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Mittwoch, am 14. August 1929 Beilage zur Weitzerty Zeitung Nl. 188 Mittwoch, am 14. Auaust 1829 95. Jahrgang Chronik des Tages. — Reichsarbeitsminister Wissen will die FraktionSfüh- rer über die Haager Besprechung über di« Reform der Arbeitslosenversicherung unterrichten. — Früchten zufolge wollen Italien und Japan in der Berteilungsfrage zugunsten EnKandS verzichten. , —Die sterbliche Hülle Heinrich Zilles wurde in Ber- lin-Stahnsdorf feierlich beigesetzt. — Bei Macerata in Italien wurden drei Kinder, die mit einem gefundenen Artilleriegeschoß spielten, durch Explosion der Granate getötet. — Auf der Jslandinsel Flatö und einigen benach- E barten Inseln sind in vielen Fällen ganze Familien an Mr Masern erkrankt. — In Padron in der Provinz Coruna ereignete sich eine furchtbare Kesselexplosion, durch die die ganze Fabrii vollkommen zerstört wurde. Aus den Trümmern wurden - bisher drei Leichen und zahlreich« Schwerverletzte geborgen. Räumungsfrage aufgerollt — Haag, 14. August. Tie Konferenz im Haager Binnenhof steht in , einem schrillen Gegensatz zu dem heiteren Leben und U Treiben am Nordseestrand bei Scheveningen. Im Haag I Platzen die Gegensätze aufeinander, ringen die Minister M um schicksalsschwere Entscheidungen, in Scheveningen M aber gibt sich die elegante Welt ein Stelldichein, huschen W phantastische Kostüme am Strand entlang. Sachliche Entscheidungen sind noch immer nicht ' M gefallen; alles befindet sich noch in der Schwebe. Ge- M wißheit hat man nur über «ins, nämlich darüber, das M es sehr schwer halten wird, die Haager Konferenz 1928 W erfolgreich zum Abschluß zu bringen. , Ta man in den Ausschüssen bisher zu keinem H Ergebnis kam, versuchte man es am Dienstag erneut ' mit privaten Besprechungen und Sonderkonferenzen. Zur Debatte stand das Datum und die Durch führung der Rheinlandräumung. Deutsch land war durch den Reichsaußenminister Dr. Strese mann und den Minister für die besetzten Gebiete Dr. Wirth vertreten, Frankreich durch seinen Ministerpräsi denten Briand, England durch Außenminister Hen derson und Belgien durch Hymans. Gleichzeitig hielten auch die Juristen eine Sitzung ab und prüften di« Rechtslage in der Frage der Feststellungskommisfion. Für den heutigen Mittwoch sind wieder Voll- sitzungen der Kinanzkommission und des politischen -G Ausschusses vorgesehen. -R Briands Taktik im Haag läuft offensichtlich ? daraus hinaus, den Fortgang der Beratungen im poli tischen Ausschuß zu erscKveren. Frankreich will damit erreichen, daß zuerst in der Finanzkommission eine Klärung erfolgt und es hofft wohl auch, für ein Nachgeben in der finanziellen Streitfrage englisch« Konzessionen in der Räumungsfrage eintauschen zu können. Tie Art, wie Briand ausweicht, zeigt, daß di« Franzosen noch weit davon entfernt sind, dem Sinn der Haager Konferenz gerecht zu werden. Briand betet - nach, was ihm die französischen Generale im Rhein land vorgesagt haben und gefällt sich darin, die tech nischen Schwierigkeiten zu schildern, die einer schnellen Abberufung der Besatzungstruppen angeblich im Weg« stehen. Zu einer Maßnahme, für die man im Krieg« schlimmstenfalls zehn Tag« benötigte, glaubt Briand Monate Zeit haben zu müssen. Menschenfreundlich wie er ist, möchte Briand auch das Wohlergehen der A französischen Soldaten nicht gefährden und ihre Ge- fundheit nicht dadurch schädigen, daß er ihnen groß« ' Truppenbewegungen im Winter zumutet. , Auf dieses Argument hin gab Reichsaußenminister - . Tr. Stresemann unter dem Beifall Hendersons § Briand den Rat, den französischen Truppen doch ein« F neue Ueberwinterung im Rheinland zu »ersparen! Tie Räumung sei kein finanzielles Ge- M schäft mit Leistung und Gegenleistung, fondern ein« M