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Ser Leipziger Schlachthos-Slanbal. Der Begin« -er Verhandlungen. Am Dienstag nahm das Schöffengericht Leipzig sie Verhandlungen gegen die aus dem Leipziger Schlacht pof-Skandal angeklagten Personen auf. Aus diesem Anlaß ist grundsätzlich folgendes fest- »ustellen: Es handelt sich bei dem Schlachthof-Skan-al, »er bei seinem Bekanntwerden viel Staub aufgewtr- telt hat, um dreierlei: 1. Um Betrug gegen die staatliche Schlachtvieh- »ersicherung,' 2. um Entwendung beanstandeter Lebern und Därme und 3. um Diebstahl bei der Fleischverteilungsstelle des Kürsorgeamts der Stadt Leipzig. Zu 1 ist zu bemerken, daß gesundes Vieh durch lluflegung von Finnen minderwertig gemacht ist oder »aß Schluß-Scheine für gesundes Vieh ausgestellt wurden, die als Unterlage der Seucheversicherung dienten und daß dieses gesunde Vieh durch unerlaubte Manipulationen zur Beanstandung kam, wodurch die versicherungssmmne fällig wurde. An diesem Betrug sind neun Groß-Schläch- ier, zwei Schlächtergesellen und drei städtische Beamte sowie ein Beamter i. R. beteiligt. Die Ent wendung von Lebern und Därmen ist durch sieben üäötische Arbeiter vollführt worden, die alle geständig inö. Bei der Entwendung von Fleisch in der Vertei lungsstelle des Fürsorgeamts kommen nur Privat- »ngestellte in Betracht. Zu 2 schwebt das Verfahren noch. Im übrigen ist das Vorverfahren abgeschlossen. Die in Mitleidenschaft gezogenen Beamten sind sofort ihres Amtes enthoben und auf halben Sold gesetzt worden. Ueber ihre disziplirmrische Verant wortung wird nach Erlaß eines rechtskräftigen Urteils gesprochen werden. Die Verhandlung wird drei Tage in Anspruch nehmen. Der bisher ermittelte Gesamtschaden beträgt 84 030 Reichsmark. So viel haben die An geklagten von der Versicherung zu Unrecht heraus bekommen. Außerdem haben sie sehr großen Ver dienst gehabt aus dem Wiedererwerb des beanstandeten Fleisches und dem nachträglichen Verkauf als voll wertiges Fleisch. Die Fleischermeister haben den Be amten als Entgelt für ihre Pflichtverletzung Zuwen- düngen in lächerlicher Höhe gemacht. So hat beispiels weise der mitangeklage Tierarzt Bertuch für seine verbotenen „Gefälligkeiten" wöchentlich seinen Sonn tagsbraten im Gewicht von fünf Pfund erhalten. Landtagsabgeordneter Schreiber In der Nacht zum Dienstag starb in einer Leip ziger Klinik der langjährige Landesvorsitzende des Sächsischen Landbundes, Landtagsabgeordneter Schreiber. Der Verstorbene wurde am 18. Mai 1869 in Leutewitz bei Riesa geboren und war Gutsbesitzer in Meschweitz bei Meißen. Schreiber ist lange Jahre hindurch politisch tätig gewesen. Er gehörte früher der Reformpartei und später der Deutschnationalen Volks partei an. Seit der letzten Landtagswahl in diesem Jahre war er Vertreter des Sächsischen Landbundes im Landtag. 1909 trat er erstmalig in das Parlament als Abgeordneter -es ersten ländlichen Wahlkreises ein. Nach dem Umsturz schied er aus dem Landtag und kehrte 1920 wieder in diesen zurück. Seitdem gehörte er ununterbrochen dem Parlament an. Er trat sehr oft in den Plenarsitzungen rednerisch auf und vertrat dort die Interessen der sächsischen Landwirtschaft und der Deutschnationalen Volkspartei. Ter 30-Ouavratmeter-Schärenkrcuzer „Kickcrle" gewann mit noch zwei anderen deutschen Booten aus der internationalen Segelregatta in den Vereinigten Staaten den Präsident Hoover-Pokal. „Kik- kerle" errang bei sechs Wettfahrten drei erste Preis« und schnitt damit am erfolgreichsten ab. Hilde ZLPernirk. Ter Name dieses unglücklichen, zu Tode gemar terten elfjährigen Kindes bedeutet eine ernste Mahnung an alle Eltern, eine ernste Warnung für alle Kinder. In Berlin Hai das arm Wesen unter den Klauen eine Lüstlings sein junges L.ben anshauchcn müssen. Tas; das Grausige in Berlin geschah, ist nebensächlich, jeden Tag kann dasselbe überall^ auch im kleinsten Torf