berlin — sie beträgt 12 000 Kilo« - meter - war die Stimme des Ansagers deutlich ven nehmbar. Dienstag neue Rheinlanddebatte. Einigung iiber die Kommissiousfvage? — Sin neue» Angebot an England. — Haag, 26. August. Im Haag haben heute von 'früh bis spät Bev handlungen stattgefunden, -denen am Sonntag nicht minder umfangreiche Besprechungen voraufgegangeq waren. Die vier „Opfermächte" Frankreich, Italien, Belgien und Japan unterbreiteten dem englischer« Schatzkanzler ein Angebot, das stach französischer Dar stellung die englischen FoHuwungen zu 60. Prozent erfüllen soll. Für seins bar sich Snowden Bedenkzeit aus. Wie verlautet, wird in diesem, dem englischen Schatzkanzler Snowden überreichten Memorandum darx auf hingewiesen, welche Vorteile England ohnehin aus dem Youngplan ziehen kann und was ihm Die Liqusg dierung deutschen Eigentums einbringe oder singebrachl habe. Besonders hervorgeboben wird, daß Italien zu gunsten Englands wesentliche Konzeffionen mache rmh aus sieben Millionen Annuitätszablungen Verzichtes di« es angeblich von der Tschechoslowakei zu beäm spruchen hat. Wer da die Tschechoslowakei bevettA durchblicken läßt, daß sie diese Ansprüche nicht kennt, so ist der Wert der Konzession Italiens noch nicht eindeutig. Ferner will Italien etwa 700 000 Donnen veuk scher Reparationskohle künftig auf dem Gisenbahnweg« beziehen, «m dadurch eine KohlenpreiSerhöhung UM günstigere Absatzbedingungen für englische Kohle z» schaffen. Auch in der Frage der Sachlieserungen komm man England sehr entgegen. Nach zehn Fahren sot ein internationaler Ausschutz darüber entscheiden, ob das System der Sachlieferungen überhaupt svrtgeführt oder neu organisiert werden soll oder ob eS zum Besten der Weltwirtschaft ausgegebe« werden müffe. Wenn Snowden nicht zufrieden ist, Witt man von Deutschland die bewußten Zugeständnisse Wer ein« Zedierung von 200 Millionen aus dem lionen-Ueberschuß erreichen, England und Deutschland sollen sich über die Verwendung dieser Sknnme selbst einigen. Di« deutsche« Minister Hilferding und LurtiuS haben jedoch bereits erkennen lasse«, daß Deutschla»»! unter keinen Umständen zu Opfer« bereit ist, die über de« «ahmen des UoungplaneS hiumtSgehe«. In politischer Beziehung ist man nicht weiter- aekommen. Tie Rheinlandvechandlungen, die heut« stattfinden sollten, wurden auf Dienstag vertagt. Neber das Komitee ist angeblich «ine Einigung erzielt worde«. Aber Briand hat noch immer keine» RammtngStermin genannt «nd auch kein« Kouzeffio« i« der Saarfrage gemacht. Er versteift sich auf die be» kannte« und widerlegte« Ausflüchte, »aß die fran zösischen Militärs die Räumung nicht so schnell in die Weg« leiten könnte« «nd ei« Pariser Ministerrat, a« dem die höchsten französische« Militärs teilnahve«, soll da» heute bestätigt habe«. Ist das wirklich dev Fall, dann werde« die deutschen Delegierte« richt viel a«s dem Haag mitbringen, und eS werden »och viel heikle Kriegsreste übrigbleibe«! Im einzelnen lauten die Meldungen aus dem Haag widerspruchsvoll. Ein Außenstehender kann sich kaum mehr ein Bild von dem machen, was denn «uw tatsächlich vorgeht. Hoffentlich folgen diesem Schweige« nicht unliebsame Ueberraschungen. Trauerfeier in München Neberführung der sterblichen Hüll« deS Marschalls Liman von Sanders nach Darmstadt. In München fand eine Trauerfeier für den ver storbenen General und Marschall Liman von Sanders Katt. Zu der Trauerfeier hatten sich u. a. Vertreter der Stadt, eine Abordnung preußischer Offiziere, ein« Abordnung der Garnison München und Vertreter des Stahlhelms eingefunden. T-ie Stadt München hatte dem toten Heerführer einen Ehrenkatafalk errichtet, auf dem der mit Kränzen geschmückte Sarg aufgestellt wurde. Stadtpfarrer Merz betonte in seiner Trauerrede, solange es eine deutsche Geschichte gebe, werde der Name des Verstorbenen in aller Munde sein. Treue und Opserbereitschaft seien die Haupteigenschasten dieses Kämpfers gewesen. Unter den Klängen des Präsentiermarsches wurde der Sarg dann von der Bahre genommen und nach Tarmstadt übergeführt, wo die Beisetzung der sterb lichen Hülle des Marschalls in der Familiengruft statt findet. Krankenversicherung der Erwerdslofem Ein Angebot der private« Krankenkasse«. — Die Stellungnahme des Reichstags. einer ^dLschnittlS Millionen, mit Krankengüd kü.s NU, ko Nen was eine Ersparnis von zirka MMionen kosten.,^^ Zustand betauten würde. ^ MWisWaldUktor dazu, wenn da, Reichsarbett-ministerium auch noch nüt berPÄfung de» An. Abots beschäftigt sei, so Habe rs doch bereit» Atzt große Zrundsätzltche Bedenk« gegen die UHerttammg der Kran- knverjlcherung auf private Berstcheruna-trKäer. Nachdem