Forderung der völkerrechtlichen Ethik. Jedenfalls sei W eine, Annahme des Joungplans für Teutfchland ohne U die völlige und sofortige Räumung des RhsinlandeS W undenkbar! Die politischen Schwierigkeiten der Haager Kon- M ferenz stehen also den finanziellen an Bedeutung nicht W nach. Für Deutschland geht es nun darum, zu ver- Ä bindern, daß man die politischen und finanziellen § M Fragen miteinander verkoppelt und sich auf unser« . W Kosten einigt. Ansätze nach dieser Richtung hin sind M unverkennbar vorhanden. Ein französischer Rückzug M in der Finanzkommission ist nicht zu verhindern, und W ist wahrscheinlich bereits im Gange. Snowden ist eine W Art Nationalheiliger Englands geworden, dem alles i U begeistert zustimmt; selbst Lloyd Georae bat Snowden W beglückwünscht. In dieser Lage haben die Franzosen > nur die Wahl, entweder den englischen Forderungen ! stattzugeben, oder aber das Scheitern des AoungPlanS in Kauf zu nehmen. Briand aber hat das Bestreben, ! M seinem Parlament die finanziellen Zugeständnisse an , M England dadurch schmackhaft zu machen, daß er in den käumungsverhandlungen England für die Anerken- > ung des französischen Standpunktes gewinnt. ! - die Engländer sich auf dieses Spiel einlassen ! Werden, ist freilich eine ander« Sache. Snowden kämpft nicht nur um einige Millionen mehr oder weniger, Vielmehr ist die englisch« Haltung auch dadurch bedingt worden, daß die neu« britische Regierung Frankreich üegenüber größere Selbständ^keit erstrebt. England Win* nAEttk und sein Au«. mehr, wie unter Cham- grasen von Parts Rat und "das Stichwort holen. <! Wenn man somit die Gefahr im Laaa auch nickt übertreiben darf, sollte man sie 'andererseits auch nicht unterschätzen. Wachsamkeit ist geboten, und das um so mehr, als dies« Konferenz nur unter fortwährenden Krisen und Kämpfen zu Ende gehen wird. Stimmungsumschwung im Haag. Verzichtet Japan zugunsten Englands auf Repara tionen? — Verminderung des italienischen Repara- tionSanteils? - — Haag, 14. August. In den Verhandlungen der Haager Konferenz über die finanziellen Streitfragen scheint sich eine ent scheidende Wendung vorzubereiten. Es ist davon die Rede, daß Japan zugunsten Englands auf Reparationen verzichten und Italien auf die Streichung seines er höhten Anteils an den deutschen Tributen verzichten will. > Wie uns von gut unterrichteter Seite mitgeteilt wird, handelt es sich hierbei um Anregungen, deren Einzelheiten noch reichlich unklar sind. Wenn Japans Anteil an den Reparationen auch nicht erheblich ist — Japan erhält nach dem Mungplan jährlich 12 Millionen Mark — so wird Japan, nur um ein Bei spiel von Selbstlosigkeit zu geben, aus diesen Betrag ganz gewiß nicht verzichten. Wohl aber wäre es mög lich, daß Japan sich zu einer großen Geste des Verzichts entschließen könnte, in der Hoffnung, damit ein besseres englisch-japanisches Einvernehmen in allen Fragen der Weltpolitik herzustellen. Was Italien betrifft, so sind die Italiener in Paris zwar günstiger weggekommen, als sie es wohl selbst erhofft haben — ihr Reparationsanteil wurde nämlich im Uoungplan um 2 Prozent auf 12 Prozent erhöht, doch wird Mussolini auf diese 2 Prozent ohne jede Gegenleistung kaum verzichten wollen. Wenn man also über die Einzelheiten der an geblichen Wendung im Haag noch völlig im Dunkeln tappt, so liegt es doch auf der Hand, daß die Gegen leistungen an Japan und Italien kaum zu Lasten Teutschlands gehen können. Immerhin wird man lich zunächst Zurückhaltung auferlegen, bis genauere Mit teilungen vorliegen. Ueber den Berg ist die Konferenz aber auch dann noch nicht, wenn der italienisch-japa nische Verzicht Wirklichkeit wird. Tenn dann bleiben noch die Schwierigkeiten in der Frage der Sachlieserun- gen und vor allem die