geschehen, ist geschehen, häufig schon, wie jeder Werg, der sich zurückerinnern kann. Darum, ihr Eltern, gebt acht auf eure Kinder? Abgesehen davon, daß man den Kindern es nie genug einhämmern kann, sich nicht mit Fremden einzulassen, — wenn sie auch noch so freundlich tun, wenn sie für eine kleine Gefälligkeit auch noch so hohe Beloh nungen versprechen — vor allen Dingen niemals mit ihnen zu gehen, müssen die Eltern, so schwer das manchmal rst, ihre Kinder stets im Auge behalten, mindestens aber recht häufig nach ihnen sehen. Auf diese Weise wird manche Gefahr beseitigt. Zwar soll man die Kinder niemals ängstlich machen. Sie sind, namentlich auf dem Lande, ohnehin mitunter „scheu"; der Fremde kann kaum, manchmal, von ihnen eine Antwort erhalten. Man muß eben daS Maß von Warnung und Ermahnung richtig abschätzen. Vor allem soll man solche grausigen Tinge, wie wir sie jetzt wieder im Fall der Hilde Zäpernick erleben mußten, nicht in ihrer ganzen schreckhaften Dramatik schildern. Kluge Andeutungen genügen. Kindery aber, die auf geweckt, nicht „scheu" sind, diesen kann, ja muß man ruhig und offen sagen, worum es sich handelt. Haben die Eltern infolge einer richtigen Er ziehungsweise das Vertrauen ihrer Kinder, dann bleibt der Erfolg nicht aus. Tie Kinder werden alle außer gewöhnlichen Wahrnehmungen den Eltern mitteilen, ihnen nichts verheimlichen, und auf diese Weise kann in vielen Fällen eine furchtbare Gefahr vorbeugend abgewehrt werden. So bildet diese hingeschlachtete kleine Hilde für die Eltern ein Anlaß zu ernster Gewissensprüfung nach der Richtung, ob sie mit ihrer Erziehungsmethode auf dem richtigen Wege sind. Wo es nicht der Fall ist, da ist's höchste Zeit, den Kurs zu ändern. Denn die Welt wird tagtäglich schlechter, und die gemeinen Sub jekte leben nicht nur in den Großstädten, sie kommen auch in die kleinen Städte und in die entlegensten Dörfer und Gehöfte. H.D Nach der Hochflut des Reiseverkehrs. Tie Hochflut des Reiseverkehrs ist wieder einmal vorüber — glücklich der, der nun erst, nicht vom all gemeinen Trubel umgeben, seine Ferienruhe ge nießen kann. Was ist der Reiseverkehr doch heutzutage für ein wichtiger Faktor im Erwerbsleben vieler Tausender, im Wirtschaftsleben der Nation, ja der ganzen Welt geworden! Vor 40, 50 Jahren gabs noch keine Som merfrischen, keine Sonderzüge, und in die Badeorte reiste man, um gesund zu werden, nicht um nebenbei durch allerhand Vergnügungen sich von neuem abzu spannen und krank zu machen. Scharen von Menschen strömen heut zur Sommers zeit nach der See, nach den Bergen, nach den Wäldern, nach einsamen Dörfchen und internationalen Kurorten, ja auch über die Grenzen des Reiches hinaus. Tie ganze Menschheit wirbelt plötzlich durcheinander, und überall mutz man tüchtig in den Beutel greifen. Ter Mesenumfang des Reiseverkehrs verlangt einen Riesenaufwand. Allein der Binnenverkehr inner halb Deutschlands, nach dem Rhein, den Alpen, nach Thüringen, dem Schwarzwald, den Seebädern usw. dürfte über eine Milliarde bedingen. Dazu die vielen Millionen Nebenausgaben für Garderobe, Sportaus rüstungen, ärztliche Honorars, und nicht zu vergessen die vielen Millionen Trinkgelder. Wahrlich, das Gel- Hat laufen aelernt, und das ist eigentlich auch ganz gut. —a — Jeder einmal über Berlin! Grau streckt sich das steinerne Feld des Flug platzes, überhängt von einem wolkenschweren Nach mittag. Ter Regen rinnt über die Rollbahn, und zu weilen stößt der Sturm hinter ihm drein. — Im Rücken der Verwaltungsgebäude wartet Berlin, diese aufgewühlte, beunruhigende Metropole der Arbeit. In einem kümmerlichen Sonntagsstaat. Und am Horizont beginnt Berlin abermals. Mit Zementgetürm und Ziegelbau, mit Schienenstrang und Straßenquader. Sonntag! Und dennoch keucht die Riesenstadt aus tausend Schornsteinen. Und ihre Fangarme umklam mern diesen Bahnhof moderner Romantik, den Knoten punkt deutschen