Schwierigkeiten in der Frag« der Rheinlandräumung, di« nur durch ein Ein lenken Frankreichs überwunden werden können! Tie Stimmung im Haag ist jetzt allerdings wieder etwas besser. Auch die Engländer haben wieder Hoff nung gefaßt, und der belgische Ministerpräsident Jas- Par, der gemeinsam mit dem Japaner Adatschi und dem Franzosen Loucheur die Einigungsverhandlungen führte, erklärte der Presse, die Verständigungsaussicht sei in greifbare Nähe gerückt. * England WM unbedingt räumen. Ueber die Unterredung der Vertreter der drei Be satzungsmächte mit den deutschen Ministern Dr. Strese mann und Tr. Wirth verlautet, daß Briand sich noch immer nickt von seinem Plan zu einer „Feststellungs- und Versöhnungskommission" trennen kann. Selbst verständlich wendet sich Deutschland mit aller Schärf« > gegen eine solche Kommission, die das Mißtrauen ver- ! ewigt und mit dem Aoungplan unvereinbar ist. Tabci ist es bemerkenswert, daß auch der eng- ! lisch« Außenminister Henderson gegen eine Kontroll- ? kommission ist und deutlich durchblicken ließ, daß sein« Regierung fest entschlossen sei, die «esatzungstruppen noch in diesem Jahr aus dem Rheinland zurückzuziehen , Die Londoner Zeitung „Daily Telegraph" ergänzt dies« ; Mitteilungen dahin, die Zurückziehung der englischen i Truppen werde auch nicht davon abhängig gemacht ! Verden, ob man sich im Haag auf eine besonder« Ucberwachungskommission dcr entmilitarisierten Zon« i einige oder nicht. j Politik auf der Reklameschau. ! Reichsminister Dietrich-Vaden, Botschafter Schurma« und Lord Birkenhead als Festredner. Im Rahmen der Internationalen Reklameschau in Berlin vereinigten sich zahlreich« Minister, Diplo maten und Parlamentarier zu einem Festessen. Ter Botschafter der Vereinigten Staaten, Schur man, feierte in einer Tischrede die Kunst der Reklame als einen Faktor, der in Ländern mit noch wenig ent wickelter Industrie die modernen Errungenschaften der Technik und der Wirtschaft zu trägen berufen sei. Bei der Werbung auf geistigem Gebiet eröffne sich für den Werbefachmann ein Arbeitsfeld, das die höchst« Geschicklichkeit, das tiefste Wissen und die reichsten Erfahrungen erfordere, nämlich die Verständigung der Völker. Wenn die Reklamefachleute den Politikern und Journalisten zu Hilfe kommen würden, wäre daS sehr zu begrüßen. s Reichsernährungsminister Dietrich-Baden über brachte die Grütze der RetchSregierung. Er wies daraus Hin, daß auch die deutsche Landwirtschaft ein großes Interesse an der Reklame habe, um ihren guten (Azeug- nis en einen besseren Absatz zu schaffen. Er habe vmi - ^»Kongreßteilnehmern gehört, daß sie änen be- , sonders günstigen Eindruck von dem Aufschwung der I deutschen Wirtschaft gewonnen hätten. ES sei aber ! keineswegs so, daß die Deutschen in ihrem Wirtschaft«, kämpfe schon am Ziel« seien. Nur in einem Punkte stien wir zu einem Ziele gelangt, und das A die Tatsache, daß Deutschland den Willen habe, mit allen Völkern wieder zusammenzuarbeiten. „Wenn sie", so schloß der Minister, „es hinaustragen in die Wett, daß wir auf die Zusammenarbeit mtt der ganzen Wett , angewiesen sind und daß wir dies« ZusaMmenarLM wollen und wünschen, dann wird das Ergebnis dickes bedeutungsvollen ReklamekongresseS vielleicht auch füll uns in Deutschland eine gute und wahrheitsgemäß« Reklame sein. > Anschließend sprach der frühere englische Maat»« sekretär für Indien, Lord Birkenhead, der etnkeft tend seiner Ueberzeugung Ausdruck gab, daß di« grotzE deutsche Natton ihren führenden Platz unter den Rctt tionen des Kontinentes erobern werde. Wenn man der ungeheueren Anstrengungen Deutschlands während deS Weltkrieges gedenke, so müsse man sagen, daß keim Land der Welt je einen besseren Kampf gekämpft habe, als Deutschland. Unter dem Beifall der Anwesenden erklärte er zum Schluß, daß Europa sein Glück nur mit eigener Kraft erobern könne. Zusammenarbeit mit Amerika werde gewünscht und sei erforderlich. Aber Europa müsse dennoch in der Hauptsache auf sich selbst vertrauen. Die Verficherungsreform. Wissen und Severing nach Berlin znrückgekehrt. — Diel Fraktionsführer werden unterrichtet. i Die Reichsminister Severing und Wissel! sind vons Haag nach Berlin zurückgekehrt. ReichSarbeitSministerl Wiffell wird nunmehr die Frakttonsführer der Regtesl rungsparteien empfangen und sie über den Stand der Verhandlungen zur Reform der Arbeitslosenveri sicherung unterrichten. ! Tie Mitglieder des Reichskabinetts sind dakini übereingekommen, daß bet den Verhandlungen in der Versicherungsfrage alles ausgeschaltet werden muß, wag den Zusammenhalt der Koalition gefährden kann. Uml die Vorarbeiten in Ruhe zu Ende führen zu können, soll der Zusammentritt des sozialpolitischen Ausschuss des Reichstags um etwa acht Tage hinausgeschobert werden. < Lie Christlichen Gewerkschaft«« fiir die Beitrags« erhöhung. i Ler Vorstand des Gesamtverbandes dgp Christ-, lichen Gewerkschaften beschäftigte sich mit den Plänen zur Reform der Arbeitslosenversicherung und kam da-, bei zu dem Ergebnis, daß eine vorübergehend« Er* Höhung der Beiträge angebrachter sei, als eine Herab-» fetzung der Unterstützungssätze. Italienischer Kreuzerbesuch in Kiel, Die Begrüßung der Gäste. In Erwiderung der zahlreichen Besuche deutscher Kreuzer in Italien trafen di« beiden italienischen Schul- kreuzer „Pisa" und „Ferruccio" unter Führung des Admirals Rota in Kiel ein. Nach dem Austausch der Salutschüsse begab sich der italienische Generalkonsul an Bord des Flaggschiffes und stattete sodann dem Chef der Marinestatton der Ostsee, dem Oberbürger meister von Kiel, dem Oberpräsidenten sowie dem Be fehlshaber der Seestreitträft« der Ostsee Besuche ab. Die italienischen Gäste wurden von der Stadt Kiel auis herzlichste begrüßt. Politische Rundschau. — Berlin, den 14. August 192S. — Der Leiter des Deutschen Auslandsinstituts» Ge neralkonsul Dr. Wanner, gab ein Essen, zu dem sich auch der schwedische König eingefunden hatte. * :: General Diaz in München. Zu Ehren des Ge neralinspektors der chilenischen Arme«, General Diaz, der gegenwärtig mit dem Chef der deutschen Heeres leitung, General Heye, in Bayern weilt, veranstaltete die Reichswehr in München «inen Zapfenstreich. Ge neral Tiaz legte am Kriegerdenkmal einen Kranz nieder. :: Balvige Vorlegung deS Reichsmilchgesetzcs. Nachdem es in den Vorbesprechungen gelungen ist, über das Reichsmilchgesetz eine Einigung mit den Ländern herbeizuführen, wird der Reichsernährungsminister in nächster Zeit den Entwurf eines Reichsmilchgesetzes dem Reichskabinett vorlegen. - Die Baltische Flotte der Sowjetunion führt gegen wärtig rn der Ostsee Manöver aus. * Der neue Entwurf des amerikanischen Zolltarifs, der vom Staatsausschuß nächste Woche bekanntgegeben wer den wll, ist nunmehr fast fertiggestellt PoincarL aus der Klinik entlassen. . . »Der frühere französische Ministerpräsident Poincarö M "'M seiner Operation soweit erholt, daß er die Klinik verlassen konnte. Der zweite chirurAsche Eingriff ist für Mitte September vorgesehen. In der Zwischenzeit wird sich Poincarö auf seinem Landgut aufhalten. Russische Sonderarm«« für vstasien, . Wie aus Moskau gemeldet wird, bat dI Kriege» und Revolutionsrat beschlossen, eine den Fernen Osten aufzustellen. Zum Ebel dieser Armee ist General Blücher ernannt worden. Sport. „ ia «und« im SchachtmAttr. Rach der 1k Lma^nd Ädm^ üL" mLmoU Gi/g ^/^^awwer un^ 4, W^urck Maroezy AH, Dr. Trehval s, Lyomas 2, ym. Mentschir 1 PuRkt, rr vr«^«-^nss*» gewlmm« HeriomdaMt. LA tMrnattoyalen deutschen Tennismeisterschaft!« fiwdentbee»