Luftverkehrs. Grau bleibt das Bild. Aber da fern nur ein Fetzen Sonne seine Oelde über flattert, fliegt Silberschein auf und Leben: die Strahlen fangen sich im Rumpf wartender Flugzeuge, die ge staffelt stehen zum Abflug. Sie sollen die Stadt über kreisen. Mit Menschen, die dem Gewühl des Alltags entrückt sein wollen: Fern für Minuten dem tödlichen Verkettetsein mit Erdenschwere und Alltagslast. Ob wohl kein Tag ist mit dem schmückenden Beinamen „Herrliches Flugwetter". Kein vielgerühmtes blaues Wolkenmeer, kein Ansichtskartenhimmel krönt diese Stunde. Und dennoch warten Hunderte. In Sehnsucht und voll Freude. Sie wollen ihren Runvflug haben. Noch heute. Und wenn es Abend wird. Trotz des bockigen Wetters. Berliner sind geduldig. In der Woche warten sie auf Bus, Untergrund und Train. Sie warten Sonntags auf ihr — Flugzeug. Es sind mancherlei Leute, die sich aufgeschwungen haben, zu Tat und Unternehmungslust. Ta steht der Briefträger Jakob, der heute höher hinaus will, als alltags vier Etagen. Da „geduldet" sich Angelika Hirse bein aus der Großen Frankfurter Straße. Sie tätigt sonst Detailverkäuse in der Markthalle. Und dann sind noch zu vermerken Arno Siebenhaar, der in einem Preisausschreiben seine Flugkarte gewann, wie er beiläufig bemerkt; ein besserer Herr unbekannten Namens. Und ich, der ebenfalls anonym in Erschei nung tritt. Sowie vier Passagiere aufgezählt wurden, hat uns das Schicksal — das ist der Flugleiter — zusam- mengesührt. Und für zwanzig Minuten werden wir verbunden bleiben in der Kabine eines Luft-Hansa- Flugzeugcs. Man führt uns durch die Sperre, vor über an einem Schupobeamten. Und nun waten wir auf den großen Vogel zu, besteigen ihn, warten. Zu weilen springt eine Windwoge den massigen Apparat an, hebt ihm die Brust. Tie Silberflügel zittern, die Flanken beben. Krastverhalten wölbt sich der Leib. Aus Stahl und Verspannung trotzen Widerstand und Ener gie. SWienSe Wucht, gebändigt« Stärke un§ überlegene Sicherheit liegen in diesem Berettsein von Motor und Ma schüre versammelt. Bis der Propeller suchend in» Loere greift, zuvückschlägt und schließlich ansvringt. An einem saugenden Wirbel, den er sich reißt aus Sturm, Regenguß und Nebelgefetz. Und die Maschine^ bepackt mit sechsfacher Menschenfracht, beginnt zu rol len. Mit dreimal hundertundfünfzig Pferdestärken. Sie galoppiert und springt zuletzt mit einem überlegenen Schwung ins — Nichts. Ins Exterritorialgebiet der Höhe. Und die Erde entflieht. Fensterkreuz, Haus, Baum, Mauerwand und Straßenzeile versinkt. Zurück bleiben die aroken Linier der Umrisse. Bisweilen Preschen »ersprengre Woltengeschosse vorüber, Regensahnen fetzen »orbei. Still wird die Welt. Nur am Kopf der Ma- chine donnert einer im Takt rasender Umdrehungen: »er Motor. Er singt das Lied der Technik und ihren Sieg über Erdenschwere und Erdgebundensein. Und die Maschine schwebt. Fünfhundert Meter joch donnert sie durchs All des Aethers. Sicher und »erankert in der Gewalt ihres Piloten. Niemals gerät »er Apparat aus dem Gleichgewicht statischer Voll kommenheit. Niemals kommt er ins Torkeln. Willig »leibt er in der Hand des Führers. Er zieht seine Kurven ebenmäßig, berechnet. Wie sie ausgewogen wurden, auf den Tafeln von Technik und Statistik. Er steigt und sinkt in der Unendlichkeit des Wolkenmeers wie es sein Führer befiehlt. Und schließlich bekommt die Maschine sanftesten Fall, strebt hinab in Gegen wart und Wiederkehr. Handgroß breitet sich da unten das Rollfeld. Wir alle erwachen aus der Versunken heit des Erlebens. Sind still und benommen. Nur lener bessere Herr ohne Namen bezweifelt die Möglich keit einer glatten Landung: „Det Plätzchen is ja nich größer wie 'n Tortenteller!" Gemach! Schon wächst uns alles entgegen, was fern war und ohne Bedeutung: Baum und Gebäude, Zementblock und Signalmast. .Und schließlich setzt der Apparat auf, sanft, erdensicher und krastverhalten. Still der Motor, stumm seine Propeller, die soeben mit der Macht ihrer Umdrehungen uns alle trugen. Wir schauen noch einmal hinauf, woher wir kamen; in diesen Himmel der Ungewißheit, der mit Nebelgewölk herunter droht, mit Gewitterguß und Sturmesböe. Keiner von uns fürchtet sie mehr. Wir waren ja mitten darin, noch vor Minuten. Und jedem von uns ist, als habe er etwas zurückgelassen da oben. Ein Stück Schwung kraft, irgend etwas himmlisch Leichtes, überirdisch Se liges. Einer streicht zärtlich und mit einem Besitzer gesicht über die Brust der machtvollen Maschine. Und dann nach Haus. Zurück in die Stadt. Hun dert Autos flitzen über den Damm, die Straßenbahnen schnurren, die Busse gleiten und aus den Schächten der Untergrundbahn donnern die Züge herauf. Stadt bahn schnurrt und Fernzug braust. Dies alles — fährt donnert, rast, voll Geschwindigkeit und Gewalt. — Ja, aber es fliegt doch nicht! Immer rutscht und rauscht das über Pflaster oder Schienen, erdgebunden, alltags nah. Frei, wirklich frei bist du nur da oben. Ent rückt den Fesseln der Erdenlast. Herbert Herbesthal. Der verschlafene Zukunftskrieg. Ein angenehmes Bild hat der angesehene Chemiker »r. Gustav Egloff aus Chicago vom Zukunftskrieg entworfen, der nach seiner Meinung den Völkern keine schlaflosen Nächte bereiten wird. Dr. Egloff ist nämlich der Ansicht, daß man nicht so grausam sein wird, jene schrecklichen Gase zu gebrauchen, die den Tod herbei führen, oder wenn sie in schwächerer Dosis wirken, furchtbare Wunden verursachen oder zu lebensläng lichem Siechtum führen; er gibt sich der optimistischen Hoffnung hin, daß im Zukunftskrieg vorwiegend ein schläfernde Gase verwendet werden, die die Bevölkerung ganzer Städte in wenigen Minuten betäuben, sozusagen chloroformieren, ohne dauernde Schädigungen zu hin terlassen. Er meint, daß die chemische Wissenschaft heute imstande ist, ganze Armeen, die an den Grenzen zu sammengezogen werden, in Schlaf *zu versetzen, ohne daß ein Schuß abgefeuert wird, und datz die kriegfüh renden Länder bald dem Schloß gleichen werden, über dessen Schlafsucht man sich als Kind in dem Märchen von Dornröschen gefreut hat. Dieser gemütliche Krieg wird nur von Aeroplanen geführt werden, die riesige Mengen Chloroform oder ähnliche betäubende Stoffe so plötzlich über große Flächen verbreiten werden, daß niemand Zeit haben wird, eine Gasmaske aufzusetzen oder sich auf andere Weise der Wirkung des Schlaf mittels zu entziehen. Es wird also überflüssig sein, Städte in Trümmer zu schießen und Menschen zu mor den; vielmehr wird die feindlich« Macht versuchen, die Bevölkerung eines ganzen Landstriches zu betäuben, und dann werden Truppen mit Gasmasken dieses Land besetzen, während sich noch die einheimische Bevölkerung in einer Art von Opiumrausch den schönsten Träumen hingibt. Das ist zwar auch keine heldenhafte Art der Kriegführung, wäre aber immerhin doch menschlicher als die Schrecken des Giftgaskrieges, mit dem die mi litärischen Sachverständigen aller Länder noch rechnen, und der, trotz den Utopien Dr. Egloffs, weit wahr scheinlicher ist als der Chloroformfeldzug Der Vergleich. Bon Justizinspektor Lienig in Goldberg (Schlesien). Im bürgerlichen Recht heißt ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewißheit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis im Wegs des gegen seitigen Nachgebens beseitigt wird, Vergleich; mit andern Worten der volkstümlichen Sprache: di« bisherigen Gegner vertragen sich wieder; sie haben die Meinungsverschiedenheiten über ihre rechtlichen Be ziehungen zueinander beseitigt und sich auf einer neuen Grundlage geeinigt, indem jeder etwas mit seinen An- - fprüchen zurückgetreten ist. Vorausgesetzt wird stets ein bereits bestehrndeS ! Rechtsverhältnis, sei es ein Geschäft zwischen zwefln fei es eine Handlung oder Willenserklärung, die recht- j liche Folgen zur andern Sette aehaht hat. Darüber